Hallo ihr Lieben! 😊

Wann ist ein Lesejahr abgeschlossen? Wenn die letzte Seite des letzten Buches des Jahres gelesen wurde? Wenn die Uhr am 31.12. auf Mitternacht springt? Wenn das Leseziel erreicht wurde?

Für mich ist ein Lesejahr erst abgeschlossen, wenn ich alle Zahlen und Eindrücke dieses Jahres ausgewertet habe. Für mich ist der Abschluss mein Jahresrückblick. In diesem Sinne: Herzlich Willkommen zu meinem Jahresrückblick 2022!

Mittlerweile befinden wir uns bereits im Februar 2023, es wird also höchste Zeit für ein Fazit zu 2022. Die meisten von euch wissen bereits, dass meine Jahresrückblicke sehr umfangreich sind und verschiedene Herangehensweisen an die Auswertung beinhalten. Für diejenigen, die sich zum ersten Mal hierher verirren, dennoch eine kurze Erklärung: Mein Jahresrückblick 2022 ist wie immer zweigeteilt. Im ersten Part beschäftigen wir uns mit Zahlen, Statistiken und Fakten. Wir schauen uns verschiedene Facetten meines Leseverhaltens an, die ich einordne und mit den vergangenen Jahren vergleiche.

Im zweiten Part wird es dann gemütlich, subjektiv und emotional. Ich beantworte einen Fragenkatalog, der inhaltliche Aspekte meiner Leseerfahrungen mit konkreten Büchern behandelt. Wie gehabt erzähle ich Anekdoten, teile Überlegungen mit euch, die ich später in meinen Rezensionen aufgreifen werde und schwärme und schimpfe hemmungslos vor mich hin, um die Gefühle aufzuarbeiten, die meine Lektüreauswahl 2022 bei mir auslöste. Abschließend erwartet euch ein Gesamtfazit, mit dem ich endgültig einen Strich unter 2022 ziehe.

Bevor wir gleich starten, hier noch ein kleiner Hinweis: Mir ist klar, dass mein Jahresrückblick 2022 für viele zu lang sein wird, um ihn am Stück zu lesen. Das ist völlig in Ordnung. Ihr müsst nicht in einem Rutsch durchpowern. Da ich diesen Spaß nur einmal im Jahr veranstalte und im Gegensatz zu vielen anderen Buchblogger_innen auf monatliche Rückblicke verzichte, gebe ich mir viel Mühe, damit ihr das Rundumsorglospaket bekommt, aber ich erwarte nicht, dass ihr ihn von vorne bis hinten in einer einzigen Sitzung durcharbeitet.

Dieses Feedback hat mich in den vergangenen Jahren mehrfach erreicht und ich habe darauf reagiert. Darum gibt es das Inhaltsverzeichnis, mit dem ihr zu einem beliebigen Abschnitt springen könnt. Ihr könnt so oft unterbrechen, wie es für euch passt und es eure Zeit zulässt. Ich bin auch nicht beleidigt, wenn ihr erst im Dezember 2023 fertig seid. 😉 Vergesst bitte auch niemals, dass der Jahresrückblick 2022 auch für mich persönlich einen entscheidenden Wert hat – ich stelle ihn ebenso für euch wie für mich selbst zusammen.

Nun aber genug der Vorrede und einleitenden Worte, lassen wir 2022 Revue passieren. Macht es euch bequem und lasst mich euch in mein vergangenes Lesejahr entführen. Begleitet mich zu 12 Monaten voller Leseleid und Leseglück!

Statistischer Jahresrückblick 2022

Wir beginnen den statistischen Jahresrückblick wie immer mit der Anzahl meiner gelesenen Bücher und meiner gelesenen Seiten.

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Gelesene Bücher
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Gelesene Seiten

Möglicherweise erschrecken euch diese Zahlen. Ich habe 2022 lediglich 62 Bücher mit insgesamt 26.228 Seiten gelesen. Das ist das niedrigste Ergebnis in der Historie des wortmagieblogs. In allen vergangenen Jahren habe ich mich zwischen 70 und 90 Büchern sowie irgendwo zwischen 30.000 und 43.000 Seiten eingependelt. Im Vergleich zum Vorjahr sind es 9 Bücher und 4.345 Seiten weniger. Einen solchen Abfall kann ich natürlich nicht unkommentiert lassen.

Ich habe im Jahresrückblick 2021 bereits erläutert, dass sich mein Leben in den letzten zwei Jahren radikal verändert hat. Ich arbeite nun seit etwas mehr als zwei Jahren in einer Kommunikationsagentur, habe durch meine geregelten Arbeitszeiten paradoxerweise weniger Zeit zum Lesen als im Schichtsystem und investiere emotional deutlich mehr in meinen Job als früher. Meine Arbeit ist mir wichtig, ich will gut in dem sein, was ich mache und verbringe gern Zeit mit meinen Kolleg_innen. Am Ende eines Arbeitstages bin ich mental oft sehr erschöpft. Es macht sich bemerkbar, dass ich häufig mit vielen Bällen gleichzeitig jongliere, in meinem Kopf Deadlines sortiere und mit Stress klarkommen muss.

Lesen war für mich immer eine Möglichkeit, mich zu entspannen und runterzukommen. Das ist es weiterhin, aber offenbar muss ich mich damit abfinden, dass mein Hirn an den meisten Tagen bereits müde ist, wenn ich mich mit meinem Buch auf der Couch ausstrecke. Ich habe mittlerweile also nicht nur weniger Zeit zum Lesen, ich lese auch langsamer. Das hängt natürlich stark davon ab, wie dick, anspruchsvoll und komplex meine Lektüre ist, doch mir ist durchaus aufgefallen, dass ich gerade für meine heißgeliebte High Fantasy (in der „dick, anspruchsvoll und komplex“ ja eher die Regel als die Ausnahme ist) viel länger brauche als früher.

Momentan frustriert mich das noch. Es nervt mich, immer wieder das Gefühl zu haben, mit meinen Büchern nicht voranzukommen, obwohl sie gut sind und ich eigenltich eine schöne Leseerfahrung erlebe. Es ist, als könnte ich den Geschichten nicht gerecht werden, weil ich vor dem Schlafengehen im Schnitt nur ca. 70 Seiten schaffe.

Außerdem habe ich festgestellt, dass ein Teil von mir ungeduldig wird, wenn ich länger als gewohnt mit einem Buch beschäftigt bin. Grundsätzlich sind Abwechslung und neue Impulse für mich sehr wichtig. Ich will mich niemals langweilen – deshalb passe ich so gut in die Agenturbranche. Brauche ich länger als eine Woche für ein Buch, wird das Gefühl, jetzt endlich fertig werden zu wollen, schnell übermächtig. Vor meinem inneren Auge locken dann schon all die Geschichten, die noch auf mich warten. Das fördert wiederum mein schlechtes Gewissen, mich nicht richtig auf das aktuelle Buch zu konzentrieren, es nicht ausreichend zu genießen und ihm dadurch nicht gerecht zu werden. Es ist ein Teufelskreis.

Ein weiterer Faktor, der mein Lesepensum 2022 negativ beeinflusste, ist in Wahrheit sehr positiv. Im August haben der Lieblingsmensch und ich Saverio adoptiert. In dem Moment, als wieder ein junger Hund bei uns einzog, war es mit der ruhigen Routine, die wir uns nach Chillis Tod aufgebaut hatten, vorbei. Saverio hat unser Leben völlig durcheinander gewirbelt – und tut es noch. Nicht nur braucht er selbstverständlich viel Aufmerksamkeit, Fürsorge und Beschäftigung, es ist nicht immer vorhersehbar, welche Bedürfnisse unser Teenager-Rüde plötzlich anmeldet. Manchmal kann ich abends nach der Arbeit nicht lesen, weil Saverio unbedingt spielen möchte und ich ihm seinen Wunsch natürlich erfüllen will.

Obwohl es mich wurmt, dass ich Hund und Lesen nicht mehr so mühelos unter einen Hut bringen kann, wie es damals mit Chilli der Fall war, würde ich Saverio um nichts in der Welt wieder hergeben. Er ist es wert, Lesezeit zu opfern, gar keine Frage. Das Glück, das er in mein Leben bringt, lässt sich nicht aufwiegen. Mal davon abgesehen, dass wir mit ihm meiner Meinung nach das große Los gezogen haben.

Für einen jungen Rüden ist er extrem pflegeleicht und bescheiden. Er rüpelt nicht, veranstaltet kein Chaos und sogar seine Rebellionen (die in diesem Alter von knapp einem Jahr zu erwarten sind) qualifizieren sich eher als Zwergenaufstände. Am zufriedensten ist er, wenn er bei uns auf der Couch kontaktliegen oder mit uns kuscheln kann. Würde er mich währenddessen nicht ständig treten und schubsen, um sich mehr Platz zu verschaffen, könnte ich dabei sogar friedlich lesen. 😉

Ich hoffe, dass ich lerne, zu akzeptieren, dass ich nicht mehr dieselben mentalen und zeitlichen Kapazitäten aufs Lesen aufwenden kann wie früher und das schlechte Gewissen loslassen kann. Ich wusste schon letztes Jahr, dass es möglich ist, dass ich meine Ansprüche an mich selbst stark zurückschrauben muss und nie wieder deutlich mehr als 70 Bücher jährlich lesen werde. Jetzt gilt es, diesen Vorsatz auch umzusetzen und den absurden Erfolgsdruck rauszunehmen. Deshalb konnte ich mein Lesejahr nämlich nicht so genießen, wie ich es mir am Anfang von 2022 geschworen hatte.

Viel zu oft geisterte die Zahl meiner bisher gelesenen Bücher in meinem Kopf herum. Das muss aufhören. Ich will darüber nicht nachdenken, weil es nicht wichtig ist. Wichtig sind nur meine Leseerfahrungen. Ich weiß, dass ich aktiv daran arbeiten muss, mein neues Pensum hinzunehmen, ohne etwas daran verändern zu wollen. Das wird mir schwerfallen, auch das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wahrscheinlich muss ich mir eine Gedankenstrategie zurechtlegen, mit der ich reagieren kann, wenn sich das schlechte Gewissen oder die Ungeduld regt. Ich werde herausfinden müssen, was funktioniert, was mich beruhigt, wenn ich mal wieder meinen selbstgenerierten Druck wahrnehme. Manchmal wünschte ich wirklich, ich wäre weniger ehrgeizig.

Rational ist mir klar, dass der Erfolg meines Lesejahres nicht davon abhängt, wie viele Bücher und Seiten ich gelesen habe. Vielleicht hilft es mir auf meinem Weg zur Akzeptanz, mich nicht an der Anzahl aufzuhängen und stattdessen genauer hinzuschauen. Auf geht’s zu den Details meiner Lesestatistik.

Seitenweise

Schon im Verlauf des Jahres 2022 war mir bewusst, dass ich recht selten zu dicken Büchern mit mehr als 500 Seiten gegriffen habe. Das Verhältnis zwischen dickeren und dünneren Büchern hängt bei mir immer stark damit zusammen, wie viele Bücher ich ingesamt im Jahr lese. Die Verteilung von 2022 ist ein klares Anzeichen dafür, dass ich den Erfolgsdruck nicht unter Kontrolle hatte, denn wenn ich glaube, nicht „genug“ Bücher zu lesen, wähle ich reflexhaft schmalere Lektüren aus, um diese Zahl aufzubessern. Zu meiner Verteidigung muss ich aber auch erwähnen, dass das November-Motto in der Motto Challenge 2022 vorgab, nur Bücher mit weniger als 300 Seiten zu lesen.

Diese beiden Faktoren führten dazu, dass ich ingesamt 48 Bücher mit weniger als 500 Seiten gelesen habe, das entspricht rund 77 % und damit einem kleinen Prozentpunkt mehr als 2021. Dem stehen 14 Bücher mit mehr als 500 Seiten gegenüber, die rund 23 % meiner Lektüre einnahmen. 2021 waren es mit 17 Büchern 24 %.

Etwas anders sieht es aus, wenn wir die Seiten betrachten. Aus Büchern mit weniger als 500 Seiten kamen 15.870 Seiten zusammen – 61 % meiner insgesamt gelesenen Seiten. Bücher mit mehr als 500 Seiten trugen mit 10.358 Seiten bei und stellten 39 %. Interessanterweise hat sich das Verhältnis der gelesenen Seiten im Vergleich zu 2021 demnach nicht verändert.

Cover des Buches "Sanchez: A Christmas Carol" von Anonymus

Mit der Seitenspanne zwischen meinem dicksten und meinem dünnsten gelesenen Buch hätte ich mal wieder mehrere eigene Bücher füllen können. Es lagen 1.194 Seiten zwischen „Toll the Hounds“ (Malazan Book of the Fallen #8) von Steven Erikson mit 1.294 Seiten und „Sanchez: A Christmas Carol“ von Anonymus mit runden 100 Seiten. Das sind knapp 30 Seiten mehr als 2021.

Natürlich musste mein innerer Monk wissen, wie sich die Anzahl meiner gelesenen Seiten auf Tage, Wochen und Monate verteilte. Pro Tag habe ich, wie bereits erwähnt, im Schnitt 72 Seiten gelesen. Pro Woche waren es 504 Seiten und pro Monat 2.186 Seiten. Es ist nicht überraschend, dass ich damit unter den Werten von 2021 liege; das ergibt sich bereits aus der insgesamt geringeren Seitenanzahl. 2021 habe ich pro Woche durchschnittlich 588 Seiten gelesen und pro Monat 2.548 Seiten. Einen Tagesdurchschnitt habe ich im vergangenen Jahr hingegen nicht errechnet, weil mich dieser Wert nicht interessierte. Da dies nun allerdings meine Bücher-Software BOOKcook automatisch übernimmt und ich ihn nur noch ablesen muss, dachte ich, ich nehme ihn auf.

Cover des Buches "Toll the Hounds" von Steven Erikson

Durchschnittswerte sind jedoch nur begrenzt aussagekräftig. Sie vermitteln eine Regelmäßigkeit, die selten der Realität meines Lesealltags entspricht. In Wahrheit erlebe ich innerhalb eines Lesejahres immer wieder Ausreißer nach oben und unten, wie wir gleich sehen werden.

Monatsverteilung

Wenn eine Statistik deutlich zeigt, dass kein Lesejahr wie das andere ist, dann die Monatsverteilung meiner gelesenen Bücher. 2021 erinnerte das Diagramm noch an eine Sinusfunktion. 2022 ist es einfach nur wild.

Besonders eindrucksvoll ist natürlich der massive Einbruch im August und September. Was ist da passiert? Hat die Welt kurz angehalten und niemand hat es mitbekommen? Nein. Ich sage euch, was bzw. wer passiert ist: Saverio. Saverio ist am 07. August früh morgens bei uns eingezogen und hat uns dann erst mal mächtig auf Trab gehalten. Das Kneteköpfchen wollte anfangs nämlich nicht schlafen und kam überhaupt nicht zur Ruhe, weil er Angst hatte, dass wir verschwinden, sobald er uns nicht mehr im Blick hat. Hundelogik. Deshalb mussten wir ihm erst mal beibringen, dass uns kein schwarzes Loch schluckt, während er schläft. Wir mussten mit ihm Ruhetraining machen und ihm seinen Platz als Rückzugsort vermitteln.

Das war gelinde gesagt mühsam. Wenn dein Hund ständig um dich herumwuselt, weil er aus Übermüdung völlig überdreht ist (Eltern kennen das), kommst du nicht dazu, mehr als ein paar Seiten zu lesen. Zusätzlich hatte ich mir natürlich auch noch in den Kopf gesetzt, Ende August mit „Dust of Dreams“ (Malazan Book of the Fallen #9) von Steven Erikson anzufangen, was zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich der Umstände einfach schlechtes Timing war. Aber der Bauch will, was der Bauch will. Eriksons Romane sind – wie ich nicht müde werde zu betonen – anstrengend, anspruchsvoll und komplex. Kein Wunder, dass ich im September deshalb nur ein Buch geschafft habe.

Die übrigen schwachen Monate Januar, März und April lassen sich ebenfalls mit meiner Lektüreauswahl erklären. Mein erstes Buch 2022 war auch ein Erikson: „Toll the Hounds“ (Malazan Book of the Fallen #8). Aus den eben erwähnten Gründen war ich damit erst gegen Ende des Monats fertig. Für mein erstes Buch im März habe ich abermals ungewöhnlich lange gebraucht, nämlich fast zwei Wochen. Es war „Bane and Shadow“ (Empire of Storms #2) von Kelley Skovron. Warum es mich so lange aufhielt, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen. Eigentlich handelt es sich um leicht verdauliche All-Age-Fantasy.

Ich weiß hingegen, dass ich etwa Mitte April mit „The Grace of Kings“ (The Dandelion Dynasty #1) von Ken Liu anfing und damit erst im Mai fertig wurde. Später im emotionalen Jahresrückblick 2022 werdet ihr einen Eindruck davon erhalten, weshalb es keine Schande ist, einen halben Monat an diesem Buch zu lesen.

Ein Ausreißer im positiven Sinne war der November, in dem ich neun Bücher gelesen habe – weit über meinem Monatsdurchschnitt von fünf Büchern. Diese hohe Zahl lag wie schon angedeutet an der Motto Challenge. Ich sollte im November nur Bücher lesen, die weniger als 300 Seiten umfassen und habe mich streng daran gehalten. Obwohl ich dadurch also überdurchschnittlich viele Bücher gelesen habe, lag die Seitenzahl mit insgesamt 1.645 hingegen unter meinem Monatsschnitt von 2.186 Seiten. Auch das gehört zur Wahrheit.

Die restlichen Monate erscheinen auf den ersten Blick unspektakulär, zu zwei Monaten kann ich jedoch kleine Anekdoten erzählen.

Im Juni habe ich sieben Bücher gelesen. Während das für mich vor, sagen wir, vier Jahren noch eine ganz normale Zahl war, hätte ich sie 2022 vermutlich nicht erreicht, wenn ich nicht mit Corona vom Nova Rock Festival in Österreich zurückgekommen wäre. Mein Arzt schrieb mich zwei Wochen krank und plötzlich hatte ich deutlich mehr Freizeit als erwartet. Meine Symptome waren lästig, aber vergleichsweise mild. Ich schlief viel, weil ich schnell ermüdete, konnte meinen Alltag im Großen und Ganzen allerdings relativ normal gestalten (nur meine Yoga-Einheiten waren extra sanft). Das heißt, ich konnte auch mehr lesen, als ich es gekonnt hätte, wäre ich sofort nach dem Festival wieder arbeiten gegangen.

Der Dezember ist mein persönlicher Highlight-Monat des Jahres 2022. Tendenziell fiel dieser Monat in den letzten Jahren meist schwächer aus, weil anlässlich Weihnachten natürlich Zusammenkünfte mit Familie und Freund_innen anstanden. 2022 führten Terminschwierigkeiten und Saverios Ankunft jedoch dazu, dass der Lieblingsmensch und ich die Feiertage fast komplett allein verbrachten. Außerdem hatte ich dank aufgesparter Urlaubstage bereits ab dem 14.12. und damit ganze drei Wochen frei. Dass ich im Dezember 2022 sieben Bücher lesen konnte, zeigt, dass wir es endlich mal geschafft haben, die Feiertage wirklich friedlich und ruhig zu begehen. Das freut mich sehr, weil ich den Trubel um Weihnachten immer als sehr belastend empfand.

Der Modalwert meiner monatlich gelesenen Bücher liegt übrigens ebenfalls bei sieben. Diesen Wert finde ich interessant, weil er illustriert, dass es sich dabei weiterhin um meine Wohlfühlanzahl handelt – vorausgesetzt, die äußeren Umstände sind annährend optimal. Optimal bedeutet in meinem Fall normalerweise Urlaub.

SuB-Abbau

Im Verlauf des Jahres 2022 war ich steif und fest überzeugt, meinen SuB zu vernachlässigen. Wie habe ich mich getäuscht. Ich weiß nicht, warum ich bei dieser Verteilung intuitiv regelmäßig so spektakulär daneben liege. Tatsächlich waren Anzahl und Prozentsatz der Bücher, die ich 2022 gelesen habe und die länger als ein Jahr auf meinem SuB lagen, nie höher, seit ich diese Daten erhebe: 46 Bücher, 74 %.

Darunter waren auch wieder 5 Bücher, deren Kaufdatum so weit zurückliegt, dass ich es nicht mehr weiß, weil ich darüber damals noch nicht Buch führte. Sie warteten demnach mindestens neun Jahre auf meinem SuB. Am häufigsten habe ich Bücher gelesen, die ich 2016 gekauft habe.

11 Bücher (18 %) lagen etwa ein Jahr auf meinem SuB, nachdem ich sie im Vorjahr 2021 gekauft habe und nur 5 Bücher (8 %) habe ich relativ kurz nach der Neuanschaffung 2022 gelesen.

Ich bin wirklich verblüfft angesichts dieser Zahlen. Für mich fühlte sich das völlig anders an. Ich war mir absolut sicher, dass sich das Verhältnis zwischen neugekauften und SuB-Büchern zumindest angenähert hätte. Ich habe nicht daran gezweifelt, dass ich weiterhin häufiger zu meinem SuB greife als zu Neuanschaffungen, aber dass der Unterschied so groß ist, überrascht mich ehrlich.

Daraus kann ich schlussfolgern, dass ich eine sehr gesunde Beziehung zu meiner Bibliothek habe und ich hinsichtlich des Kaufalters meiner Bücher keine blinden Flecken habe. Alle Bücher erhalten bei mir dieselbe Chance. Jedes Buch hat seine Zeit, auch, wenn es manchmal zwei, fünf oder sogar zehn Jahre dauert, bis diese Zeit gekommen ist. Wenn es soweit ist, wird mein Bauch es mir sagen. Er ist der zuverlässigste Berater bei der Lektüreauswahl und irrt sich nie.

Betrachte ich diese Zahlen, verstehe ich noch weniger als ohnehin schon, warum so viele Buchblogger_innen einen großen SuB als eine Schande oder ein Problem empfinden, als etwas, was beseitigt werden muss. Ich habe einen gigantischen SuB im hohen dreistelligen Bereich, der manche blass werden lässt. Aber ich nutze ihn, das beweisen meine Daten unzweifelhaft. Auch gehe ich davon aus, dass ich jedes Jahr mehr Bücher lese als kaufe. Solange das so ist, sehe ich nicht, warum es mir Kopfzerbrechen, ein schlechtes Gewissen oder Scham verursachen sollte, dass ich so viele ungelesene Bücher besitze.

Ich kann abstrakt nachvollziehen, dass einige Leser_innen Sorge haben, dass sie anfangen, Bücher zu horten und die Chancen für ein Buch, gelesen zu werden, mit jedem weiteren Monat auf dem SuB schrumpfen, weil Neuerscheinungen als reizvoller wahrgenommen werden. Wer diese Befürchtung teilt, sollte wahrscheinlich auch einfach Daten sammeln und faktisch ergründen, ob es wirklich der Fall ist, dass Bücher vom SuB benachteiligt werden. Wie falsch man da intuitiv liegen kann, demonstriere ich ja immer wieder. Außerdem wäre eine Aufschlüsselung des Verhältnisses zwischen gekauften und gelesenen Büchern vermutlich hilfreich, um herauszufinden, ob mehr gekauft als gelesen wird. Das ist natürlich nur ein Vorschlag, der euch vielleicht beruhigen könnte.

Apropos „Gekauft vs. gelesen“: Würde euch das interessieren? Etwas neugierig bin ich da schon und überlege, ob ich dieses Verhältnis in den nächsten Jahresrückblick aufnehme. Teilt mir gern eure Meinung dazu mit!

Reihenweise

Wie wir eben gelernt haben, bin ich eine SuB-Leserin. Außerdem bin ich eine Reihen-Leserin, das sehen wir in diesem Diagramm zum Verhältnis zwischen Einzelbänden und Reihenbänden in meiner Lektüreauswahl 2022. 38 Mal habe ich zu Büchern gegriffen, die zu einem Mehrteiler gehören. Das entspricht 61 %, also deutlich mehr als der Hälfte. Dagegen habe ich lediglich 24 Einzelbände (39 %) gelesen. Ich liebe Fortsetzungsgeschichten einfach, das war schon immer so und wird vermutlich auch immer so sein. Ich bevorzuge ja auch Serien gegenüber Filmen. Ein klares Muster in meinem Leben.

Tatsächlich dachte ich während des Jahres nicht, dass die Verteilung so eindeutig in eine Richtung zeigen würde. Ich hielt mich für sehr offen für Einzelbände und hätte nicht angenommen, dass ich mit den Reihenbänden so weit über 50 % landen würde. Ganz unbegründet war das nicht, denn im Vergleich zu 2021 ist die Verteilung tatsächlich ausgeglichener. Im Vorjahr lag der Prozentsatz für Reihenbände nämlich noch bei satten 72 %.

Bitte versteht diese Zahlen nicht falsch. Hier geht es nicht darum, dass ich aus ihnen irgendwelche Konsequenzen für mein Leseverhalten ableiten würde. Es ist absolut in Ordnung, dass ich Reihen lieber lese als Einzelbände, was ja auch daran liegt, dass die Fantasy mein Lieblingsgenre ist. Mir ist nur wichtig, sicherzustellen, dass ich Einzelbände nicht ignoriere, weil ich dann viele tolle Geschichten verpassen würde. Aber selbst wenn es so wäre: Ich könnte das vermutlich sowieso nicht bewusst steuern. Der Bauch wehrt sich standhaft gegen alle Versuche, ihn zu manipulieren.

Diszipliniert war ich im Umgang mit meinen Mehrteilern 2022 hingegen nicht. 2021 war ich noch sehr stolz darauf, dass die Mehrheit meiner Reihenbände Fortsetzungen waren. Ein Jahr später kann ich das nicht mehr behaupten. Ich habe mehr Reihen neu begonnen als weitergelesen oder abgeschlossen. 18 Bücher waren Auftakte (rund 48 %), 13 Bücher waren Fortsetzungen (rund 34 %) und 7 Bücher waren Abschlüsse (rund 18 %). Zähle ich Fortsetzungen und Abschlüsse zusammen, liegt der Wert mit 52 % knapp über der Hälfte, aber mit den 69 % von 2021 ist das ebenfalls nicht zu vergleichen.

Ich habe eine starke Ahnung, woran das liegt. Der Grund ist höchstwahrscheinlich mein Rezensionsrückstau. Ich habe in meinem Neujahrsgruß angekündigt, dass ich Rezensionen von Reihenbänden künftig vorziehen werde, damit ich nicht immer ewig darauf warten muss, den nächsten Band lesen zu können. Das ist eine brandneue Entscheidung, die ich erst Ende des Jahres getroffen habe, weil es mich unglücklich macht, Fortsetzungen aufschieben zu müssen, obwohl ich sie gern lesen würde.

Der Verlauf meiner Lektüreauswahl 2022 war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, weil ich aufgrund der aufgelaufenen Rezensionen wirklich viele begonnene Reihen im vergangenen Jahr auf Eis legen musste. Da ich Reihen aber trotzdem mit Vorliebe lese, habe ich eben einfach neue angefangen. Nicht gerade produktives Verhalten, ich weiß.

Ohne meinen Beschluss würde sich die Anzahl der ruhenden Reihen stetig erhöhen. Ich würde in einen Strudel geraten, aus dem ich vermutlich nie wieder herauskäme. 2022 habe ich insgesamt 33 Reihen gelesen, davon also mehr als die Hälfte neu begonnen. Stellt euch vor, das würde jedes Jahr so weitergehen. Ich würde mich quasi in ersten Bänden einmauern, bildlich gesprochen. Darum ist es so wichtig, dass ich mir erlaube, die natürliche Chronologie meiner Rezensionen aufzubrechen und Mehrteilerbände, deren Fortsetzungen ich bald lesen möchte, vorzuziehen.

Mir hat diese Entscheidung bereits jetzt jede Menge Erleichterung gebracht, weil ich die verlockenden Fortsetzungen in meinem Regal nun anschauen kann und weiß, dass ich sie dieses Jahr lesen werde.

Genreverteilung

Hier und da ist das Wort „Fantasy“ in meinem Jahresrückblick 2022 nun schon gefallen – jetzt bekommt sie ihren großen Auftritt. In der Genreverteilung wird wieder einmal mehr als offensichtlich, wie gern ich Fantasy lese. Im vergangenen Jahr ist der Wert erneut in Sphären geschossen, die ich zuletzt 2017 erreichte. Ich habe 38 Fantasy-Romane gelesen, das sind 61 %. Zum Vergleich, 2021 waren es historisch niedrige 49 %. Falls ihr euch fragt, ob all meine Reihen-Bände der Fantasy zuzuordnen sind, weil auch das 38 Bücher waren: Nein. Einhörner wie Fantasy-Einzelbände gibt es tatsächlich.

In der übrigen Genreverteilung gab es hingegen eine interessante Verschiebung: Zum ersten Mal, seit ich die Genres 2019 zusammengefasst habe, habe ich mehr Werke aus der Sparte Horror/Krimi/Thriller (10 Bücher, 16 %) gelesen als aus der Science-Fiction (4 Bücher, 6 %).

Auch das ist zum Teil meinem Rezensionsrückstau zuzuschreiben, denn mir fallen spontan zwei SciFi-Reihen ein, die ich bisher nicht weiterlesen konnte. Es liegt aber auch daran, dass ich im Oktober 2022 richtig Lust auf unheimliche, gruselige Bücher hatte und im Juni in einem Rutsch die Jugendthriller-Trilogie „Soul Beach“ von Kate Harrison ausgelesen habe. Kurz: Es hat sich eben so ergeben. Manchmal muss man nicht tiefer graben.

Lustigerweise hingen Realistische und Historische Fiktion 2022 erneut zusammen wie an der Hüfte verwachsen. 2021 habe ich dieses Muster durchbrochen und dachte schon, dass ich es mir nur einbilde, aber vielleicht lag ich da doch falsch. Es kommt wirklich häufig vor, dass aus beiden Genres genau gleich viele Bücher lese. 2022 waren es jeweils 3 Werke (rund 5,5 %). Mal schauen, wie es nächstes Jahr aussieht.

Bei den Klassikern hat sich keine Veränderung eingestellt. Ich habe erneut 4 (6 %) gelesen, wie schon 2021. Dieses Mal waren sogar „echte“ Klassiker dabei und nicht nur Nachwuchsklassiker. Wie immer bin ich damit zufrieden, denn das Jahresziel besteht ja lediglich darin, überhaupt Klassiker zu lesen.

Der Anteil der Jugendliteratur, die ich nicht als eigenes Genre betrachte, ist im Vergleich zu 2021 um einen Prozentpunkt gesunken. Es waren 15 Romane, was 24 % entspricht. Ich habe im Jahresrückblick 2021 erklärt, dass ich Young Adult – Bücher besonders gern lese, wenn ich keine anspruchsvolle Literatur ertrage und meine Lesestatistik aufbessern will. Bei der Anzahl meiner gelesenen Bücher 2022 ist es also kein Wunder, dass ich abermals auf diese Strategie zurückgriff. Gebracht hat sie allerdings kaum etwas.

In meiner Genreauflistung fehlt für 2022 die Non-Fiction. Warum? Ganz einfach, ich habe kein Sachbuch gelesen. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, war von meinem geringen Lesefortschritt aber so eingeschüchtert, dass ich mich nicht getraut habe. Ja, bescheuert, ist mir klar. Ich wollte nicht noch weiter hinter meinem Leseziel von 70 Büchern zurückfallen, indem ich ein Buch auswähle, das mich mental stark fordert, unter Umständen nicht so spannend ist wie ein Roman und für das ich deshalb eventuell länger gebraucht hätte.

Eine Maßnahme in meinem Arsenal, mit dem ich mir 2022 beibringen will, dass es okay ist, weniger zu lesen, besteht darin, solche Gedanken sofort als Unsinn abzutun. Wenn ich Lust auf Non-Fiction habe, gebe ich dem nach, Punkt. Viel forderner als Steven Erikson können populärwissenschaftliche Bücher sowieso nicht sein und ich habe mindestens drei Sachbücher hier, die mich wirklich brennend interessieren. Eines behandelt die Geschichte und Bedeutung der Mätressen in europäischen Königshäusern, eines ist eine Biografie von Rasputin und das dritte ist eine Analyse der Ereignisse rund um die Hexenprozesse von Salem. Sehr unterschiedlich, also eine gute Auswahl. Eins davon will ich 2022 mindestens lesen. Welches ist euer Favorit?

Autor_innen

Da ich 2022 so viele neue Reihen begonnen habe (18. 18!!!), könnte man leicht auf die Idee kommen, dass ich dementsprechend überwiegend Autor_innen eine Chance gegeben habe, von denen ich noch nichts gelesen habe. Irrtum. Mir ist das Kunststück gelungen, trotzdem deutlich mehr bekannte Autor_innen zu lesen. Insgesamt habe ich 55 unterschiedliche Schriftsteller_innen besucht. Genau genommen sind es sogar 56, wenn wir Jens Lossau und Jens Schumacher einzeln zählen. Da sie ihre High Fantasy – Reihe „Die Fälle des IAIT“, aus der ich 2022 einen Band gelesen habe, aber zusammen schreiben, habe ich beschlossen, sie für diese Statistik wie eine Person zu behandeln. Die beiden werden es mir sicher nachsehen.

Von diesen 55 Autor_innen waren mir 34 (62 %) bereits bekannt, 21 (38 %) habe ich hingegen neu kennengelernt. Damit gab es keine Veränderung von 2021 zu 2022; letztes Jahr sah die Verteilung exakt genauso aus. Das nagt ein wenig an mir, weil ich prinzipiell immer bemüht bin, meinen Lesealltag mit neuen Stimmen zu bereichern. Wie sagt man? Andere Mütter haben auch schöne Söhne/Töchter.

Ich weiß einerseits, dass ich etwas verpasse, wenn ich ausschließlich bei meinen alten Pappenheimern bleibe und mir viele tolle Entdeckungen versage. Ich bin hin- und hergerissen, denn andererseits ist mir klar, dass es legitim ist, in meinem unbeständigen Alltag nicht auch noch literarische Risiken eingehen zu wollen. Es ist naheliegend, dass ich mich gern zu meinen liebsten Autor_innen flüchte, wenn es um mich herum stürmt. Ihnen vertraue ich, bei ihnen fühle ich mich wohl und komme zur Ruhe.

Trotzdem wünsche ich mir, dass ich 2023 etwas mutiger bin und häufiger neuen Schriftsteller_innen den Vorzug gebe. Ich glaube jedoch nicht, dass ich das bewusst steuern kann. Das muss mein Unterbewusstsein im engen Austausch mit meinem Bauch regeln. Hey ihr beiden, könntet ihr 2023 ein wenig experimentierfreudiger sein? Ich würde mich gern öfter für Bücher von unbekannten Autor_innen entscheiden.

Sternevergabe

Ich sage es immer wieder und ich sage es auch für 2022: Es gibt nur eine Statistik, die hinsichtlich des Erfolgs meines Lesejahrs wirklich aussagekräftig ist. Meine Sternevergabe ist die einzige Verteilung, die mir und euch einen Eindruck davon vermittelt, wie gut ein Jahr für mich lief. Bezüglich 2022 blicke ich auf ein äußerst erfreuliches Ergebnis.

Von meinen 62 gelesenen Büchern kann ich 52 als positive Leseerfahrungen verbuchen, die ich mit drei bis fünf Sternen bewertet habe. Das sind 84 % und damit noch einmal mehr als 2021, als dieser Prozentsatz bei rund 82 % lag. Interessanterweise kommen diese 84 % vor allem dadurch zustande, dass ich 2022 häufiger fünf Sterne als im Vorjahr vergeben habe. Neun Mal (15 %) durfte ich die Höchstwertung zücken. Außergewöhnlich ist dieser Anteil dennoch nicht, dieselbe Prozentzahl habe ich bereits 2020 verzeichnet.

Das Mittelfeld mit Bewertungen zwischen zwei und vier Sternen ist ebenfalls stark, auch hier komme ich mit 52 Büchern auf 84 %. Bewertungen mit zwei Sternen sprechen aus meiner Sicht allerdings nicht mehr für lohnende Leseerfahrungen. Ich vergebe zwei Sterne, wenn mir das Buch nicht gefiel, es objektiv betrachtet jedoch noch ein, zwei positive Aspekte aufweist. Finde ich an einem Buch irgendetwas Gutes, möchte es ich nicht mit der Tiefstwertung von einem mickrigen Stern abstrafen. Ich bin mit den Extremwertungen an beiden Enden der Skala zurückhaltend.

Deshalb musste ich 2022 auch nur ein einziges Mal einen Stern vergeben. Es gab nur ein Buch, das ich wirklich durchweg schlecht fand, was natürlich ein wünschenswertes Ergebnis ist. Insgesamt hatte ich dadurch nur 10 negativ gefärbte Leseerfahrungen, was 16 % meiner Lektüreauswahl entspricht. Ich denke, das ist zu verschmerzen. Literarische Fehlgriffe passieren und müssen nicht unbedingt bedeuten, dass mir diese Bücher keinen Spaß gemacht haben. Sich mal richtig schön aufzuregen kann ja auch sehr unterhaltsam sein.

Rückblickend bin ich zufrieden mit der qualitativen Bilanz meines Lesejahrs 2022. Im Verlauf des Jahres war mir nicht klar, dass die Tendenz zu erfolgreichen Leseerlebnissen so eindeutig ist. Erneut habe ich mich zu sehr von quantitativen Werten ablenken lassen. Für 2023 gilt also: Weniger rechnen, mehr genießen.

Challenges

Nun sind wir auch schon bei der letzten Kategorie im statistischen Jahresrückblick 2022 angekommen: Mein Challenge-Fortschritt. Hier möchte ich gleich zu Beginn einmal festhalten, dass ich mir 2023 endlich ein besseres Dokumentationssystem für die Bücherkultur Challenge ausdenken muss. Laut meinen Aufzeichnungen hat sich der Wert von 37 % 2022 im Vergleich zu den letzten beiden Jahren nämlich nicht verändert. Das kann eigentlich nicht sein. Ich habe Klassiker gelesen und mindestens einer davon steht auch auf der Liste der Challenge.

Aktuell habe ich dadurch das Gefühl, dass ich überhaupt keinen Überblick über meinen Fortschritt habe. Obwohl die Bücherkultur Challenge zeitlich unbegrenzt ist und ich mir durch die fehlende Betreuung erlaubt habe, beinahe alle Regeln in den Wind zu schießen, möchte ich schon wissen, wie ich vorankomme.

Deshalb werde ich im Verlauf des Jahres mal eine Bestandsaufnahme machen und noch mal genau nachzählen, wie viele Bücher ich tatsächlich gelesen habe.

Kommen wir jetzt zu den Challenges, zu denen ich auch wirklich etwas sagen kann. Die ABC Challenge 2022 ist ein Neuzugang, an dem ich 2022 erstmals teilgenommen habe. Von den 26 Aufgaben (weil 26 Buchstaben im Alphabet) habe ich 25 erfüllt, das entspricht 96 %. Die eine Aufgabe, die ich nicht abhaken konnte, sah vor, ein Buch im selben Monat zu lesen, in dem es erschienen ist. Da wir bereits festgestellt haben, dass ich überwiegend von meinem SuB lese und außerdem grundsätzlich selten Neuerscheinungen kaufe, geschweige denn lese, war mir von Anfang an klar, dass diese Aufgabe für mich schwierig zu erfüllen sein würde. Deshalb wachsen mir darüber keine grauen Haare.

Ich ärgere mich hingegen schon etwas, dass ich im Verlauf des Jahres eine der Regeln der Challenge schlicht vergesse habe: Wir durften zu jedem Buchstaben mehr als ein Buch auflisten. Das war mir völlig entfallen, also habe ich mir wirklich je nur ein Buch aufgeschrieben, obwohl bis zu sechs erlaubt waren und ich ein paar Aufgaben mindestens dreifach oder vierfach erfüllt habe. Tja, dumm gelaufen. Wahrscheinlich ein guter Indikator meiner generellen Einstellung zu Challenges, zu der ich gleich noch komme.

Beim Lesebingo 2022 und der Motto Challenge 2022 sehen wir ein unverändertes Bild, ich konnte beide Challenges erfolgreich abschließen. Ich habe alle Felder der Bingokarte abstreichen können und zu jedem monatlichen Motto des Jahres 2022 mindestens ein Buch gelesen. Da das jedoch bei beiden Challenges seit Jahren der Fall ist, versetzt mich das nicht in Euphorie. Viel mehr freue ich mich darüber, dass ich mein Ergebnis bei meiner eigenen Challenge, Wortmagie’s makabrer High Fantasy Challenge 2022, im Vergleich zu 2021 wieder verbessern konnte.

2021 habe ich nur 17 Bücher aus High und Low Fantasy gelesen, die ich mir für die Challenge anrechnen konnte und hatte dadurch ein enttäuschendes Ergebnis von 57 %. 2022 waren es immerhin 20 Bücher und damit 67 %. Ich bin zwar immer noch weit entfernt von meinem Ziel, endlich mal alle Aufgaben zu erfüllen, aber zumindest hätte ich mir zwei Lose zuteilen dürfen, würde ich selbst am Gewinnspiel teilnehmen. Wer mehr darüber wissen möchte, kann gern mal bei Wortmagie’s makabrer High Fantasy Challenge 2023 vorbeischauen!

2023 stehen die Chancen gut, dass ich mein Ziel, alle Aufgaben meiner Challenge zu erfüllen, tatsächlich erreiche. Warum? Nun, ich habe beschlossen, dass dies neben der zeitlich ungebundenen Bücherkultur Challenge die einzige Challenge ist, an der ich in diesem Jahr teilnehme. Im Verlauf von 2022 habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr wirklich Spaß an externen Challenges habe. Ich empfinde keinen Ehrgeiz mehr, weil ich das alles schon so oft durchlaufen habe und mich die Aufgaben nicht mehr reizen. Eine ausführliche Erklärung meiner Beweggründe findet ihr in meinem Neujahrsgruß.

Dank dieser Abkehr werde ich 2023 sehr viel freier in meiner Lektüreauswahl sein. Ich muss deutlich weniger Aufgaben erfüllen, habe weniger Vorgaben und muss mich nicht an Mottos orientieren. Das erleichtert mich sehr. Ich kann 2023 einfach lesen, was ich will. Das ist toll. Die Tatsache, dass ich das so empfinde, ist ein unmissverständliches Anzeichen dafür, dass es höchste Zeit wurde, eine Challenge-Pause einzulegen.

Im Jahresrückblick 2023 wird die Kategorie „Challenges“ daher sehr schlank ausfallen, darauf möchte ich euch schon mal vorbereiten. Außerdem werde ich voraussichtlich auch erst Ende 2023 entscheiden, ob ich 2024 wieder an fremden Challenges teilnehme. Es ist gut möglich, dass ich meine Pause um ein weiteres Jahr verlängere, wenn ich den Eindruck habe, dass es mir guttut. Wir werden sehen.

Zwischenfazit

Ich tue mich mit einem Zwischenfazit nach dem statistischen Jahresrückblick 2022 etwas schwer. Betrachte ich die Zahlen, sehe ich, dass mein Lesejahr 2022 viele positive Aspekte für mich bereithielt. Besonders die Sternevergabe beweist, dass es qualitativ ein gutes Jahr war. Rational ist mir das völlig bewusst. Dennoch lassen mich das Gefühl des Versagens und die Trauer darüber, dass mein Leseverhalten einen quantitativ negativen Wandel erlebte, nicht los.

Vielleicht muss ich anfangen, diesen Wandel buchstäblich wie einen Trauerfall, wie einen Verlust zu behandeln. Wenn ich mir erlaube, traurig und enttäuscht darüber zu sein, dass ich nicht mehr so viel lesen kann, kann ich diese Emotionen möglicherweise besser überwinden, weil ich mich dann auch wirklich mit ihnen auseinandersetze. Es bringt mir leider überhaupt nichts, mich zum Akzeptieren zwingen zu wollen. Ich kann mir so oft vorbeten, wie ich will, dass es okay ist, dass ich 2022 nur 62 Bücher gelesen habe, ich fühle mich trotzdem mies deswegen. Und der Erfolgsdruck, den ich mir selbst mache, ist nur eine Facette davon.

Ich bedauere es, weniger zu lesen, weil mir so viele tolle Geschichten entgehen, die ich am liebsten alle sofort inhalieren würde. Es geht nicht nur um die reine Zahl, es geht auch darum, mein literarisches Leben in vollen Zügen auszukosten. Ich möchte, dass so viele Geschichten wie möglich in meinem Leben stattfinden, ich möchte in Literatur schwelgen und bis zum letzten Tropfen aussaugen, was mir der internationale Buchmarkt zu bieten hat. So sehr ich mich bemühe, anzuerkennen, dass mir die Umstände meines Alltags eben nicht erlaubten, 2022 mehr als 62 Bücher zu lesen, fühlt es sich tief in meinem Inneren trotzdem an, als hätte mir jemand Fußfesseln angelegt und schwere Gewichte dran gehängt. Ich kann nicht mehr fliegen. Das schmerzt mich.

Lesen ist eine Säule meiner Identität und Persönlichkeit. Zu beobachten, dass diese Säule schrumpft, tut nun mal weh. Ich denke, erst, wenn ich fähig bin, dieses Gefühl wirklich zuzulassen, werde ich akzeptieren können, dass sich mein Pensum verändert hat. Daran möchte ich 2023 arbeiten. Ich möchte lernen, mich an den Geschichten zu erfreuen, die ich erlebe und nicht denen hinterhertrauern, die ich nicht erlebe. Zu Selbstreflexion gehört eben auch, jede Art von Emotionen wertungsfrei anzunehmen.

In diesem Sinne machen wir es uns jetzt gemütlich und tauchen tief in meine Gefühlswelt von 2022 ein. Wir widmen uns meinem emotionalen Jahresrückblick 2022 wie immer mithilfe eines Formulars, das ursprünglich von Martina Bookaholic erstellt wurde.

Emotionaler Jahresrückblick 2022

Martina nutzt den Fragebogen, den sie vor vielen Jahren zusammengestellt hat, selbst leider nicht mehr. Ich bin aber immer noch der Meinung, dass es die beste Herangehensweise an einen emotionalen Jahresrückblick ist, daher verwende ich ihn weiter – mittlerweile leicht abgeändert und etwas abweichend strukturiert. Die sieben Kategorien erfassen inhatliche Aspekte aller Bücher, die ich zwischen dem 01.01.2022 und dem 31.12.2022 gelesen habe. Lasst uns herausfinden, welche Werke in diesem Zeitraum am meisten Eindruck bei mir hinterlassen haben.

Allgemein

Welches war für Euch das Buch des Jahres?
Cover des Buches "The Vagrant" von Peter Newman

Ich habe 2022 überdurchschnittlich häufig fünf Sterne vergeben, wie oben bereits erläutert. Die neun Bücher, die ich mit dieser Höchstwertung auszeichnen konnte, waren alle fantastisch, aber keines hat mich so nachhaltig in Begeisterung versetzt wie „The Vagrant“ (The Vagrant Trilogy #1) von Peter Newman. Anlässlich der Montagsfrage vom 02.01.2023, in der wir unsere Lesehighlights 2022 aufzählen sollten, habe ich meine Notizen dazu konsultiert und konnte richtig spüren, wie meine Leidenschaft für die Geschichte und meine Vorfreude auf die Folgebände mit jedem weiteren Stichpunkt erneut entfacht wurden und wuchsen.

Mit „The Vagrant“ hatte ich genau die Art von Leseerfahrung, der ich permanent nachjage. Im Kern handelt es sich um eine klassische High Fantasy – Handlung mit Quest-Motiv, doch die Umsetzung ist so originell und unkonventionell, dass nichts in diesem Buch altmodisch, eingestaubt oder berechenbar wirkt. Von Newmans Schreibstil über das Setting bis zur Konzeption der Figuren ist jede Facette dieser Geschichte überraschend und einzigartig. In welchem anderen Buch ist der zentrale Charakter ein stummer Krieger, der von einem Baby und einer Ziege begleitet wird?

Ich kann über „The Vagrant“ nur in den allerhöchsten Tönen schwärmen und hoffe von ganzem Herzen, dass Peter Newman dieses Niveau in den Folgebänden aufrechterhalten kann.

Welches Buch war für Euch der Flop des Jahres?

Habt ihr bei meinen Ausführungen zu meiner Sternevergabe in 2022 bereits gefragt, welches das eine Buch war, dem ich wirklich nur einen Stern zugestehen konnte? Jetzt verrate ich es: Es war „Hidden Blade“ (Soul Eater #1) von Pippa DaCosta.

Cover des Buches "Hidden Blade" von Pippa DaCosta

Bei diesem Buch handelt es sich um einen der schlechtesten ersten Bände, die ich je gelesen habe. Weder konnte ich eine emotionale Bindung zu den Figuren aufbauen noch habe ich die Handlung und ihre Hintergründe durchschaut. Das führte dazu, dass mir die Geschichte und das Schicksal der Figuren vollkommen gleichgültig waren. Die Autorin erreichte mich überhaupt nicht.

Das Element, das mich ursprünglich davon überzeugte, die Reihe „Soul Eater“ mit „Hidden Blade“ anzulesen, war die Involvierung ägyptischer Mythologie. Findet man eben nicht so oft in der Urban Fantasy. Leider versagt DaCosta genau in diesem Punkt kolossal. Abgesehen von den Namen der Götter und Göttinnen hätte das auch jedes andere antike Glaubenssystem sein können. Die Figuren sind ebenso austauschbar und die Handlung ist ein zusammengestückelter Wirrwarr ohne roten Faden. Oh, und den Helden konnte ich nicht ausstehen.

Ich kann euch nur davon abraten, „Hidden Blade“ zu lesen. Ich werde die Reihe natürlich nicht weiterverfolgen und werde künftig auch um die Autorin einen großen Bogen machen. Wer meine kostbare Lesezeit einmal so fahrlässig verschwendet, verdient keine zweite Chance.

An welches Buch hattet Ihr eher geringe bis durchschnittliche Erwartungen und dann hat es Euch richtig umgehauen?

Kennt ihr das? Ihr lest ein Buch von einem Autor oder einer Autorin, seid völlig euphorisiert, nehmt euch vor, ab sofort alles von dieser Person zu lesen – und dann kommt irgendwas dazwischen, Jahre vergehen und ihr vergesst, wie großartig ihr diese_n Autor_in fandet. Genau das ist mir mit Markus Zusak passiert.

Wie vermutlich die gesamte Welt war ich damals hin und weg von „Die Bücherdiebin“. Es ist ein wundervolles Buch, das mich emotional wahnsinnig mitnahm. Deshalb habe ich später noch ein Buch von ihm gelesen, das weniger bekannt ist und das ich zugegebenermaßen weniger überzeugend fand: „Der Joker“. Danach habe ich mich nie wieder mit Zusak beschäftigt und habe mit der Zeit vergessen, wie intensiv und spektakulär die Lektüre von „Die Bücherdiebin“ für mich war. Ich habe ihn vergessen.

Cover des Buches "Nichts weniger als ein Wunder" von Markus Zusak

Im Oktober 2020 war ich dann in einer kleinen Buchhandlung, um Zeit totzuschlagen. Dort fiel mir „Nichts weniger als ein Wunder“, Zusaks letzter Roman, in die Hände. Ich war neugierig und nahm das Buch mit. Aber die Erinnerung an meine grandiose Leseerfahrung mit „Die Bücherdiebin“ schlummerte weiterhin in einer Ecke meines Gedächtnisses vor sich hin.

Im Februar 2022 entschied mein Bauch, dass es Zeit für „Nichts weniger als Wunder“ war. Trotz meiner erfolgreichen Vergangenheit mit Markus Zusak stand ich dem Buch neutral gegenüber, hatte durchschnittliche Erwartungen und ließ die Lektüre einfach auf mich zukommen. Ich begann zu lesen und war erst mal irritiert. Eingangs fand ich Zusaks Schreibstil nämlich übertrieben poetisch, zu gewollt und zu gekünstelt. Seine Worte ergaben für mich erst keinen Sinn. Aber dann.

Plötzlich verschob sich etwas in mir. All die Worte, die rational keinen Sinn ergeben wollten, füllten sich auf einmal mit Bedeutung und ich verstand, was Zusak mir zeigen und sagen wollte. Ich sah es nicht, ich spürte es so tief in meinem Herzen, dass es mir manchmal fast die Luft abschnürte. Es gelang Zusak, mich nicht mit den Augen, nicht mit dem Kopf, sondern nur mit dem Herzen sehen zu lassen. Und das ist ein Wunder.

Am Ende erlebte ich „Nichts weniger als ein Wunder“ wahnsinnig intensiv und erkannte, dass Zusak es nach den 13 Jahren, die zwischen „Die Bücherdiebin“ und diesem Roman liegen, es immer noch draufhat. Er kann es noch. Hoffentlich vergesse ich das nie wieder.

An welches Buch hattet Ihr große Hoffnungen geknüpft und dann hat es Euch richtig enttäuscht?

Oh, diese Frage schmerzt mich dieses Jahr sehr. Beziehungsweise die Antwort darauf. Meine größte Enttäuschung 2022 war „Peter Pan“ von J. M. Barrie.

Cover des Buches "Peter Pan" von J. M. Barrie

Nach Jahrzehnten, in denen mich die Geschichte vom Jungen, der nicht erwachsen werden will, nun schon begleitet, wollte ich endlich das Original lesen. Ich kannte bis dahin nämlich bloß Adaptionen, vorrangig natürlich die Disney-Verfilmung, mit der ich aufgewachsen bin. Die Figur des Peter und das Nimmerland waren für mich immer idealisierte Personifizierungen, Symbole meines Wunsches, mir einen Teil meiner Kindheit und meiner Kindlichkeit als Erwachsene zu bewahren. Ich verehre Peter, meinen Peter, weil er nicht erwachsen sein muss und mich daran erinnert, dass ich es auch nicht immer sein muss.

Ich war entsetzt, herauszufinden, dass mir der originale Peter absolut unsympathisch ist. Ich empfand ihn als Tyrann, der mit einer beiläufigen Grausamkeit agiert, zu der wahrscheinlich nur kleine Jungen fähig sind. Mir kam es vor, als würde er alle Bewohner_innen von Nimmerland dort festhalten; als müssten sie in einem Theaterstück auftreten, das er sich ausgedacht hat und Rollen erfüllen, die sie gar nicht spielen wollen.

Es gab noch weitere Faktoren, die die Lektüre für mich eher unglücklich gestalteten, aber der entscheidendste Punkt ist tatsächlich Peter. Zum Glück kann ich diese Leseerfahrung kategorisch von meinen Kindheitserinnerungen trennen, sonst hätte es mich wahrscheinlich hart getroffen, wie enttäuscht ich vom Original bin.

Welches Buch konntet Ihr gar nicht mehr aus der Hand legen?

„Jade City“ von Fonda Lee war mein Jahreshighlight 2021. Daher freue ich mich sehr, dass die Fortsetzung „Jade War“ 2022 ebenfalls einen Platz in meinen Favoriten des Jahres ergatterte. Der zweite Band der „The Green Bone Saga“ steht dem Auftakt der Trilogie in nichts nach – ganz im Gegenteil, mir erschien „Jade War“ noch größer, komplexer und intelligenter.

Cover des Buches "Jade War" von Fonda Lee

Die Autorin beweist darin beeindruckendes geopolitisches Verständnis und integriert ihr Setting, die fiktive Insel Kekon, in einen internationalen Kontext. Daraus ergibt sich eine Handlung, die das Dilemma der Clans im Angesicht des Fortschritts und globaler Konflikte hervorragend illustriert.

Mich fesselte das Buch jedoch nicht nur intellektuell, sondern auch emotional. Ich fühlte mich den Figuren äußerst nah und stellte fest, dass ein Großteil ihrer Zugkraft darin begründet war, dass ich mit ihren Entscheidungen und ihrem Verhalten nicht immer einverstanden war. Erst die Reibung, die zwischen mir und den Charakteren bestand, gestaltete die Lektüre so aufregend und spannend, dass ich den Roman nicht mehr aus der Hand legen wollte.

Sogar, als ich von einem Verbrechen, das eine der Figuren begeht, völlig erschüttert war und plötzlich alles in Frage stellte, was ich bis dahin über diese Person wusste, konnte ich mich dem Sog der Geschichte nicht entziehen, weil ich einfach wissen musste, wie es weitergeht.

Ich hoffe sehr, dass mich das Finale „Jade Legacy“, das ich 2023 lesen möchte, genauso mitreißt und ich die gesamte Trilogie mit einer glatten Gesamtwertung von fünf Sternen auszeichnen kann. Ist das der Fall, findet ihr den letzten Band sicher in meinem Jahresrückblick 2023.

Welche war 2022 Eure liebste Reihe? Auf welche Fortsetzung freut Ihr Euch 2023 am meisten?

Im Dezember 2022 hatte ich das dringende Bedürfnis, das Jahr mit Büchern abzuschließen, die mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht enttäuschen würden. Ich wollte Autor_innen lesen, denen ich vertraue, keine Experimente wagen und mich in die fähigen Hände derjenigen begeben, die mir in der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie meine literarischen Bedürfnisse befriedigen können. Für mich war es daher absolut naheliegend, zu Joe Abercrombie und seiner neuen „The Age of Madness“-Trilogie zu greifen.

„The Age of Madness“ spielt im „First Law“-Universum und etwa 30 bis 40 Jahre nach der „First Law“-Trilogie. Nach einer so langen Zeitspanne hätte Abercrombie durchaus entscheiden können, sich von der Vergangenheit zu distanzieren und eine ganz neue Geschichte aufzumachen, die keine oder kaum Verbindungen zu den bisherigen Ereignissen hat. Ich liebe ihn dafür, dass er es nicht getan hat.

Cover des Buches 'A Little Hatred' von Joe Abercrombie

Die neue Trilogie ist untrennbar mit allen vorangegangenen Bänden im „First Law“-Universum verknüpft. Wir lernen darin die nächste Generation kennen, also die Kinder der Figuren, die zuvor wichtige Rollen spielten. Dadurch erhält die Handlung selbstverständlich neue Hauptakteur_innen, die das Rampenlicht unmissverständlich beanspruchen, aber ihre Eltern und deren Weggefährt_innen bleiben dennoch präsent.

Diese Mischung ist Abercrombie hervorragend gelungen. Es war großartig für mich, in eine bekannte Welt zurückzukehren, neue Abenteuer mit neuen Persönlichkeiten zu erleben und trotzdem nicht radikal von all denjenigen abgeschirmt zu werden, mit denen ich zuvor so viel Freude und Leid teilte.

Es gab mir einen ganz besonderen Kick, zu beobachten, wie gefürchtet Sand dan Glokta ist, dass der Blutige Neuner romantisch verklärt wird und dass Bayaz noch immer viel zu viele Strippen zieht. Mehr als einmal habe ich ungläubig aufgelacht, mitleidig den Kopf geschüttelt oder zweifelnd die Stirn gerunzelt, weil die nächste Generation meine alten Held_innen sträflich unterschätzte, unrealistisch beurteilte oder auf ein Podest stellte, das sie nicht verdienen.

Mit den zwei Bänden „A Little Hatred“ und „The Trouble with Peace“ verwöhnte mich Abercrombie daher mit einer außergewöhnlichen Leseerfahrung, die mir erlaubte, ungestraft eine gewisse Selbstgefälligkeit zu empfinden, weil ich mehr über die Vergangenheit wusste als die Figuren. Ich war dabei, sie nicht. Dazu fand ich es sehr aufregend, herauszufinden, inwiefern ihre familiären Wurzeln ihre Persönlichkeiten prägten und bei ihnen nach Eigenschaften ihrer Eltern zu suchen.

Ich kann es kaum erwarten, „The Age of Madness“ 2023 mit „The Wisdom of Crowds” abzuschließen und mir von Joe Abercrombie wieder einmal demonstrieren zu lassen, wieso ich seit vielen Jahren ein großer Fan seiner Arbeit bin.

Welches war Euer Buch mit den meisten Seiten? Sind die Seiten nur so dahingeflogen oder musstet Ihr kämpfen?
Cover des Buches "Toll the Hounds" von Steven Erikson

Mit 1.294 Seiten habe ich meinen dicksten Ziegelstein von einem Buch direkt am Anfang des Jahres 2022 gelesen: „Toll the Hounds“ von Steven Erikson. Dabei handelte es sich um einen Reread des achten Bandes der Reihe „Malazan Book of the Fallen“, auf Deutsch „Das Spiel der Götter“. 2018 habe ich schon einmal die deutsche Doppelausgabe gelesen, bin durch die Veröffentlichungsverzögerungen der ausstehenden Bände bei Blanvalet jedoch auf die englischen Originale umgestiegen und habe die Reihe 2020 von vorn begonnen.

„Toll the Hounds“ war der letzte Band, den ich schon gelesen hatte. Obwohl ich die Handlung bereits kannte, war die Lektüre erneut schwerfällig und anstrengend – was jedoch nicht heißt, dass ich sie nicht genossen hätte. Wie ich nicht müde werde zu betonen, ist „Malazan Book of the Fallen“ der komplexeste High Fantasy – Mehrteiler, der mir je begegnet ist. Durch diese Komplexität lesen sich die Bände nicht einfach weg. Sie sind eben nicht dazu gedacht, Leser_innen mit leichter Unterhaltung zu berieseln.

Ich habe für „Toll the Hounds“ ganze 28 Tage gebraucht, fast einen gesamten Monat. Von „dahingeflogen“ kann also definitiv keine Rede sein. Ich würde aber auch nicht von einem Kampf sprechen, denn das Wort impliziert eine Negativität, die ich nicht empfunden habe. Sagen wir doch einfach, es war keine leichte, aber sehr lohnende Lektüre.

Ist Euch ein Buch ganz besonders negativ durch viele logische und/oder orthografische Fehler aufgefallen?

Im Juni habe ich innerhalb von drei Tagen die gesamte „Soul Beach“-Trilogie von Kate Harrison gelesen. Das lag allerdings nicht daran, dass ich die drei Jugendthriller gut fand, sondern nur an meiner persönlichen Neugier. Schon zum ersten Band „Soul Beach“ habe ich mir notiert, dass die Geschichte nicht viel Sinn ergibt.

Es geht darin um Alice, deren ältere Schwester Meggie ermordet wurde. Alice leidet sehr unter ihrer Trauer, was auch daran liegt, dass bisher niemand für den Mord verhaftet wurde. Nach Meggies Beerdigung erhält Alice eine E-Mail, in der sie eingeladen wird, eine Website aufzurufen, eine virtuelle Realität namens Seelenstrand. Sie ist misstrauisch, folgt der Einladung jedoch und entdeckt, dass sie am Seelenstrand Meggie treffen kann. Im weiteren Verlauf der Geschichte versucht Alice, aufzudecken, was es mit dem Strand auf sich hat, wer Meggie tötete und warum.

Cover des Buches "Soul Fire" von Kate Harrison

Die Suche nach dem_der Mörder_in zieht sich bis ins Finale der Trilogie, „Soul Storm“. Dazwischen reist Alice im zweiten Band „Soul Fire“ nach Barcelona, weil … Tja, keine Ahnung. Sie glaubt, in einer fremden Stadt, in einem fremden Land irgendwelche Hinweise ausfindig zu machen. Die meiste Zeit ist dieses Buch der reinste Unsinn. Von Alices Verhaltensweisen bis zu ihren Schlussfolgerungen ist das alles hochgradiger Humbug, als hätte das Mädel jede Fähigkeit zum logischen Denken verloren. Sie steigert sich in ihre Paranoia hinein, ohne dass es sie in ihren Verdächtigungen irgendwie weiterbringen würde.

Das Schlimme daran ist, dass Alices kopflose und ergebnislose „Ermittlungen“ sowie das affektierte Benehmen der Nebenfiguren, die sich wie wirklich schlechte Schauspieler_innen aufführen, meiner Meinung nach lediglich Kunstgriffe der Autorin sind, um Spannung und Dramatik ihrer Geschichte zu erhöhen.

Solche billigen Tricks ärgern mich, weil sie den vagen Verdacht entstehen lassen, dass Schriftsteller_innen ihren Leser_innen sehr wenig Intelligenz zutrauen und damit häufig zu vertuschen versuchen, dass sie keine plausiblen, überzeugenden und zur Geschichte passenden Spannungsmomente konzipieren können.

Hätte ich nicht unbedingt wissen wollen, wer Meggie denn nun ermordete und gehofft, dass sich das Rätsel des Seelenstrandes aufklärt, hätte ich die Trilogie vermutlich bereits nach dem ersten Band abgebrochen. Ich wusste schon da, dass ich von den Fortsetzungen nicht viel erwarten kann. „Soul Fire“ zeigte mir, dass sogar meine sehr geringen Erwartungen noch zu hoch angesetzt waren.

Auch Non-Fiction kann fesseln, welches Sachbuch hat Euch in diesem Jahr am meisten beeindruckt?

Ich habe 2022 kein einziges Buch gelesen, das eindeutig der Non-Fiction zuzuordnen ist. Ich habe jedoch ein Buch gelesen, das ganz bewusst mit der Grenze zwischen Fiktion und Fakten spielt: „Knapp am Herz vorbei“ von J. R. Moehringer. Dabei handelt es sich um eine interpretative Biografie des Bankräubers Willie Sutton.

Cover des Buches "Knapp am Herz vorbei" von J. R. Moehringer

Willie Sutton wurde 1901 in New York geboren und schlug bereits recht früh eine kriminelle Karriere ein. Sutton wurde vor allem dafür bekannt, dass er innerhalb der 40 Jahre, in denen er Banken ausraubte, nie jemanden tötete. Obwohl er Waffen zur Einschüchterung einsetzte, waren diese angeblich nie geladen, weil Sutton das Risiko, jemanden zu verletzen, nicht eingehen wollte. Er soll sogar auf Überfälle verzichtet haben, wenn in der Bank eine Frau schrie oder ein Baby weinte.

Trotzdem waren seine Raubzüge natürlich Verbrechen (die für die Betroffenen zweifellos traumatisch waren und nicht abzuschätzende Auswirkungen hatten), für die Sutton mehr als die Hälfte seines erwachsenen Lebens im Gefängnis verbrachte. Das schadete seiner Legende allerdings nicht, sondern förderte sie noch – auch, weil es ihm ganze drei Mal gelang, auszubrechen. Legende ist hier genau das richtige Wort, denn es gibt über Willie Sutton nur wenige gesicherte Fakten. Der Großteil dessen, was über ihn erzählt wird, basiert darauf, was er selbst berichtete. Das Problem daran: Sutton war ein notorischer Lügner.

Dieses Spannungsfeld der Quellenlage nutzte J. R. Moehringer, um seine Vorstellung von Suttons Leben zu schildern. Als Leserin wusste ich nicht, was der Fantasie des Autors entsprang und was tatsächlich geschehen ist und das fand ich äußerst faszinierend.

Außerdem porträtiert das Buch eine historische Epoche, die heute gern romantisiert und verzerrt wird: Die Goldenen Zwanziger. Sutton lebte in einer Zeit, in der in den unteren Gesellschaftsschichten unfassbare Armut herrschte. Es war nicht alles Gatsby. Für mich war Moehringers sehr realistische Blick auf die Umstände der Legion der Glücklosen, die Suttons Lebensweg direkt beeinflussten, äußerst erhellend.

Wenn ihr True Crime – Fans seid und/oder euch für die Weltwirtschaftskrise 1929 interessiert, kann euch „Knapp am Herz vorbei“ sicher genauso viel Freude bereiten wie mir.

Story

Welches war für Euch der schlimmste Moment in einem Buch? Entdeckung eines Betrugs? Tod eines Lieblings? Eine herzergreifende Trennung?
Cover des Buches "Die Bücherdiebin" von Markus Zusak

Nachdem ich im Februar durch „Nichts weniger als ein Wunder“ daran erinnert wurde, was für ein herausragender Autor Markus Zusak ist, beschloss ich, 2022 auch noch einmal „Die Bücherdiebin“ zu lesen. Ich erkor es als weihnachtliche Lektüre für den Dezember, weil die Geschichte so berührend und herzergreifend ist.

Da die meisten von euch „Die Bücherdiebin“ wahrscheinlich gelesen haben, muss ich euch wohl nicht erklären, warum und inwiefern es meinen schlimmsten Buchmoment 2022 enthielt. Ich möchte auch diejenigen nicht spoilern, die das Buch noch nicht gelesen haben. Deshalb sage ich nur: Dieses Ende. Dieses zutiefst traurige und zugleich hoffnungsvolle Ende. Es ist ohnehin ein äußerst emotionaler Roman, der tief ins Herz trifft, aber die letzten Seiten vermitteln eine Tragik, die kaum auszuhalten ist. Besonders, weil man im Grunde von Anfang an weiß, dass es darauf hinausläuft, es trotzdem irgendwie vergisst und entgegen allen Fakten hofft, dass die Geschichte anders ausgeht.

In meiner Rezension werde ich versuchen, zu analysieren, wie Zusak das gelingt und warum er sich gegen ein glückliches Ende entschied. Meiner Meinung nach ist das nämlich der Faktor, der „Die Bücherdiebin“ als Meisterwerk auszeichnet.

Das Buch war toll, aber das Ende einfach Mist? Welches Ende hat Euch am meisten enttäuscht?

Ich habe bereits von Kate Harrisons „Soul Beach“-Trilogie berichtet und den zweiten Band „Soul Fire“ als das Buch mit den meisten Fehlern in 2022 gekürt. Mit dem Finale „Soul Storm“ schafft es Harrison erneut auf meine Liste der negativen Highlights, denn dessen Ende hat mich in doppelter Hinsicht enorm enttäuscht. Angesichts meiner geringen Erwartungen ist das eine Leistung.

Cover des Buches "Soul Storm" von Kate Harrison

Der dritte Band hat für die Geschichte nur insofern einen Mehrwert, als dass endlich geklärt wird, wer Alices Schwester Meggie ermordete. Leider war ich mit der Auflösung unzufrieden, weil sie vorhersehbar war. Tatsächlich hatte ich schon seit der Hälfte des zweiten Bandes den richtigen Riecher, wer aus Meggies Umfeld sich seltsam und verdächtig verhält.

Ich hätte mir gewünscht, dass Harrison die Chance nutzt, dem Thriller eine wirklich überraschende Wendung zu verpassen und Alices beste Freundin als Mörderin entlarvt. Damit wäre ihre Figur plötzlich nämlich nicht mehr bloß ein farbloses, latent sexistisches Klischee gewesen. Aber nein, die Gute ist tatsächlich so stereotyp. Für sich genommen ist das Ende von „Soul Storm“ also schon sehr unbefriedigend.

Darüber hinaus enttäuscht „Soul Storm“ auch als Ende der Trilogie, weil das Rätsel des Seelenstrandes, der ja der Aufhänger der Geschichte war, nie entschlüsselt wird. Das hat mich wahnsinnig gefuchst, denn für mich war der Strand der Hauptgrund, mich überhaupt durch drei Bände zu quälen. Ja, ich war neugierig, wer der_die Mörder_in ist, aber primär wollte ich verstehen, wie der Strand funktioniert und dieses Ausmaß an Immersion erreicht, das Harrison beschreibt.

Obwohl es sich um eine virtuelle Welt handelt, kann Alice dort sehen, riechen, hören, fühlen und schmecken, als wäre sie physisch vor Ort – ohne den Einsatz von VR-Technologie. Das Fazit nach „Soul Storm“ lautete: Es ist unmöglich. Die Autorin hat sich da irgendetwas ausgedacht, nennt es Mysterium und belässt es dabei. Schwach. Ganz schwach.

Charaktere

Wer war Euer liebster Held?

Dieses Jahr kann ich für diese Frage mit einer ungewöhnlichen Antwort aufwarten, mit der vermutlich niemand – mich eingeschlossen – gerechnet hätte. Mein liebster Held 2022 war Maia, der Protagonist aus „The Goblin Emperor“ von Katherine Addison.

Cover des Buches "The Goblin Emperor" von Katherine Addison

Maia ist der ungeliebte, ins Exil verbannte Sohn des Imperators der Elfenlande. Als Sohn einer Koboldin ist ihm völlig bewusst, dass er am Hof seines Vaters niemals akzeptiert werden kann und fühlt sich den Intrigen und Spielchen des Adels ohnehin nicht gewachsen. Doch dann werden sein Vater und seine drei Halbbrüder bei einem tragischen Luftschiffunfall (Ein Luftschiffunfall. Luftschiffe. Wie cool ist das bitte?) getötet. Plötzlich ist Maia der nächste in der Thronfolge und muss die Regentschaft über die Elfenlande übernehmen.

Ich hatte buchstäblich von der ersten Seite an Mitgefühl für Maia. Er ist ein ungemein zarter, unsicherer und selbstkritischer Charakter, der wahnsinnig bemüht ist, es allen recht zu machen. Im Laufe der Geschichte, die mich als hochpolitisch und fesselnd überzeugte, entpuppt sich Maia jedoch aufgrund genau dieser Eigenschaften als empathischer, kluger und klarsichtiger Herrscher.

Dank seiner bescheidenen Herkunft und seiner daraus resultierenden Naivität nähert er sich den meisten Problemen seines Reiches unbelastet. Er empfindet für die niederen Klassen große Sympathie und ist ehrlich bemüht, eine gerechtere Welt für alle zu schaffen.

Ich habe Maia unglaublich gern begleitet. Zuerst tat es mir so leid für ihn, dass er über Nacht mit Schwierigkeiten konfrontiert wird, für die er nicht bereit ist. Dann gewann er meinen Respekt, weil er erkennt, dass er aus seiner neuen Rolle heraus wirklich etwas zum Besseren verändern kann und sich enorm anstrengt, um eingestaubte, rigide Strukturen aufzubrechen, obwohl er vom Adel bestenfalls belächelt wird.

Trotz aller Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellen (darunter der eine oder andere Mordanschlag), ist Maia ein bewundernswert guter Regent mit einem Herzen aus Gold. Das ist in der High Fantasy selten und ich habe es sehr genossen, ihm dabei zuzusehen, wie er in sein Amt hineinwächst.

Welcher Held hat euch rein charakterlich am besten gefallen?

Meine diesjährige Wahl ist eigentlich längst überfällig. Es wird höchste Zeit, dass wir über Fiddler sprechen. Fiddler (oder Fiedler auf Deutsch) ist eine der wichtigsten Figuren in Steven Eriksons „Malazan Book of the Fallen“. Im Kontext der Terminologie des malazanischen Imperiums dient er als Sappeur in der Marineinfanterie, das bedeutet, zu seinen Aufgaben zählen unter anderem der Kampf mit Explosivstoffen, das Anlegen von Verteidigungsgräben oder der Bau von Tunneln.

Den Sappeur_innen der malazanischen Armee wird nachgesagt, dass sie alle mindestens ein bisschen verrückt sind und ja, da ist was Wahres dran. Die meisten von ihnen lieben es wirklich, Dinge in die Luft zu jagen und einige denken sich ständig neue Methoden aus, ihre Munition möglichst destruktiv einzusetzen. Außerdem haben sie tendenziell einen echt schrägen Sinn für Humor, den ich sehr feiere.

Cover des Buches "Dust of Dreams" von Steven Erikson

Fiddler ist eine der ersten Figuren, dessen Perspektive Steven Erikson in seinem zehnbändigen Epos nutzt, um die Ereignisse zu schildern. Er taucht in beinahe jedem Band auf. Aber erst in den letzten Kapiteln des neunten Bandes „Dust of Dreams“, den ich im September 2022 gelesen habe, wurde mir richtig bewusst, was für eine bewundernswerte Persönlichkeit er ist und wie sehr ich ihn liebe.

Fiddler ist einer der besten Menschen, die mir sowohl literarisch als auch real je begegnet sind. Seine herausragendste Eigenschaft ist seine Fähigkeit zu Empathie, die sich in ihm mit einem starken Hang zum Pragmatismus mischt. Fiddler sieht mit dem Herzen. Er hat ein unfehlbares Gespür für Richtig und Falsch und erkennt immer, was die Personen in seinem Umfeld brauchen. Das Besondere ist jedoch, dass Fiddler beides nicht nur wahrnimmt, sondern auch danach handelt.

Er kann Unrecht nicht bestehen lassen, er kann unerfüllte Bedürfnisse nicht ignorieren. Er sieht, wo Handlungsbedarf nötig ist, und ergreift kommentarlos die Initiative. Er ist mühelos, bescheiden und völlig selbstverständlich selbstlos, einfach, weil es richtig ist. Man wird ihn nie über irgendetwas prahlen hören; oft genug ist den anderen Figuren gar nicht klar, dass Fiddler derjenige war, der still für eine Verbesserung ihrer Umstände verantwortlich war.

Für mich ist Fiddler deshalb unabhängig von seiner Rolle in den handfesten Ereignissen zweifellos ein Held – obwohl er das selbst nicht gern hören würde.

Welcher Held hat euch rein äußerlich am besten gefallen?
Cover des Buches "Wicked As They Come" von Delilah S. Dawson

Ich mochte „Wicked as They Come” (Blud #1) von Delilah S. Dawson zwar nicht, weil der Roman meiner Meinung nach ein sexistisches Frauenbild und toxische Beziehungsdynamiken zelebriert, aber ich kann anerkennen, dass der Protagonist Criminy äußerst attraktiv ist. Muss er in einer solchen Geschichte ja auch sein.

Criminy ist ein Bludman, eine Art Vampir, allerdings ohne den unangenehmen untoten Teil. Und wie es sich für einen literarischen Vampir gehört, sieht er unverschämt gut aus, mit makelloser Haut, schimmerndem Haar, einem durchtrainierten Körper und einem verführerischen Lächeln. Abgesehen von seinen rein äußerlichen Attributen ist er der Direktor eines fahrenden Zirkus, kann sowohl echte Magie als auch Zaubertricks wirken und versprüht insgesamt den Charme einer Mischung aus Bohemien und Pirat.

Leider konnten mich weder sein Aussehen noch seine Ausstrahlung darüber hinwegtrösten, dass er die weibliche Protagonistin Letitia abwechselnd wie sein Eigentum, Kind oder Haustier behandelt. Das ist keine Liebe. Das ist ein Machtspielchen. Darum werde ich die Reihe „Blud“ auch nicht weiterverfolgen, ganz egal, wie attraktiv Criminy ist.

Welche Heldin hat Euch am besten gefallen?
Cover des Buches "Geist" von Philippa Ballantine

Sorcha aus „Geist“ (Book of Order #1) von Philippa Ballantine ist eine Bad Ass – Heldin genau nach meinem Geschmack. Sie ist keine rehäugige Püppi, sondern eine selbstbewusste, gestandene Frau von über 30 Jahren, die gern Zigarren raucht und wirklich taff austeilen kann. Sie ist sich ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten als Kämpferin sehr bewusst und setzt sie kompetent ein.

Am meisten mochte ich an ihr, dass die Autorin sie nicht betont sympathisch porträtierte. Sorcha biedert sich den Leser_innen nicht an und zeigt einige negative Eigenschaften, die sie realistischer wirken lassen als so manch andere Heldin. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich dadurch viel besser mit ihr identifizieren konnte und wir eine stabilere Bindung aufbauten. Die Mischung aus reifen Entscheidungen und kindischem Trotz gefiel mir äußerst gut.

Abgesehen von meiner Sympathie für Sorcha war „Geist“ auch insgesamt eine positive Leseerfahrung für mich, die viel Action und ein interessantes Worldbuilding mit einigen faszinierenden Horrorelementen bietet. Es war eine Überraschung, wie gern ich den Reihenauftakt mochte, denn er lag sehr lange auf meinem SuB und irgendwie hatte ich ihn in meinem Kopf als Urban Fantasy abgespeichert – dabei handelt es sich um lupenreine High Fantasy. Ich freue mich auf die Folgebände!

Welche Heldin hat Euch rein charakterlich am besten gefallen?
Cover des Buches "Freaky Green Eyes" von Joyce Carol Oates

Ich bewundere Franky alias Freaky aus Joyce Carol Oates‘ Jugendroman „Freaky Green Eyes“ für den Mut, mit dem sie sich der Wahrheit über ihre dysfunktionale Familie stellt. Dass sie fähig ist, in diesem Alter ihre Eltern zu hinterfragen und auf ihr Bauchgefühl zu vertrauen, sich nicht einlullen zu lassen, obwohl sie von Anfang an weiß, dass ihr die Antworten auf ihre Fragen weh tun werden, erfordert eine Charakterstärke, die ich ganz und gar außergewöhnlich fand.

Natürlich schafft Franky das nur, indem sie ihr Alter Ego Freaky kreiert. Freaky repräsentiert Frankys kühles moralisches Gewissen, das weder Furcht noch Schonung kennt und den Finger in Wunden legt, die Franky vielleicht lieber verschorfen lassen würde. Sie ist aber auch Frankys Schutzschild, ihre empowerte, selbstbewusste Seite, die nicht zulässt, dass Franky verletzt wird und das Possenspiel der gehobenen gesellschaftlichen Kreise, in denen sich Frankys Familie bewegt, eiskalt durchschaut.

Obwohl Franky ihr Alter Ego recht stark von sich abgrenzt, ist eindeutig, dass sie am Ende doch dieselbe Person sind. Freaky ist ein Teil von Franky – demnach ist es Frankys Stärke, die sie antreibt, die Geheimnisse ihrer Familie aufzudecken. Worin diese bestehen, möchte ich nicht verraten. Ich sage nur, dass mich dieses hervorragende Beispiel von Young Adult – Literatur stark an den Fall O. J. Simpson erinnerte.

Welche Heldin hat Euch rein äußerlich am besten gefallen?

Frauen werden noch immer zu oft auf ihr Äußeres reduziert und an ihrer subjektiven Schönheit gemessen. Darum hat es mich 2022 besonders beeindruckt, dass Joe Abercrombie die Normen von weiblicher Schönheit in „The Trouble with Peace“ immer wieder kritisch in Frage stellt. Am nachdrücklichsten gelang ihm das meiner Meinung nach mit der äußeren Veränderung, die Rikke durchlebt.

Cover des Buches "The Trouble with Peace" von Joe Abercrombie

Rikke ist die Tochter des Hundsmannes, den Fans der „First Law“-Romane sicher gut kennen. Sie ist jedoch keine gewöhnliche junge Frau, sie hat prophetische Fähigkeiten. Leider gerät ihr zweites Gesicht nach einem Vorfall im Vorgänger „A Little Hatred“ völlig außer Kontrolle, sodass Rikke ständig von Visionen geplagt wird und oft nicht einmal mehr weiß, ob das, was sie sieht, in der Gegenwart stattfindet oder der Schatten längst vergangener oder zukünftiger Ereignisse ist. Sie droht, zu sterben. Also unterzieht sie sich einem Ritual, das ihre Kräfte ins Gleichgewicht bringen soll.

Das Ritual geht nicht spurlos an ihr vorüber. Sie sieht danach völlig anders aus und kann nicht mehr als konventionell schön bezeichnet werden. Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen und verraten, wie dieses radikale Makeover ausfällt, aber ich kann euch sagen, dass sie in meiner Vorstellung dadurch auf eine Art an Attraktivität gewonnen hat, die mehr mit Ausstrahlung zu tun hat als mit traditionellen Schönheitsidealen.

Ihr Äußeres drückt Macht, Selbstbewusstsein und Stärke aus. In ihrem Gesicht spiegelt sich wider, wer sie ist, all ihr Potential, all ihre Eigenschaften, die sie zu einem Menschen machen, dem man folgen möchte. Man sieht ihr an, dass sie im Reinen damit ist, wer und was sie ist. Nach dem Ritual verströmt sie eine natürliche Autorität, von der die alte Rikke nur träumen konnte.

Da Frauen bis heute selten erlaubt wird, offen zur Schau zu tragen, wer sie sind und die Gesellschaft noch immer von ihnen verlangt, Masken zu tragen, fand ich Rikkes extreme Veränderung wahnsinnig reizvoll.

Manchmal stimmt die Chemie einfach, welches Paar hat Euch am besten gefallen? Hier zählt das Paar als Ganzes.

Ich glaube, ich war 2022 nicht sehr aufmerksam, was die romantischen Beziehungen meiner Figuren betraf. Ich musste lange überlegen, bis mir ein Paar eingefallen ist, das als Antwort auf diese Frage herhalten kann. Ich habe mich für Hope und Red aus „Bane and Shadow“, den zweiten Band der „Empire of Storms“-Trilogie von Kelley Skovron (ehemals Jon Skovron), entschieden.

Cover des Buches "Bane and Shadow" von Jon Skovron

Nun spielt die Beziehung der beiden von Anfang bis Ende der Trilogie eine Rolle. Warum also blieb sie mir im zweiten Band, den ich im März 2022 gelesen habe, besonders im Gedächtnis? Sollte es nicht eher das Finale sein, das mir einfällt?

Ich verrate euch, warum: Weil ihre Liebe in „Bane and Shadow“ eine ordentliche Portion Realität verpasst bekommt. Was im ersten Band „Hope and Red“ als Insta-Love begann, setzt Skovron in der Fortsetzung in Relation mit der Wirklichkeit. Hope und Red erleben darin eine erzwungene Trennung, die sie beide sehr verändert. Und statt einer völlig unrealistischen und verklärten Vorstellung ihrer Wiedervereinigung hinterher zu träumen, begreift Hope, dass sie Red eigentlich kaum kennt und es möglich ist, dass ihre Liebe diese Trennung nicht übersteht. Red ergeht es ähnlich. Sie beide hadern mit ihren Gefühlen füreinander.

Das hält sie nicht davon ab, dafür zu kämpfen, wieder zusammen sein zu können, aber sie wissen, dass Liebe manchmal nicht ausreicht und nicht jede Beziehung für die Ewigkeit gemacht ist. Das fand ich bemerkenswert, weil jugendliche Paare in Romanen ja meist dazu neigen, ihre Emotionen als unsterblich und unantastbar wahrzunehmen. Skovron lässt die beiden hingegen zweifeln, was ich viel glaubwürdiger fand. Sie wurden mir dadurch noch mal sympathischer.

Welche_r Protagonist_in hat Euch am meisten genervt? Bei wem konntet Ihr nur noch mit den Augen rollen? Gab es vielleicht einen besonders schlimmen/peinlichen Moment?

Ah. Ugh. Ich schaudere immer noch, wenn ich an Ceony aus „The Paper Magician“ (The Paper Magician #1) von Charlie N. Holmberg zurückdenke. Es kommt selten vor, dass mir eine Protagonistin unbeabsichtigt von dem_der Autor_in so unangenehm ist.

Ceony hat gerade ihre Ausbildung zur Papiermagierin bei ihrem Mentor Emery Thane begonnen. Zuerst war sie nicht begeistert und hätte lieber mit einem anderen Material gearbeitet, aber mittlerweile konnte sie sich für die Disziplin erwärmen – und für Thane. Dann werden sie eines Tages unvermittelt von einer Blutmagierin angegriffen, die offenbar noch ein Hühnchen mit Thane zu rupfen hat. Sie setzt beide außer Gefecht, greift in Thanes Brust und stiehlt sein Herz.

Cover des Buches "The Paper Magician" von Charlie N. Holmberg

In der Folge muss Ceony eine Reise in Thanes Herz unternehmen, um ihn zu retten. Warum, wieso und weshalb bleibt ein bisschen vage und zugegebenermaßen wenig plausibel, Fakt ist aber, Ceony befindet sich in seinem Herzen und erlebt dort seine intimsten Erinnerungen, Ängste und Hoffnungen.

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich das erste Mal Unbehagen angesichts der Art und Weise empfand, wie Ceony aus der Ich-Perspektive ihre Beziehung zu ihrem Ausbilder schildert. Ich habe nur irgendwann festgestellt, dass ich mich sehr unwohl fühlte, weil mir ihre Gefühle für Thane unangemessen, übertrieben und irgendwie manisch erschienen. Sie erinnerte mich an ein Schulmädchen, das in ihren Lehrer verliebt ist, allerdings ohne die unschuldige Note. Mir erschien das nicht wie eine harmlose Schwärmerei, sondern toxisch, besitzergreifend und obsessiv. Als wäre sie fähig, Thane Gewalt anzutun, wenn er ihre Gefühle nicht erwidert.

Genau genommen tut sie das ja auch. Sie marschiert in seinem Herz herum und wird Zeugin seiner persönlichsten Gefühle. Die beiden kennen sich erst ein paar Wochen. Stelle ich mir vor, jemand, den_die ich nicht gut kenne, würde eine Sightseeingtour durch mein Herz und meine Emotionen unternehmen – brr. Das ist dermaßen übergriffig, dass es mir kalt den Rücken herunterläuft.

Dabei zeigt Ceony auf ihrem Platz in der ersten Reihe fremder Erfahrungen keinen Funken Demut, Bescheidenheit oder Respekt. Sie urteilt fröhlich über alles, was sie dort sieht, obwohl sie kein Recht dazu hat und es sich natürlich nur um Momentaufnahmen und kleine Facetten seiner Persönlichkeit handelt. Das scheint Ceony aber nicht klar zu sein. Nein, sie glaubt am Ende allen Ernstes, sie würde Thane jetzt besser kennen als er sich selbst.

Trotz der Beklommenheit, die ich während „The Paper Magician“ empfand, wäre ich fast bereit gewesen, der Fortsetzung eine Chance zu geben. Die Papiermagie ist einfach ein tolles Konzept, in das ich gern tiefer eingestiegen wäre. Diesen Plan verwarf ich jedoch sofort, nachdem ich das Schnupperkapitel las, das in meiner Ausgabe von „The Paper Magician“ enthalten ist. Es geht genauso unangenehm weiter, wie der erste Band endete: Ceony fragt sich, wieso Thane ihr noch nicht seine Gefühle gestanden hat und sie nicht bereits verlobt sind. Nee, danke.

Wer hat Euren Buchheld_innen am schlimmsten zugesetzt?
Cover des Buches "The Every" von Dave Eggers

Habt ihr Lust auf einen kurzen Horrortrip?
Stellt euch vor, Google, Amazon und Facebook (bzw. Meta) würden fusionieren.

Wer jetzt kalte Spinnenfinger im Bauch oder Nacken spürt, hat den richtigen Riecher. In „The Every“, der losen Fortsetzung seines Bestsellers „The Circle“, untersucht Dave Eggers dieses beängstigende Szenario und zeigt auf, wozu ein solcher Mutant von einem Unternehmen, den wohl nicht einmal Victor Frankenstein zum Leben erweckt hätte, fähig sein könnte und wie er unsere Gesellschaft wahrscheinlich verändern würde. Der Name des Mutanten? The Every.

Eggers schlüpft in die Rolle der Protagonistin Delaney, deren Ziel darin besteht, The Every von innen zu zerstören. Dafür beginnt sie, dort zu arbeiten und sich stetig neue Taktiken auszudenken, um die Menschheit aufzurütteln und ihr zu zeigen, an wen sie ihre Seele verkauft. Sie stellt sich mehr oder weniger allein einem Megamonopol entgegen, dem schlimmsten Gegenspieler, den ich mir vorstellen kann. Wie viel Erfolg sie mit ihrer Mission hat, möchte ich nicht verraten, aber der_die eine oder andere hat bestimmt schon eine Idee davon, wie das Ganze ausgeht.

Das Furchteinflößende an Eggers Roman ist dessen Realitätsnähe. Obwohl Google, Amazon und Facebook in unserer Gegenwart noch keine unheilige Allianz eingegangen sind, bestehen die Weichen für die Konsequenzen, die er schildert, durchaus. Es ist bereits alles da. Wir sind nicht mehr allzu weit entfernt von diesem Albtraum, in dem der Trend zu Selbstoptimierung alles bestimmt und Anonymisierung sowie Isolation bewusst als Waffen der Manipulation eingesetzt werden.

Das Buch hat mir Angst gemacht, weil ich an dessen Ende das starke Gefühl hatte, dass wir als Spezies den Point of No Return schon längst überschritten haben und es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann Eggers Vision Wirklichkeit wird. Ich war traurig, verzweifelt und ohnmächtig. Ich kann nur hoffen, dass es viele Leser_innen aufwecken konnte und ihnen bewusst machte, worauf wir da aktuell zusteuern.

Auch Charaktere, die nur am Rande vorkommen, kann man ins Herz schließen. Welcher Nebencharakter ist Euch besonders in Erinnerung geblieben?
Cover des Buches "Spoonbenders" von Daryl Gregory

Teddy Telemachus aus „Spoonbenders“ von Daryl Gregory ist so ein Mann, den ich mir sehr gut als Großonkel vorstellen kann. Jemanden, den man nur alle Jubeljahre auf Familienfesten sieht, der den Kindern lustige, aufregende, manchmal unglaubliche Geschichten erzählt und ihnen Kartentricks beibringt. Ein komischer Kauz, aber absolut liebenswert. Solange man nicht täglich mit ihm zu tun hat.

Im Alltag ist Teddy nämlich ziemlich anstrengend und frustrierend unzuverlässig. Seine Kinder, die in „Spoonbenders“ die Hauptrollen einnehmen, wissen nie, wann er die Wahrheit sagt und wann er nur mal wieder eine seiner Geschichten zum Besten gibt. Er ist unberechenbar, manipulativ und opportunistisch.

Trotzdem mochte ich ihn sehr gern, weil mir seine Lebenseinstellung zusagt: Er vereint Zynismus mit einem gewissen Grundvertrauen in die Menschen. Passt ja auch, schließlich ist die Familie Telemachus dafür bekannt, dass sie vor vielen Jahren durch Talkshows tingelte und ihre speziellen Fähigkeiten zur Schau stellte, wie Uri Geller. Ich wünsche mir Teddy nicht als Vater, aber als entfernter Verwandter bringt er garantiert Leben in jede Party.

Verschiedenes

Habt Ihr bei einem Kuss so richtig mitgefiebert, erleichtert aufgeseufzt, richtig Lust aufs Küssen bekommen?

2022 waren es besonders die Beinahe-Küsse zwischen Hirka und Rime in „Odinskind“ (Die Rabenringe #1) von Siri Pettersen, die mich unzählige Male erst schmelzen und dann frustriert aufstöhnen ließen.

Cover des Buches "Odinskind" von Siri Pettersen

Die beiden haben eine extrem komplizierte Beziehung, in der sich Kindheitserinnerungen, gesellschaftliche Konflikte und jede Menge Leidenschaft mischen. Sie sind verbunden, empfinden eine Nähe zu einander, die im wahrsten Sinne des Wortes magisch ist. Trotzdem erlauben sie sich in 99 Prozent der Fälle nicht, ihre starken Emotionen auszuleben.

Immer wieder kommt es dazu, dass sie ganz dicht voreinander stehen, sich sogar berühren, Zärtlichkeit und Intimität teilen, bis die Funken fliegen, aber sie küssen sich meiner Erinnerung nach nur ein einziges Mal. Kann sein, dass ich mich da etwas vertue, doch sie sind auf jeden Fall meilenweit davon entfernt, ständig wild herumzuknutschen.

Interessant daran war für mich, dass ich die Erwartungshaltung als bittersüß wahrnahm und diese unglaublich intensiven Momente meiner Meinung nach vor allem deshalb so viel in mir auslösten, weil Pettersen eben davon absah, ihre Sehnsucht nacheinander zu befriedigen. Es gibt keinen Abschluss, nur ewiges Verlangen und unerfüllte Liebe. Ich lebte in der Fantasie, wie ein echter Kuss zwischen ihnen wäre (der eine Kuss, an den ich mich erinnere, ist eher ein schnelles Küsschen). Das war reizvoller als so manche voll ausgearbeitete Kussszene, die mir in meiner Lesekarriere bisher begegnete.

Wenn es nicht beim Küssen bleibt, welche Liebesszene hat Euch am meisten angesprochen?

In meinem Jahresrückblick 2020, also vor zwei Jahren, habe ich für diese Frage „Old Man’s War“ von John Scalzi genannt. 2022 habe ich „The Ghost Brigades“, den zweiten Band der gleichnamigen Reihe „Old Man’s War“, gelesen und bin darin zufälligerweise erneut über eine erotische Szene gestolpert, deren Vorstellung ich sehr anregend fand.

In „The Ghost Brigades“ geht es um eine Spezialeinheit, die im intergalaktischen Krieg gegen andere Spezies eingesetzt wird, um besonders schwierige, heikle Missionen zu erfüllen. Wie wir wissen, verlässt sich das CDF, das paramilitärische Unternehmen, das diesen Krieg für die Menschheit ausfechtet, ja grundsätzlich auf genetisch verbesserte Soldat_innen. Die Kämpfer_innen der Spezialeinheit sind allerdings noch mal ein Sonderfall.

Cover des Buches "The Ghost Brigades" von John Scalzi

Die sogenannten Geisterbrigaden bestehen (fast) ausschließlich aus Verstorbenen. Es kommt immer wieder vor, dass jemand, der_die sich auf der Erde dem CDF verpflichtet, stirbt, bevor er_sie den Dienst antreten kann. Ist das der Fall, erlischt der Anspruch des CDF jedoch nicht, Geist und Körper dieser Person sind weiterhin Eigentum des Unternehmens. Sie erzeugen eine anatomische Kopie und transferieren den Geist des_der Verstorbenen in einen neuen, genetisch stark veränderten Körper.

Ich erspare euch die Details dieses Verfahrens. Der Punkt ist, diese Soldat_innen werden explizit für den Krieg gezüchtet. Sie haben nur diesen einen Lebenszweck und werden von einer brandgefährlichen Mission zur nächsten geschickt, weil sie aus der Sicht des CDF ersetzbar sind. Trotzdem hat das CDF natürlich ein Interesse daran, dass ihre Elitetruppen erfolgreich sind. Deshalb werden sie unter anderem mit einer Art Schwarmintelligenz ausgestattet. Sie sind mental und emotional miteinander verbunden, was Integration genannt wird.

Der Protagonist Jared schildert die Integration in „The Ghost Brigades“ als etwas Wunderschönes. Obwohl es natürlich Nachteile gibt, wie zum Beispiel die fehlende Privatsphäre, schätzt er die enge Verbundenheit, die sie miteinander teilen. Sie tun alles gemeinsam und das auf einer Ebene, die normale Menschen nie erreichen. Nun stellen wir uns mal vor, wie es wäre, unter diesen Voraussetzungen Sex zu haben. Ziemlich intensiv, oder? Das ist aber noch nicht alles.

Die Geisterbrigaden werden inoffiziell ermutigt, sich miteinander zu vergnügen, um Dampf abzulassen und Stress abzubauen. Orgien sind innerhalb der Einheiten keine Seltenheit. Überlegt euch, was das bedeutet: Sie haben Sex als Schwarm. Abgesehen von ihren eigenen Empfindungen fühlen und erleben sie parallel alles, was ihre Kamerad_innen gerade fühlen und erleben. Sie machen diese Erfahrungen als ein einziger großer Organismus mit vielen Händen, vielen erogenen Zonen. Sie spüren nicht nur ihre eigene Erregung, sondern auch die aller anderen in ihrer Einheit.

Die Beschreibung einer solchen Szene fand ich sehr heiß und aufregend, weil es John Scalzi gelingt, zu betonen, dass es sich hierbei nicht um ein unverbindliches, anonymes sexuelles Massenabenteuer handelt, sondern um einen Ausdruck von Intimität, der die ganze Truppe einschließt. Normalerweise kommen sich nicht mal zwei Menschen so nahe wie es die Geisterbrigaden in dieser Szene tun.

Bei welchem Buch konntet Ihr am herzhaftesten lachen?

Könnt ihr euch eine Mischung aus Charles Dickens „Weihnachtsgeschichte“ und dem Film „Stirb langsam“ vorstellen? Nein? Tja, bevor ich „Sanchez: A Christmas Carol“ von Anonymus las, konnte ich das auch nicht.

Sanchez ist eine Figur aus Anonymus „Bourbon Kid“-Reihe, die ich damals sehr gefeiert habe. Seitdem kenne ich den Autor (es gilt mittlerweile als bestätigt, dass es sich um einen Mann handelt) als überraschend kontrolliert und technisch versiert. So trashig seine Bücher daherkommen mögen, dahinter steckt immer ein ziemlich anspruchsvolles Konzept, das zielgerichtet bestimmte Emotionen bei den Leser_innen auslösen soll. Nun ja. Meistens. Bei „Sanchez: A Christmas Carol“ liegen die Dinge etwas anders.

Sanchez ist ein ekelhafter Mensch, der fröhlich gesellschaftliche Konventionen bricht. Ständig fühlt er sich beleidigt, benachteiligt oder angegriffen. Er ist nachtragend und rachsüchtig. Da er jedoch auch ein Feigling ist, fallen seine Racheaktionen normalerweise kleinkariert aus. Niemals würde er einen offenen Konflikt provozieren. Er ist die Sorte Mensch, die anderen heimlich Urin ins Bier schüttet.

Cover des Buches "Sanchez: A Christmas Carol" von Anonymus

So abstoßend das klingt, verkörpert Sanchez eine „Auge um Auge“-Mentalität, die ich sehr reizvoll finde. Viele von uns haben sich doch schon mal gewünscht, im kleinen Rahmen Gerechtigkeit walten zu lassen und uns mit kindischen Aktionen für irgendwelche empfundenen Schmähungen zu rächen. Wir tun es nicht, weil wir erwachsen und sozial angepasst sind, aber die Fantasie ist befriedigend. Sanchez personifiziert diese Fantasie und ist deshalb ein Protagonist, dem ich gern zuschaue und der mich köstlich amüsiert.

In „Sanchez: A Christmas Carol” hat der Namensgeber eine Lektion dennoch bitternötig, weil er seine Freundin, die aus schwer nachvollziehbaren Gründen tatsächlich eine Beziehung mit ihm führt, nicht anständig behandelt. Also entscheidet die übernatürliche Welt, dass er den Scrooge geben muss und schickt ihm drei Geister, die ihm helfen sollen, seine Fehler zu erkennen und sich zu bessern. Der Weg zu seiner Läuterung führt allerdings durch die Weihnachtsfeier in der Firma seiner Freundin, die sich rasant als „Stirb langsam“-Situation entpuppt, inklusive ausländischer Terroristen in Rollkragenpullis.

Ich denke, Anonymus beabsichtigte, dass ich Anfang Dezember unverschämt viel Spaß mit dieser kurzen Novelle hatte. Ich hatte beim Lesen das starke Gefühl, dass er sie auch ausdrücklich aus und mit Spaß schrieb. Die Geschichte geht nicht tiefer als bis zu den Buchstaben, aus denen Text besteht, und das empfand ich als sehr befreiend. Ich habe herzhaft über das ganze absurde Szenario gelacht, weil Sanchez vieles sein mag, aber ganz bestimmt kein Bruce Willis alias John McClane.

Weihnachtsstimmung kam für mich mit der Novelle zwar nicht auf, dafür wurde ich aber mal wieder daran erinnert, dass Lesen vor allem Freude bereiten soll. Das war eine passende Lektion in der Vorweihnachtszeit, für die bei mir nicht extra drei Geister anrücken mussten.

Bei welchem Buch habt Ihr am meisten geweint bzw. hättet am meisten heulen können?

Das emotionalste und tragischste Buch 2022 war für mich „A Monster Calls“ von Patrick Ness. Es gibt viele Bücher, die von Trauer und Verlust handeln, aber nur wenige Autor_innen, die mit so schlichter, ja beinahe minimalistischer Eleganz zum Kern der Emotionen vordringen, die Angehörige von sterbenskranken Personen durchleiden.

Cover des Buches "A Monster Calls" von Patrick Ness

„A Monster Calls“ erzählt die mystisch angehauchte Geschichte des 13-jährigen Conor, dessen Mutter unheilbar an Krebs erkrankt ist. Tief in seinem Inneren weiß er, dass sie den Kampf verlieren wird, aber weil er sie mehr als alles andere auf der Welt liebt, kann er sich das nicht eingestehen und klammert sich mit Zähnen und Klauen an den Glauben, dass sie wieder gesund wird. Ich kenne das Gefühl.

Eines Nachts besucht ihn um genau sieben Minuten nach Mitternacht zum ersten Mal das Monster. Conor hat zuerst natürlich Angst, aber im weiteren Verlauf beginnt er zu verstehen, dass ihm das Monster nichts Böses will. Tatsächlich erweist es ihm einen unschätzbar wertvollen Dienst. Ich wünschte, ich könnte konkreter werden, aber ich möchte nichts vorwegnehmen, falls ihr das Buch ebenfalls noch lesen wollt.

Für mich war „A Monster Calls“ eine schmerzhaft authentische, berührende und irgendwie reinigende Lektüre. Trotz vieler sehr harter Momente, die mich wirklich heftig schlucken ließen, enthält es auch diesen Funken Hoffnung, durch den all dieses Leid, all dieser Kummer einen Sinn bekommt. Es ist zum Heulen schön.

Euer Lieblingsland / Eure Lieblingsstadt, eine wundervoll gestaltete Fantasywelt – Welches Setting hat Euch besonders beeindruckt?

„The Grace of Kings“ von Ken Liu ist einer der besten Reihen- bzw. Trilogieauftakte, den ich seit langem gelesen habe. Ich vergebe sonst nur sehr selten fünf Sterne für erste Bände, aber beim ersten Band von „The Dandelion Dynasty“ musste ich wirklich eine Ausnahme machen. Und ein Grund dafür ist das phänomenale Worldbuilding.

Cover des Buches "The Grace of Kings" von Ken Liu

Traditionell orientieren sich High Fantasy – Geschichten hinsichtlich des Settings am europäischen Mittelalter. In den letzten Jahren wurde diese Konvention zunehmend aufgebrochen; mehr und mehr lassen sich Autor_innen auch von anderen Kulturen und historischen Epochen inspirieren. Ich finde diesen Trend großartig, weil das Genre dadurch abwechslungsreicher und vielfältiger wird, als es ohnehin ist.

Ken Liu verarbeitet in „The Grace of Kings“ seine chinesischen Wurzeln und greift auf die reiche chinesische Historie zurück, um sein Universum zu gestalten. Das Ergebnis ist eine sensationelle Mischung kultureller Faktoren und Besonderheiten, die mir ein absolut einzigartiges Leseerlebnis bescherten. Liu entpuppte sich als talentierter Erzähler, der ein unfehlbares Gespür dafür beweist, wie entscheidend geografische, historische und kulturelle Aspekte für den Verlauf einer Geschichte sind.

„The Grace of Kings“ ist ein ambitionierter Trilogieauftakt, der hohe Ansprüche sowohl an den Autor als auch an die Leser_innen stellt und diesen meiner Meinung nach mehr als nur gerecht wird. Ich fand das Buch originell, hochintelligent und perfekt austariert. Ich konnte es gar nicht anders bewerten als mit fünf Sternen.

Welches Buch würdet Ihr am liebsten verfilmt sehen?
Cover des Buches "The Cabin at the End of the World" von Paul Tremblay

Passenderweise ist meine Antwort auf diese Frage nicht mehr rein theoretischer Natur. Demnächst erscheint der Film „Knock at the Cabin“, eine Adaption von Paul Tremblays Horrorroman „The Cabin at the End of the World”, den ich 2022 gelesen habe.

Das Szenario, das Tremblay darin heraufbeschwört, ist ohne Zweifel unheimlich und beunruhigend: Eine kleine dreiköpfige Familie macht Urlaub in einer verlassenen Hütte im Nirgendwo. Die Tochter spielt draußen, als sich plötzlich vier Fremde der Hütte nähern. Sie tragen selbstgebaute Waffen und sind merkwürdig einheitlich gekleidet. Verängstigt läuft sie nach drinnen und die Familie verschanzt sich, es gelingt den Fremden jedoch, sich Zutritt zu verschaffen. Sie stellen sie vor eine grausame Wahl: Eine_r von ihnen muss sterben. Andernfalls droht der Weltuntergang.

Ich hatte eine ganz und gar seltsame Leseerfahrung mit „The Cabin at the End of the World“. Obwohl ich rational erkannte, wie gruselig und bizarr die Situation war, fühlte ich mich die ganze Zeit distanziert. Alles, was Tremblay schilderte, wirkte auf mich so surreal, dass ich nicht richtig in Kontakt mit der emotionalen Ebene der Geschichte kam, die an sich bereits unkonventionell und unangenehm offen ist (typisch Tremblay).

Während der Lektüre habe ich „The Cabin at the End of the World” mit dem Lieblingsmenschen besprochen, weil ich einfach nicht so richtig schlau aus der Geschichte wurde. Nur wenig später, vielleicht sogar noch am selben Abend, meinte er plötzlich „Ist das nicht das Buch, das du gerade liest?“ und zeigte mir einen Filmtrailer, den er sich eben angesehen hatte. Es war der Trailer von „Knock at the Cabin“. Die Hütte, die Tochter, die Fremden, die Waffen, das schreckliche Ultimatum – es war eindeutig die Verfilmung von „The Cabin at the End of the World“.

Da ich meine Schwierigkeiten mit dem Buch hatte, bin ich sehr neugierig auf „Knock at the Cabin“. Ich möchte herausfinden, ob dem Film das gelingt, was Tremblay literarisch nicht gelingen wollte: Mir den Horror des Szenarios emotional bewusst zu machen.

Autor_innen

Welche_n Autor_in habt Ihr in diesem Jahr am liebsten gelesen?

Angesichts der vielen Fünf-Sternebewertungen des Jahres 2022 könnt ihr euch sicher schon denken, dass ich im vergangenen Jahr einige Autor_innen sehr gern gelesen habe. Mein liebster Autor war jedoch jemand, bei dem es nicht ganz für die Höchstwertung reichte. Es ist weder Abercrombie noch Erikson und auch nicht Zusak. Es ist Stephen Chbosky.

Cover des Buches "Imaginary Friend" von Stephen Chbosky

Stephen Chbosky ist sicher vielen von euch durch seinen Roman „The Perks of Being a Wallflower“ bekannt, der heute bereits als moderner Klassiker der Jugendliteratur gilt. Da seine Karriere allerdings hauptsächlich in der Film- und Fernsehbranche stattfindet (als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent), war sein extrem erfolgreicher Ausflug in die Schriftstellerei 20 Jahre lang eine einmalige Sache. Man hätte ihn vielleicht als literarische Eintagsfliege bezeichnen können. Bis 2019. 2019 veröffentlichte er sein zweites Buch, „Imaginary Friend“.

„Imaginary Friend“ geht in eine völlig andere Richtung als „The Perks of Being a Wallflower“. Es ist ein Horrorroman. Der Protagonist ist der siebenjährige Christopher, dessen Leben eine beunruhigende Wendung nimmt, als er ein Gesicht in den Wolken entdeckt. Er folgt dem Gesicht in den Wald und verschwindet scheinbar spurlos. Sechs Tage lang ist er verschollen.

Als er wieder auftaucht, ist er unverletzt, hört jedoch eine Stimme, die ihm aufträgt, auf einer Lichtung ein Baumhaus zu bauen. Andernfalls wird allen Menschen in seinem Umfeld etwas Schreckliches zustoßen. Christopher vertraut der Stimme. Aber vielleicht sollte er das nicht …

Ich bewundere Stephen Chbosky nicht nur dafür, dass er sich nach 20 Jahren ein weiteres Mal als Schriftsteller versuchte, sondern auch dafür, dass er mit einem völlig anderen Genre experimentierte. „Imaginary Friend“ ist nicht perfekt, enthält aber viele Szenen, die mir wirklich die Haare zu Berge stehen ließen. Es ist ein toller, atmosphärischer Horrorroman, der beweist, dass Chbosky ein immenses Gespür für die Wirkung von Worten hat und der mich sehr an seinen Vornamensvetter Stephen King erinnerte.

Es erfordert Mut, sich nach so langer Zeit erneut dem Urteil der Leser_innen zu stellen. Es erfordert noch mehr Mut, ihnen keine weitere Version seines ersten Bestsellers zu präsentieren und stattdessen etwas völlig Neues zu wagen. Dafür empfinde ich den allergrößten Respekt und deshalb war Stephen Chbosky mein liebster Autor 2022.

Habt Ihr eine_n Autor_in in diesem Jahr für Euch entdeckt, von dem_der Ihr nun am liebsten alles verschlingen würdet?

Im Juni 2022 habe ich mit meiner Schwester das Nova Rock Festival in Österreich besucht. Obwohl wir uns dagegen entschieden hatten, auf dem Festivalgelände im Zelt zu übernachten (wir sind wirklich zu alt für diesen Kram), uns stattdessen eine Ferienwohnung in Wien gemietet hatten und daher etwas freier beim Umfang unseres Gepäcks waren, wollte ich keine Printausgabe als Lektüre mitnehmen. Ich wusste, dass ich ohnehin kaum zum Lesen kommen würde und befand daher, dass ein E-Book sinnvoller war. Mein Tablet hatte ich für die acht Stunden Zugfahrt sowieso dabei, es erschien mir praktisch, darauf auch zu lesen.

In meiner digitalen Bibliothek befand sich zu dem Zeitpunkt ein Buch, das ich als passend für die Festivalreise einschätzte: „Balam, Spring“ (Ustlian Tales #1) von Travis M. Riddle. Es handelt sich dabei um eine Art Krimi in einem High Fantasy – Setting, also keine allzu anspruchsvolle Geschichte, die mich locker beiläufig unterhalten sollte, während ich mit meinen Gedanken eigentlich woanders war.

Cover des Buches "Balam, Spring" von Travis M. Riddle

Ich hatte mir meine Auswahl demnach sehr genau überlegt. Trotzdem hatte ich einen schwierigen Start mit „Balam, Spring“. Während der gesamten Reise kam ich nicht gut in die Geschichte rein, weil sie mich nicht zu erreichen schien. Als ich wieder zu Hause war und mit Corona flachlag (kleines Souvenir vom Festival), war ich deshalb nicht wirklich motiviert, das Buch weiterzulesen. Ich bin froh, dass ich es dennoch getan habe.

Es stellte sich heraus, dass meine initialen Schwierigkeiten wohl den Umständen geschuldet waren. Daheim auf der Couch holte mich „Balam, Spring“ mühelos ab und machte mir wahnsinnig viel Spaß. Ich bejubelte (innerlich, mit Corona ist mehr nicht möglich) Travis M. Riddle euphorisch für die genreuntypische Geschichte, die er mir da kredenzte.

„Balam, Spring“ unterscheidet sich von den meisten High Fantasy – Romanen, weil es keinen Bösewicht im herkömmlichen Sinne gibt. Nein, ich meine nicht, dass die Rollen der Figuren ambivalent wären. Ich meine, dass es wirklich niemanden gibt, den_die man als antagonistisch einstufen könnte. Natürlich beschreibt die Geschichte einen Konflikt, schließlich beginnt das Buch mit einem mysteriösen Todesfall, aber Riddle verzichtet vollständig auf die Dynamik entgegengesetzter Interessen, die die High Fantasy normalerweise auszeichnet.

Das ist absolut außergewöhnlich, wenn nicht gar einzigartig. Überhaupt ist „Balam, Spring“ unkonventionell und originell. Anfangs liest es sich wie ein Krimi, entwickelt sich dann zu einem Fall aus der Serie „Dr. House“ und endet mit einer schmerzhaft schönen Auflösung, die mich sehr berührte. Travis M. Riddle ist für mich daher ein echter Geheimtipp und meine aufregendste Neuentdeckung 2022. Von seiner Art, die High Fantasy zu begreifen, möchte ich unbedingt mehr lesen. Den zweiten Band der „Ustlian Tales“, „Spit and Song“, habe ich mir sofort besorgt, als ich „Balam, Spring“ ausgelesen hatte.

Ein_e Autor_in, von dem_der ihr bisher alles verschlungen habt, der_die Euch aber arg enttäuscht hat in diesem Jahr?
Cover des Buches "No Life But This" von Anna Sheehan

2020 verblüffte mich Anna Sheehan mit ihrer futuristischen Jugendadaption von „Dornröschen“, „A Long Long Sleep“. Es imponierte mir, dass Sheehan den Faden des alten Märchens weiterspann und daraus eine Geschichte weiblichen Empowerments konzipierte. Selbstverständlich wollte ich die Fortsetzung „No Life But This“ lesen, obwohl dieser zweite Band eine andere Figur in den Mittelpunkt stellt. 2022 setzte ich diesen Vorsatz in die Tat um. Rückblickend wünschte ich, ich hätte es nicht getan.

In „No Life But This” zerstört Anna Sheehan alles, was sie in „A Long Long Sleep“ erreichte. Auf etwas mehr als 300 Seiten ruiniert sie die selbstbestimmte, emanzipierte Identität, die sich die Protagonistin Rose so hart erkämpfte, und zeigt sie stattdessen aus der Perspektive ihres überwiegend männlichen Umfelds als schwach, fragil und abhängig. Das enttäuschte mich wahnsinnig, denn die positive Entwicklung, die sich für sie in „A Long Long Sleep“ abzeichnete, war meiner Meinung nach die größte Stärke des ersten Bandes.

Ich verstehe nicht, warum Anna Sheehan in „No Life But This“ all den Klischees in die Falle ging, die sie in „A Long Long Sleep“ erfolgreich vermieden hatte. Ich weiß nicht, warum sie nun doch glaubte, sie müsste Rose die Rolle des hilflosen Fräuleins in Nöten aufzwingen, obwohl die Geschichte der Fortsetzung das nicht verlangte.

Ginge es nach mir, hätte sie das Buch lieber nicht geschrieben. Lieber hätte ich mich für den Rest meines Lebens gefragt, wie es mit Rose weiterging, als diese Antwort ertragen zu müssen.

Äußerlichkeiten

Welches Cover hat Euch im Jahr 2022 am besten gefallen?
Cover des Buches "Slade House" von David Mitchell

Es ist kein Geheimnis, dass ich eindrucksvolle Fantasy-Cover mit Waffen, finsteren Gestalten und starken Symbolen liebe. 2022 war es jedoch kein Cover aus der High Fantasy, das mich am meisten faszinierte, sondern das Cover von „Slade House“ von David Mitchell.

Ich kann mich daran einfach nicht satt sehen, weil mich die Komposition jedes Mal einsaugt und kaum wieder loslässt. Es gibt so viel zu entdecken auf diesem Cover, so viele Details, die alle irgendwie in Verbindung mit der Geschichte des Buches stehen. Oder besser gesagt, mit den Geschichten. „Slade House“ zeichnet sich durch eine gewisse Fragmentierung aus, weil die Figuren eigentlich nicht im Vordergrund stehen. Jeder Abschnitt schildert die Erlebnisse eines anderen Menschen. Verbunden werde diese durch den gemeinsamen Nenner: Das namensgebende Haus.

Im Slade-Haus gehen seltsame Dinge vor sich. Es verschluckt seine Besucher_innen. Mir gefiel die Mischung aus altmodischem und modernem Horror sehr gut – auch, weil ich diese Art von Geschichte(n) angesichts des Covers nicht erwartet hatte. Ich habe erst nach der Lektüre erkannt, warum das Cover so gut zu diesem Buch passt und wie viel gedanklicher Aufwand in dessen Gestaltung floss. Für mich ist es dadurch gleich noch ein bisschen interessanter.

Gibt es ein Cover, dass Euch fast davon abgehalten hätte, das Buch zu lesen? Gab es ein Buch, dessen Cover unpassend zur Geschichte/Stimmung war oder schon zu viel gespoilert hat?
Cover des Buches "The Best Laid Plans" von Christopher Nuttall

Es gab 2022 glücklicherweise kein Cover, das ich als inakzeptable Beleidigung meiner Augen empfand. Ich habe einige Bücher mit sehr schönen, viele mit durchschnittlichen und wenige mit unattraktiven Covern gelesen. Unter den unattraktiven Covern spricht mich der (virtuelle) Buchdeckel von „The Best Laid Plans“ (Bookworm #3) von Christopher Nuttall am wenigsten an. Doch da ich bereits weiß, dass keiner der englischen Bände seiner „Bookworm“-Reihe mit einem toll gestalteten Cover veredelt wurde, stört mich das tatsächlich nicht.

Die Reihe erscheint im britischen Verlag Elsewhen Press. Elsewhen Press ist ein kleiner Independent-Verlag, der auf spekulative Fiktion (also Science-Fiction und Fantasy) spezialisiert ist. Es ist kein großes Verlagshaus mit enormen Budgets, Kontakten und Ressourcen. Ich bezweifle, dass sie überhaupt nennenswerte Profite einstreichen, vermutlich können sie ihr Verlagsprogramm gerade so refinanzieren.

Reich wird da garantiert niemand und ich glaube auch nicht, dass sie das überhaupt beabsichtigen. Dieser Verlag existiert meiner Meinung nach ausschließlich aus Liebe und Leidenschaft zum Genre.

Daher ist es nicht überraschend, dass ihre Cover keine Augenweiden sind. Da es viele (alle?) der Bücher nur als E-Books gibt, können sie sich die Produktion leisten, für die Beauftragung professioneller Designer_innen, Illustrator_innen oder Fotograf_innen bleibt hingegen wahrscheinlich einfach nichts mehr übrig.

Vor diesem Hintergrund finde ich, dass sie das Beste aus ihren bescheidenen Mitteln herausholen. Das Cover von „The Best Laid Plans“ ist nicht schön, aber es passt zur Geschichte und ich habe auch schon wesentlich hässlichere Cover gesehen. Lieber diese etwas krude, amateurhafte Illustration als die austauschbare hundertste halbnackte Person auf dem Cover eines beliebigen Urban Fantasy – Romans.

Welches Buch ist Euch wegen der Verarbeitung, Illustrationen, Kapitelunterteilungen etc. besonders in Erinnerung geblieben?

Normalerweise versuche ich ja, bei diesem Fragenkatalog kein Buch doppelt zu nennen, aber für diese spezielle Frage muss ich eine Ausnahme machen. Ich möchte schließlich wahrheitsgetreu antworten. Das am schönsten gestaltete Buch 2022 war „Peter Pan“ von J. M. Barrie. Nicht überraschend, kein Wunder, völlig erwartbar, denn es handelt sich um eine ledergebundene Ausgabe von Barnes & Noble.

Cover des Buches "Peter Pan" von J. M. Barrie

Wie ihr wisst, liebe ich diese Ausgaben. Für mich sind es beinahe Schmuckausgaben, aber ohne diese „Das ist ein Sammlerstück, das ich am besten niemals anfasse und sicherheitshalber auch noch in Folie einschlage“-Vibes. Trotz der wunderschönen Gestaltung kann ich sie ohne schlechtes Gewissen und übertriebene Sorgfalt einfach so verwenden, wie Bücher nun mal verwendet werden sollten.

Meine „Peter Pan”-Ausgabe zeichnet sich neben der traumhaften Umschlaggestaltung durch ganzseitige, detailreiche innere Illustrationen aus, die meines Wissens von F. D. Bedford stammen. Sie vermitteln einen fantasievollen Eindruck des gesamten Nimmerlands inklusive all seiner Bewohner_innen, der es mir erleichterte, das Kinderbuch mental deutlich von der Disney-Verfilmung abzugrenzen.

Schade, dass mich die Lektüre dennoch enttäuschte, was ich bereits in der Frage nach meiner Enttäuschung des Jahres erklärt habe.

Social Reading

Gab es eine Leserunde / einen Buddy Read, die/der Euch besonders gut gefallen hat?

Ich habe 2022 an keiner Leserunde und auch an keinem ausgewiesenen Buddy Read teilgenommen. „Die Bücherdiebin“ von Markus Zusak habe ich zwar (fast) parallel zu meiner lieben Freundin und Kollegin E. gelesen, aber wir haben uns währenddessen nicht ausgetauscht, sondern nur unser jeweiliges Erlebnis mit der Lektüre im Nachhinein besprochen. Mir gefällt das ungezwungene, parallele Lesen in der Regel viel besser als „echte“ Leserunden und Buddy Reads, weil es dabei keinen Druck gibt, nach so und so vielen Seiten ein Zwischenfazit zu formulieren. Ich mag diese künstlichen Einteilungen nicht und möchte mich nur in Ausnahmefällen darauf einlassen.

Logo der Blogaktion Montagsfrage bei Wordworld

Deshalb möchte ich an dieser Stelle stattdessen mal wieder auf die Montagsfrage verweisen, die Sophia von Wordworld wöchentlich veranstaltet. Natürlich handelt es sich bei der Aktion nicht um eine Leserunde oder einen Buddy Read, sie fördert allerdings Vernetzung sowie Austausch zwischen Buchblogger_innen und liefert mir regelmäßig Empfehlungen für neuen Lesestoff. Außerdem finde ich es stets spannend, die Perspektiven anderer Bücherwürmer auf unser liebstes Hobby zu lesen und mit unterschiedlichen Meinungen, Routinen und Einstellungen konfrontiert zu werden. Die Montagsfrage erinnert mich jede Woche daran, dass ich mit meiner Leidenschaft nicht allein bin. Das genieße ich sehr.

Gab es eine Leseempfehlung, für die Ihr besonders dankbar seid?

Im März 2022 sortierte meine liebe Freundin und Kollegin E. ihr Bücherregal aus. Unter anderem wollte sie sich von ihrer sperrigen Hardcover-Ausgabe von „The Magician’s Apprentice“ von Trudi Canavan trennen und bot es mir an. Wir hatten irgendwann in der Vergangenheit bereits über die „The Black Magician Trilogy“ gesprochen, sie wusste also, dass ich die Trilogie gelesen hatte und mochte. Ich wusste jedoch nicht, dass Canavan mit „The Magician’s Apprentice“ ein Prequel der Trilogie veröffentlicht hatte. E. klärte mich auf, legte es mir ans Herz und brachte mir ihre aussortierte Ausgabe wenige Tage später mit.

Cover des Buches "The Magician's Apprentice" von Trudi Canavan

Gelesen habe ich „The Magician’s Apprentice” Ende Juli 2022. Davor hatte ich eine enttäuschende Erfahrung mit „Throne of the Crescent Moon“ (The Crescent Moon Kingdoms #1) von Saladin Ahmed und sehnte mich daher nach einer positiven Lektüre. Zuerst erfüllte „The Magician’s Apprentice“ diese Sehnsucht voll und ganz.

Ich liebte es, nach Kyralia zurückzukehren und die Wurzeln all der Entwicklungen zu entdecken, die in der Trilogie später eine Rolle spielen. Die Lektüre fühlte sich an, als würde ich nach einem Misserfolg wieder aufs Pferd steigen und ins Rollen kommen.

Leider hielt diese Empfindung nicht das gesamte Buch über an. Ab einem gewissen Punkt der Handlung, dessen genaue Einordnung hier zu weit führen würde, erschien mir die Geschichte langatmig, zu wenig zielstrebig und frustrierend. Der Grund dafür war das alte Dilemma der Guten, das zum Beispiel auch in „Star Wars“ zum Tragen kommt: Die Bösen sind ihnen haushoch überlegen, weil sie sich nicht durch moralische Grundsätze einschränken. Deshalb habe ich „The Magician’s Apprentice” insgesamt nicht so uneingeschränkt genossen, wie ich es mir beim Einstieg versprochen hatte.

Dennoch bin ich E. dankbar dafür, dass sie mir das Buch vorstellte, nahelegte und schenkte, denn ich brauchte dieses anfängliche Hoch nach „Throne of the Crescent Moon“ dringend. Obwohl das Gefühl abflaute, erinnerte es mich daran, dass nach der Lektüre vor der Lektüre ist und auf Regen auch literarisch immer Sonnenschein folgt.

Gesamtfazit

Wir haben es vollbracht. Das war mein Jahresrückblick 2022. So viele positive Zahlen, so viele positive Emotionen, die ich eines Tages vielleicht auch insgesamt positiv empfinden kann. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholen, wir haben bereits ausreichend besprochen, dass ich 2023 intensiv an mir und meinem Verhältnis zu meinem Leseverhalten arbeiten möchte. Das ist die wichtigste Baustelle, die sich durch den Jahresrückblick aufgetan hat.

Ich denke, ich habe schon einige Entscheidungen getroffen, die mir dabei helfen werden, mich auf den rechten Weg zu schicken. Das Vorziehen von Reihen-Rezensionen, der Verzicht auf externe Challenges und die Erkenntnis, dass ich mir erlauben muss, darüber zu trauern, dass in meinem Leben weniger Raum für das Lesen zur Verfügung steht, sind Meilensteine, die mich optimistisch stimmen, dass ich die Ergebnisse meines kommenden Lesejahrs besser wertschätzen kann.

Es wäre auf jeden Fall der richtige Zeitpunkt, denn im Dezember 2023 feiert der wortmagieblog seinen 10. Geburtstag. Dafür plane ich einen gigantischen, mehrteiligen, 10 Jahre umspannenden Gesamtrückblick meiner Zeit als Buchbloggerin. Das heißt, am Ende dieses Jahres werdet ihr mit Statistiken bombardiert, denn wir werden auf Herz und Nieren prüfen, was in den letzten 10 Jahren passiert ist – sowohl bezüglich meines Blogs als auch bezüglich meines Leseverhaltens. Anlässlich dieses besonderen Ereignisses werde ich auch endlich die große Reihenauswertung angehen, mit der ich schon so lange liebäugele.

Ich bin mir noch nicht sicher, wie sich dieses Vorhaben auf meinen Lese- und Blogalltag auswirken wird. Schließlich kann ich mit so einem Mammutprojekt nicht erst zwei Wochen vorher anfangen. Ich werde einen Zeitraum festlegen müssen, den ich untersuche und einen klaren Cut machen müssen. Mir schwebt da aktuell mein eigener Geburtstag vor, der 16.06.2023. Da es sich dabei um ziemlich genau die Mitte des Jahres handelt, erscheint mir das sowohl passend als auch realistisch. Dann habe ich noch etwas mehr als sechs Monate Zeit, um alle Beiträge fertigzustellen. Das klingt machbar.

Vermutlich werde ich dadurch keine Kapazitäten haben, um zusätzliche Blogprojekte anzugehen. Das finde ich schade, denn ich habe festgestellt, dass ich über zwei Jahre nach „Robert E. Howard & Conan der Barbar“ eigentlich Lust hätte, mich wieder einmal richtig in ein literarisches Thema einzugraben, stundenlang zu recherchieren und eine spannende Beitragsreihe zu konzipieren. Mich lacht da schon eine Weile der Herr Lovecraft an. Ich muss jedoch realistisch sein (Grüße gehen raus an Logen Neunfinger und alle Fans der „First Law“-Romane!) und mich damit abfinden, dass ich dieses Projekt höchstwahrscheinlich nach 2024 verschieben muss.

Wisst ihr, während ich so über meine Pläne für 2023 und 2024 plaudere, merke ich, wie mich die Begeisterung packt. Vielleicht hilft mir auch die Konzentration darauf, erneut eine wohlwollende, respektvolle Einstellung zu meinem Leseverhalten zu entwickeln. Ich habe viel vor, das mir jede Menge Freude bereiten wird. Und darum geht es beim Lesen und Bloggen doch letztendlich.

Mit diesen Worten möchte ich den Jahresrückblick 2022 nun schließen. Ich danke euch dafür, dass ihr mich all die Jahre so herzlich in der Community willkommen geheißen habt und auch dafür, dass ihr euch diese ellenlange Zusammenfassung von 12 ganzen Monaten bis zum Schluss angetan habt. Lasst uns 2023 zusammen literarisch in fremde Welten tanzen, Abenteuer erleben und neue Geschichten entdecken! Ich wünsche euch haufenweise sensationelle Bücher, Unmengen Freizeit zum Lesen und die Fähigkeit, jede Leseerfahrung wertzuschätzen!

Alles Liebe,
Elli ❤️

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