Cover des Buches 'A Little Hatred' von Joe Abercrombie

Titel: „A Little Hatred“

Reihe: The Age of Madness #1

Autor_in: Joe Abercrombie

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 463 Seiten

Verlag: Orbit

Sprache: Englisch

ISBN-10: 0316187178

Genre: Fantasy > High Fantasy

Ausgelesen: 09.12.2022

Bewertung: ★★★★☆

Joe Abercrombie hatte immer vor, in das „First Law“ – Universum zurückzukehren. Daraus machte er auch gar keinen Hehl; ich erfuhr das bereits im Juni 2017, als ich seine Lesung in Berlin besuchte. Wie diese Rückkehr aussehen würde, war für sein Publikum jedoch lange unklar. Wahrscheinlich hätte es ihm niemand übelgenommen, hätte er entschieden, sich von der Vergangenheit zu distanzieren und eine völlig neue Geschichte ohne Verbindung zu den bisherigen sechs Bänden zu beginnen.

Als leidenschaftlicher „First Law“ – Fan liebe ich ihn dafür, dass er das nicht getan hat. Stattdessen beschloss er, Orte, Charaktere und offene Handlungsstränge der originalen Trilogie weiterzuführen – allerdings aus neuen Perspektiven. Da in den drei Einzelbänden bereits recht viel Zeit seit den ursprünglichen Ereignissen vergangen war, erschien es ihm passend, in seiner neuen Trilogie „The Age of Madness“ die nächste Generation in den Mittelpunkt zu stellen. So lernen wir im ersten Band „A Little Hatred“ die Kinder der ehemaligen Held_innen kennen.

Einst träumte Bethod davon, die Clans zu vereinen, Angland zurückzuerobern und die Union aus dem Norden zu vertreiben. Seitdem sind viele Jahre vergangen. Bethod ist lange tot. Doch sein Traum lebt weiter. Unter der Führung von Stour Nightfall, Bethods Enkel, ziehen Bataillone von Nordmännern brandschatzend und mordend durch Angland.

An der Front werden die Truppen der Union schwer bedrängt. Trotz der Unterstützung des Hundsmanns und seiner Tochter Rikke können sie Nightfalls Heer nicht ewig standhalten. Selbst der junge Leo dan Brock, der jede Gelegenheit nutzt, um Ruhm und Ehre zu erlangen, sieht ein, dass sie Verstärkung von der Krone brauchen.

In Adua liegen die Prioritäten jedoch anders. Das Reich steht am Rande eines blutigen Aufstands. Die Arbeiterklasse will nicht länger hinnehmen, dass sich die Elite bereichert, während einfache Menschen in den Fabriken sterben. Savine dan Glokta, Tochter des gefürchteten Erzlektors und erfolgreiche Investorin, glaubte immer an die Macht des Geldes. Aber als sich Wut und Verzweiflung des Pöbels Bahn brechen, erlebt sie am eigenen Leib, wie trügerisch gekaufte Sicherheit ist.

Rauchende Schornsteine verkünden ein neues Zeitalter. Der Fortschritt ist unaufhaltsam und nimmt auf niemanden Rücksicht. Nur, wer sich anpasst, wird überleben.

Einst träumte Bethod davon, die Clans zu vereinen, Angland zurückzuerobern und die Union aus dem Norden zu vertreiben. Seitdem sind viele Jahre vergangen. Bethod ist lange tot. Doch sein Traum lebt weiter. Unter der Führung von Stour Nightfall, Bethods Enkel, ziehen Bataillone von Nordmännern brandschatzend und mordend durch Angland.

An der Front werden die Truppen der Union schwer bedrängt. Trotz der Unterstützung des Hundsmanns und seiner Tochter Rikke können sie Nightfalls Heer nicht ewig standhalten. Selbst der junge Leo dan Brock, der jede Gelegenheit nutzt, um Ruhm und Ehre zu erlangen, sieht ein, dass sie Verstärkung von der Krone brauchen.

In Adua liegen die Prioritäten jedoch anders. Das Reich steht am Rande eines blutigen Aufstands. Die Arbeiterklasse will nicht länger hinnehmen, dass sich die Elite bereichert, während einfache Menschen in den Fabriken sterben. Savine dan Glokta, Tochter des gefürchteten Erzlektors und erfolgreiche Investorin, glaubte immer an die Macht des Geldes. Aber als sich Wut und Verzweiflung des Pöbels Bahn brechen, erlebt sie am eigenen Leib, wie trügerisch gekaufte Sicherheit ist.

Rauchende Schornsteine verkünden ein neues Zeitalter. Der Fortschritt ist unaufhaltsam und nimmt auf niemanden Rücksicht. Nur, wer sich anpasst, wird überleben.

„A Little Hatred“: Die nächste Generation zwischen Fortschritt und Tradition

Es ist wundervoll, Joe Abercrombies Entwicklung als Autor zu erleben. Das war einer der ersten Gedanken, die mir durch den Kopf schossen, als ich begann, „A Little Hatred“ zu lesen. Er war immer ein guter Schriftsteller, aber dieser Trilogieauftakt beweist deutlich, wie hart er in den vergangenen Jahren daran gearbeitet hat, sein Talent zu verfeinern. Da mein letzter Reread der originalen „First Law“ – Trilogie noch nicht so lange her ist, konnte ich seinen Werdegang zuverlässig wertschätzen.

Allein deshalb war meine Rückkehr ins „First Law“ – Universum der reinste Genuss, das selbst ebenfalls eine Weiterentwicklung erfährt, die mich euphorisch hüpfen ließ. Wie viele High Fantasy – Welten sind auf der wirtschaftlichen Ebene erstaunlich lückenhaft? Nicht so „A Little Hatred“.

Wirtschaft spielt eine größere Rolle denn je. Das Universum befindet sich mitten in der Industrialisierung; wie am Fließband entstehen neue Erfindungen, die gierig eingesetzt werden, obwohl ihre gesellschaftlichen Implikationen noch gar nicht absehbar sind. Die unteren Schichten buckeln Tag und Nacht in Fabriken, ihre Arbeitsbedingungen sind häufig menschenunwürdig und lebensgefährlich. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer.

Wirkt bekannt? Ist es auch, denn Abercrombie orientierte sich nachweislich an der frühen industriellen Revolution in Großbritannien und Europa, als er diese Gegebenheiten für „A Little Hatred“ formulierte. Dementsprechend realistisch sind die Konsequenzen, die er beschreibt: Die gewissenlose Ausbeutung der Arbeiterklasse sät Unzufriedenheit, die wiederum zu blutigen Arbeiteraufständen, Anschlägen und Sabotage führt. Die Union steht an einem explosiven Scheidepunkt zwischen Monarchie und Demokratie, zwischen Fortschritt und Tradition. Es war spürbar, wie sehr sich die einfachen Menschen nach einem Wandel sehnen, ohne zu wissen, wie genau dieser Wandel aussehen soll. Ich fand diese Situation elektrisierend.

Eine weitere Facette des Gegensatzes zwischen Fortschritt und Tradition in „A Little Hatred“ ist ohne jeden Zweifel der erneut aufflammende Konflikt im Norden. Seit Generationen kämpft die Union mit den nordischen Clans um die Vorherrschaft über Angland, seit Generationen wird dieser Krieg wieder und wieder auf exakt dieselbe Weise geführt. Selbst nach 30 bis 40 Jahren, die vergangen sind, im Norden ist die Vergangenheit noch immer lebendig – und mit ihr der Mythos des Blutigen Neuners, was mich enorm faszinierte.

Mit keinem anderen Namen ist das Ideal des nordischen Kriegers so stark verknüpft. Der Blutige Neuner wird in der Gegenwart von „A Little Hatred“ in einem Ausmaß romantisiert und idealisiert, über das ich wirklich nur den Kopf schütteln konnte. Man könnte meinen, er sei noch immer am Leben, so präsent ist er. Was für eine Bestie der Neuner war, wie sehr Logen unter ihm litt und dass er selbst seinen engsten Freunden höllische Angst einjagte, daran möchte sich hingegen niemand erinnern.

Für mich war vor allem interessant, dass zwar über den Blutigen Neuner gesprochen wird, aber nicht über Logen Neunfinger. Diese Besonderheit stützt meine These, dass sie als zwei unterschiedliche Persönlichkeiten behandelt werden sollten.

Die indirekte Präsenz des Blutigen Neuners deutet bereits an, wie Joe Abercrombie die Figuren der Vergangenheit in „A Little Hatred“ inszeniert. Bekannte Gesichter wie Sand dan Glokta, Jezal dan Luthar, der Hundsmann und einige andere tauchen im Auftakt von „The Age of Madness“ mit hübscher Regelmäßigkeit auf – doch sie stehlen der nächsten Generation, ihren Kindern, niemals das Rampenlicht. Dieses ausgewogene Verhältnis alter und neuer Figuren gestaltete die Lektüre von „A Little Hatred“ für mich als emotional immens befriedigende Leseerfahrung.

Weil ich nicht gezwungen war, meine geliebten Held_innen komplett aufzugeben, fiel es mir viel leichter, mich ihren Nachfolger_innen in „A Little Hatred“ zu öffnen. Ich hatte große Freude daran, sie kennenzulernen und herauszufinden, welche Eigenschaften ihrer Eltern ich in ihnen wiedererkannte. Am meisten zog mich wohl Savine dan Glokta an, nicht nur aufgrund ihres berüchtigten Vaters, sondern auch, weil sie ein hervorragendes Beispiel dafür ist, wie erfreulich gewissenhaft Joe Abercrombie die Rolle der Frau in seinem Universum erneuerte.

Außerdem erlaubte Abercrombie mir als Leserin eine gewisse Selbstgefälligkeit, die einfach Spaß machte. Die Töchter und Söhne äußern in „A Little Hatred“ mehrfach Annahmen über die vorherige Generation, die manchmal arrogant, ignorant, verklärt oder schlicht falsch sind. Es gefiel mir, ihnen innerlich im Brustton der Überzeugung widersprechen zu können. Schließlich war ich damals dabei, sie nicht. Es hatte seinen ganz eigenen Reiz, über ihre fehlgeleiteten Vorstellungen zu lachen oder kritisch die Stirn zu runzeln, zum Beispiel, wenn Bayaz sträflich unterschätzt wird.

Da ich mit den Figuren und dem Worldbuilding demzufolge vollauf beschäftigt war, fiel mir lange nicht auf, dass „A Little Hatred“ neben aller Originalität einen Aspekt aufweist, der typisch für Joe Abercrombie ist und der mich dazu veranlasste, bei der Bewertung einen Stern abzuziehen: Es gibt keinen übergeordneten roten Faden. Oh, natürlich ist „A Little Hatred“ kohärent und folgt einem klaren Handlungsverlauf, aber worum es im Kern geht und wohin Abercrombie mit mir will, kann ich (noch) nicht sagen.

So wie ich ihn kenne, könnte ich mir vorstellen, dass er darauf verzichten wird, einen zentralen Konflikt zu präsentieren. Es ist sehr gut möglich, dass „The Age of Madness“ am Ende „bloß“ eine Untersuchung dessen ist, wie das „First Law“ – Universum auf Fortschritt reagiert, es jedoch nichts gibt, das die Figuren tun oder verhindern müssen, damit dieses oder jenes geschieht bzw. nicht geschieht. Kurz gesagt: Ich vermute, dass es kein Weltuntergangsszenario geben wird.

Für mich war diese Herangehensweise bei meinem Reread der „First Law“ – Trilogie schwierig, daher bin ich trotz meiner grundlegenden Begeisterung für „A Little Hatred“ ein bisschen zurückhaltend. Ich weiß, dass Joe Abercrombie keine allzu sauberen Abschlüsse mag und ich verlange nicht, dass er mir das perfekte Happy End samt Ritt in den Sonnenuntergang schreibt. Dennoch wäre es schön, wenn ich mich am Ende von „The Age of Madness“ nicht genauso verunsichert und verwirrt fühlen würde wie nach „Last Argument of Kings“.

Aber ich greife vor. Erst mal erwartet mich der zweite Band „The Trouble with Peace“. Und ich kann euch sagen, darauf freue ich mich nach „A Little Hatred“ wirklich sehr.

Wenn ihr „First Law“ – Fans seid, wird euch „A Little Hatred“ sehr glücklich machen, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Nach seinem Ausflug in andere Gefilde mit der „Shattered Sea“ – Trilogie und der Anthologie „Schattenklingen“ zeigt Joe Abercrombie im Auftakt von „The Age of Madness“ erneut, aus welchem Holz er geschnitzt ist – und er beweist, dass er noch den einen oder anderen Span abgehobelt hat, um irgendwann schriftstellerische Vollendung zu erreichen. Chapeau.

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