Kapitel 1

Kapitel 1

Tod der Monarchie!

Ich möchte dieses Blogprojekt mit einem kleinen Experiment beginnen. Ich möchte, dass ihr euch einen kurzen Moment Zeit nehmt und an alles denkt, was euch spontan zu England einfällt. Wenn ihr wollt, könnt ihr gern die Augen schließen – aber bitte nicht vergessen, sie wieder zu öffnen.

Seid ihr so weit? Prima. Was ist euch eingefallen? Habt ihr vielleicht an Tee gedacht? An saftig-grüne Hügel oder die weißen Kreidefelsen von Dover? An London? An Shakespeare, Sherlock Holmes oder Harry Potter? Die Möglichkeiten sind zu zahlreich, um sie alle aufzuzählen. Aber ich lehne mich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich annehme, dass ein paar von euch an die englischen Royals gedacht haben.

Buntglasfenster aus dem 15. Jahrhundert in der Kapelle des All Souls College in Oxford, das König Æthelstan zeigt

Æthelstan auf einem Buntglasfenster

See description, Athelstan from All Souls College Chapel, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

England ist eine der ältesten Monarchien Europas. Als Gründungstag des Königreiches gilt der 12. Juli 927, als sieben angelsächsische Könige Æthelstan von Wessex die Treue gelobten und Gefolgschaft schworen. Heute ist das englische Königshaus vor allem durch symbolische und zeremonielle Auftritte, Wohltätigkeitsinitiativen, Skandale und Familiendramen bekannt, genüsslich inszeniert von der internationalen Boulevardpresse. Als formales Staatsoberhaupt des Vereinigten Königsreichs Großbritannien und Nordirland verfügt König Charles III. theoretisch über weitreichende Befugnisse, praktisch besitzt er jedoch so gut wie keine politische Macht, weil Großbritannien eine parlamentarische oder auch konstitutionelle Monarchie ist.

Diese Staatsform blickt in England auf eine lange Tradition zurück, die das Vereinigte Königreich Großbritannien enorm prägte. Bereits ab dem 13. Jahrhundert wurde die absolutistische Monarchie in England Stück für Stück abgetragen und entwickelte sich langsam erst zu einer semikonstitutionellen, dann zu einer vollwertigen konstitutionellen Monarchie. Die meisten englischen und britischen Könige und Königinnen regierten nicht allein, sondern wurden in ihren Entscheidungen schon früh von einem Parlament unterstützt und begrenzt.

Das heißt allerdings nicht, dass alle Herrscher_innen im Verlauf der Historie ihre Macht bereitwillig teilten oder es nie Bestrebungen gab, die Monarchie gänzlich abzuschaffen. Der Dichter John Milton wurde in eine Epoche hineingeboren, in der das Ringen um Macht zwischen König und Parlament eskalierte. Als er mit über 50 Jahren sein Meisterwerk „Das verlorene Paradies“ verfasste, hatte er blutige Aufstände, Bürgerkrieg und Königsmord erlebt. Er hatte für den Traum einer besseren Welt gekämpft und fiel tief, als dieser Traum scheiterte.

Buntglasfenster aus dem 15. Jahrhundert in der Kapelle des All Souls College in Oxford, das König Æthelstan zeigt

Æthelstan auf einem Buntglasfenster

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„Das verlorene Paradies“ ist deshalb weit mehr als ein religiöses Epos in Blankversen. Es ist ein politscher Kommentar, das Fazit eines Lebens im Namen politischer Überzeugungen. Möchte man verstehen, was Milton bewog, in über 10.000 Versen den biblischen Sündenfall aufzuarbeiten, ist es unabdingbar, den Kontext der Entstehung seines Werks sowie seine persönlichen Ansichten einzubeziehen.

Um „Das verlorene Paradies“ besprechen zu können, muss ich daher zuerst den historischen Hintergrund und Miltons Biografie ausrollen. Nur dann kann ich den Einfluss beider Faktoren auf sein Epos erklären. Natürlich erwartet euch im Anschluss außerdem ein Einblick in meine Leseerfahrung mit diesem umfangreichen Gedicht.

Macht es euch bequem und lasst uns gemeinsam in der Zeit zurückreisen. Lasst uns zusammen das 17. Jahrhundert besuchen, in dem England von Unruhen erschüttert wurde, das Parlament den König hinrichtete und John Milton mit „Das verlorene Paradies“ zu einem der bedeutendsten Dichter der englischen Kulturgeschichte aufstieg.

„Das verlorene Paradies“ ist deshalb weit mehr als ein religiöses Epos in Blankversen. Es ist ein politscher Kommentar, das Fazit eines Lebens im Namen politischer Überzeugungen. Möchte man verstehen, was Milton bewog, in über 10.000 Versen den biblischen Sündenfall aufzuarbeiten, ist es unabdingbar, den Kontext der Entstehung seines Werks sowie seine persönlichen Ansichten einzubeziehen.

Um „Das verlorene Paradies“ besprechen zu können, muss ich daher zuerst den historischen Hintergrund und Miltons Biografie ausrollen. Nur dann kann ich den Einfluss beider Faktoren auf sein Epos erklären. Natürlich erwartet euch im Anschluss außerdem ein Einblick in meine Leseerfahrung mit diesem umfangreichen Gedicht.

Macht es euch bequem und lasst uns gemeinsam in der Zeit zurückreisen. Lasst uns zusammen das 17. Jahrhundert besuchen, in dem England von Unruhen erschüttert wurde, das Parlament den König hinrichtete und John Milton mit „Das verlorene Paradies“ zu einem der bedeutendsten Dichter der englischen Kulturgeschichte aufstieg.

„Das verlorene Paradies“ ist deshalb weit mehr als ein religiöses Epos in Blankversen. Es ist ein politscher Kommentar, das Fazit eines Lebens im Namen politischer Überzeugungen. Möchte man verstehen, was Milton bewog, in über 10.000 Versen den biblischen Sündenfall aufzuarbeiten, ist es unabdingbar, den Kontext der Entstehung seines Werks sowie seine persönlichen Ansichten einzubeziehen.

Um „Das verlorene Paradies“ besprechen zu können, muss ich daher zuerst den historischen Hintergrund und Miltons Biografie ausrollen. Nur dann kann ich den Einfluss beider Faktoren auf sein Epos erklären. Natürlich erwartet euch im Anschluss außerdem ein Einblick in meine Leseerfahrung mit diesem umfangreichen Gedicht.

Macht es euch bequem und lasst uns gemeinsam in der Zeit zurückreisen. Lasst uns zusammen das 17. Jahrhundert besuchen, in dem England von Unruhen erschüttert wurde, das Parlament den König hinrichtete und John Milton mit „Das verlorene Paradies“ zu einem der bedeutendsten Dichter der englischen Kulturgeschichte aufstieg.

Nieder mit der Monarchie: Der historische Hintergrund von „Das verlorene Paradies“

Porträtgemälde in Öl von 1623 des jungen Charles I. als Prinz von Wales

Porträt von Charles I. als Prinz von Wales von 1623

After Daniël Mijtens creator QS:P170,Q655535, Charles I (Prince of Wales), als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Am 27. März 1625 bestieg Charles I. den englischen Thron. Obwohl sich das Vereinigte Königreich Großbritannien offiziell erst später gründete, wurden England, Wales, Schottland und Irland damals bereits in Personalunion regiert. Charles herrschte also nicht nur über England, sondern über alle vier Länder. Er stammte aus dem Hause Stuart und war bei seiner Krönung gerade einmal 25 Jahre alt.

Der junge König war ein gläubiger Mann. Er war fest entschlossen, die beträchtliche Macht der anglikanischen Kirche für sich zu nutzen, um seine Regentschaft zu zementieren. Dies führte zu den beiden zentralen Konflikten seiner Herrschaft.

Schon bald nach seiner Thronbesteigung zeigte sich, dass Charles sich nicht verpflichtet fühlte, mit dem Parlament zusammenzuarbeiten. Es ist anzunehmen, dass er vom Gottesgnadentum überzeugt war – er glaubte (wahrscheinlich), dass die englischen König_innen durch den Willen Gottes legitimiert und dementsprechend nur Gott Rechenschaft schuldig waren.

Ergo lehnte er den Machtanspruch des Parlaments ab. Möglicherweise träumte er sogar davon, den Absolutismus wieder aufleben zu lassen, dabei handelt es sich jedoch um reine Spekulation. Seine absolutistischen Tendenzen lassen sich dennoch kaum absprechen, denn er ließ selten eine Gelegenheit aus, sich über das Parlament hinwegzusetzen und dessen Mitglieder zu verärgern.

Porträtgemälde in Öl von König Charles I. (links im Bild) und Königin Henrietta Maria (rechts im Bild), die ihrem Gatten einen Zweig reicht

Porträt von König Charles I. und Königin Henrietta Maria von Sir Anthony van Dyck von 1632

Anthony van Dyck artist QS:P170,Q150679, Charles and Henrietta by van Dyck, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Nur wenige Monate nach seiner Machtübernahme und noch vor seiner offiziellen Krönung heiratete Charles die französische Prinzessin Henriette Marie de Bourbon. Während er durch diese Ehe sein Bündnis mit Frankreich gegen Spanien besiegelte, waren viele Herren im Parlament wenig begeistert von der Verbindung, denn Charles‘ Braut war Katholikin. Da die Parlamentsmitglieder zu großen Teilen Puritaner waren, was Charles natürlich wusste, missbilligten sie die Hochzeit. Übrigens, falls ihr das leise Klingeln in eurem Gedächtnis nicht deuten könnt, die Puritaner_innen zählten zu den ersten Siedler_innen der USA.

Man könnte selbstverständlich argumentieren, dass Charles diese Ehe im Sinne des höheren Wohls einging und keine Rücksicht auf die religiösen Befindlichkeiten seines Parlaments nehmen konnte. Vielleicht handelte es sich tatsächlich ausschließlich um einen außenpolitischen Schachzug und nicht um eine symbolische Geste, die sich gegen das Parlament richtete. Dennoch bestimmte er damit schon früh den Tenor ihrer Beziehung.

In den folgenden Jahren traf Charles immer häufiger Entscheidungen ohne das Parlament. Er erließ umstrittene Gesetze, erhob eigenständig Steuern und missbrauchte seine Berechtigung, Haftbefehle auszustellen, um wohlhabenden Familien Zwangsdarlehen abzupressen. Das Parlament schäumte. Charles kümmerte das nicht. Ihr Verhältnis verschlechterte sich zusehends. 1629 eskalierte der schwelende Konflikt endgültig. Charles löste das Parlament auf und regierte fortan allein – 11 Jahre lang, die später als „elfjährige Tyrannei“ bezeichnet wurden.

Porträtgemälde in Öl von König Charles I. (links im Bild) und Königin Henrietta Maria (rechts im Bild), die ihrem Gatten einen Zweig reicht

Porträt von König Charles I. und Königin Henrietta Maria von Sir Anthony van Dyck von 1632

Anthony van Dyck artist QS:P170,Q150679, Charles and Henrietta by van Dyck, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Leg dich nicht mit Schottland an

Obwohl Charles damit erreicht hatte, was er vermutlich seit seiner Thronbesteigung anstrebte, hatte er ein gravierendes Problem: Für bestimmte Entscheidungen, vor allem finanzielle Bewilligungen, war er auf das Parlament angewiesen. Er war eben doch kein echter absolutistischer, sondern ein konstitutioneller König. Die damalige Rechtslage erlaubte ihm nicht, den Staatshaushalt nach Gutdünken auszugeben und Geld wächst ja bekanntlich nicht auf Bäumen. Diese Einschränkung fiel ihm auf die Füße, als er mit den Folgen seiner Kirchenpolitik konfrontiert wurde.

Ich bin keine Expertin für die verschiedenen protestantischen Strömungen, die im 17. Jahrhundert in England miteinander konkurrierten. Ich möchte in diesem Blogprojekt auch nicht versuchen, die Konfessionen gegenüberzustellen und zu vergleichen, denn als ungetaufte Heidin bin ich garantiert nicht die ideale Person, um euch die komplexen Unterschiede zu erklären. Daher müsst ihr euch mit einer stark vereinfachten Erläuterung begnügen, die sich auf die Aspekte beschränkt, die für die Einordnung der historischen Ereignisse und der Glaubenssätze von John Milton relevant sind.

Soweit ich es verstanden habe, gewannen nach der anglikanischen Reformation, also der Abspaltung der anglikanischen Kirche vom römisch-katholischen Christentum unter Heinrich VIII., verschiedene Ansichten darüber, wie die Kirche organisiert und der christliche Glaube praktiziert werden sollte, in England an Einfluss. Einige dieser Konfessionen waren konservativer und orientierten sich näher am Katholizismus, andere verlangten nach einer grundlegenden Umgestaltung von Hierarchie und Liturgie der Kirche.

Porträtgemälde in Öl von König Charles I. in drei Positionen, die ihn im Profil (links), frontal (mitte) und im Halbprofil (rechts) zeigen

Porträt von König Charles I. in drei Positionen von Sir Anthony van Dyke von 1635-1636

Sir Anthony Van Dyck (1599 - 1641)
Details on Google Art Project, Sir Anthony Van Dyck - Charles I (1600-49) - Google Art Project, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Charles I. wird nachgesagt, dass er mit dem Arminianismus sympathisierte. Der Arminianismus war eine eher konservative, gemäßigte Konfession, die eine strikte klerikale Hierarchie im Sinne des Episkopalismus, in dem die kirchliche Leitung Bischöfen obliegt, unterstütze. Der Episkopalismus wurde sowohl im Puritanismus als auch im Presbyterianismus, der damals vorherrschenden Konfession in Schottland, abgelehnt.

Ob Charles nun tatsächlich Arminianer war oder nicht, ihm gefiel die Idee, durch die Ernennung von ihm genehmen Bischöfen Kontrolle über die Kirche zu haben und diese nach seinen Vorstellungen gestalten zu können.

Er wollte die Kirche in Großbritannien vereinheitlichen und schreckte nicht davor zurück, Bischöfe einzusetzen, die hart gegen die Anhänger_innen und Glaubensausübung anderer Konfessionen vorgingen. Während er mit dieser Taktik in England in gewissem Maße Erfolg hatte, stieß er in Schottland auf erbitterten Widerstand. Die überwiegend presbyterianischen Schott_innen wollten sich nicht vorschreiben lassen, wie sie ihren Glauben zu praktizieren hatten.

Als im Juli 1637 erstmals ein neues Gebetsbuch für die Gottesdienste genutzt werden sollte, das Charles hatte verfassen lassen, kam es in Edinburgh zu Aufständen. Diese Aufstände waren der Katalysator der sogenannten Bischofskriege, die 1639 und 1640 zwischen England und Schottland ausgetragen wurden.

Kriege sind teuer. Im ersten Bischofskrieg gelang es dem finanziell prekär aufgestellten Charles noch, auf eigene Kosten eine 20.000 Mann starke Armee auszuheben. Diese stand an der schottisch-englischen Grenze allerdings einer solchen Übermacht gegenüber, dass Charles mit Schottland eine Friedensvereinbarung schloss, ohne dass es zu Kampfhandlungen kam. Er scheint darin jedoch nur eine Niederlage auf Zeit gesehen zu haben und versuchte, noch während der Verhandlungen einen weiteren Feldzug vorzubereiten. Dafür brauchte er Geld. Und für die Bewilligung dieses Geldes brauchte er das Parlament.

Ohne Parlament kein Geld, ohne Geld kein Sieg

Auf mich wirkt es rückblickend mit dem Abstand der Jahrhunderte im besten Fall naiv, im schlimmsten Fall völlig umnachtet, dass Charles offenbar glaubte, er könne das puritanisch geprägte englische Parlament, das er 11 Jahre zuvor so unrühmlich aufgelöst hatte, davon überzeugen, ihm finanzielle Unterstützung gegen das presbyterianische Schottland zu gewähren. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Vielleicht setzte er auf ihren Patriotismus. Vielleicht dachte er auch, er brächte genügend Verhandlungsmasse mit, die er ihnen im Gegenzug anbieten konnte. Was auch immer ihn dazu bewog, im April 1640 berief er das englische Parlament erstmals wieder ein.

Natürlich kam es, wie es kommen musste: Es konnte keine Einigung erreicht werden. Für die Finanzierung des Krieges stellte das Parlament jede Menge Forderungen, die Charles nicht erfüllen wollte. Kaum einen Monat nach dessen Einberufung löste er das Parlament im Mai bereits wieder auf. Aufgrund dieses kurzen Bestehens nennt man das Parlament dieser Phase heute das Kurze Parlament.

Irgendwie gelang es Charles trotzdem, seinen Feldzug auf die Beine zu stellen. Wie, konnte ich leider nicht herausfinden, denn er verfügte definitiv nicht über die geschätzten eine Million Pfund, die er eigentlich benötigte. Er hatte etwas Geld vom irischen Parlament bewilligt bekommen und einer seiner Berater, der Earl of Strafford Thomas Wentworth, bemühte sich nach Kräften, weitere Geldmittel aufzutreiben, aber am Ende reichte es hinten und vorne nicht. Das Ergebnis war eine schlecht ausgerüstete, schlecht ausgebildete und komplett demoralisierte Armee, die die Flucht ergriff, als sie auf die einmarschierenden schottischen Truppen traf.

Die demütigende Niederlage im zweiten Bischofskrieg zwang Charles im Oktober 1640 dazu, die eroberten Grafschaften Northumberland und Durham zu verpfänden. Er würde sie erst zurückbekommen, sobald er Schottland alle Kriegsausgaben erstattet hatte. Selbstverständlich konnte Charles diese enorme Summe nicht einfach aus der Portokasse zahlen. Er war ja ohnehin so gut wie pleite. Es führte kein Weg dran vorbei: Im November musste er erneut das englische Parlament einberufen.

Der Ausbruch des Bürgerkriegs

Das Parlament nutzte die Gunst der Stunde. Bereits im Februar 1641 erließen sie mit Charles‘ Zustimmung den Triennial Act, ein Gesetz, mit dem sie sicherstellten, dass das Parlament mindestens einmal alle drei Jahre einberufen werden musste – notfalls auch ohne den König. Im Mai setzten sie ein weiteres Gesetz durch, das die Auflösung des Parlaments ohne dessen Zustimmung verbot. Auf diese Weise konnten sie ihre Position gegenüber dem König erheblich stärken.

Ihr schwer beschädigtes Verhältnis blieb jedoch weiterhin angespannt und verschlechterte sich im Lauf des Jahres 1641 abermals, unter anderem durch einen katholischen Aufstand in Irland. Im November 1641 veröffentlichte das Unterhaus die sogenannte Große Remonstranz. Dabei handelte es sich um eine Liste mit allen Punkten, die das Parlament Charles seit dessen Thronbesteigung vorwarf. Außerdem wurde darin erstmals die Forderung nach einer parlamentarischen Regierung formuliert. Die Protestnote wurde mit knapper Mehrheit angenommen.

Für Charles wurde die Luft nun dünn und er entschied sich zu einem Gegenschlag. Am 04. Januar 1642 marschierte er mit einer bewaffneten Einheit ins Unterhaus, um fünf seiner schärfsten Gegner festnehmen zu lassen, die er verdächtigte, im Bischofskrieg mit Schottland konspiriert zu haben. Allerdings wurden die fünf Männer gewarnt und konnten rechtzeitig fliehen. Charles musste unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Doch der Schaden war angerichtet. Nie zuvor war ein König ins Unterhaus eingedrungen. Diese Grenzüberschreitung wurde als gravierende Missachtung der parlamentarischen Privilegien betrachtet, was sogar die Londoner Bevölkerung gegen Charles aufbrachte. Der König musste fliehen. Es gab keine Aussicht auf eine Versöhnung mit dem Parlament. Der englische Bürgerkrieg brach aus.

Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, das Charles I. versuchte Festnahme von fünf Parlamentsmitgliedern im englischen Unterhaus 1642 zeigt

Die versuchte Verhaftung von fünf Parlamentsmitgliedern durch Charles I.

Charles West Cope creator QS:P170,Q2960442, Attempted Arrest of the Five members by Charles West Cope, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

In den folgenden fünf Jahren prallten die Royalist_innen und die Unterstützer_innen des Parlaments in verschiedenen Schlachten immer wieder aufeinander. Zuerst sah es so aus, als hätten Charles‘ Truppen durchaus eine Chance – ab 1644 häuften sich jedoch ihre Niederlagen. Die sogenannte New Model Army der Parlamentarier profitierte von der Führung unter Oliver Cromwell, der sich als kompetenter und fortschrittlicher Heeresführer erwies.

Ölgemälde aus dem 19. Jahrhundert, das die Schlacht von Marston Moor am 02. Juli 1644 zeigt

Niederlage der königlichen Armee in der Schlacht von Marston Moor am 02. Juli 1644

John Barker (1811-1886), Battle of Marston Moor 1644 by John Barker, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Angesichts seiner zunehmend prekären Lage flüchtete sich Charles zur schottischen Armee. Er begann ein politisches Manöver, in dem er sowohl mit den Schott_innen als auch mit dem englischen Parlament verhandelte und versuchte, sie gegeneinander auszuspielen, denn er hatte einen letzten Trumpf im Ärmel: Ohne seine Zustimmung konnte die Regierungsform in England nicht verfassungskonform verändert werden.

Charles überschätzte sich. Ich weiß nicht, ob er sich wirklich nicht vorstellen konnte, wie weit die Mitglieder des Parlaments zu gehen bereit waren, um ihre Vision eines parlamentarisch regierten Englands durchzusetzen; ob er wirklich dachte, er könne ihnen einen Kompromiss abzwingen und seine Macht dadurch zu einem gewissen Grad erhalten oder zumindest sein Leben retten. Wenn es so war – er irrte sich. Schottland lieferte Charles für eine Zusicherung erheblicher Geldmittel im Januar 1647 an das englische Parlament aus.

Alle Macht dem Parlament: Die Republik England

Das englische Parlament war sich keineswegs einig darüber, wie man mit Charles zu verfahren hatte. Während eine Fraktion daran festhielt, dass sie mit dem König eine neue Regierungsform für England aushandeln mussten, sahen andere keine Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung und plädierten dafür, Charles vor Gericht zu stellen. Zu denjenigen, die Charles den Prozess machen wollten, zählten Oliver Cromwell und seine New Model Army, deren stetig wachsende Macht von nicht wenigen im Parlament mit Sorge betrachtet wurde.

Ihr Konflikt zog sich etwa zwei Jahre hin, in deren Verlauf Charles an verschiedenen Orten in Gefangenschaft lebte, einen Fluchtversuch unternahm und die schottische Armee überzeugte, in England einzumarschieren und ihn zurück auf den Thron zu bringen, wenn er im Gegenzug den Presbyterianismus für drei Jahre in England etablierte.

Nichts davon war erfolgreich. Der Einmarsch der Schott_innen wurde Mitte 1648 von Cromwells New Model Army niedergeschlagen. Danach scheint es Oliver Cromwell endgültig gereicht zu haben. Im Dezember initiierte er etwas, das verdächtig an einen Militärputsch erinnerte. Er riss er die Kontrolle über das Unterhaus an sich, verhaftete diejenigen Parlamentarier, die sich gegen die New Model Army gestellt hatten und formte mit den verbleibenden Mitgliedern das sogenannte Rumpfparlament.

Einen Monat darauf klagte das Rumpfparlament Charles für Hochverrat an. Am 26. Januar 1649 wurde der gefallene König für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung fand nur wenige Tage später am 30. Januar statt. Charles I. wurde vor dem Banqueting House im Londoner Stadtteil Westminster enthauptet.

Anschließend verlor das Rumpfparlament keine Zeit mehr. Durch Charles‘ Hinrichtung konnten sie am 19. Mai 1649 ein Gesetz namens „Act Declaring and Constituting the People of England to be a Commonwealth and Free-State” erlassen. Darin erklärten sie England sowie all seine Dominions und Territorien zur Republik.

Außerdem etablierten sie das Unterhaus als alleinige Regierungsinstanz, die selbstständig ohne König, königliches Beratungsgremium und Oberhaus jegliche politischen Entscheidungen treffen konnte.

Niederländisches Gemälde der Hinrichtung von Charles I. am 30. Januar 1649 vor dem Banqueting House in London

Niederländisches Gemälde der Hinrichtung von Charles I. am 30. Januar 1649

Unknown author Unknown author Formerly attributed to Jan Weesop, The Execution of Charles I of England, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Kleiner Exkurs zum Commonwealth

Flagge des Commonwealth of England von 1651-1653
Flagge des Commonwealth of England von 1651-1653

Richtom80 at English Wikipedia, Flag of The Commonwealth, CC BY-SA 3.0

Vielleicht wundert ihr euch, dass in dem Gesetz vom Commonwealth die Rede ist – ein Begriff, der noch heute im Zusammenhang mit dem Vereinigten Königreich verwendet wird, obwohl es derzeit definitiv keine Republik ist. Soweit ich es verstanden habe, besteht der Unterschied darin, dass „Commonwealth of England“ damals als Name der englischen Republik diente.

Heute bezeichnet „Commonwealth of Nations“ hingegen den Staatenbund souveräner Nationen, die sich dem Vereinigten Königreich mehr oder weniger verbunden fühlen. Großteils handelt es sich dabei um ehemalige Kolonien; einige von ihnen erkennen den aktuellen König Charles III. sogar weiterhin als ihr formelles Staatsoberhaupt an.

Diese Verbindung genauer zu erklären, würde allerdings zu weit führen. Für euch ist an dieser Stelle nur wichtig, dass sich das heutige Commonwealth deutlich später gründete und nicht dasselbe ist wie das Commonwealth des 17. Jahrhunderts. Um mögliche Verwirrungen zu vermeiden, werde ich hier im Folgenden von der englischen Republik sprechen und auf den Namen Commonwealth verzichten.

Ein Traum auf tönernen Füßen

Die englische Republik, die zuerst nur Wales, später aber auch Irland und Schottland einschloss, konnte sich nie stabilisieren. In den 11 Jahren ihres Bestehens führten die Parlamentstruppen unter Oliver Cromwell Kriege in Irland und Schottland, innenpolitisch wie außenpolitisch wurde die Hinrichtung des Königs verurteilt und innerhalb des Parlaments herrschte weiterhin Uneinigkeit darüber, wie das Land regiert werden sollte. Kurz: Die neugegründete Republik war kein Erfolg und wurde die meiste Zeit nur durch Oliver Cromwells eisernen Willen zusammengehalten.

1653 erhielt die Republik eine neue Verfassung, die Cromwell als Staatsoberhaupt benannte. Er entließ das Rumpfparlament und regierte fortan als Lordprotektor. Die Königswürde lehnte er ab. Leider entpuppte er sich jedoch als brutaler, kaltherziger Herrscher, der besonders hart gegen katholische Glaubensgemeinschaften und Royalist_innen vorging und unter dem die Republik Stück für Stück einer Militärdiktatur zu ähneln begann. Ich kann mir vorstellen, dass nicht allzu viele Tränen vergossen wurden, als er am 03. September 1658 einer Malariainfektion erlag, die er sich in Irland eingefangen hatte.

Nach seinem Tod folgte ihm sein Sohn Richard Cromwell als Lordprotektor der Republik. Richard hatte jedoch nicht dieselben Verbindungen zur Armee wie sein Vater, hatte nie gedient und war dementsprechend nicht in der Lage, die Macht des Amtes zu erhalten. Rufe nach einer erneuten Einberufung des Rumpfparlaments wurden laut. Richard wurde 1659 abgesetzt und das Rumpfparlament übernahm abermals die Kontrolle.

Die Republik wand sich in ihren letzten Todeszuckungen. Obwohl es noch immer Unterstützer im Parlament gab, zeichnete sich innerhalb weniger Monate ab, dass der Traum eines republikanischen Englands nicht aufrechtzuerhalten war. 1660 wurden die antimonarchistischen Mitglieder des Parlaments entlassen und durch königstreue Parlamentarier ersetzt.

Am 08. Mai 1660 bekannte sich das neue Parlament zu Charles II., dem Sohn des hingerichteten Königs Charles I., als rechtmäßigem Thronerben. Am 23. Mai kehrte Charles II. aus dem Exil nach England zurück. Er erreichte London am 29. Mai – das Datum wurde daraufhin zum Feiertag erklärt, der in einigen Gebieten Englands noch heute zelebriert wird.

Restauration der Monarchie

Charles II. und das Parlament gingen überwiegend großzügig mit den Anhänger_innen von Oliver Cromwell und der Republik um. Die meisten wurden begnadigt. Lediglich 50 Personen wurden verurteilt, von denen nur neun tatsächlich hingerichtet wurden. Der Rest erhielt entweder lebenslange Haft oder ein lebenslanges Verbot, öffentliche Ämter auszuüben. Angesichts dessen, dass sich das gesamte Parlament von 1649 des Königsmordes schuldig gemacht hatte, war dies ein ausgesprochen milder Ausgang. Ich vermute, dass man das unrühmliche Kapitel der englischen Republik einfach so schnell wie möglich vergessen und hinter sich lassen wollte. Charles II. wurde am 23. April 1661 gekrönt. England war wieder eine Monarchie.

Ausblick

Puh. Ihr seht, das 17. Jahrhundert in England war WILD. Ich wusste vor meinen Recherchen nicht, dass England je eine Republik war, so kurz diese Phase auch währte. Vielleicht hat sich diese Erfahrung so tief in das kollektive Gedächtnis der Brit_innen gefressen, dass dieses Trauma bis heute dazu beiträgt, dass das Vereinigte Königreich noch immer eine Monarchie ist – obwohl es mittlerweile ja viele gibt, die dafür plädieren, die politisch ohnehin machtlosen Royals zu entlassen, weil sie das Volk Unsummen kosten.

John Milton würde diese Strömung sicherlich gutheißen, denn er war ein glühender Befürworter der englischen Republik. Ohne sein politisches Engagement wäre „Das verlorene Paradies“ möglicherweise nie entstanden. Deshalb müssen wir uns im Folgenden anschauen, wann und warum der Dichter seine antimonarchistischen Tendenzen entwickelte und inwiefern er in Ent- sowie Bestehen der englischen Republik involviert war. Schaut wieder vorbei für das zweite Kapitel dieses Blogprojekts!

Bildquellen

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  • Pergament-Textur: Bild von boggus auf Freepik

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