Montagsfrage: Leselebensziel?

Hallo ihr Lieben 😊

Habt ihr gestern den Welttag des Buches gefeiert? Ach, ich erinnere mich noch, was für ein Großereignis dieser Feiertag früher in der Buchblog-Community war. Unter dem Motto „Blogger schenken Lesefreude“ wurden Bücher und Gutscheine verlost, Aktionen veranstaltet und lauter tolle Contentideen umgesetzt. Um überall vorbeischauen zu können, musste man sich den Tag freinehmen (wenn er nicht auf ein Wochenende fiel). Tja, mittlerweile ist die Hochphase der Buchblogs vorbei und mit ihr auch die weitreichenden Feierlichkeiten zum Welttag des Buches.

Das hinderte mich aber nicht daran, den Aktionstag hier auf dem wortmagieblog trotzdem zu begehen. Ich habe letzten Montag ja bereits angekündigt, dass ich dieses Jahr wieder ein kleines Special ausrichten möchte und habe es tatsächlich geschafft, dieses Versprechen einzulösen. Ich habe ein neues Bullshit Bingo veröffentlicht! 2023 dreht sich die Bingokarte um Young Adult – Heldinnen und all die Klischees, die sie viel zu oft verkörpern und die uns häufig den letzten Nerv rauben.

Solltet ihr dringend eine Aufmunterung brauchen, weil euer aktueller Jugendroman keinen einzigen originellen Gedanken enthält, ist das Bingo genau das Richtige für euch. Falls ihr den Welttag des Buches gestern verpasst habt, gelangt ihr HIER zu meinem Beitrag und der Bingokarte, mit der ihr eine blöde Lektüre in eine lustige verwandeln könnt. Viel Spaß damit!

Während ihr jetzt hoffentlich begeistert die Stifte zückt und Klischees abhakt, werde ich mich der aktuellen Montagsfrage von Sophia von Wordworld widmen.

Habt Ihr ein buchiges Lebensziel?

Ja, ich habe Leselebensziele. Ich plane zwar nicht, bis zu meinem Tod eine bestimmte Anzahl von Büchern gelesen, spezielle Autor_innen getroffen oder besondere Veranstaltungen besucht zu haben, aber in meinem Kopf existiert eine Liste von Büchern, die ich irgendwann in meinem Leben einmal gelesen haben möchte. Natürlich ist diese Liste nicht statisch, sie verändert sich und passt sich meiner Lebenssituation an. Aktuell stehen drei Bücher drauf, drei Klassiker, die ich aus unterschiedlichen Gründen als Meilensteine betrachte und mit denen ich mir eines Tages selbst beweisen will, dass ich reif und clever genug bin, um sie zu bezwingen.

Leselebensziel #1: „Das verlorene Paradies“ von John Milton

„Das verlorene Paradies“ von John Milton steht schon sehr lange auf der Liste meiner Leselebensziele. Seit Jahrzehnten. Der Auslöser für diese spezielle Obsession war mein Herzensbuch „Lycidas“ von Christoph Marzi. Der Reihenauftakt ist in vielerlei Hinsicht von Miltons Werk inspiriert, denn dessen Interpretation von Luzifer als missverstandenem, ungerecht behandeltem Engel prägte die Geschichte rund um die Uralte Metropole maßgeblich. Die Protagonistin Emily liest „Das verlorene Paradies“ sogar innerhalb des ersten Bandes. Da ich das Buch sehr liebe, wollte ich es ihr unbedingt gleichtun und habe mir eine Ausgabe von „Das verlorene Paradies“ besorgt.

Nach dieser eigentlich sehr positiven Ausgangssituation ging es nur noch bergab. Als ich „Das verlorene Paradies“ zum ersten Mal aufschlug, war ich verdattert. Es handelt sich nämlich nicht um einen Roman. Miltons Epos ist ein etwa 300 Seiten langes Gedicht in Blankversen. Ich habe versucht, es zu lesen. Mehrfach. Ich habe jedes Mal abgebrochen, weil es einfach nicht zugänglich ist. Es stammt von 1667 und entspricht damit sowieso keinen modernen Standards, aber die Gedichtform erschwert die Lektüre doppelt und dreifach.

Ich muss sagen, ich habe mich von Christoph Marzi ziemlich hereingelegt gefühlt, weil es unter keinen Umständen realistisch ist, dass Emily, die zu diesem Zeitpunkt meiner Erinnerung nach 12 Jahre alt ist, dieses Buch ohne Probleme lesen kann. Trotzdem kann ich nicht davon lassen. Ich möchte es irgendwann schaffen.

Für mich ist „Das verlorene Paradies“ die ultimative Herausforderung an meine intellektuellen Fähigkeiten als Leserin. Mittlerweile habe ich allerdings eingesehen, dass ich das Gedichtepos nicht wie eine übliche Lektüre behandeln kann. Wenn ich mich diesem Monstrum in Versen erneut stelle, brauche ich einen Plan, eine Strategie. Deshalb habe ich mir ein paar Tricks überlegt, mit denen ich dieses Leselebensziel vielleicht doch noch abhaken kann.

Erst einmal ist es völlig aussichtslos, ausschließlich „Das verlorene Paradies“ zu lesen. Ich lese normalerweise nicht mehrere Bücher parallel, doch in diesem Fall muss ich eine Ausnahme machen, weil diese Lektüre wahnsinnig anstrengend wird. Ich kann es nicht hintereinander weg lesen. Ich werde Pausen brauchen. Das birgt natürlich die Gefahr, dass ich zwar anfange, aber nicht weiterlese, weil meine zweite Lektüre viel leichter und unterhaltsamer ist.

Darum habe ich außerdem beschlossen, mir einen Zeitplan für „Das verlorene Paradies“ zu erstellen. Das Gedicht ist in 12 Gesänge unterteilt, die als Kapitel dienen. Ein Gesang umfasst im Schnitt etwa 30 Seiten. Ich plane, pro Woche einen Gesang zu schaffen. Höchstwahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass ich mich dann an einem Tag in der Woche hinsetze und diese 30 Seiten lese, denn ein einzelner Gesang lässt sich aufgrund der Versform nicht sinnvoll unterbrechen.

Zudem werde ich nach jedem Gesang Notizen machen müssen, um den Inhalt rekapitulieren zu können und meine Eindrücke zu reflektieren. Ich werde eine Art Lesetagebuch führen müssen. Ich denke, nur so werde ich wirklich verstehen und verinnerlichen, was Milton da geschrieben hat. Allein schon die Tatsache, dass ich (mindestens) 12 Wochen für die Geschichte (trotz allem ist es eine Geschichte) brauchen werde, macht es sonst völlig unmöglich, dass ich begreife, was Milton erzählt.

Ihr seht, ich nehme dieses Leselebensziel sehr ernst. Vielleicht wirkt das etwas übertrieben. Bisher musste ich mir noch nie einen Schlachtplan für eine Lektüre zurechtlegen. Aber das ist es mir wert, weil ich wirklich nicht sterben will, ohne „Das verlorene Paradies“ gelesen zu haben. Ich will beweisen, dass ich das kann. Und irgendwie habe ich das Gefühl, wenn ich dieses Epos bezwinge, wird es nie wieder ein Buch geben, das ich nicht erobern kann. Es juckt mich jetzt richtig in den Fingern, dieses Projekt endlich anzugehen.

Leselebensziel #2: „Ulysses“ von James Joyce

Mein zweites Leselebensziel hat in den knapp 100 Jahren seiner Existenz bereits viele Leser_innen in den Wahnsinn getrieben: „Ulysses“ von James Joyce. Über dieses Buch habe ich gehört, dass es sehr schwierig zu lesen sein soll, weil ein entscheidendes Stilelement der Bewusstseinsstrom des Protagonisten ist, der selbstverständlich chaotisch, unübersichtlich und unberechenbar ausfällt und darüber hinaus nicht immer klar von der Handlungebene getrennt sein soll.

Als ich dieses Leselebensziel formulierte, war ich ebenfalls noch sehr jung, vermutlich so 15 Jahre alt. Damals habe ich ein Schulpraktikum bei der Berliner Tageszeitung taz absolviert. Das Praktikum fand zufällig im Juni statt, um meinen Geburtstag herum. An meinem Geburtstag selbst brachte die taz eine Sonderausgabe zu „Ulysses“ heraus, da das gesamte Buch ja am 16. Juni 1904 spielt. Ich fand es großartig, zu erfahren, dass es ein Buch gibt, das das Datum meines Geburtstags als besonders auszeichnet. Es erschien mir als Ehrensache, dass ich dieses Buch dann auch lese und das empfinde ich bis heute so.

Bisher habe ich mich noch nicht daran versucht. Der richtige Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Ich weiß nicht, was genau mich erwartet und wie ich mit „Ulysses“ zurechtkomme. Ich hoffe sehr, dass ich dafür nicht auch einen Schlachtplan brauche. Aber wenn ich zuerst „Das verlorene Paradies“ lese und besiege – mit was soll „Ulysses“ dann noch aufwarten, dem ich nicht gewachsen bin? Deshalb hat meine Leselebenszielliste auch eine klare Gewichtung: Erst Milton, danach Joyce.

Leselebensziel #3: „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin

Nach „Ulysses“ habe ich auf meiner Liste noch ein weiteres Buch einsortiert, das ich unbedingt eines Tages lesen möchte. „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin muss ich als geborene Berlinerin einfach irgendwann abhaken. Eine andere Motivation habe ich für dieses Leselebensziel tatsächlich nicht. Auch dieses Buch habe ich schon einmal angefangen, habe dann aber gemerkt, dass ich noch nicht bereit dafür war und musste es wieder wegstellen. Ich bin optimistisch, dass der richtige Zeitpunkt kommen wird, weil ich glaube, dass der Großstadtroman zwar keine leichte Lektüre wird, mich allerdings längst nicht vor dieselben Schwierigkeiten stellt wie „Das verlorene Paradies“.

Ihr merkt es sicher, ich komme immer wieder zu „Das verlorene Paradies“ zurück. Das Gedicht ist für mich die Benchmark. Vermutlich wird es wirklich Zeit, dass ich es noch mal versuche.

Abgeschlossenes Leselebensziel: „Moby-Dick“ von Herman Melville

Ihr könntet nun den Eindruck gewinnen, dass ich zwar fleißig Leselebensziele sammele, sie jedoch nie abschließe. Das stimmt nicht. Ja, es dauert oft lange, bis ich diese großen Meilensteine absolviere, aber wenn der passende Zeitpunkt da ist, kann ich mich durchaus überwinden. Der Beweis dafür ist „Moby-Dick“ von Herman Melville. Dieser dicke Klassiker stand erst ewig auf meiner mentalen Wunschliste und dann noch mal vier Jahre auf meinem SuB, bevor ich mich traute, mich dem weißen Wal zu stellen.

Meine Erfahrung mit Melvilles bekanntestem Werk ist ein schönes Beispiel dafür, dass die Auszeichnung als Leselebensziel Bücher in meinem Kopf manchmal größer werden lässt, als sie eigentlich sind. Ich hatte unheimlichen Respekt vor „Moby-Dick“. Ich war richtig eingeschüchtert, weil ich oft gehört hatte, dass die Lektüre kein Zuckerschlecken ist.

Was war ich überrascht, als ich feststellte, dass ich mit dem Buch deutlich besser zurechtkam, als ich befürchtet hatte. Natürlich ist es langatmig und detailverliebt. Ich hätte wunderbar weiterleben können, ohne alles über Haken, Seile und das Leben auf einem Walfänger zu erfahren. Trotzdem enthielt es für mich einige sehr spannende und faszinierende Passagen. Ich habe nicht bereut, den Tanz mit dem Wal gewagt zu haben.

Ich denke noch heute sehr gern daran, dass ich dieses Leselebensziel abgehakt habe. Das zufriedene Gefühl motiviert mich, meine anderen Ziele ebenfalls anzugehen. Bis zu meinem Tod vergehen zwar hoffentlich noch viele Jahre und Jahrzehnte, aber es kann ja nicht schaden, bereits jetzt ein paar literarische Kerben vorweisen zu können. Ja, ich denke, ich werde es wagen. Es ist beschlossen. Ich hole „Das verlorene Paradies“ aus dem Regal.

Wie lauten eure Leselebensziele?

Ich freue mich wie immer sehr auf eure Beiträge und Kommentare und wünsche euch allen einen fantastischen Start in die neue Woche!
Alles Liebe,
Elli ❤️

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