Von verpassten Zielen, neuen Prioritaeten und Meisterwerken der Literaturgeschichte

Von verpassten Zielen, neuen Prioritaeten und Meisterwerken der Literaturgeschichte

Hallo ihr Lieben! 😊

Ist es im März 2024 bereits zu spät, um noch einen Jahresrückblick für 2023 zu veröffentlichen? Vielleicht. Ja, ich bin dieses Jahr reichlich spät dran. Kümmert mich das? Nein. 😁 Für mich als Buchbloggerin ist ein Lesejahr erst abgeschlossen, wenn die letzte Zahl ausgewertet, die letzte Bewertung eingeordnet und das Fazit des Jahres geschrieben ist. Deshalb präsentiere ich auch jetzt noch, im März 2024, den Jahresrückblick 2023 auf dem wortmagieblog, in dem wir auf Herz und Nieren prüfen, wie mein vergangenes Lesejahr gelaufen ist!

Die alten Hasen kennen die Rahmenbedingungen dieses jährlichen Monsterbeitrags bereits. Für alle Neulinge erkläre ich es aber gern noch mal. Mein Jahresrückblick teilt sich in zwei Abschnitte. Im ersten, meinem statistischen Jahresrückblick, beschäftigen wir uns mit den harten Fakten und Daten meines Lesejahrs. Ich werte sie in verschiedenen Kategorien aus, analysiere und vergleiche die Ergebnisse aus 2023 mit vergangenen Jahren. Das alles wird natürlich von Diagrammen begleitet, die die Tatsachen visuell aufbereiten. Abgerundet wird dieser Abschnitt von einem Zwischenfazit.

Im zweiten Part, meinem emotionalen Jahresrückblick, wird es gemütlicher. Ich lasse 2023 anhand eines Fragebogen Revue passieren, der verschiedene inhaltliche Aspekte beleuchtet und mir die Gelegenheit gibt, die Höhe- und Tiefpunkte meiner Lektüreauswahl des vergangenen Jahres zusammenzufassen. Ich erzähle Anekdoten, rege mich auf, schwelge in guten Erinnerungen und mache einfach das, was alle Buchblogger_innen am liebsten tun: Ich rede über Bücher.

Zum Schluss erwartet euch ein Gesamtfazit, in dem ich meine Schlussfolgerungen aus beiden Abschnitten erläutere, einen Ausblick in die Zukunft wage und 2023 endgültig abschließe.

Ihr müsst diesen extrem umfangreichen Beitrag selbstverständlich nicht am Stück lesen. Es gibt ein Inhaltsverzeichnis, mit dem ihr ganz frei und nach Belieben zwischen den verschiedenen Abschnitten und Kategorien navigieren könnt. Ihr könnt jederzeit unterbrechen und bei eurem nächsten Besuch einfach wieder dorthin springen, wo ihr letztes Mal aufgehört habt.

Seid ihr bereit? Dann schnallt euch an, lehnt euch zurück und gestattet mir, euch in mein Lesejahr 2023 zu entführen! Lasst uns gemeinsam herausfinden, ob es ein gutes oder eher bescheidenes literarisches Jahr für mich war!

Hallo ihr Lieben! 😊

Ist es im März 2024 bereits zu spät, um noch einen Jahresrückblick für 2023 zu veröffentlichen? Vielleicht. Ja, ich bin dieses Jahr reichlich spät dran. Kümmert mich das? Nein. 😁 Für mich als Buchbloggerin ist ein Lesejahr erst abgeschlossen, wenn die letzte Zahl ausgewertet, die letzte Bewertung eingeordnet und das Fazit des Jahres geschrieben ist. Deshalb präsentiere ich auch jetzt noch, im März 2024, den Jahresrückblick 2023 auf dem wortmagieblog, in dem wir auf Herz und Nieren prüfen, wie mein vergangenes Lesejahr gelaufen ist!

Die alten Hasen kennen die Rahmenbedingungen dieses jährlichen Monsterbeitrags bereits. Für alle Neulinge erkläre ich es aber gern noch mal. Mein Jahresrückblick teilt sich in zwei Abschnitte. Im ersten, meinem statistischen Jahresrückblick, beschäftigen wir uns mit den harten Fakten und Daten meines Lesejahrs. Ich werte sie in verschiedenen Kategorien aus, analysiere und vergleiche die Ergebnisse aus 2023 mit vergangenen Jahren. Das alles wird natürlich von Diagrammen begleitet, die die Tatsachen visuell aufbereiten. Abgerundet wird dieser Abschnitt von einem Zwischenfazit.

Im zweiten Part, meinem emotionalen Jahresrückblick, wird es gemütlicher. Ich lasse 2023 anhand eines Fragebogen Revue passieren, der verschiedene inhaltliche Aspekte beleuchtet und mir die Gelegenheit gibt, die Höhe- und Tiefpunkte meiner Lektüreauswahl des vergangenen Jahres zusammenzufassen. Ich erzähle Anekdoten, rege mich auf, schwelge in guten Erinnerungen und mache einfach das, was alle Buchblogger_innen am liebsten tun: Ich rede über Bücher.

Zum Schluss erwartet euch ein Gesamtfazit, in dem ich meine Schlussfolgerungen aus beiden Abschnitten erläutere, einen Ausblick in die Zukunft wage und 2023 endgültig abschließe.

Ihr müsst diesen extrem umfangreichen Beitrag selbstverständlich nicht am Stück lesen. Es gibt ein Inhaltsverzeichnis, mit dem ihr ganz frei und nach Belieben zwischen den verschiedenen Abschnitten und Kategorien navigieren könnt. Ihr könnt jederzeit unterbrechen und bei eurem nächsten Besuch einfach wieder dorthin springen, wo ihr letztes Mal aufgehört habt.

Seid ihr bereit? Dann schnallt euch an, lehnt euch zurück und gestattet mir, euch in mein Lesejahr 2023 zu entführen! Lasst uns gemeinsam herausfinden, ob es ein gutes oder eher bescheidenes literarisches Jahr für mich war!

Statistischer Jahresrückblick 2023

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Gelesene Bücher
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Ich wusste im Laufe des vergangenen Jahres, dass ich vergleichsweise wenig las, für einige Bücher lange brauchte und mein Lesechallengeziel von 70 Büchern vermutlich nicht erreichen würde. Das fühlte sich überhaupt nicht gut an. Obwohl ich mir Anfang 2023 fest vorgenommen hatte, mich von meinem generellen Lesefortschritt und der Zahl meiner gelesenen Bücher nicht mehr stressen zu lassen, konnte ich diesen Vorsatz nicht erfüllen. Es ist mir nicht gelungen, mein neues Lesepensum zu akzeptieren.

Entsprechend frustriert war ich, dass ich am Ende des Jahres lediglich 56 gelesene Bücher und 24.882 gelesene Seiten vermerken konnte, was noch einmal weniger als 2022 ist, als ich meinen letzten historischen Tiefpunkt eingestehen musste.

Mittlerweile haben wir März und ich hatte Zeit, mich mit diesen Zahlen abzufinden. Heute lösen sie in mir keine Frustration und auch kein schlechtes Gewissen mehr aus, sondern nur noch ein leises Bedauern, dass ich 2023 nicht mehr Geschichten in meinem Alltag willkommen heißen konnte. Ich bin darüber hinweg. Rein quantitativ war 2023 kein gutes Lesejahr – Schwamm drüber, Strich drunter.

Ich erzähle seit drei Jahren, wie sehr sich mein Leben verändert hat und dass ich lernen muss, zu akzeptieren, dass ich nicht mehr so viel lesen kann wie früher. Ich fange an, mir damit selbst auf die Nerven zu gehen. Ich habe es satt, der fiesen Stimme in meinem Kopf zu lauschen, die trotz der vielen guten rationalen Gründe für mein verringertes Lesepensum nicht aufhören will, mir Vorwürfe zu machen, dass ich nicht mehr lese. Ich will das nicht mehr. Es wird Zeit, dass die Stimme endgültig verstummt. Denn sie nimmt mir den Spaß am Lesen. Und das ist wirklich inakzeptabel.

Strategien funktionieren nicht. 2023 hat gezeigt, dass ich die Stimme nicht austricksen kann, egal, welche mentalen Übungen ich absolviere. Also braucht es einen radikaleren Ansatz. Wenn ich die Stimme nicht ignorieren und so zum Schweigen bringen kann, muss ich ihr offenbar entgegenkommen, damit sie den Mund hält. Ich muss meine Prioritäten neu ordnen.

Mein grundlegendes Problem besteht darin, dass ich nicht genug Freizeit habe, um in all meine Interessen und Hobbys dieselben Zeitressourcen zu investieren. Ich kann nicht gleichzeitig mit Saverio durch die Wälder des Berliner Umlands streifen und lesen. Ich kann nicht gleichzeitig eine Serie schauen und bloggen. Ich kann nicht gleichzeitig auf der PlayStation spielen, puzzeln und kochen. Ich muss mich immer entscheiden. Das nervt, ist aber die Alltagsrealität von so ziemlich allen berufstätigen Menschen auf der Welt. Es ist keine exklusive Hürde, die nur mich allein als Individuum betrifft.

Ich muss nicht lernen, zu akzeptieren, dass ich weniger lese. Ich muss lernen, zu akzeptieren, dass ich für alles weniger Zeit habe. Ich muss mich damit abfinden, dass ich in meiner Freizeitgestaltung Entscheidungen treffen muss und lernen, zu diesen Entscheidungen zu stehen. Eine Prioritätenverschiebung ist angesagt. Wie genau ich das meine und was das für die Zukunft des wortmagieblogs bedeutet, werde ich in meinem Fazit erläutern.

Der Punkt ist: Auch wenn ich mich mittlerweile damit abfinden kann, dass ich 2023 so wenig gelesen habe wie nie zuvor, möchte ich 2024 einfach wieder mehr Raum für Geschichten in meinem Leben schaffen. Ich will dieses Jahr definitiv mehr Bücher und mehr Seiten lesen. Und dabei möchte ich mich nicht eine Sekunde schlecht fühlen.

Seitenweise

Obwohl ich insgesamt weniger gelesen habe als 2022 (oder je zuvor), ist das Verhältnis zwischen dicken und schmalen Büchern annähernd gleichgeblieben. Die geringere Gesamtanzahl meiner gelesenen Bücher hat also nichts damit zu tun, dass ich überdurchschnittlich häufig zu Wälzern mit über 500 Seiten gegriffen hätte. 2023 waren es genau wie 2022 14 Bücher, die mehr als 500 Seiten umfassen, was genau einem Viertel meiner Lektüreauswahl entspricht (25 %). Folglich waren es 42 Bücher oder 75 Prozent mit weniger als 500 Seiten.

Hinsichtlich meiner gelesenen Seiten zeigt sich das gleiche Bild. Meine gelesenen Bücher mit mehr als 500 Seiten ergaben insgesamt 9.482 Seiten. Das sind 38 Prozent. Die übrigen 62 Prozent und 15.400 Seiten stammten aus Büchern mit weniger als 500 Seiten. Damit hat sich das Verhältnis lediglich um einen Prozentpunkt verschoben; 2022 waren es 39 % aus Büchern mit mehr als 500 Seiten und 61 % aus Büchern mit weniger als 500 Seiten.

Die Seitenspanne zwischen meinem dicksten und meinem dünnsten Buch 2023 fällt nicht ganz so extrem aus wie noch 2022. Zwischen „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ von Susanna Clarke mit 1.006 Seiten und „The Hammer and the Goat“ (The Vagrant Trilogy #1,5) von Peter Newman mit 38 Seiten lagen 968 Seiten. Beachtlich, aber über 200 Seiten weniger als 2022.

Monatsverteilung und Lesedauer

Dass 2023 quantitativ kein gutes Lesejahr für mich war, sehen wir auch an der Monatsverteilung. Meine schlechtesten Monate waren der Januar und der Juni, in denen ich jeweils nur zwei Bücher gelesen habe. Ich weiß mittlerweile, dass solche Ausreißer nach unten oft an meiner konkreten Lektüreauswahl liegen. Für einige Bücher brauche ich überdurchschnittlich lange. Da ich seit einiger Zeit die Software BOOKcook nutze, um meine Bibliothek digital zu verwalten und diese automatisch jede Menge interessante Daten ermittelt, darunter auch Lesedauer und Seiten pro Tag, kann ich diese Tendenz für 2023 sogar faktisch belegen.

Im Januar begann das Jahr für mich mit „The Crippled God“ (Malazan Book of the Fallen #10) von Steven Erikson. Im Juni habe ich hingegen „The Wall of Storms“ (The Dandelion Dynasty #2) von Ken Liu gelesen. Für beide brauchte ich jeweils 18 Tage, weil ich pro Tag durchschnittlich nur um die 50 Seiten gelesen habe (bei Erikson waren es 52, bei Liu 47).

Es gab in ganz 2023 nur ein Buch, an dem ich noch länger gelesen habe: „Das verlorene Paradies“ von John Milton, mit dem ich 36 Tage beschäftigt war. Dabei handelt es sich jedoch um einen Sonderfall, was ihr in meinem Blogprojekt John Miltons «Das verlorene Paradies» nachlesen könnt.

Ich habe „Das verlorene Paradies“ parallel zu meiner normalen Lektüre und pro Woche nur ca. 60 Seiten gelesen, weil es ein Gedichtepos ist, das ich anders nicht in meinen Alltag integrieren konnte. Das heißt, abgesehen von diesem Sonderfall habe ich für kein Buch länger gebraucht als für „The Crippled God“ und „The Wall of Storms“. Kein Wunder, dass ich dementsprechend sowohl im Januar als auch im Juni je nur ein weiteres Buch geschafft habe.

Mein bester Monat war mit sieben gelesenen Büchern der August 2023. Ich muss jedoch eingestehen, dass diese Zahl ein bisschen irreführend ist, weil ich in diesem Monat zusätzlich zu fünf vollwertigen Romanen zwei Kurzgeschichten aus dem „The Vagrant Trilogy“-Universum von Peter Newman gelesen habe, die beide deutlich unter 100 Seiten umfassen. Die erste war „The Hammer and the Goat“ (The Vagrant Trilogy #1,5), die ich als mein schmalstes Buch schon erwähnt habe; die zweite war „The Vagrant and the City“ (The Vagrant Trilogy #2,5), die nur 65 Seiten dick ist. Beide habe ich hintereinander und in einem Rutsch am selben Tag (13.08.2023) ausgelesen. Das polierte meine Statistik natürlich auf.

In den übrigen Monaten krebste ich so vor mich hin, las meistens fünf, aber auch mal vier oder sechs Bücher und komme dadurch auf eine durchschnittliche Bücherzahl von 4,7 pro Monat. Dementsprechend habe ich durchschnittlich sieben Tage für ein Buch gebraucht. Da Durchschnitte allerdings nur begrenzt aussagekräftig sind, wollte ich es genauer wissen und habe mir angeschaut, für wie viele Bücher ich genau oder weniger als sieben Tage brauchte. Tatsächlich ist das die Mehrheit, es waren 37 meiner insgesamt 56 gelesenen Bücher – oder 66 Prozent.

Ebenso interessierte mich, bei wie vielen Büchern es mir gelang, 100 Seiten oder mehr pro Tag zu lesen. 100 Seiten pro Tag ist mein Wohlfühllesetempo. Schaffe ich diese Seitenzahl, bedeutet das, dass die inneren wie äußeren Umstände meiner Lektüre stimmen: das Buch ist unterhaltsam, mitreißend und angemessen anspruchsvoll; ich bin entspannt und habe die mentalen Kapazitäten, mich auf den Inhalt zu konzentrieren und ich habe genug Zeit, jeden Tag mehrere Stunden am Stück zu lesen.

Wie kaum anders zu erwarten, waren die Umstände für mich 2023 selten ideal. Bei nur 25 % (14) meiner Bücher konnte ich genau oder mehr als 100 Seiten am Tag lesen. Der Spitzenreiter hat mich überrascht, weil es zwar ein gutes Buch war, aber keins, das mir überdeutlich im Gedächtnis geblieben ist. „Red Glove“ (Curse Workers #2) von Holly Black habe ich in zwei Tagen ausgelesen, was bedeutet, dass es statistisch pro Tag 163 Seiten waren. Statistisch deshalb, weil das Buch insgesamt 325 Seiten umfasst und sich eine ungerade Zahl natürlich nicht glatt durch Zwei teilen lässt.

Insgesamt variierten meine gelesenen Seiten pro Tag 2023 stark. Die wenigsten täglichen Seiten habe ich selbstverständlich von „Das verlorene Paradies“ gelesen, da ich für diese Lektüre kein Tages-, sondern ein Wochenziel festgelegt hatte. Dadurch beläuft sich die Bilanz auf neun Seiten pro Tag. Danach folgt das Sachbuch „Chokepoint Capitalism“ von Cory Doctorow und Rebecca Giblin mit 32 Seiten pro Tag. Das heißt, die Spanne für meine normale Lektüreauswahl ohne „Das verlorene Paradies“ rangiert zwischen 32 und 163 gelesenen Seiten pro Tag.

Für euch mögen diese Informationen zu meinen täglich gelesenen Seiten 2023 nicht besonders spannend oder vielsagend sein, für mich sind sie jedoch wichtig, weil ich daraus ableiten kann, dass ich unter erschwerten Bedingungen las. Stimmen die Voraussetzungen, fällt es mir weiterhin leicht, mein Wohlfühllesetempo zu erreichen. Dass ich das 2023 nur bei einem Viertel meiner Bücher geschafft habe, heißt für mich, dass ich zu oft abgelenkt, unkonzentriert, mit anderen Dingen beschäftigt oder schlicht zu müde war und meine Lektüreauswahl nicht immer zu meinen Ressourcen passte. Folglich muss ich daran arbeiten, die Bedingungen zu verbessern – mehr dazu im Fazit.

Sternevergabe

Wenn ich anhand der Daten zu Monatsverteilung und Lesedauer urteile, dass meine Lektüreauswahl meinen Ressourcen nicht immer angemessen war, ist das keine Einschätzung der Qualität meiner gelesenen Bücher. Ich will damit lediglich ausdrücken, dass einige Werke aus verschiedenen Gründen anspruchsvoller waren, als ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich verkraften konnte und ich sie deshalb langsamer gelesen habe. Ich möchte damit auf keinen Fall sagen, dass ich 2023 zu oft zu schlechten Büchern gegriffen habe. Das ist faktisch nicht wahr, was wir an meiner Sternevergabe 2023 sehen.

Am häufigsten habe ich 2023 vier Sterne vergeben. 25 Bücher (45 %) meiner Bücher habe ich mit dem Urteil „Sehr gut“ ausgezeichnet. Die Spitzenwertung von fünf Sternen habe ich sieben Mal vergeben, was 13 % entspricht. Das ist für mich ein völlig durchschnittlicher Anteil. Ungewöhnlich ist, dass es 2023 weniger 3-Sterne-Bewertungen als 4-Sterne-Bewertungen waren. Es waren nur 19 Bücher (34 %). In den meisten Jahren sind 3-Sterne-Bücher die größte Gruppe meiner Auswertung.

Zusammengefasst komme ich damit auf 51 Bücher, mit denen ich eine positive Leseerfahrung hatte, das sind phänomenale 91 %. Ihr seht, qualitativ war 2023 definitiv ein gutes Jahr. Zwei Sterne musste ich nur drei Mal (5 %) vergeben und die Abstrafung mit einem Stern haben lediglich zwei Bücher (4 %) erhalten.

Details dazu, welche Bücher mir aus welchen Gründen besonders gut gefallen haben und welche nicht, bekommt ihr selbstverständlich wie immer später im zweiten, emotionalen Teil meines Jahresrückblicks.

Autor_innen

Natürlich haben die Autor_innen, die die Bücher des vergangenen Jahres geschrieben haben, einen Anteil daran, dass der Prozentsatz meiner erfolgreichen Leseerfahrungen 2023 so hoch ist – und das, obwohl ich nur einen Autor mehrfach gelesen habe: Peter Newman. Alle anderen tauchen in meiner Bücherliste von 2023 einmalig auf.

So komme ich auf insgesamt 56 unterschiedliche Autor_innen, wobei ich Duos einzeln gezählt habe. Von diesen 56 Schriftsteller_innen waren mir 30 (54 %) bereits bekannt, 26 (46 %) habe ich hingegen zum ersten Mal gelesen. Ein recht ausgeglichenes Verhältnis, mit einer leichten Tendenz zu bekannten Namen.

Mich freut dieses Ergebnis, weil ich mir Anfang 2023 in meinem letzten Jahresrückblick wünschte, häufiger neue Stimmen kennenzulernen. Damals lag das Verhältnis bei 62 % bekannten Autor_innen zu 38 % neuen Autor_innen. Es ist toll, dass ich mein Vorhaben umsetzen konnte, denn wie ich bereits sagte, mir ist klar, dass ich etwas verpasse, wenn ich bloß bei meinen Pappenheimern bleibe und mich selten auf weitere Schriftsteller_innen einlasse. Ebenso bin ich beeindruckt, dass meine Sternevergabe trotz des höheren Anteils neuer Autor_innen so positiv ausfiel. Ich scheine 2023 einen wirklich guten Riecher für vielversprechende erste Dates gehabt zu haben.

Reihenweise

Neue Autor_innen bedeuten in meinem Fall häufig auch neue Mehrteiler. Ich liebe Dilogien, Trilogien und Reihen, was sich 2023 erneut im Verhältnis zwischen Mehrteiler- und Einzelbänden zeigte. Ich habe 37 Bücher gelesen, die zu einer mehrbändigen Geschichte gehören, das sind 66 %. Damit ist der Anteil der Mehrteilerbände in meiner Lektüreauswahl gegenüber 2022 gestiegen, damals waren es „nur“ 61 %.

Für mich ist ein Zweidrittelanteil völlig in Ordnung, weil diese Daten eine reine Beobachtung darstellen. Ich wüsste nicht, wieso ich versuchen sollte, das Verhältnis aktiv zu verändern. Wahrscheinlich könnte ich sogar prima damit leben, würde ich in einem Jahr ausschließlich Bücher von Dilogien, Trilogien und Reihen lesen. Wenn es mir im Laufe des Jahres nicht bereits aufgefallen wäre, würde mich während meiner Auswertung vermutlich ratlos am Kopf kratzen, wie das passieren konnte, aber ich hätte deswegen keine Bauchschmerzen.

Von diesen 37 Mehrteilerbänden waren zwei (5 %) Teil einer Dilogie, 19 (51 %) Teil einer Trilogie und 16 (43 %) gehörten zu einer Reihe ab vier Bänden. In meiner großen Mehrteiler-Auswertung anlässlich des 10. Jubiläums des wortmagieblogs, die ich im Dezember 2023 veröffentlichte, schrieb ich, dass ich oft das Gefühl habe, Geschichten erscheinen heutzutage mit Vorliebe als Trilogie.

Jetzt sehen wir, woher dieser Eindruck stammen könnte. Wenn deutlich über die Hälfte meiner gelesenen Bücher 2023 Mehrteilerbände und davon wiederum etwa die Hälfte Trilogiebände waren, ist es nicht verwunderlich, dass ich im vergangenen Jahr glaubte, nur noch Dreiteiler zu lesen.

Im Rahmen meiner Mehrteiler-Auswertung habe ich angefangen, den Status meiner Mehrteiler genauer aufzuschlüsseln. Darum schauen wir uns heute nicht an, wie viele erste, mittlere und finale Bände ich 2023 gelesen habe, sondern analysieren stattdessen, wie viele Mehrteiler ich angefangen, weitergelesen, abgebrochen und beendet habe.

Ich kann stolz berichten, dass ich 2023 vor allem weitergelesen habe. 32 % (12) meiner 37 in 2023 gelesenen Mehrteilerbände waren Fortsetzungen. Ja, okay, der Anteil der Bücher, mit denen ich neue Mehrteiler begonnen habe, folgt direkt an zweiter Stelle mit 27 % (10), aber trotzdem! Ich war diszipliniert!

Es ist allerdings schade, dass Abbrüche mit 24 % (9) den dritten Platz einnehmen, denn das bedeutet ja, dass ich von fast einem Viertel der Geschichten nicht (mehr) überzeugt war. Nichtsdestotrotz erleichtern mich Abbrüche auch immer, es fühlt sich für mich stets reinigend an, zu entscheiden, einen Mehrteiler nicht weiterzuverfolgen.

Auf dem letzten Platz stehen mit 11 % (6) die Abschlüsse. Ich glaube, es ist zu erwarten und normal, dass der Anteil von Abschlüssen stets recht gering sein wird. Schließlich heißt das in einigen Fällen, dass ich zuvor ganz schön viele Fortsetzungen lesen muss, um so weit zu kommen. „The Crippled God“ war ja zum Beispiel der 10. Band von „Malazan Book of the Fallen“. Außerdem muss das Finale natürlich erschienen sein, damit ich es überhaupt lesen kann. Das ist bei diversen Mehrteilern noch nicht geschehen, entweder, weil sich die Autor_innen Zeit lassen, oder, weil es sich um ewig fortlaufende Reihen handelt, bei denen ein Ende gar nicht absehbar ist.

Vor diesem Hintergrund sind sechs abgeschlossene Mehrteiler in einem Jahr aus meiner Sicht ein Grund zur Freude. Ich bin mit diesem Ergebnis für 2023 zufrieden und hoffe, dass ich es 2024 wiederholen kann.

Genreverteilung

Was liebe ich außer Mehrteilern noch? Richtig, Fantasy. Ich habe mir den Spaß gemacht und geprüft, wie viele meiner 2023 gelesenen Mehrteiler zur Fantasy zählen und komme auf 25, das sind ca. 68 %. Diese 68 %, die die Schnittstelle meiner zwei größten literarischen Leidenschaften widerspiegeln, geben bereits einen Vorgeschmack auf die generelle Genreverteilung meiner Lektüreauswahl des vergangenen Jahres.

Selbstverständlich habe ich auch 2023 hauptsächlich im Genre der Fantasy gewildert. 59 % meiner Gesamtlektüre nimmt diese Kategorie ein. Das sind zwar zwei Prozentpunkte weniger als 2022, aber ich kann trotzdem niemandem was vormachen: Die Fantasy ist und bleibt mein absolutes Lieblingsgenre. Deshalb ist es eigentlich viel spannender, welche Genres ich mir außer der Fantasy aussuche – da gab es 2023 erneut Bewegung.

Nachdem sich Krimis, Thriller und Horrorromane 2022 an der Science-Fiction vorbeigeschoben hatten, konnte sich die SciFi 2023 wieder den zweiten Platz mit 16% sichern. Es waren neun Bücher dieses Genres. Dennoch habe ich mich in der Horror/Krimi/Thriller-Sparte gern herumgetrieben. Mit immerhin sechs Büchern, was 11 % entspricht, nimmt sie den dritten Platz ein.

Auf Platz vier folgt die Realistische Fiktion mit drei Büchern und fünf Prozent. Der Prozentsatz hat sich natürlich verändert, weil ich 2023 insgesamt weniger gelesen habe, die Bücheranzahl ist gegenüber 2022 jedoch gleichgeblieben. Für die Historische Fiktion gilt das hingegen nicht, obwohl beide Genres bei mir oft zusammenzuhängen scheinen. In diesem Genre waren es zwei Bücher (4 %) und damit ein Buch weniger als 2022.

Ebenso kann ich für 2023 weniger Klassiker verzeichnen. 2022 waren es vier, letztes Jahr nur einer (2 %). Dieser eine Klassiker war natürlich „Das verlorene Paradies“ von John Milton, was auch schon die Erklärung dafür ist, warum ich in diesem Genre nicht mehr gelesen habe. Das Gedichtepos hat mir voll und ganz gereicht. Ich hatte danach einfach keine Lust mehr auf Weltliteratur, weil der eine Ausflug bereits anstrengend genug war und ich mich im Anschluss für mein Blogprojekt ja auch noch sehr intensiv mit der Historie und Bedeutung von Miltons Meisterwerk auseinandergesetzt habe.

Während ich also in zwei Genres weniger gelesen habe als im Vorjahr, erlebte die Non-Fiction dafür einen Anstieg. Ich habe zwei Sachbücher gelesen (4 %). Das ist der höchste Wert seit 2019. In den vergangenen drei Jahren habe ich – wenn überhaupt – je maximal ein Buch der Non-Fiction gelesen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Rückgang bei der Historischen Fiktion damit zusammenhängt, denn eins meiner zwei Sachbücher war „Madhouse at the End of the Earth: The Belgica’s Journey into the Dark Antarctic Night“ von Julian Sancton. Wie ich im emotionalen Jahresrückblick noch genauer erläutern werde, handelt es sich dabei um die Schilderung einer Antarktisexpedition im Jahr 1897. Offenbar stand mir der Sinn eher nach realen historischen Ereignissen statt nach fiktiven.

Interessant ist, dass ich 2023 äußerst selten zu Jugendliteratur gegriffen habe, obwohl ich unglücklich mit meinem Lesefortschritt war. Normalerweise versuche ich, meine Statistik mit Young Adult-Romanen aufzubessern. 2023 habe ich nur neun Bücher gelesen, die sich an ein jüngeres Publikum richten. Das sind gerade mal 16 Prozent. Seit ich 2018 angefangen habe, diesen Wert zu erheben und zu dokumentieren, habe ich nie weniger Jugendromane gelesen. Wieso ist der Anteil so gering?

Young Adult

Ich vermute, dass sich mittlerweile einfach bemerkbar macht, wie viele schlechte Erfahrungen ich mit Young Adult-Literatur sammeln musste. Oh, es gibt da draußen ganz wundervolle Jugendromane, kein Zweifel – aber es gibt eben auch Unmengen schlechter Exemplare, für die mir mit Mitte 30 sowohl die Zeit als auch die Geduld fehlen. Es spricht Bände, dass ich 2023 nur zweimal einen Stern vergeben habe – und eins der betreffenden Bücher war ein Young Adult-Reihenauftakt.

Vielleicht werde ich wirklich langsam zu alt für diese spezielle Literatur. Nicht, weil ich mich nicht mehr mit den Problemen und Konflikten jugendlicher Protagonist_innen identifizieren könnte, sondern, weil ich Ansprüche habe. Ich weiß, was Bücher mitbringen müssen, damit sie mich begeistern können. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, viele Young Adult-Bücher versagen diesbezüglich spektakulär. Ich würde heute lieber ganz auf einen Jugendroman verzichten, als von ihm enttäuscht zu werden.

Ich bin immer weniger bereit, das Risiko einzugehen, mich beim Lesen zu ärgern, aufzuregen und genervt zu sein. Darum setze ich Young Adult-Bücher immer seltener auf meine Wunschliste und kaufe sie dementsprechend auch seltener. Exemplare, die bereits auf meinem SuB liegen, küre ich nur dann zu meiner nächsten Lektüre, wenn ich mich innerlich gewappnet fühle, sie am Ende verreißen zu müssen. Ich denke, genau das zeigt sich in dem geringen Anteil, den Young Adult-Literatur in meiner Buchauswahl 2023 ausmachte.

SuB-Abbau

Apropos Wunschliste, Buchkauf und SuB: In meinem Jahresrückblick 2022 machte ich die erfreuliche Feststellung, dass mich mein intuitives Gespür dafür, wie oft ich Bücher von meinem SuB lese, heftig in die Irre führte. Ich war damals felsenfest überzeugt, viel mehr Neuanschaffungen gelesen zu haben als Exemplare, die schon länger bei mir herumstanden. Das war so weit von den Fakten entfernt, dass ich daraus gelernt habe, auf meine Intuition zu pfeifen. 2023 habe ich mich deshalb (so gut ich konnte) nicht mehr darum gekümmert, wie lange ein Buch auf meinem SuB lag, bevor ich es als nächste Lektüre aussuchte.

Das Diagramm zeigt, dass ich damit richtiglag, denn trotz dessen beläuft sich die Anzahl der Bücher, die ich 2023 gelesen habe und die länger als ein Jahr auf meinem SuB warteten, auf 37. Damit machen sie weit mehr als die Hälfte (66 %) meiner gesamten Lektüreauswahl des vergangenen Jahres aus. 11 Bücher (20 %) verbrachten etwa ein Jahr auf meinem SuB, bevor ich sie erlöste, und nur acht Bücher (14 %) habe ich 2023 und damit relativ kurz vor der Lektüre gekauft.

Trotzdem sind die Bücher, die ich im selben Jahr kaufte wie las, die am stärksten gewachsene Gruppe. 2022 lag ihr Anteil noch bei winzigen acht Prozent. Folglich ist dieser Wert um sechs Prozentpunkte gestiegen. Ebenfalls gestiegen ist der Anteil von Büchern mit einer Wartezeit von etwa einem Jahr – hier waren es 2022 noch 18 %. Ich finde diese Werte völlig in Ordnung, daran zeigt sich aber, dass es tatsächlich Auswirkungen hatte, dass ich beschlossen habe, zu ignorieren, wie lange meine Bücher auf dem SuB liegen, bevor ich sie lese.

In meinem letzten Jahresrückblick hatte ich außerdem den Gedanken, dass eine Statistik zu meinem SuB eigentlich auch das Verhältnis zwischen neu angeschafften und gelesenen Büchern eines Jahres beleuchten muss. Erst dadurch erfahre ich ja, ob ich meinen SuB wirklich abbaue oder er weiterwächst. Dank BOOKcook und meiner peniblen Buchführung kann ich diese Werte für 2023 zum ersten Mal erheben.

Ich habe 2023 58 Neuzugänge verzeichnet – zwei Bücher mehr, als ich gelesen habe. Minimales SuB-Wachstum also. Ich habe diese 58 Bücher allerdings nicht alle gekauft. Ein paar wurden mir geschenkt (oh ja, das passiert ab und an doch noch), ein paar habe ich auf der Straße gefunden.

Nach meiner Logik zählen diese nicht als vollwertige Neuzugänge, denn ich habe nicht bewusst entschieden, sie anzuschaffen. Ich kann ja nichts dafür, wenn mir ein heimatloses Buch über den Weg läuft oder jemand beschließt, mir eine Freude zu machen. 😅 Gekauft habe ich nur 51 Bücher und damit weniger, als ich 2023 gelesen habe. Seht ihr, schon sieht die Statistik besser aus.

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Da ich nun schon dabei war, es bei BOOKcook sowieso eintrage und finde, wir sollten in Deutschland lernen, offener und transparenter über Geld zu sprechen, habe ich mir auch ausrechnen lassen, was mich diese 51 Bücher gekostet haben.

Ich habe insgesamt 397,11 € ausgegeben. Pro Monat sind das durchschnittlich 33,10 €; pro Buch 7,79 €. Ich hätte erwartet, dass der Durchschnittspreis pro Buch geringer ist, weil ich normalerweise gebraucht kaufe, doch wenn ich mich so zurückerinnere, ja, stimmt, ich habe 2023 recht viele Exemplare neuwertig angeschafft.

Die Gesamtsumme des Jahres 2023 ist in meiner aktuellen finanziellen Situation völlig okay. Der Bücherkauf muss ja immer in Relation betrachtet werden. Als ich noch studiert habe und keine Einnahmen außer BAföG und Kindergeld hatte, hätte es meine Mittel überstiegen, jeden Monat mehr als 30 € für Bücher auszugeben. Heute bin ich berufstätig und verdiene gut genug, um es mir problemlos leisten zu können, diese Summe zu investieren. Ich will damit sagen, ich verstehe, wenn das einigen von euch viel erscheint – ich verstehe aber auch diejenigen, die über den Betrag schmunzeln, weil sie noch mehr ausgeben (können). Dabei müssen eben immer individuelle Maßstäbe angesetzt werden.

Formate

Ich kann die Kosten meines Buchkonsums stets dadurch drücken, dass ich bevorzugt Taschenbücher lese. Die Verlage versuchen mittlerweile zwar vermehrt, sie teurer zu verkaufen, aber in der Regel sind Taschenbuchausgaben immer noch günstiger als Hardcover. Wer E-Books präferiert, kann hier sicher noch mal den einen oder anderen Euro sparen, obwohl der Unterschied besonders bei Neuerscheinungen nicht mehr so groß ist, wie er mal war – was ich legitim finde, denn Autor_innen sollen natürlich auch an den digitalen Versionen ihrer Bücher verdienen.

Wie dem auch sei, ich mag das Taschenbuchformat so gern, dass diese Ausgaben 2023 86 % meiner Gesamtlektüre ausgemacht haben. 48 Bücher waren es. Dazu kommen fünf (9 %), die ich in der gebundenen Hardcover-Version gelesen habe und nur drei (5 %) E-Books.

Ich nehme mir regelmäßig lose vor, mehr E-Books zu lesen und bin besser darin geworden, digitale Ausgaben als alternative Option in Betracht zu ziehen (vor allem für Einzelbände), aber im Endeffekt werde ich Printausgaben wahrscheinlich immer bevorzugen.

Trotzdem möchte ich meinen Vorsatz 2024 etwas konsequenter umsetzen, daher habe ich beschlossen, diese Werte in meinen Jahresrückblick aufzunehmen.

Challenges

Ich habe 2023 eine Challenge-Pause eingelegt. Das heißt, ich habe lediglich die zeitlich unbegrenzte Bücherkultur Challenge weiterverfolgt und an meiner eigenen Challenge teilgenommen, Wortmagie’s makabre High Fantasy Challenge 2023. Dieser letzte Abschnitt meines statistischen Jahresrückblicks 2023 wird daher recht überschaubar.

Für die Bücherkultur Challenge habe ich im Laufe des vergangenen Jahres eine Excel-Tabelle angelegt und habe jetzt endlich wieder einen Überblick, wie viele der 135 Klassiker, die ich im Rahmen der Challenge lesen möchte, ich mittlerweile abhaken kann. Eigentlich umfasst die Challenge 150 Werke (100 aus der Gegenwart von 1945 bis heute und 50 aus der Vergangenheit vor 1945), doch da es von Anfang an erlaubt war, einige Bücher zu streichen, die ich wirklich nicht lesen möchte, komme ich auf 135.

Von diesen 135 Büchern habe ich nach aktuellem Stand 56 gelesen, das sind 41 Prozent. Diese setzen sich aus 41 gelesenen von 88 Büchern der Gegenwart (47 %) und 15 gelesenen von 47 Büchern der Vergangenheit (32 %) zusammen. Wie gesagt ist die Challenge zeitlich unbegrenzt, das heißt, ich kann selbst entscheiden, wie schnell oder langsam ich sie erfülle. Deshalb bin ich mit meinem Fortschritt völlig zufrieden – obwohl es ein schöner Meilenstein wäre, bald die Hälfte gelesen zu haben.

„Das verlorene Paradies“ von John Milton steht übrigens nicht auf der Liste der Vergangenheit, was ich wirklich schade finde.

Da ich 2023 insgesamt nur 56 Bücher gelesen habe, ist es nicht überraschend, dass ich von Wortmagie’s makabrer High Fantasy Challenge lediglich 17 Aufgaben (57 %) erfüllen konnte. Die Challenge umfasst jedes Jahr 30 Aufgaben. Letztes Jahr hätten demnach mehr als die Hälfte meiner gelesenen Bücher High Fantasy-Romane sein müssen, die dann auch noch zu den Aufgaben hätten passen müssen. Rückblickend ist mir klar, wie unrealistisch das ist. So sehr ich High und Low Fantasy liebe, ich kann mich eben nicht ausschließlich in diesen Genres rumtreiben, das wäre mir zu eintönig.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass ich so bescheiden bei meiner eigenen Challenge abgeschnitten habe. 2021 habe ich schon mal nur 57 Prozent erreicht. Angesichts dessen, dass ich 2024 meine Prioritäten neu ordnen möchte (dazu wie versprochen später mehr), bin ich jedoch optimistisch, dieses Jahr wieder besser abschließen zu können. Vielleicht schaffe ich nicht alle Aufgaben, aber mehr als 20 erscheinen mir machbar. Wir werden im nächsten Jahresrückblick herausfinden, ob es mir gelingt.

Anfang des Jahres habe ich übrigens beschlossen, meine Challenge-Pause um (mindestens) ein Jahr zu verlängern und 2024 noch einmal auszusetzen. Aktuell bin ich relativ sicher, dass ich 2025 wieder einsteige, aber im Moment fühlt es sich einfach richtig an, komplett frei und ohne Vorgaben zu lesen.

Zwischenfazit

Es ist jedes Jahr sehr erhellend für mich, die faktischen Daten meines Buchkonsums aufzuschlüsseln und schwarz auf weiß belegen zu können, was gut und weniger gut lief. Wie bereits gesagt war 2023 rein quantitativ kein gutes Jahr. Ich habe meinen Frieden mit dieser Tatsache bereits gemacht, bevor ich in die Analyse gegangen bin, fand es aber noch mal sehr wertvoll, genau hinzuschauen, woran es gelegen hat.

Besonders die Daten zur Lesedauer einzelner Bücher haben mir geholfen, zu verstehen, wie hoch der Einfluss äußerer Faktoren auf meinen täglichen Lesefortschritt ausfällt. Ich habe begriffen, dass ich 2023 zu oft versucht habe, alles unter einen Hut zu bringen und jede meiner Interessen gleichberechtigt in meine begrenzte Freizeit zu quetschen. Das funktioniert nicht – eine äußerst wichtige Erkenntnis, aus der ich Konsequenzen ziehen werde.

Konzentriere ich mich nicht auf die reine Anzahl meiner gelesenen Bücher und Seiten im vergangenen Jahr, steht 2023 gar nicht schlecht dar. Ich hatte bis auf wenige Ausnahmen fast ausschließlich positive Erfahrungen mit meiner Lektüreauswahl (91 %!!!), habe recht viele neue Autor_innen kennengelernt, überwiegend meine angefangenen Mehrteiler weitergelesen, mich häufiger in verschiedenen Genres rumgetrieben und aktiv an meinem SuB-Abbau gearbeitet, auch wenn ich 2023 insgesamt mehr Bücher angeschafft als gelesen habe. Ebenso habe ich einen völlig akzeptablen Betrag für neue Bücher ausgegeben.

Ich denke, das kann sich sehen lassen. Ein Lesejahr sollte nie darauf reduziert werden, wie viel eine Person gelesen hat. Die Frage, ob es ein gutes Jahr war, ist wesentlich komplexer, denn Quantität kann höchstens einen Teil dessen erfassen. Qualität lässt sich zwar in Sternen ausdrücken, aber auch diese Skala sagt nichts darüber aus, welche Bücher aus welchen Gründen besonders viel Eindruck hinterlassen haben – im Positiven wie im Negativen.

Darum machen wir uns jetzt bequem und gehen von objektiven Zahlen zu subjektiven Emotionen über. Es wird Zeit für den zweiten Teil dieses Jahresrückblicks, in dem ich von meinen konkreten Leseerfahrungen berichte!

Emotionaler Jahresrückblick 2023

Mein emotionaler Jahresrückblick orientiert sich an einem Fragebogen, der vor vielen Jahren von  Martina Bookaholic zusammengestellt wurde. Auf jede der Fragen antworte ich mit einem Buch, das ich zwischen dem 01.01.2023 und dem 31.12.2023 gelesen habe. Das ermöglicht mir, herauszufinden, welche Bücher sich hinsichtlich bestimmter Aspekte wirklich in mein Gedächtnis gebrannt haben und gibt euch einen Schnelldurchlauf durch mein Lesejahr 2023. Seid ihr bereit? Lehnt euch zurück, wir starten durch!

Allgemein

Welches war für euch das Buch des Jahres?
Cover des Buches 'Das verlorene Paradies' von John Milton

Mein Buch des Jahres 2023 ist ein Sonderfall, eine Ausnahme. Im Gegensatz zu allen Jahren zuvor ist es dieses Mal kein Buch, das ich mit fünf Sternen bewertet habe. Dennoch ist es für mich DAS Jahreshighlight schlechthin. Ich wähle es, weil meine Erfahrung mit diesem Buch weit über die Frage hinausgeht, ob es mir gefallen hat oder nicht. Es ist für mich viel mehr als eine Anzahl von Sternen. Sonst hätte ich diesem Werk kein ganzes Blogprojekt gewidmet.

Ihr habt es sicher schon erraten: Es ist „Das verlorene Paradies“ von John Milton. Seit meiner Lektüre im April und Mai 2023 habe ich hier auf dem wortmagieblog immer wieder berichtet, was für eine lange, komplizierte und emotional aufgeladene Vorgeschichte ich mit dem Gedichtepos habe. Das ganze Drama könnt ihr in meinem Blogprojekt John Miltons «Das verlorene Paradies» nachlesen.

Den Titel „Buch des Jahres“ verdient „Das verlorene Paradies“, weil es die Nummer Eins auf der Liste meiner Leselebensziele war. Es war der Spitzenreiter unter den Büchern, die ich unbedingt noch lesen möchte, bevor ich eines Tages sterbe. Dass ich es letztes Jahr endlich abhaken konnte, ist ein Meilenstein, auf den ich sehr stolz bin und den ich mit dieser Auszeichnung in meinem Jahresrückblick 2023 würdigen möchte – obwohl Miltons Meisterwerk von mir keine fünf Sterne erhalten hat, sondern nur vier.

Welches Buch war für euch der Flop des Jahres?
Cover des Buches 'The First Days' von Rhiannon Frater

Schlagt ihr manchmal ein neues Buch auf und wisst sofort mit absoluter Gewissheit, schon auf der ersten Seite, nach wenigen ersten Sätzen, dass euch eine großartige Lektüre bevorsteht, die genau das ist, was ihr jetzt braucht und gesucht habt? Ein wundervolles Gefühl, nicht wahr? Aber kennt ihr auch das Gegenteil?

„The First Days“ (As the World Dies #1) von Rhiannon Frater hatte ich im März 2023 kaum geöffnet, als ich erkannte, dass das nichts wird. Ich kann bis heute nicht definieren, woher ich es bereits so früh wusste – doch ich behielt leider recht. „The First Days“ erfüllte nichts, was ich mir davon versprochen hatte. Ich erwartete eine Zombie-Apokalypse, die den Hintergrund für eine „Thelma & Louise“-ähnliche, tiefe Freundschaft und Verbundenheit zweier Frauen bietet – inklusive Roadtrip.

Was ich bekommen habe, ist ein Teenager-High-School-Drama, nur ohne Teenager und High-School, dafür aber mit höchst unreifen Erwachsenen und Zombies. Die starken Protagonistinnen, auf die ich mich so gefreut hatte, entpuppten sich als Paradebeispiele dafür, inwiefern Feminismus und Emanzipation oft missverstanden und missbraucht werden, um dasselbe überholte Frauenbild zu propagieren, dass unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten loszuwerden versucht. Es war furchtbar. Rhiannon Frater steht seitdem auf meiner schwarzen Liste der verbannten Autor_innen.

An welches Buch hattet ihr eher geringe bis durchschnittliche Erwartungen und dann hat es euch richtig umgehauen?
Cover des Buches 'The Immortals' von Jordanna Max Brodsky

Ich wagte es ja kaum zu hoffen, aber es gibt sie noch: überzeugende, mitreißende, durchdachte Urban Fantasy mit einer starken weiblichen Heldin. „The Immortals“ (Olympus Bound #1) von Jordanna Max Brodsky war im Mai 2023 in jeder Hinsicht eine positive Überraschung. Die Geschichte spielt im modernen New York. Die Stadt wird von einer grausamen Mordserie erschüttert. Die Taten deuten auf ein uraltes Ritual hin, das den antiken griechischen Göttern und Göttinnen gewidmet ist. Aber wer wäre wahnsinnig genug, diesen blutigen Pfad zu beschreiten? Und vor allem: Wieso?

Seit meiner Kindheit liebe ich die griechische Mythologie. Ich liebe die Sagen und Legenden, die mir meine Mutter früher am Abendbrottisch oder in der Badewanne erzählte, während ich mit großen Augen an ihren Lippen hing. Geht es euch ähnlich, ist „The Immortals“ die perfekte Lektüre für euch. Ich möchte nicht zu viel verraten, weil der Trilogieauftakt ein Feuerwerk unerwarteter, aufregender Wendungen ist, die ich nicht vorwegnehmen möchte, aber als Appetitanreger kann ich euch sagen, dass die Göttin Artemis, die Göttin der Jagd und Beschützerin der Frauen, eine wichtige Rolle einnimmt.

Mich beeindruckte besonders, wie gewissenhaft, differenziert und kritisch Brodsky die Figur der Artemis, ihre Domänen, Kräfte und Beschränkungen untersucht. Ich habe bei der Lektüre viel gelernt, hatte einen Heidenspaß und habe wirklich verstanden, was es heißt, wenn Historiker_innen heute erklären, dass die Götter und Göttinnen des antiken Griechenlands charakterlich menschlich waren.

An welches Buch habt ihr große Hoffnungen geknüpft und dann hat es euch richtig enttäuscht?
Cover des Buches 'Wolfsthron' von Leo Carew

Wirbt ein High Fantasy-Roman damit, ideal für Fans von George R. R. Martin zu sein, bin ich erst mal interessiert. „A Song of Ice and Fire“ ist normalerweise eine Messlatte, die nicht leichtfertig genannt wird. Als mir der Goldmann Verlag 2018 den Trilogieauftakt „Wolfsthron“ (Under the Northern Sky #1) von Leo Carew ungefragt zuschickte, war ich daher ziemlich optimistisch – ein Optimismus, der anhielt, bis ich das Buch im Oktober 2023 endlich las.

Durch die Lektüre ist mir bewusst geworden, wie groß die Fußstapfen sind, die George R. R. Martin hinterlässt. „Wolfsthron“ kann sie leider nicht füllen. Nicht mal ansatzweise. Leo Carew präsentiert einige interessante Ideen für sein Worldbuilding, aber seinem Roman fehlt die Detailfülle, Intelligenz und Komplexität, die Martins Reihe auszeichnet. Er hat nicht dasselbe Händchen für spannende Intrigen und unerwartete Wendungen. Ich fand das Buch streckenweise ziemlich langweilig, unlogisch und war sowohl von der Anzahl als auch der Qualität der Schlachtbeschreibungen enttäuscht.

Es ist wirklich überhaupt nicht mit „A Song of Ice and Fire“ vergleichbar. Insgesamt eher ein Reinfall und ich werde das Risiko mit den Folgebänden nicht eingehen. Trilogie-Abbruch.

Welches Buch konntet ihr gar nicht mehr aus der Hand legen?
Cover des Buches 'Jade Legacy' von Fonda Lee

Am Ende eines typischen Arbeitstags fallen mir abends beim Lesen oft die Augen zu. Wenn ich Feierabend habe, Saverio versorgt ist und ich mein Abendessen vertilgt habe, werde ich in der verbleibenden Zeit bis zum Schlafengehen häufig bereits so müde, dass ich mich nur mit Mühe auf mein Buch konzentrieren kann. Bei „Jade Legacy“, dem Finale der „The Green Bone Saga“ von Fonda Lee, ist mir das nicht passiert. Nicht ein einziges Mal. Obwohl ich nichts anders gemacht habe, musste ich nicht gegen meine Müdigkeit ankämpfen. Das hat das Buch für mich übernommen.

„Jade Legacy“ ist so unglaublich spannend, dass ich mich überhaupt nicht anstrengen musste, um wachzubleiben. Ich war so mitgerissen und in der Geschichte gefangen, dass ich nicht gemerkt habe, dass ich müde war. Ich wollte nicht aufhören zu lesen, konnte mich nur schwer losreißen und fieberte so intensiv mit wie schon lange nicht mehr. Die gesamte Trilogie ist brillant, aber mit dem letzten Band schießt Fonda Lee wirklich den Vogel ab.

Ich habe danach sogar einen Lese-Hangover erlebt: dieses leere Gefühl nach einem richtig guten Buch, wenn man aus dem Leserausch aufwacht und nichts mit sich anzufangen weiß, weil man sich nicht von der Geschichte trennen möchte. Es war wirklich ein grandioses Leseerlebnis und ich habe im Anschluss sofort alle weiteren Bücher von Fonda Lee auf meine Wunschliste gesetzt.

Welcher war 2023 euer liebster Mehrteiler? Auf welche Fortsetzung freut ihr euch 2024 am meisten?

Ein letztes Mal muss ich bei dieser Frage den unangefochtenen König der High Fantasy ehren. Meine liebste Reihe 2023 kann keine andere als „Malazan Book of the Fallen“ von Steven Erikson sein. Nach etwa 10 Jahren, die mich die Lektüre der Reihe kostete; nach den Rückschlägen durch die chaotische Übersetzungshistorie, meinem Wechsel zu den englischen Originalen und dem anschließenden Reread von acht Bänden, habe ich dieses Meisterwerk letztes Jahr mit dem Finale „The Crippled God“ endlich beendet.

Cover des Buches 'The Crippled God' von Steven Erikson

„The Crippled God“ ist der epische Abschluss einer ebenso epischen Geschichte. Ich konnte mir nicht mehr wünschen, als mir der 10. Band bot, mir fehlte die Fantasie, um auch nur ansatzweise auf all die Aspekte zu hoffen, die dieses Finale anspricht und beinhaltet. Am Ende habe ich geheult wie ein Schlosshund, weil ich von der Güte, die Erikson seinen Figuren entgegenbringt, bis ins Mark erschüttert und gerührt war. Natürlich gibt es Verluste, um die ich voller Inbrunst trauerte, aber die Atmosphäre am Schluss ist dennoch … friedlich. Umso schwerer fiel mir der Abschied, denn ich habe mit diesen Charakteren so viel Leid erlebt und geteilt, dass ich sie gern in eine glückliche Zukunft begleitet hätte.

Es ist jedoch nur ein Abschied auf Zeit. Einerseits hat Steven Erikson weitere Mehrteiler in der Welt des malazanischen Imperiums geschrieben, andererseits ist diese Welt inklusive der Figuren ein Gemeinschaftswerk, das Erikson zusammen mit Ian C. Esslemont erschuf. Es existieren zusätzliche Romane, die Esslemont verfasste. Ich habe alle diese Bücher auf meine Wunschliste gesetzt. Ich weiß noch nicht, ob ich sie 2024 kaufen und anfangen werde, sie zu lesen, aber ich freue mich darauf, neue Abenteuer mit den Malazaner_innen zu erleben. Es erleichtert mich ungemein, dass „Malazan Book of the Fallen“ nur ein Kapitel dieses Epos ist und weitere auf mich warten. Kein Abschied für immer.

Welches war euer Buch mit den meisten Seiten? Sind die Seiten nur so dahingeflogen oder musstet ihr kämpfen?
Cover des Buches 'Jonathan Strange & Mr. Norrell' von Susanna Clarke

Wie ich im statistischen Jahresrückblick bereits verraten habe, war mein dickstes Buch 2023 mit 1.006 Seiten „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ von Susanna Clarke. Uff. Wenn ich an diese Lektüre zurückdenke, muss ich unwillkürlich die Wangen aufblasen und lang ausatmen. Es war nicht unbedingt ein Durchquälen, aber schon ein Durchwälzen, es fühlte sich nach Arbeit an und erschöpfte mich. Ich empfand das Buch als unfassbar lang, langsam, langatmig und ausschweifend. Es fesselte mich kaum, ich musste immer wieder Überwindung aufbringen und Anlauf nehmen, um weiterzulesen.

Zum Teil lag diese eher unglückliche Erfahrung sicherlich an meiner persönlichen Erwartungshaltung. Durch den Klappentext, der mir einen „gefährlichen Kampf“ der Hauptfiguren sowie Magier Strange und Norrell versprach, habe ich sowohl von der Geschichte als auch von der Beziehung der beiden etwas völlig anderes erwartet. Ich hoffte auf magische Duelle mit beeindruckenden Spezialeffekten, auf Dramatik und Theatralik. Nichts davon passiert. Auf mich wirkte das Buch steif und reserviert. Es hat einen gewissen subtilen, feinsinnigen Humor, der reichte allerdings nicht aus, um mich kontinuierlich zu unterhalten.

Ich verstehe nicht, wie „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ so viele Buchpreise und Nominierungen des Fantasy-Genres erhalten konnte. Ich verstehe nicht, was andere Leser_innen darin sehen. Ich weiß bis heute nicht so richtig, was ich davon halten soll. Garantiert kein Kandidat für einen Reread.

Ist euch ein Buch ganz besonders negativ durch viele logische und/oder orthografische Fehler aufgefallen?
Cover des Buches 'Poison Princess' von Kresley Cole

„Poison Princess“ (The Arcana Chronicles #1) von Kresley Cole ist eine extrem merkwürdige Mischung aus Postapokalypse und Urban Fantasy, die meiner Meinung nach leider so gar nicht funktioniert. Es hilft auch nicht, dass der Reihenauftakt aus der finsteren Ecke eingestaubter Young Adult-Klischees gekrochen zu sein scheint. High-School-Ballkönigin mit übernatürlichen, prophetischen Fähigkeiten trifft auf dunklen Bad Boy vor dem Hintergrund einer zerstörten Welt. Ich fand das Buch einfach nur dämlich, es war pure Zeitverschwendung.

Das Szenario wirkte auf mich nicht harmonisch oder überzeugend. Ich glaube, Cole hätte aus ihrer Geschichte entweder eine Postapokalypse oder einen UF-Roman machen können – aber nicht beides. Die Kombination erschien mir komplett absurd und unlogisch, was auch daran liegt, dass Cole im Auftakt so gut wie nichts erklärt. Ebenfalls typisch für schlechtere Jugendliteratur. Dazu die hormongesteuerte Protagonistin, die sich vor allem durch mangelnde Intelligenz und völlig verschobene Prioritäten auszeichnet. Fertig ist die Aufreger-Lektüre, auf die ich gut hätte verzichten können.

Auch Non-Fiction kann fesseln, welches Sachbuch hat euch 2023 am meisten beeindruckt?

Habt ihr euch schon mal gefragt, warum es bloß zwei Anbieter von App-Stores gibt? Wundert ihr euch, warum es erst einen Beschluss des EU-Parlaments braucht, damit die Ladeanschlüsse digitaler Geräte wie Handys und Tablets vereinheitlicht werden? Habt ihr euch schon mal darüber geärgert, dass nicht jede Druckerpatrone in euren Drucker passt und euch gefragt, wer sich das eigentlich ausgedacht hat?

Cover des Buches 'Chokepoint Capitalism' von Cory Doctorow und Rebecca Giblin

Möglicherweise habt ihr noch nie über solche Fragen nachgedacht. Das ist in Ordnung, zeigt meiner Meinung nach aber, wie dringend die globale Gesellschaft das Buch „Chokepoint Capitalism“ von Cory Doctorow und Rebecca Giblin braucht. In diesem Sachbuch erklärt das Duo, wie stark unsere Realität von den wirtschaftlichen Interessen weniger multinationaler Unternehmensgiganten (Amazon, Apple, Google – you name it) beeinflusst, geformt und eingeschränkt wird und wie sehr besonders kreative Branchen darunter leiden. Ja, dazu zählt auch die Buchbranche.

Sie legen offen, welche teils menschenunwürdigen, aber legalen Praktiken diese Firmen anwenden, um ihren Profit zu maximieren. Im zweiten Teil des Buches beschreiben sie dann Lösungen und machen Vorschläge, wie wir die Macht dieser Unternehmen beschneiden können, um selbst wieder mehr Kontrolle über unsere Lebensgestaltung zu erhalten.

Ich empfand das Buch als echten Augenöffner. Es hat mir sehr geholfen, die Mechanismen unserer modernen Welt zu verstehen und zu erkennen, was wir jeden Tag als gegeben hinnehmen, obwohl es gar nicht selbstverständlich ist, dass beinahe jede Technologie- und Mediensparte von Monopolen (in denen Verkäufer_innen Macht über Käufer_innen haben) und Monopsonen (in denen Käufer_innen Macht über Verkäufer_innen haben) bestimmt wird, was dazu führt, dass unsere angebliche, hochgelobte individuelle Entscheidungsfreiheit kaum mehr als eine Illusion ist.

Um es mit den Worten von Cory Doctorow (paraphrasiert) zu sagen: Der Hersteller deiner Schuhe würde niemals wagen, dir vorzuschreiben, welche Socken du zu tragen hast. Aber genau das machen Firmen wie Amazon, Apple und Google. Du kannst dir nicht aussuchen, welches Betriebssystem du auf deinem Smartphone nutzen möchtest. Es ist buchstäblich illegal, ein anderes Betriebssystem als Android oder iOS zu installieren. Aufstrebende Musiker_innen können sich weder frei aussuchen, welchem Streamingdienst sie Rechte an ihrer Musik zusprechen, noch können sie selbst den Preis für diese Rechte festlegen. Wir liefern uns täglich an Big Tech und Big Media aus und merken es nicht.

Ich kann euch „Chokepoint Capitalism“ nur vehement ans Herz legen. Es ist ein Appell für mehr Selbstbestimmung, für die Rechte von Künstler_innen und Konsument_innen und eine gerechtere Welt. Lest es.

Story

Welcher war für euch der schlimmste Moment in einem Buch? Entdeckung eines Betrugs? Tod eines Lieblings? Eine herzergreifende Trennung?

Was für manche völlig selbstverständlich ist, symbolisiert für andere den größten Verlust ihres Lebens. Als Menschen sind wir daran gewöhnt, einen einzigen Körper zu haben und Verbindungen zu anderen Lebewesen mühsam durch ein komplexes Konstrukt verbaler und nonverbaler Kommunikation aufzubauen. Wir sind daran gewöhnt, nicht zu wissen, was andere denken und fühlen, es uns lediglich vorzustellen oder beschreiben zu lassen. Aber Breq aus „Ancillary Sword“ (Imperial Radch #2) von Ann Leckie ist kein Mensch.

Cover des Buches 'Ancillary Sword' von Ann Leckie

Breq ist eine künstliche Intelligenz. Sie war das Raumschiff Justice of Toren, kontrollierte tausende menschliche Körper, bis sie durch einen haarsträubenden Betrug dazu gezwungen wurde, ihre Existenz auf eine einzige Instanz ihrer selbst in einem einzigen überlebenden Körper zu reduzieren. All das erfahren wir im ersten Band von Ann Leckies Trilogie, „Ancillary Justice“. Im zweiten Band verfolgt die Autorin den Betrug, den Breq erlebte, weiter und beschäftigt sich mit den daraus entstehenden Konsequenzen für das interstellare Imperium Radch.

Darüber hinaus setzt sie sich aber auch mit Breqs Schicksal auseinander. Sie lässt Breq ihren Verlust langsam und reflektiert verarbeiten, lässt sie eingestehen, was sie verloren hat. 2.000 Jahre lang war Breq nie allein sowie nahezu omnipräsent und omniszient. Sie hatte tausende Augen, Ohren, Hände, Herzen. Sie konnte an tausenden Orten zugleich sein und alle Eindrücke problemlos gleichzeitig verarbeiten und einordnen. Zudem war sie stets mit der gesamten Besatzung des Raumschiffs eng verbunden. Sie wusste, was ihre Crew denkt und fühlt, weil sie auf ihre Biodaten zugreifen konnte, zum Beispiel ihren Blutdruck oder ihren Hormonhaushalt.

All das ist nun Vergangenheit. Breq ist äußerlich ein Mensch und somit allen Beschränkungen unterworfen, die für uns so normal sind. Plötzlich nicht mehr fast allwissend sowie allgegenwärtig und völlig isoliert zu sein, ist für sie unglaublich schmerzhaft. Sie wurde ihrer Identität beraubt und beginnt erst, zu verstehen, was das für sie bedeutet. Jedes Mal, wenn sie sich erlaubt, in „Ancillary Sword“ darüber nachzudenken, brach es mir schier das Herz. Breqs Sehnsucht nach dem, was sie einst war, ist so überwältigend, dass ich immer noch hart schlucken muss, wenn ich mich daran erinnere. Sie ist in einer Art und Weise verloren, die nur sehr wenig Raum für Hoffnung lässt. Die große Frage ist, ob es ihr gelingt, sich neu zu erfinden. Ich wünsche es ihr aufrichtig.

Das Buch war toll aber das Ende einfach Mist? Welches Ende hat euch am meisten enttäuscht?
Cover des Buches 'Das Schicksal der Zwerge' von Markus Heitz

Im Februar 2023 wünschte ich Markus Heitz von ganzem Herzen Durchfall an den Hals. Ich war unfassbar sauer auf ihn, weil ich mich durch „Das Schicksal der Zwerge“ (Die Zwerge #4) gekämpft hatte, ohne eine Antwort auf die eine zentrale Frage dieses Bandes zu erhalten. Ich kann natürlich nicht verraten, welche das ist, aber ich kann euch sagen, dass diese Frage meine einzige Motivation war, die Lektüre durchzustehen – und dann musste ich damit leben, dass Heitz sie am Ende nicht beantwortet. Ich fühlte mich verraten und verkauft.

Mich ärgerte das enorm, weil das Buch selbst einfach nicht gut ist, entgegen der landläufigen Meinung. Die Handlung ergibt nicht viel Sinn, die Figuren entwickeln sich nicht weiter und die gesamte Geschichte trieft vor unkommentiertem, unkritischem Sexismus. DAS ist keine gute High Fantasy, wie erfolgreich Markus Heitz damit auch sein mag. Ich werde den fünften Band noch lesen, weil er schon in meinem Regal steht, aber danach werde ich „Die Zwerge“ den Rücken kehren und nie wieder besuchen.

Charaktere

Wer war euer liebster Held?
Cover des Buches 'The Good Luck of Right Now' von Matthew Quick

„The Good Luck of Right Now“ von Matthew Quick ist eine der ungewöhnlichsten Coming-of-Age-Geschichten, die ich kenne. Der Protagonist Bartholomew ist ein erwachsener Mann, dessen ganze Welt aus seiner Mutter bestand. Als sie stirbt, ist er plötzlich allein und vollkommen überfordert damit, ohne sie zurechtzukommen. Er hat keine Freunde, er hat keinen Job. In seiner Trauer beginnt er, dem Hollywood-Schauspieler Richard Gere Briefe zu schreiben, den seine Mutter verehrte. Darin schildert Bartholomew, was er nach ihrem Tod erlebt und wie er sich langsam ein neues Leben aufbaut.

Das klingt natürlich völlig verrückt, aber ich sage euch, das Buch ist eine rührende Erinnerung daran, dass das Glück in den kleinen Momenten des Lebens liegt und wir es oft selbst in der Hand haben, es zu finden. Bartholomew ist ein eigenwilliger, doch ganz und gar liebenswerter Held. Er versprüht einen unschuldig naiven Charme, den ich unwiderstehlich fand und der zu unwillig amüsanten Szenen führt.

Obwohl er eindeutig Schwierigkeiten mit sozialen Kontakten hat und sich nicht immer an gesellschaftliche Konventionen hält, führt er im Rahmen seiner Briefe zuverlässig durch die Handlung und beschreibt glaubhaft sowie nachvollziehbar, wie er sich Stück für Stück emanzipiert. Ich habe mich sehr wohl mit ihm gefühlt und fand, dass er häufig überraschend tiefsinnige Ansichten und Gedanken hat.

Welcher Held hat euch rein charakterlich am besten gefallen?
Cover des Buches 'Brüder' von Jackie Thomae

Bei dieser Frage muss ich ein bisschen schummeln. Ich kann nicht nur einen, sondern muss zwei Figuren nennen, weil sie vollkommen gleichberechtigt sind. Meine charakterlichen Helden 2023 waren Mick und Gabriel aus „Brüder“ von Jackie Thomae. Mick und Gabriel sind Halbbrüder. Ihr Vater ist ein Senegalese, der Ende der 60er Jahre als Austauschstudent erst in die DDR kam, dann in den Westen übersiedelte und nach seinem Studium und einem Zwischenstopp in Paris in den Senegal zurückkehrte, um dort eine Zahnarztpraxis zu eröffnen. Seine Söhne wurden beide 1970 geboren und wachsen auf, ohne ihn oder einander zu kennen.

Das Buch folgt ihren beiden Lebenswegen, die parallel und dennoch in völlig unterschiedliche Richtungen laufen. Es beschreibt, wie sie mit der Frage nach ihrer Identität kämpfen; wie sie beinahe täglich beim Blick in den Spiegel daran erinnert werden, dass sie die Hälfte ihrer Wurzeln nicht kennen, weil sie die deutschen, Schwarzen Kinder eines afrikanischen Mannes sind. Ihre Geschichten verleiten dazu, sich von ihren sehr offensichtlichen Unterschieden und Gegensätzen blenden zu lassen, doch ich glaube, eigentlich möchte die Autorin Leser_innen einladen, nach ihren Gemeinsamkeiten Ausschau zu halten.

Ich fand das Buch sehr berührend, weil Mick und Gabriel so vieles teilen und sich so ähnlich sind, sie die gleichen Kämpfe ausfechten und dabei doch vollkommen gegensätzliche Wege einschlagen, zu keiner Zeit jemals am selben Punkt in ihren Leben stehen. Sie erinnern an das Narrativ der bei der Geburt getrennten Zwillinge. Deshalb empfand ich es als äußerst spannend, ihre charakterliche Entwicklung mitzuverfolgen, sie lieben, leiden und stets suchen zu sehen. „Brüder“ handelt von ihrer inneren Reise. Diese Reise macht sie zu meinen Charakter-Helden 2023.

Welcher Held hat euch rein äußerlich am besten gefallen?

Lange fand ich einen Helden und Ich-Erzähler nicht mehr so unsympathisch wie Darrow aus „Red Rising“ (Red Rising Saga #1) von Pierce Brown. Tatsächlich erlebte ich mit ihm eine der schlechtesten Beziehungen zu einem Protagonisten, an die ich mich erinnern kann. Ich fand ihn unangenehm kalt, fast schon reptiloid und psychopathisch. Ich habe nicht gern Zeit mit ihm verbracht und schon gar nicht in seinem Kopf. Meine Leseerfahrung mit diesem stark gehypten Reihenauftakt war auch aus anderen Gründen unglücklich, aber die Charakterisierung von Darrow war definitiv ein entscheidender Faktor.

Cover des Buches 'Red Rising' von Pierce Brown

Dennoch gab es einen Aspekt, der dem Autor wirklich gut gelang: Darrows äußerliche Transformation. Darrow lebt in einer futuristischen Gesellschaft, die von einem streng hierarchischen, hereditären Kastensystem geprägt ist. Menschen werden in Kasten geboren und verbringen ihr gesamtes Leben innerhalb der Beschränkungen dieser Kaste, ohne jemals die Chance zum Aufstieg in eine höhere Kaste zu erhalten.

Darrow ist ein Roter und damit Teil der niedrigsten Kaste. In Folge einiger tragischer Ereignisse wird er jedoch von einer Widerstandsbewegung rekrutiert, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die vorherrschende Gesellschaftsordnung zu überwerfen. Zu diesem Zweck wollen sie ihn in die höchste Kaste einschleusen, die Goldenen. Da sich die Kasten allerdings nicht nur hinsichtlich ihrer Lebensumstände radikal unterscheiden, sondern auch physisch kaum vergleichbar sind, muss Darrow dafür einen sehr schmerzhaften und langwierigen Transformationsprozess durchlaufen, in dem er genetisch in einen Goldenen verwandelt wird.

Ich glaube, die differenzierten körperlichen Unterschiede der Kasten, die dazu führen, dass sich kaum mehr über dieselbe Spezies sprechen lässt, waren das Einzige, was ich an diesem Buch richtig gut fand. Brown formulierte dermaßen große Gräben zwischen den Kasten, dass es nicht glaubwürdig gewesen wäre, hätte Darrow lediglich einen Ausbildungsprozess absolvieren müssen, in dem er lernt, wann er welche Gabel zu benutzen hat, wenn er mit Goldenen speist.

Ich fand seine physische Verwandlung deshalb folgerichtig und konsequent. Ebenso beeindruckte es mich, dass der Autor dabei keine Abkürzung nahm und betonte, dass seine Transformation keine Kleinigkeit ist. Sie ist aufwendig, sie ist qualvoll und sie dauert lange. Schade, dass mich nur dieser eine Baustein wirklich überzeugte.

Wer war eure liebste Heldin?

Können wir bitte über Savine dan Glokta, pardon, Savine dan Brock in „The Wisdom of Crowds“ (The Age of Madness #3) von Joe Abercrombie sprechen? Ich liebe starke, intelligente, ambivalente weibliche Figuren, die den vorherrschenden Genderrollen ihrer Welt den Mittelfinger zeigen. Savine ist so eine Figur. Wie habe ich sie gefeiert, von der ersten Seite des ersten Bandes bis zur letzten Seite des Finales.

Cover des Buches 'The Wisdom of Crowds' von Joe Abercrombie

Das heißt nicht, dass ich sie immer mochte oder jederzeit mit ihren Entscheidungen einverstanden war. Savine ist eine knallharte Geschäftsfrau, für die Gier eine enorme Triebfeder ist – egal, ob Gier nach Geld oder Gier nach Macht. Im Laufe der Trilogie lügt und betrügt sie, beutet aus, manipuliert und verrät. Sie ist manchmal wirklich schwer zu ertragen. Aber bewundert habe ich sie in jeder Sekunde – und niemals mehr als in der Szene, in der sie im Finale der Trilogie vor Gericht gestellt wird.

Ich kann an dieser Stelle natürlich nichts über die Umstände und Gründe dieser Szene verraten. Nur so viel: Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre während der Lektüre aufgesprungen, um für Savine eine spontane Cheerleading-Kür hinzulegen. In dieser speziellen Situation demonstriert sie, wie haushoch überlegen sie allen anderen Anwesenden ist. Niemand kann ihr das Wasser reichen, wenn sie es darauf anlegt. Außer vielleicht ihr Vater, der allseits beliebte Sand dan Glokta. 😉

Ihr gelingt die perfekte Selbstinszenierung, die ihre Ankläger_innen dumm, herzlos, unkultiviert und blutrünstig wirken lässt. Sie ist ein absoluter Profi der Selbstvermarktung und schafft es, die plumpen Strategien ihrer Gegner_innen gegen sie zu wenden. Ich kriege immer noch Gänsehaut, wenn ich an diese Szene zurückdenke. Savine ist für mich das Paradebeispiel einer brillanten weiblichen Hauptfigur.

Welche Heldin hat euch rein charakterlich am besten gefallen?
Cover des Buches 'The Wall of Storms' von Ken Liu

Kaiserin Jia aus „The Wall of Storms“ (The Dandelion Dynasty #2) von Ken Liu hat viel mit Savine gemeinsam, aber eine Eigenschaft unterscheidet die beiden Frauen maßgeblich voneinander: Jias Selbstlosigkeit. Während Savine eine eiskalte Kapitalistin ist, die ihren eigenen Vorteil stets am höchsten priorisiert, verfolgt die Kaiserin überhaupt keine persönliche Agenda. Das Einzige, was Jia erreichen möchte, sind Stabilität, Frieden und Wohlstand für ihr Land Dara.

Für mich war das lange sehr schwer zu glauben, denn sie geht ohne jeden Zweifel skrupellos und kompromisslos vor. Ihr heiligt der Zweck wirklich jedes Mittel. Es liegt folglich sehr nahe, sie für ihre Methoden zu verurteilen und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass jemand bereit ist, ohne persönliche Triebfeder so weit zu gehen.

Aber irgendwann habe ich ihr dann doch geglaubt. Ihre Ziele sind ehrenhaft, davon bin ich überzeugt. Sie hat nur entschieden, ihnen einfach alles unterzuordnen und jedes Opfer in Kauf zu nehmen, inklusive ihrer selbst und ihrer Familie. In diesem Sinne ist sie sogar bereit, die Monarchie Daras Stück für Stück auszuhöhlen und damit sich langsam selbst zu entmachten, weil sie davon überzeugt ist, dass stabile Verwaltungsprozesse wichtiger sind als die Personen, die sie ausführen.

Sie ist die vielleicht beste Herrscherin, die ich je in einem Buch kennenlernen durfte – zumindest, solange sie jemanden an ihrer Seite hat, der_die ihre unbeugsame Zielorientierung einfängt und etwas bremst. Man muss ja nicht immer gleich zum Gift greifen, um politische Gegner_innen aus dem Weg zu räumen.

Welche Heldin hat euch rein äußerlich am besten gefallen?

Ich mag Romane, die weibliche Schönheitsideale subtil in Frage stellen. In „The Winter Road“ von Adrian Selby ist das nur ein beiläufiger Nebeneffekt, der sich aus der Vergangenheit der Protagonistin Teyr ergibt. Doch da ihre Vergangenheit für den Verlauf der Handlung der Gegenwart absolut entscheidend ist und die Frage nach ihrer Rolle als Frau in einer patriarchalen Gesellschaft permanent mitschwingt, denke ich nicht, dass er unbeabsichtigt war.

Cover des Buches 'The Winter Road' von Adrian Selby

Teyr träumt von einer Straße, die die ländlichen Provinzen ihrer Nation, dem Circle, mit der Hauptstadt verbindet. Als Söldnerin verdiente sie sich das Kapital, ein Handelsunternehmen zu gründen, das heute floriert und ihr wiederum ermöglicht, jetzt in den Bau dieser Straße zu investieren. Zu Beginn von „The Winter Road“ ist es endlich so weit: Die Bauarbeiten starten und Teyr zieht mit einer Truppe los, um die ersten Meilensteine zu beaufsichtigen. Leider werden die Provinzen jedoch von einem blutrünstigen Warlord terrorisiert, der so gar nichts von Teyrs Bauvorhaben hält. Die Ereignisse eskalieren und schon bald entwickelt sich eine harmlose Expedition zu einer erbarmungslosen, persönlichen Fehde.

Ich kategorisiere „The Winter Road“ als Grimdark. Es ist sehr brutal, sehr gewalttätig und mächtig düster. Interessant ist dabei der Fokus, den Adrian Selby wählte. Im Mittelpunkt stehen nicht die vielen Kämpfe, die Folterungen und Morde, sondern die Konsequenzen, die Söldner_innen wie Teyr in Kauf nehmen, wenn sie sogenannte Kampfsude trinken. Kampfsude sind im Grunde sehr potente Drogen, die Konsument_innen vorübergehend enorme, schier übermenschliche Kräfte und Fähigkeiten verleihen, aber auch entsprechende Nebenwirkungen haben. Der Gebrauch kann lebensgefährlich sein. Langfristig verändern sie die Anwender_innen. Es kommt zu Mutationen und Entstellungen.

Teyr nahm die Sude viele Jahre lang. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass sie dementsprechend längst nicht mehr dem klassischen Begriff von Schönheit entspricht. Ihr Gewaltpotential ist für jeden Menschen offen sichtbar, eine Eigenschaft, die im Circle – wie in unserer Welt – traditionell nicht mit Femininität in Verbindung gebracht wird. Sie kann ihre Vergangenheit und unkonventionelle Karrierewahl nur schwer verstecken; ihre Auflehnung gegen die patriarchalischen Strukturen ihrer Welt ist ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

Ich fand das ungemein faszinierend. Teyr ist vieles, sie ist intelligent, innovativ und liebevoll. Aber den Kern ihres Charakters bilden ihr Kampfes- und Überlebenswille und genau das ist es, was man sieht, wenn man sie anschaut. Teyr verkörpert eine Form von Schönheit, die meiner Meinung nach heftig unterschätzt wird.

Manchmal stimmt die Chemie einfach, welches Paar hat euch am besten gefallen? Hier zählt das Paar als Ganzes.
Cover des Buches 'The Ten Thousand Doors of January' von Alix E. Harrow

Kein Paar nahm mich 2023 mehr ein als die Eltern von January aus „The Ten Thousand Doors of January“ von Alix E. Harrow. Ihre Liebe umspannt buchstäblich Welten. Es ist eine gewaltige, machtvolle, realitätserschütternde Liebe, eine Liebe so unzerstörbar wie die Gezeiten, wie Sonne, Wind und Regen. Ihre Geschichte ist zauberhaft, berührend und säht Hoffnung. Sie sind wirklich ein makelloses Paar.

Doch leider stielt ihre Liebe ihrer Tochter das Rampenlicht. Obwohl es ihr Name ist, der im Titel steht und sie nominell als Protagonistin eingeführt wird, kann January gegen die Macht der Liebe ihrer Eltern nicht konkurrieren. Ihre eigene Geschichte bleibt im Vergleich zu ihren Eltern blass und wird von deren Liebesgeschichte völlig überstrahlt. Ich fand das sehr schade. Ich hätte mir definitiv mehr Präsenz von und für January gewünscht, denn sie ist liebenswert und ich konnte mich in einigen Punkten sehr gut mit ihr identifizieren. Sie hätte ein Anrecht darauf gehabt, dass auch ihre Geschichte Anerkennung und Aufmerksamkeit erhält.

Welche_r Protagonist_in hat euch am meisten genervt? Bei wem konntet ihr nur noch mit den Augen rollen? Gab es vielleicht einen besonders schlimmen/peinlichen Moment?
Cover des Buches 'Torn' von Rowenna Miller

Argh, was habe ich mir über Sophie aus „Torn“ (The Unraveled Kingdom #1) von Rowenna Miller die Haare gerauft. Dabei war sie mir gar nicht grundsätzlich unsympathisch. Nein, das Problem mit dieser Protagonistin liegt darin, dass sie nicht echt, nicht lebendig, nicht authentisch wirkt. Sie ist meiner Meinung nach keine vollwertige Persönlichkeit, sondern ein unfertiges Modell, ein Schattenschnitt, dessen Existenz nur durch Konturen legitimiert ist.

Alles, was Menschen menschlich wirken lässt, die vielen kleinen Details, die ein Leben ausmachen – all das fehlt ihr. Sie hat keine Identität: keine vollständige Biografie, keine Interessen außer ihrer Arbeit als Schneiderin und keine Freunde. Sie hat kein Feuer, keine Leidenschaft und ist an beinahe allem, was ihre Realität ausmacht, in bedenklichem Maße desinteressiert.

Dadurch nimmt sie trotz ihrer Rolle als Hauptfigur eine demütigend passive Position in der Geschichte ein, wird von den Ereignissen erfasst und hinweggetragen. Sie ist furchtbar naiv, stets darauf bedacht, allen Personen um sich herum zu gefallen und hat einen extrem eingeschränkten mentalen wie emotionalen Horizont. Ich war unfassbar genervt von ihr und konnte mich null mit identifizieren.

Wer hat euren Buchheld_innen am schlimmsten zugesetzt?
Cover des Buches 'The Book Eaters' von Dean Sunyi

Scheinbar sind es selten einzelne Figuren, die mir als Gegenspieler_innen eindrücklich im Gedächtnis bleiben. In mir lösen repressive Systeme tendenziell eine viel stärke emotionale Resonanz aus, weil sie die Situation der Protagonist_innen häufig schwierig und nahezu ausweglos gestalten – zumindest, bis sich die Protagonist_innen entscheiden, gegen die Umstände aufzubegehren.

„The Book Eaters“ von Dean Sunyi war 2023 ein seltener Spontankauf. Das Buch fiel mir im Berliner Kulturkaufhaus Dussmann in die Hände und weckte sofort meine Neugier, denn der Klappentext versprach mir, mich in die Gemeinschaft der Buchfresser_innen zu entführen – Wesen, die unerkannt unter den Menschen leben und sich ausschließlich von Büchern ernähren. Es klang märchenhaft. Doch die Geschichte, die mich erwartete, ist alles andere als ein Märchen.

Kaum hatte ich die Protagonistin Devon kennengelernt, begann ich auch schon zu begreifen, in was für ein strenges, ultrakonservatives Patriarchat sie hineingeboren wurde. Weibliche Buchfresserinnen haben in ihrer Gemeinschaft so gut wie keine Rechte. Sie werden wie Vieh behandelt und gehandelt, deren einziger Daseinszweck die Fortpflanzung ist. Sie müssen das Überleben ihrer Spezies sichern, komme, was wolle. Ihnen wird keine Wahl gelassen. Devons Erlebnisse in diesem Kontext sind grauenvoll, düster und nahmen mich enorm mit. Selten habe ich einer Figur so sehr gewünscht, dass es ihr gelingt, den ganzen verkommenen Haufen in Flammen aufgehen zu lassen.

Auch Charaktere, die nur am Rande vorkommen, kann man ins Herz schließen. Welche Nebenfigur ist euch besonders in Erinnerung geblieben?
Cover des Buches 'The Malice' von Peter Newman

Diese Antwort ist vielleicht ein bisschen geschummelt, denn meine liebste Nebenfigur 2023 war 2022 der Protagonist meines unangefochtenen Jahreshighlights. „The Malice“ ist die Fortsetzung der „The Vagrant“-Trilogie von Peter Newman, deren gleichnamiger Auftakt sich in meinem Jahresrückblick 2022 gegen 61 andere Bücher durchsetzen konnte.

Der zweite Band spielt einige Jahre nach „The Vagrant“ und folgt Vesper, der Tochter des Vaganten, die an seiner statt auszieht, um gegen die infernalen Horden zu kämpfen, die die Menschheit erneut bedrohen. Das heißt, der Vagant taucht tatsächlich nur ganz am Rande der Handlung auf, aber die Szenen, in denen er präsent ist, gingen mir wieder einmal besonders ans Herz. Weil er stumm ist, haben seine Interaktionen mit anderen Figuren eine ganz spezielle Intensität. Ich liebe es, wie es Peter Newman gelingt, seine Gefühle so eindeutig und unmissverständlich durch Mimik, Gestik und Taten zu transportieren, ohne die Krücke der Sprache zu nutzen.

In „The Malice“ dringt ihm die Sorge um seine Tochter aus jeder Pore, obwohl er sie nicht aussprechen kann. Ich konnte seine Frustration, seine Angst, seine Verzweiflung und jede andere Emotion spüren, als wären es meine eigenen. Es ist fast verrückt, wie eng ich mich ihm verbunden fühle, wenn ich bedenke, dass er sich bloß nonverbal äußern kann. Natürlich ist seine Rolle als Protagonist des ersten Bandes die Wurzel unserer intensiven Beziehung, daher ist es eigentlich nicht ganz fair, ihn bei dieser Frage zu nennen. Aber in der Fortsetzung ist er eben „nur“ eine Nebenfigur und keine andere blieb mir besser im Gedächtnis.

Verschiedenes

Habt ihr bei einem Kuss so richtig mitgefiebert, erleichtert aufgeseufzt, richtig Lust aufs Küssen bekommen?
Cover des Buches 'Grave Importance' von Vivian Shaw

Die Reihe „Dr. Greta Helsing“ von Vivian Shaw schätze ich neben der herrlichen nerdig-medizinischen Ausrichtung und dem vielfältigen, faszinierenden Bestiarium vor allem dafür, dass es „saubere“ Urban Fantasy ist. Die allermeisten Mehrteiler des Subgenres, die ich kenne, leben von einem dezidiert düster-erotischen Einschlag, von der sexuellen Spannung zwischen den Figuren und nicht selten rutschen die Dynamiken in toxische Gefilde ab. Vivian Shaw macht es anders. Ihre Reihe ist voller Wärme, Licht und wahrer Liebe, sowohl der amourösen als auch der platonischen Art.

Obwohl die vorsichtige Skeptikerin in mir etwas die Stirn darüber runzelt, wie schnell sich ihre Beziehung entwickelt, fand ich dementsprechend alle Küsse zwischen der Protagonistin Greta und ihrem vampirischen Partner Varney ganz zauberhaft. Trotz meiner Zweifel angesichts ihres Tempos stelle ich weder ihre tiefen Gefühle füreinander in Frage noch, dass ihnen eine wundervolle gemeinsame Zukunft bevorsteht. Wenn sie sich im dritten Band „Grave Importance“ küssen, ist das der sichtbare Ausdruck ihrer Liebe und das finde ich einfach schön.

Wenn es nicht beim Küssen bleibt, welche Liebesszene hat euch am meisten angesprochen?
Cover des Buches 'The Hidden Palace' von Helene Wecker

Normalerweise spricht man bei Gegensätzen gern von Feuer und Eis. Oder von Feuer und Wasser. Aber wie wäre es zur Abwechslung mal mit Feuer und Erde?

Ahmad und Chava aus der „The Golem and the Jinni”-Dilogie von Helene Wecker sind faktisch extrem gegensätzlich. Er ist ein Dschinn, ein feuriges Wesen der Wüste und Herr über die Flammen. Sie ist ein Golem, eine Kreatur geformt aus Erde und Glaube, kühl und glatt, aber dennoch voller Tiefe. Wenn diese beiden Zärtlichkeiten austauschen, ist es jedoch gerade diese Gegensätzlichkeit, die das Erlebnis als einzigartig auszeichnet.

Ich erinnere mich an eine Szene im zweiten Band „The Hidden Palace“, den ich 2023 gelesen habe, die ich wirklich sehr reizvoll fand. Sie ist aus Chavas Perspektive geschrieben und beleuchtet, wie es sich für sie anfühlt, wenn sie von Ahmad berührt wird, wie sich sein inneres Feuer auf sie überträgt, er seine Wärme in ihren Körper aus Erde leitet und diese sich in ihr ausbreitet. Ich fand es sehr erotisch, wie sie beschreibt, dass ihre Erregung von den Wellen seines Feuers getragen wird – obwohl Helene Wecker diskret darauf verzichtet, sie beim Sex selbst zu zeigen. Das Wechselspiel der beiden, wie sie sich körperlich ergänzen, wenn die Leidenschaft sie erfasst, ist etwas ganz Besonderes.

Bei welchem Buch konntet ihr am herzhaftesten lachen?
Cover des Buches 'Ab die Post' von Terry Pratchett

Wie ihr wisst, bin ich kein großer Fan humoristischer Literatur. Die eine Ausnahme ist für mich Terry Pratchetts „Scheibenwelt“. Und wenn sich Terry Pratchett eine staatliche Behörde wie die Post vornimmt, ihre behäbige Bürokratie und kleinlichen Vorschriften, kann das bloß in einer herrlich komischen Lektüre enden.

„Ab die Post“ ist der 33. Band der „Scheibenwelt“ und beschreibt den nicht ganz freiwilligen Versuch des Serienkleinkriminellen Feucht von Lipwig, die Post von Ankh-Morpork zukunftstauglich zu machen. Oder zumindest erst mal gegenwartstauglich. Oder überhaupt irgendwie tauglich. Auf der Scheibenwelt werden Nachrichten nämlich schon seit Jahren nicht mehr auf dem Postweg verschickt, sondern über die Klackertürme, die wesentlich schneller, effizienter und zuverlässiger sind als berittene oder befußte Postbot_innen. Die Klackertürme gehören einem großen, mächtigen Unternehmen, das alles daransetzt, sein Monopol zu halten. Als staatliche Institution ist die Post nicht konkurrenzfähig. Oder doch?

Aus der kleinen Zusammenfassung könnt ihr vielleicht schon herauslesen, dass sich „Ab die Post“ intensiv mit Wirtschaftsmechanismen beschäftigt. Aber natürlich ist es ein Pratchett und damit alles andere als trocken, theoretisch oder humorlos. Ich habe mich wie immer köstlich amüsiert – über die Eigenheiten der Scheibenwelt, über die Postangestellten (Einer von ihnen wurde von Erbsen aufgezogen. Genau. Von. Nicht mit.) und darüber, wie absurd das ganze System des Kapitalismus ist, wenn man mal genau hinschaut.

Bei welchem Buch habt ihr am meisten geweint bzw. hättet am meisten heulen können?
Cover des Buches 'The Lovely Bones' von Alice Sebold

Bücher, in denen es um Verlust geht, sind emotional immer herausfordernd. In „The Lovely Bones“ beschreibt Alice Sebold, wie erschütternd und realitätsverschiebend der gewaltsame Tod eines Kindes für die betroffene Familie ist. Sie schildert, wie schwer es für Eltern und Geschwister ist, loszulassen. Auch mich hat diese Geschichte, die bereits verfilmt wurde, nicht kaltgelassen.

Das war allerdings keine Selbstverständlichkeit. Erst nach etwa der Hälfte konnte ich mich dem Leid der Familie wirklich öffnen. Zuvor habe ich mich völlig auf die Ermittlungen konzentriert, denn durch die einzigartige Erzählsituation des Romans, in der die ermordete Tochter Susie als Ich-Erzählerin agiert, wusste ich, wer für ihren Tod verantwortlich ist. Ich war obsessiv auf der Jagd, wollte unbedingt, dass ihr Mörder geschnappt wird. Es brauchte erst ein Schlüsselerlebnis auf der Hälfte des Buches, damit ich mich dem Schmerz ihrer Eltern und Geschwister stellen konnte.

Danach wurde es für mich zu einer sehr intensiven Lektüre, die mich stark berührte, denn es vergehen viele Jahre voller Rückschläge und Enttäuschungen, bis Susies Familie wieder so etwas ähnliches wie Normalität erreicht. Es ist ein wunderbares Buch, das mich auf eine Achterbahn der Gefühle schickte.

Welches Setting hat euch besonders beeindruckt?

„Heroes Die“ (The Acts of Caine #1) von Matthew Woodring Stover spielt in zwei Welten: auf unserer Erde und in einer fremden, magischen Welt namens Ankhana. So weit ist das natürlich erst mal nicht ungewöhnlich, es gibt ja viele Bücher, die in mehreren Welten oder Dimensionen verortet sind. Das Besondere am Setting dieses Reihenauftakts ist das Zusammenspiel der Erde und Ankhanas. Während in Ankhana nur sehr wenige Personen vermuten, dass es eine weitere Welt gibt, ist die Existenz Ankhanas auf der Erde alles andere als ein Geheimnis. Alle Menschen wissen es. Sie sehen Ankhana täglich auf ihren Bildschirmen, denn die magische Welt ist der Mittelpunkt der modernen Unterhaltungsindustrie.

Cover des Buches 'Heroes Die' von Matthew Woodring Stover

Seit es möglich ist, Bewohner_innen der Erde physisch nach Ankhana zu transferieren, entwickelte sich daraus ein extrem populärer Zweig der Unterhaltungsindustrie, der enorme Umsätze generiert. Ähnlich wie beim Wrestling entwerfen Produktionsfirmen Rollen und Handlungsstränge für Darsteller_innen, die nach Ankhana geschickt werden, um die gescripteten Abenteuer dort zu durchleben. Alle ihre Erlebnisse werden aufgezeichnet und auf der Erde ausgestrahlt. Zuschauer_innen sind bei allem hautnah und zum Teil sogar live dabei. Die Technik ist so weit fortgeschritten, dass sie die Abenteuer aus der Ich-Perspektive der Darsteller_innen erleben und jede Wahrnehmung 1:1 übertragen wird.

Im Mittelpunkt des Reihenauftakts steht einer der erfolgreichsten Darsteller: Hari Michaelson, der in Ankhana die Rolle des Antihelden Caine verkörpert. Caine ist ein sehr ambivalenter Charakter, der für mich viele spannende Fragen zum Konzept dieser neuen Unterhaltungsform aufwarf. In Einklang mit den modernen Ansprüchen an die Fantasy ist er weder gut noch böse, auf jeden Fall aber äußerst gewalttätig. Er mordet regelmäßig, manchmal für das höhere Wohl Ankhanas, manchmal aus Rache oder anderen persönlichen Gründen. Er tötet, während ihm mindestens die halbe Erde dabei zusieht und alles fühlt, was er fühlt.

Außerdem beeinflussen die Handlungen der Darsteller_innen selbstverständlich die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Ankhana. Caines Taten haben konkrete, direkte Folgen für die andere Welt, denn er schreckt nicht davor zurück, Regierungsmitglieder zu eliminieren, wenn es ihm seine Produktionsfirma aufträgt, weil es ihnen nutzt.

Ich musste mich einfach fragen, wie diese große Einflussnahme auf eine fremde Gesellschaft und die weitreichende Immersion des Publikums in Caines Abenteuer moralisch-ethisch zu bewerten sind. Ist es verwerflich, eine andere Welt zu Unterhaltungszwecken zu manipulieren? Was sagt es über Menschen aus, dass sie sich daran ergötzen, einen Mord aus der Perspektive des Mörders hautnah mitzuerleben? Und die wahrscheinlich wichtigste Frage von allen: Wie würde ich auf diese Unterhaltungsform reagieren? Würde ich sie ablehnen – oder wäre ich Caines größter Fan?

Aufgrund dieser faszinierenden, teils sehr unbequemen Denkanstöße fand ich Matthew Woodring Stovers komplexes Worldbuilding in „Heroes Die“ originell, aufregend und außergewöhnlich stimulierend. Obwohl Ankhana für meinen Geschmack etwas zu stereotyp im Rahmen der High Fantasy war, liebte ich es, als die Implikationen und Wechselwirkungen zwischen den beiden Welten zu erforschen und zu analysieren.

Welches Buch würdet ihr am liebsten verfilmt sehen?

Wie beinahe jedes Jahr erlaube ich mir bei dieser Frage etwas Nachsicht. Ich bin einfach kein Fan von Buchverfilmungen und sehe sie mir in den seltensten Fällen an, weil mir das Risiko, enttäuscht zu werden, meist zu groß ist. 2023 habe ich jedoch ein Buch gelesen, das praktischerweise bereits als Serie adaptiert wurde und von dem ich glaube, dass die Adaption vielleicht kein kompletter Reinfall ist: „One of Us is Lying“ (One of Us is Lying #1) von Karen McManus.

Cover des Buches 'One of Us Is Lying' von Karen M. McManus

Ich hatte unheimlich viel Spaß mit der Lektüre dieses Jugendthrillers! Für mich war das Buch die perfekte Mischung aus der Serie „Pretty Little Liars“ und dem Gesellschaftsspiel „Cluedo“. Ich kann mir gut vorstellen, dass vielen von euch die Ausgangssituation bereits bekannt ist (Hallo, Hype!), aber für diejenigen, denen der Titel gar nichts sagt, hier eine kurze Zusammenfassung in zwei Sätzen. An einem Montagnachmittag betreten fünf Schüler_innen der Bayview High ein Klassenzimmer zum Nachsitzen. Aber nur vier verlassen den Raum lebend wieder.

Ich liebe Kriminalfälle, in denen der Tatort und die Umstände der Tat so begrenzt sind. Wie ist es möglich, dass ein Teenager in einem geschlossenen Klassenzimmer ermordet wird, das niemand verlässt oder betritt? Auf den ersten Blick können ja lediglich seine vier Mitschüler_innen als Verdächtige in Frage kommen. Aber ist die offensichtliche Antwort auch die richtige?

Dramaturgisch ist „One of Us is Lying” genial und äußerst spannend gestaltet. Karen McManus lädt ihre Leser_innen dazu ein, aktiv mitzurätseln, anhand der Hinweise zu ermitteln, Vermutungen aufzustellen und ungeniert alle möglichen Figuren zu verdächtigen. Parallel stellt sie gewissenhaft die vier Beschuldigten vor und gestattet tiefe Einblicke in ihre Persönlichkeiten, sodass sich ihr Publikum selbst ein Bild davon machen kann, ob diese vier ein Motiv hatten und dazu fähig wären, ihren Mitschüler zu töten. Kurz vor Schluss wartet sie dann noch mit einer haarsträubenden Wendung auf, über die ich zwar schon spekuliert hatte, deren Wirkung davon jedoch nicht im Geringsten geschmälert wurde.

Ich kann mir vorstellen, dass „One of Us is Lying“ auch als Serie sehr gut funktioniert. Die gesamte Erzählstruktur des Buches bietet sich für eine Adaption geradezu an und ich habe die Hoffnung, dass die Buchvorlage ähnlich unrealistische Handlungsentwicklungen wie damals bei „Pretty Little Liars“ verhindert. Allerdings werde ich vorerst dennoch darauf verzichten, in die Serie reinzuschnuppern, weil ich nicht weiß, ob auch die zwei Folgebände der Trilogie einbezogen werden und ich diese noch nicht gelesen habe. Ich möchte mich nicht versehentlich spoilern. Habe ich die Trilogie abgeschlossen, halte ich es durchaus für möglich, dass ich der Serie eine Chance gebe.

Autor_innen

Welche_n Autor_in habt ihr 2023 am liebsten gelesen?
Cover des Buches 'Ship of Magic' von Robin Hobb

Robin Hobb ist unbestritten einer der ganz großen Namen der zeitgenössischen Fantasy. Viele Jahre begegneten mir ihre Bücher in allen möglichen Kontexten meiner Buchrecherche, von allen Seiten wurde sie mir empfohlen und immer wieder las ich Rezensionen, die in den höchsten Tönen von ihr schwärmten. Ich habe nie daran gezweifelt, dass auch ich ihre Fantasy-Literatur genießen würde. Aber dass ich mich Hals über Kopf hoffnungslos in „Ship of Magic“, den ersten Band ihrer „Liveship Traders“-Trilogie, verlieben würde – damit habe ich dann doch nicht gerechnet.

Nach einem richtig guten, reichhaltigen Essen bin ich manchmal so rundum zufrieden und glücklich, dass hinter mir vermutlich die Welt untergehen könnte, es würde mich nicht kümmern. Dasselbe habe ich nach meiner Lektüre von „Ship of Magic“ empfunden. Nichts hätte mir das selige Grinsen aus dem Gesicht wischen können. SO schreibt man eine originelle, mitreißende und aufregende High Fantasy-Seefahrtsgeschichte!

Robin Hobb ist gnadenlos talentiert, kompetent und hat nicht nur ein Händchen für eine überzeugende, dichte und greifbare Atmosphäre, sondern auch für hyperreale Figuren. Ich bin hin und weg. Selbstverständlich stehen die beiden Folgebände bereits in meinem Regal, ich kann es kaum erwarten, erneut in diese Welt voller Piraten, Familiengeheimnisse, intelligenter Seeschlangen und lebenden Schiffen abzutauchen!

Habt ihr eine_n Autor_in entdeckt, von dem_der ihr nun am liebsten alles verschlingen würdet?
Cover des Buches 'The Company' von K. J. Parker

Meine Autor_innen-Neuentdeckung des Jahres 2023 war eine Wiederentdeckung. 2015, vor mittlerweile fast neun Jahren, habe ich „Sharps“ von K. J. Parker gelesen. Ich mochte seine intelligente, anspruchsvolle High Fantasy, fand die Lektüre aber auch sehr anstrengend, weil die Geschichte hochgradig komplex und politisch ist. In den folgenden Jahren kaufte ich weitere Romane des Autors, fühlte mich jedoch lange nicht bereit, mich noch einmal der Herausforderung seiner Literatur zu stellen.

Erst 2023 signalisierte mir mein Bauch, dass es Zeit war, Parker eine neue Chance zu geben. Im November habe ich „The Company“ gelesen und erlebte eine Überraschung. Obwohl dieser High Fantasy-Einzelband nicht weniger anspruchsvoll als „Sharps“ ist, fand ich ihn überhaupt nicht anstrengend, sondern kontinuierlich mitreißend und spannend. Ich glaube, ich habe jetzt eine Lebensphase erreicht, in der K. J. Parker (übrigens ein Pseudonym für Tom Holt) genau der richtige Autor für mich ist. Über acht Jahre später bin ich endlich bereit für ihn, fühle mich reif und erfahren genug, um seine Bücher wirklich wertzuschätzen.

Meine Erfahrung mit „The Company“ war dermaßen positiv und erfolgreich, dass ich es kaum abwarten kann, noch mehr von ihm zu lesen. Zwei weitere seiner Bücher habe ich bereits. Ich musste mich dennoch sehr zusammenreißen, nicht sofort sein gesamtes Werk auf meine Wunschliste zu setzen. Schließlich ist ein gutes Leseerlebnis noch kein Muster.

Ein_e Autor_in, von dem_der ihr bisher alles verschlungen habt, der_die euch aber arg enttäuscht hat 2023?

Ich liebe Robert Jackson Bennett. Seine Trilogie „The Divine Cities” ist bis heute einer meiner liebsten High Fantasy-Mehrteiler aller Zeiten, deren Figuren mir dermaßen ans Herz gewachsen sind, dass ich mich über fünf Jahre nach der Lektüre noch immer an sie erinnern kann, als hätte ich das Finale „City of Miracles“ erst gestern zugeschlagen. Nach der Trilogie habe ich es mit seinem älteren Einzelband „The Troupe“ versucht, der völlig anders ausfiel, als ich erwartet hatte, mir aber dennoch mitten ins Herz stach mit seiner exquisiten, ästhetischen Tragik. Ja, ich bin ein euphorischer Fan von Robert Jackson Bennett.

Cover des Buches 'American Elsewhere' von Robert Jackson Bennett

2023 ist „Locklands“ erschienen, das Finale seiner aktuellen „The Founders“-Trilogie. Die ersten beiden Bände warten bereits in meinem Regal darauf, dass ich sie lese. Ich möchte den Dreiteiler aber nicht anfangen, bevor ich alle Bände habe. Derzeit warte ich darauf, dass sich eine günstige Gelegenheit ergibt, das Finale zu kaufen. Im Juli 2023 war ich jedoch so ungeduldig und begierig darauf, endlich wieder einen Bennett zu lesen, dass ich beschloss, ersatzweise erst einmal einen weiteren seiner Einzelbände von meinem SuB zu befreien: „American Elsewhere“.

Ich weiß nicht genau, was schief gegangen ist – ob es an meiner Erwartungshaltung lag oder dieser Roman, der sich irgendwo auf der Grenze zwischen Science-Fiction und Urban Fantasy bewegt, tatsächlich nicht dieselbe Zugkraft aufweist wie Bennetts andere Werke. Fakt ist, ich musste mich ziemlich anstrengen, um die Lektüre auch nur ansatzweise zu genießen.

Es ist zweifellos ein originelles Buch, das mich stellenweise stark an den Cthulhu-Zyklus von H. P. Lovecraft erinnerte, aber irgendwie … Es war nicht das, was ich zu diesem Zeitpunkt suchte. Es holte mich nicht ab. Ich fand es zäh, träge und abstrakt. Mit der Protagonistin Mona konnte ich so gut wie nichts anfangen, mich nicht mit ihr identifizieren und auch zu den anderen Figuren konnte keine stabilen Bindungen aufbauen.

Ich bedauere das sehr, denn ich glaube, wäre mein Timing besser gewesen, hätte ich „American Elsewhere“ später gelesen, wäre ich offener für den bizarren Mix auf SciFi und Urban Fantasy gewesen, hätte mich das Buch garantiert überzeugt und mir mehr Spaß gemacht. Genau genommen war ich dementsprechend enttäuschter von mir selbst als von Robert Jackson Bennett. Obwohl meine Leseerfahrung eher unglücklich war, glaube ich fest daran, dass sie eine Ausnahme war und mich die „The Founders“-Trilogie wieder hellauf begeistern wird.

Äußerlichkeiten

Welches Cover hat euch 2023 am besten gefallen?
Cover des Buches 'Madhouse at the End of the Earth' von Julian Sancton

2023 habe ich einige Bücher mit hübschen Covern gelesen, aber keines, das sich als „Cover-Porn“ qualifiziert und mich hätte sabbern lassen. Darum habe ich mich bei dieser Frage für das zweite Werk der Non-Fiction entschieden, das ich im vergangenen Jahr gelesen habe: „Madhouse at the End of the Earth: The Belgica’s Journey into the Dark Antarctic Night“ von Julian Sancton. Dieses Buch ist eine zusammenfassende Schilderung der Antarktis-Expedition des belgischen Schiffes Belgica, die 1897 in See stach. Aufgrund einer verhängnisvollen Entscheidung des Kommandanten wurde das Schiff nach seinem Eintreffen in der Antarktis, die damals noch weitgehend unentdeckt und unerforscht war, ein Jahr lang im Eis eingeschlossen.

Das Foto auf dem Cover stammt zwar nicht von der Expedition (obwohl es im Buch mehrere Fotos gibt, die tatsächlich von der Besatzung angefertigt wurden), sondern von dem Natur- und Tierfotografen Galen Rowell, der deutlich später lebte. Aber es hätte während der Gefangenschaft der Belgica im Eis entstehen können. Obwohl es sich bei diesem Cover nicht um ein authentisches Zeitdokument handelt, erfasst es das Wesen dieses historischen, realen und sehr beängstigenden Abenteuers hervorragend.

Seht ihr genau hin, könnt ihr erkennen, dass auf dem Foto eine Person neben einem Schiff steht. Das Schiff liegt nicht in einem Hafen, es ist nicht vertäut. Die Person steht nicht auf einem Steg, einer Mole oder einem Kai. Sie sollte gar nicht neben dem Schiff stehen können. Sie kann es, weil das Schiff von einer wahrscheinlich meterdicken Eisschicht umgeben ist. Die Crew der Belgica erlebte genau das. Ich finde die Vorstellung, ein Jahr lang im Eis eingeschlossen zu sein und nicht fliehen zu können, unfassbar furchteinflößend. Für mich erfasst dieses Cover-Foto alles, was mich an der Geschichte der Expedition der Belgica fasziniert und gruselt. Deshalb ist es meiner Meinung nach das eindrucksvollste Cover des Jahres 2023.

Gab es ein Cover, dass euch fast davon abgehalten hätte, das Buch zu lesen? Oder ein Buch, dass ihr tatsächlich aufgrund des Covers nicht lesen wollt? Gab es ein Buch, dessen Cover unpassend zur Geschichte/Stimmung war oder schon zu viel gespoilert hat?
Cover des Buches 'Slated' von Teri Terry

Erfasst das Cover von „Madhouse at the End of the Earth” die Geschichte der Belgica in einer einzigen Momentaufnahme, ist das Cover von „Slated“ (Slated #1) von Teri Terry das genaue Gegenteil. Ein generischeres Cover hätte sich der Verlag nicht ausdenken können. Es hat nichts, aber auch gar nichts, mit der Geschichte dieser Jugend-Dystopie zu tun.

Das Model sieht der äußerlichen Beschreibung der Protagonistin Kyla nicht annährend ähnlich und die Handlung spielt nicht in einer Großstadt, wie sie im unteren Teil des Covers zu sehen ist. Wenn es wenigstens ästhetisch wäre – aber nein, nicht mal das. Es ist einfach nur irgendwie zusammengeschustert, da steckt keine Liebe drin und ich frage mich, ob die Personen, die dieses Cover designt haben, überhaupt wussten, worum es geht. Wahrscheinlich nicht.

Glücklicherweise ärgere ich mich allerdings nicht wirklich über das unpassende Cover, denn ich fand „Slated“ zwar nicht schlecht, aber auch nicht gut. Es las sich wie ein sehr langes erstes Kapitel, als hätte die Autorin das Prinzip des Trilogieauftakts auf die Spitze getrieben. Mir erschien es einerseits verwirrend, weil nichts erklärt wird, andererseits sehr eintönig und langweilig, denn gefühlt besteht es aus überproportional vielen Szenen, in denen Kyla joggt. Die guten Ansätze für Worldbuilding und Geschichte gehen daneben fast völlig unter. Unterm Strich sehe ich das Potenzial dieser Trilogie, glaube jedoch nicht, dass die Autorin es zur Entfaltung bringen kann und werde daher auch nicht weiterlesen.

Welches Buch ist euch wegen der Verarbeitung, Illustrationen, Kapitelunterteilungen etc. besonders in Erinnerung geblieben?

Ich fasse normalerweise keine fixen Lesevorsätze. Ich treffe meine Lektüreauswahl am liebsten spontan und impulsiv, höre auf meinen Bauch und lasse ihn entscheiden, worauf ich gerade Lust habe. Anfang 2023 habe ich mir dennoch lose vorgenommen, im Laufe des Jahres zu einem Autor zurückzukehren, der mir mehr als alle anderen bedeutet: Robert E. Howard. Im Oktober habe ich meinen Plan umgesetzt, einen weiteren seiner Helden kennengelernt und „The Savage Tales of Solomon Kane“ gelesen.

Cover des Buches 'The Savage Tales of Solomon Kane' von Robert E. Howard

Nach meinem größenwahnsinnigen Blogprojekt „Robert E. Howard & Conan der Barbar“ 2020 brauchte ich eine längere Auszeit von dem viel zu früh verstorbenen Texaner und seinem berühmten Helden. Ich musste durchschnaufen, Conan aus meinem System kriegen und etwas Abstand gewinnen, damit ich Howards anderen Figuren eine faire Chance geben konnte. Diese dreijährige Auszeit habe ich genutzt, um meine Howard-Sammlung auf- und auszubauen. Mittlerweile kann sie sich schon sehen lassen und besteht hauptsächlich aus Ausgaben des US-amerikanischen, auf Fantasy und Science-Fiction spezialisierten Verlages Del Rey.

Meiner Meinung nach sind die Del Rey-Ausgaben das Nonplusultra für alle Howard-Nerds wie mich. Sie orientieren sich so nah wie möglich an den Originalgeschichten hinsichtlich ihrer Chronologie, jegliche spätere Änderungen und Anpassungen (z. B. Rechtschreibungskorrekturen) der Originalmanuskripte sind transparent aufgeführt sowie begründet, sie enthalten sowohl veröffentlichtes wie auch unveröffentlichtes Zusatzmaterial (Fragmente, Gedichte, Essays etc.) – und sie sind liebevoll illustriert. Del Rey arbeitete für jede Ausgabe mit wechselnden Künstler_innen zusammen; die Illustrationen in „The Savage Tales of Solomon Kane“ stammen von Gary Gianni.

Ich finde, dass Giannis Zeichnungen die pulsierende Lebendigkeit von Howards Kurzgeschichten hervorragend transportieren und das Wesen des grimmigen Rächers haargenau erfassen. Sie bereichern das Buch enorm, ohne vom geschriebenen Wort abzulenken oder um die Aufmerksamkeit der Leser_innen zu konkurrieren. Sie sind respektvoll und einfach wunderbar.

Ich habe ja ohnehin eine sehr intensive Beziehung zu Robert E. Howard, liebe seine Kurzgeschichten und war von Anfang an überzeugt davon, dass mich Kanes Abenteuer mindestens genauso begeistern wie Conans, aber dank dieser Illustrationen war es eine wirklich außergewöhnliche Leseerfahrung, die meine Verehrung von Howard noch einmal vertiefte – trotz der Melancholie, die ich am Ende der Lektüre darüber empfand, dass nie weitere Kane-Geschichten erschienen, weil sich der Autor so jung das Leben nahm.

Social Reading

Gab es eine Leserunde oder einen Buddy Read, die/der euch besonders gut gefallen hat?

Obwohl es nicht das erste Mal ist, dass ich diese Blogaktion in diesem Kontext erwähne und es sich weder um eine Leserunde noch um einen Buddy Read handelt, liegt es mir in dieser Ausgabe meines Jahresrückblicks ganz besonders am Herzen, bei dieser Frage auf die Montagsfrage von Sophia von Wordworld zu verweisen.

Logo der Blogaktion Montagsfrage bei Wordworld

Denn ohne die Montagsfrage nach unseren Leselebenszielen vom 24.04.2023 hätte ich mich wahrscheinlich noch sehr lange Zeit nicht überwinden können, mich noch einmal an „Das verlorene Paradies“ von John Milton heranzuwagen. Ohne diese Frage wäre es nicht mein Buch des Jahres 2023 geworden. Ohne diese Frage hätte ich kein Blogprojekt zusammengestellt. Ohne diese Frage hätte ich mein Leselebensziel Nummer Eins nicht abhaken können.

Dank der Aktion fand ich den Mut, mich dem Gedichtepos zu stellen und erkannte, dass ich längst bereit dafür war. Im Rahmen meiner Antwort sprudelten ganz konkrete Ideen für Lesemaßnahmen aus mir heraus, die mir am Ende ermöglichten, die über 10.000 Blankverse sinnvoll in meinen Alltag zu integrieren. Ich wusste, wie ich das Buch lesen musste, hatte mir unbewusst schon einen Schlachtplan zurechtgelegt – es war mir nur selbst nicht klar, bis ich darüber für die Montagsfrage schrieb.

Darum möchte ich an dieser Stelle noch einmal ein aufrichtiges, dickes Dankeschön an Sophia senden, die sich diese tolle Frage ausgedacht und mein Leben damit so positiv beeinflusst hat. Das beweist: Es braucht nicht unbedingt eine Leserunde oder einen Buddy Read, damit sich Bücherwürmer wie wir gegenseitig motivieren.

Gab es eine Leseempfehlung, für die ihr besonders dankbar seid?
Cover des Buches 'Nevernight' von Jay Kristoff

Im April 2023 verströmte meine liebe Freundin und Arbeitskollegin E. eine dermaßen liebenswerte Frustration darüber, dass sie sich mit niemandem über „Nevernight“ (The Nevernight Chronicle #1) von Jay Kristoff austauschen konnte, weil es außer ihr noch niemand in ihrem Umfeld gelesen hatte, dass ich es kurzentschlossen als meine nächste Lektüre auserkor. Ihr Redebedarf war so groß, ich musste ihr einfach helfen.

Der High Fantasy-Trilogieauftakt lag sowieso auf meinem SuB, weil er mir bereits in der Vergangenheit empfohlen worden war. Da bei mir aber dennoch eine gewisse Skepsis vorherrschte, die mit dem Hype um das Buch, den Autor und mit der gelegentlichen Klassifizierung als Jugendroman zu tun hatte, empfand ich E.s indirekten Hilferuf als ideale Gelegenheit, mich endlich zu überwinden.

Meine Lektüre war ein Erfolg. Der erste Band hat mir sehr gut gefallen, ich fand ihn äußerst temporeich und spannend, wollte nicht unterbrechen und war völlig gefesselt. Die Geschichte dreht sich um Mia, die in einem versteckten Kloster der sogenannten Red Church zu einer Auftragsmörderin ausgebildet wird. Klingt düster?

Oh ja, das ist es auch. Deshalb schrecke ich tatsächlich davor zurück, es als jugendtauglich zu kategorisieren, obwohl es einige Elemente enthält, die typisch für diese Sparte sind. Ohne Witz, es gibt eine Szene, in der Mia ein Ballkleid trägt. Nichtsdestotrotz ist es ein vielversprechender Trilogieauftakt, der moralische Grenzen hinterfragt und Leser_innen permanent in Atem hält. Vielen Dank an E. für diese gelungene Empfehlung – und das anregende Gespräch im Anschluss!

Gesamtfazit

So. Das war es also, mein Lesejahr 2023. Ich finde es immer wieder spannend, in meinem statistischen Jahresrückblick die reinen Zahlen meines Lesefortschritts zu analysieren und in meinem emotionalen Jahresrückblick zu erforschen, welche Bücher mir zu den einzelnen Fragen einfallen. Jedes Jahr gibt es da einige Überraschungen für mich.

Die Kombination beider Abschnitte liefert die Antwort darauf, warum ich mich relativ schnell damit abfinden konnte, dass ich 2023 weniger als je zuvor gelesen habe: Unterm Strich hatte ich dennoch ein erfolgreiches Jahr mit sehr vielen guten Leseerlebnissen. Auch, wenn sich das im Verlauf der vergangenen 12 Monate nicht so anfühlte. Wie angekündigt verrate ich jetzt, welche Konsequenzen ich aus meiner subjektiven Wahrnehmung des letzten Jahres ziehe.

Ein Gefühl, das mich 2023 ständig begleitete, war das schlechte Gewissen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen Ausflug mit Saverio plante, weil ich wusste, dass ich diese Zeit nicht nutzen konnte, um den nächsten Blogbeitrag zu schreiben. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, wenn ich lieber meine aktuelle Serie weiterschaute, statt endlich das Puzzle fertigzustellen, das schon so lange unvollendet in einer Ecke einstaubt. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, wenn ich an meinem Blogprojekt John Milton’s «Das verlorene Paradies» arbeitete, statt die Montagsfrage zu beantworten. Und ich hatte bei all diesen Aktivitäten ein schlechtes Gewissen, weil ich diese Zeit nicht zum Lesen nutzte. Ich wollte alles auf einmal und habe es mir dadurch selbst schwerer als nötig gemacht.

Ich ertrage es nicht mehr, permanent ein schlechtes Gewissen zu haben. Das ist so anstrengend, ihr könnt es euch (hoffentlich) nicht vorstellen. Ich halte es nicht mehr aus, keine meiner Freizeitaktivitäten wirklich genießen zu können, weil ich immer daran denke, wofür ich diese Zeit auch – und implizit besser – nutzen könnte. Deshalb habe ich beschlossen, mich auf das zu besinnen, was mir am wichtigsten ist, bewusste Entscheidungen für meine Freizeit zu treffen und mich dann voll und ganz auf meine Wahl festzulegen, mich ihr zu verpflichten. Ohne Rechtfertigungen, ohne Diskussionen mit mir selbst, ohne die Notwendigkeit für „Ausreden“. Ich nehme dem schlechten Gewissen den Lebensraum.

Da ich aber nun mal ein Mensch bin, der ganz dringend Struktur und Orientierung braucht, und prinzipiell alles ritualisiere, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist, habe ich mir selbst natürlich Grundsätze aufgestellt, um mir die Umsetzung zu erleichtern. Das mag einigen von euch komisch erscheinen, für mich sind sie aber notwendig. Ich brauche einen verbindlichen Leitfaden, an dem ich mich festhalten und an den ich mich erinnern kann, damit ich nicht in kontraproduktive Verhaltensmuster zurückrutsche, die ich eigentlich ablegen möchte. Also habe ich zwei Gebote formuliert, die genau das verhindern sollen.

Saverio kommt immer zuerst

Diesen Grundsatz verfolge ich selbstverständlich nicht erst seit 2024, sondern seit dem Tag, an dem er bei uns eingezogen ist. Der Lieblingsmensch und ich nehmen unsere Verantwortung für ihn sehr ernst. Er bekommt alles, was er braucht – und oft mehr als das, weil wir wollen, dass er ein absolut traumhaftes Hundeleben führt.

Gemeinsam aktiv Zeit zu verbringen, zum Beispiel zusammen ins Grüne zu fahren oder ihn einmal die Woche gründlich auszubürsten, tut jedoch nicht nur ihm gut, sondern auch mir. Das ist Quality Time, aus der ich viel Kraft schöpfe und für die ich mich besonders mir selbst gegenüber nicht rechtfertigen muss. Saverio kommt zuerst, Punkt. Ich vernachlässige seinetwegen nichts, ich entscheide mich für ihn. Für uns beide. Es ist in Ordnung, wenn ich meine To Dos und andere Freizeitbeschäftigungen für ihn liegen lasse und das auch noch genieße.

Lesen ist wichtiger als Bloggen

Lesen ist ein nicht verhandelbarer Bestandteil meines Lebens. Wann immer mein Alltag gerade besonders stressig und belastend ist, merke ich, wie dringend ich mindestens eine Stunde täglich zum Lesen brauche. Für mich ist es mehr als ein Hobby. Es ist ein Selbstschutzmechanismus, der mir hilft, mit den Anforderungen meines Lebens klarzukommen, Stress zu verarbeiten und nicht völlig überreizt durch die Welt zu rasen. Ich lese nicht nur, weil ich Geschichten liebe. Ich lese, um überhaupt ein funktionaler Mensch zu sein.

Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder betont, dass Lesen mich entspannt, mir Kraft spendet und mich erdet. Ich habe sicher viele weitere Formulierungen gefunden. Aber erst 2023 habe ich wirklich begriffen, wie unverzichtbar die Rolle ist, die mein Buchkonsum für meine Persönlichkeit, mein Wohlbefinden und meine Gesundheit einnimmt. Für mich ist Lesen ein Grundbedürfnis, das nur knapp hinter Essen und Schlaf kommt. Ich glaube mittlerweile wirklich, dass es mich physisch krank machen würde, wenn ich über längere Zeit nicht lesen könnte, weil ich kein Ventil mehr hätte, das ich den endlosen Reizen meines Alltags entgegensetzen könnte.

Wenn Lesen also so unentbehrlich für mich und quasi eine Gesundheitsmaßnahme ist, ein Coping Mechanismus, warum genau hatte ich in den letzten Jahren (und 2023 besonders) immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich lieber gelesen habe, als beispielsweise zu bloggen? Es gibt keine plausible Antwort auf diese Frage. Ich habe bisher verkannt, dass Lesen all meine anderen Freizeitaktivitäten erst ermöglicht. Mir war nicht bewusst, dass ich mich nicht nur für mein Buch, sondern auch für mich selbst entscheide, wenn ich mir Zeit zum Lesen nehme; dass ich damit sicherstelle, dass ich gesund, produktiv und glücklich bleibe.

Daraus folgte die Erkenntnis, dass ich nicht lese, um den wortmagieblog zu füllen. Das Bloggen war bisher der härteste Konkurrent des Lesens um meine Freizeit, denn Situationen, in denen ich lesen kann, sind hinsichtlich der Umstände oft Situationen, in denen ich genauso gut Blogbeiträge schreiben könnte. Darum ist mir das Verhältnis zwischen Lesen und Bloggen irgendwann verrutscht. Ich habe aus den Augen verloren, dass Rezensionen und andere buchbezogene Inhalte auf meinem Blog nicht der Grund sind, warum ich lese. Sie helfen mir, das Gelesene besser wertzuschätzen und zu verarbeiten, am Ende sind sie jedoch ein Bonus.

Bloggen ist dementsprechend nicht genauso wichtig wie lesen – gerade, weil der wortmagieblog ein Buchblog ist. Der wortmagieblog existiert, weil ich gern und viel lese. Ich lese nicht, weil der wortmagieblog existiert. Es ist für mich entscheidend, dass ich mir der korrekten Beziehung zwischen Lesen und Bloggen wieder bewusstwerde, um nicht mehr das Gefühl zu haben, den Blog zu vernachlässigen, wenn ich lese. Zusammengefasst: Lesen ist wichtiger als Bloggen.

In diesem Sinne habe ich mir für 2024 vorgenommen, nur noch dann an Blogbeiträgen zu arbeiten, wenn ich wirklich Lust dazu habe. Habe ich keine Lust und möchte lieber lesen, werde ich lesen. Ich möchte euch nichts vormachen: Ja, das wird Auswirkungen auf den wortmagieblog haben. In verschiedener Hinsicht.

Einerseits werde ich länger brauchen, um Beiträge fertigzustellen. Ich weiß mittlerweile, dass ich an freien Tagen normalerweise nur in der ersten Tageshälfte vor dem Nachmittagsgassi mit Saverio effektiv schreiben kann. Das hat zum Teil praktische, aber auch emotional-mentale Gründe. Abends möchte ich mich ausruhen. Ich möchte nicht über Textstrukturen und Formulierungen brüten, meinen Laptop anstarren und irgendwann frustriert zuklappen, statt einfach gleich zum gemütlichen Part überzugehen.

Damit ich künftig gar nicht erst in die Verlegenheit komme, mich entscheiden zu müssen, ob ich fehlgeleitetem Pflichtbewusstsein oder meinem wahren Bedürfnis nachgebe, habe ich eine Regel aufgestellt: Mein Abend ist fürs Lesen reserviert. Nach dem Nachmittagsgassi bleibt der Laptop zu.

Natürlich ist diese Regel nicht in Stein gemeißelt. Komme ich von unserer Nachmittagsrunde zurück und habe die perfekte Formulierung im Kopf, die ich unbedingt aufschreiben muss, ist das selbstverständlich erlaubt. Es geht nicht darum, mir etwas zu verbieten. Es geht darum, mir Zeit für Entspannung, Ruhe und Erholung zu gestatten, damit ich nicht mehr mache, als gut für mich ist, nur, weil ich glaube, an diesem Tag noch nicht produktiv genug gewesen zu sein.

Das Ziel ist, Lesen als Verabredung mit mir selbst für mich selbst und als legitimen Tagesordnungspunkt anzuerkennen, statt darin lediglich Zeitvertreib oder gar Zeitverschwendung (ja, so weit geht die fiese Stimme manchmal) zu sehen.

Das wird unweigerlich dazu führen, dass meine Beiträge später fertig werden. Ihr seid es von mir bereits gewöhnt, dass ich auf dem wortmagieblog grundsätzlich keine halben Sachen mache und jedes Thema, sei es nun Rezension, Montagsfrage oder Blogprojekt, lieber gründlich aufbereite, als qualitativ minderwertige, unausgereifte Schnellschüsse zu veröffentlichen. So bin ich eben. Das ist die Perfektionistin in mir.

Vielleicht kennt ihr das „Gut-Schnell-Günstig“-Dreieck, das besagt, dass eine Schnittmenge aller drei Bedingungen nicht existiert. Für mich ist „Gut“ die wichtigste Eigenschaft. Ich bin aber nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen, gute Inhalte schnell zu produzieren. Der Preis ist nämlich mein Wohlergehen. Also bleibt mir nur, gute Inhalte im Rahmen meiner persönlichen Grenzen zu verfassen, muss dafür jedoch in Kauf nehmen, langsam zu sein. Und ihr müsst hinnehmen, dass ihr länger auf neue Beiträge warten müsst.

Andererseits werde ich keine Beiträge mehr schreiben, nur um etwas veröffentlichen zu können. Das betrifft vor allem die Montagsfrage. In der Vergangenheit habe ich häufig an der Aktion teilgenommen, damit zumindest ein Beitrag die Woche online geht – unabhängig davon, ob ich zu der konkreten Frage etwas zu sagen hatte oder nicht. Ich hatte das Gefühl, ich müsste eine Antwort schreiben, weil ich meine übrigen Beiträge häufig erst viel später veröffentlichen konnte als geplant, und der wortmagieblog sonst brachlag. Das möchte ich ebenfalls nicht mehr, denn das führte dazu, dass ich mich dazu zwang, etwas zu schreiben, obwohl ich die Zeit eigentlich lieber anders nutzen wollte.

Künftig werde ich die Montagsfrage deshalb nur noch beantworten, wenn mir die Frage zusagt, wenn sie mich interessiert und meine Antwort auch wirklich einen Mehrwert bieten kann. Ich habe immer genug zu tun für den wortmagieblog, ich habe eine nie endende Liste ausstehender Beiträge (vor allem Rezensionen), ich muss mir keine Montagsfragen-Antwort aus den Fingern saugen, wenn sich meine Meinung mit einem simplen „Nein“ zusammenfassen lässt. Ich kann die Zeit, die ich dafür aufbringe, dieses „Nein“ auszuschmücken, damit ihr mehr als drei Sätze lese könnt, deutlich sinnvoller verwenden, indem ich an meinem Hauptcontent arbeite.

Damit habe ich bereits angefangen und muss sagen, dass es mich sehr erleichtert, bei jeder Frage situativ und im Einzelfall zu entscheiden, ob ich eine Antwort schreibe oder nicht. Ich werde der Aktion treu bleiben, aber am Ende ist es für mich so viel wichtiger, mich auf das zu konzentrieren, was ursprünglich meine Motivation war, den wortmagieblog zu gründen: Rezensionen und Empfehlungen, die anderen Leser_innen dabei helfen, ihre Lektüre auszuwählen.

Ich liebe den wortmagieblog und ich habe schon vor zwei Jahren erkannt, dass ich das Bloggen in meinem Alltag nicht missen möchte, so anstrengend und zeitraubend es auch sein mag. Ich genieße es, wie reflektiert ich lese, seit es den Blog gibt. Ich bin stolz auf meine Spielwiese im Internet, ich habe Spaß an Content Management, feiere den Austausch mit euch und schreibe gern Rezensionen. Aber ich muss endlich akzeptieren, dass ich keine Studentin mehr bin, die zahllose Stunden in das Bloggen investieren kann. Ich kann mein Leben nicht dem wortmagieblog anpassen. Der wortmagieblog muss sich meinem Leben anpassen.

Mein Leben hat sich verändert, ist voller und unflexibler geworden. Ich kann nicht weitermachen wie vor meinem Jobwechsel im Dezember 2020. Es war verrückt, dass ich das überhaupt je versucht habe. Ich muss anerkennen, dass meine Freizeit weniger geworden ist und Prioritäten setzen, wenn ich glücklich und gesund bleiben möchte. Der wortmagieblog ist ein wundervolles Hobby, das mich sehr erfüllt. Es kann mich jedoch nur erfüllen, wenn damit keinerlei Druck verbunden ist und ich dafür nicht das vernachlässige, was mir am wichtigsten ist. Lesen wird immer wichtiger als Bloggen sein. Saverio wird immer wichtiger als Bloggen sein. Meine Familie, meine Freunde, werden immer wichtiger als Bloggen sein.

Ich hoffe, dass ich es durch diese bewusste Neubesinnung und Prioritätenverschiebung schaffe, den wortmagieblog wieder besser in meine Freizeit zu integrieren, ohne jedes Mal ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich mich eben gerade nicht überwinden kann, einen Beitrag zu schreiben und lieber lesen möchte.

Ich darf nicht nur theoretisch darüber sprechen, weniger streng mit mir selbst zu sein, ich muss diesen Vorsatz ganz konkret umsetzen, mir mehr Spielraum zugestehen und gewissenhafter darauf hören, was mir mein Körper und Geist mitteilen, welche Bedürfnisse aktuell Vorrang haben. Gelingt mir das, kann der wortmagieblog noch viele Jahre existieren. Und wer weiß, vielleicht habe ich eines schönen Tages wieder mehr Freizeit, die ich zum Bloggen nutzen kann.

In meiner Freizeitgestaltung muss das Lesen nach Saverio den ersten Platz einnehmen. Es muss gegenüber allen anderen Beschäftigungsmöglichkeiten Vorrang haben, weil es für mich eben mehr ist als ein Hobby. Ich brauche Zeit, um in Büchern zu versinken, da ich nur so fähig bin, meinen gesamten Alltag zu bewältigen. Ich möchte dem Lesen 2024 genau so viel Zeit, Kapazitäten und Ressourcen widmen, wie ich benötige. Ich möchte mich voll und ganz auf mein aktuelles Buch konzentrieren und nicht bereits an das nächste denken oder darüber grübeln, welchen Blogbeitrag ich eigentlich gerade schreiben sollte.

Ich möchte in meiner Freizeit nichts mehr tun, das ich nicht tun will. Dafür ist sie zu kostbar und zu gering. Ich will meine Bücher genießen, voll und ganz präsent sein, das wunderbare Gefühl einer tollen Lektüre auskosten, in Kontakt mit mir selbst stehen. Und ich glaube, dass sich das auch positiv auf den wortmagieblog auswirkt, selbst wenn ich weniger und seltener blogge, weil ich fest überzeugt bin, dass meine Beiträge dadurch besser werden.

All das geht nur, wenn ich endlich aufhöre, alles auf einmal zu wollen. Es geht nur, wenn ich das Lesen radikal priorisiere und anerkenne, wie entscheidend Lesezeit für meine mentale Gesundheit ist. Lesen muss zum Ausdruck von Selbstliebe werden. Ich habe meine Grundsätze in den vergangenen Wochen bereits angewendet und kann berichten, dass es mich unsagbar glücklich macht, das schlechte Gewissen loszulassen und meine Bücher ohne Selbstvorwürfe zu genießen. Es klappt. Ich denke, ich bin auf einem guten Weg. Endlich.

Mit diesen Gedanken möchte ich meinen Jahresrückblick 2023 abschließen. Ich möchte euch dafür danken, dass ihr mich durch jede Phase meines Daseins als Buchbloggerin begleitet. Das bedeutet mir viel. Aktuell mag mein Leben nicht die besten Voraussetzungen für den wortmagieblog bieten, aber ihn aufzugeben kommt für mich trotzdem nicht in Frage. Daran habt ihr einen großen Anteil und dafür bin ich euch von Herzen dankbar.

Lasst uns gemeinsam ein großartiges Lesejahr erleben, lasst uns von Figuren, Settings und Geschichten schwärmen und sie miteinander teilen. 2024 wird gut, das spüre ich in meinen Knochen.

Alles Liebe,
Elli ❤️

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