Hallo ihr Lieben! :)
Erinnert ihr euch, dass ich euch im April von meinen Problemen mit Steven Eriksons epischer Fantasy-Reihe „Das Spiel der Götter“ berichtete? Für alle, deren Gedächtnis jetzt gerade Däumchen dreht und für alle, die keine Lust haben, HIER noch einmal nachzulesen, eine Kurzfassung. Die Saga ist im englischen Original seit 2011 vollständig erschienen. Seit 2012 rackert sich der Verlag blanvalet mit der Übersetzung für den deutschen Markt ab. Da die zehn originalen Bände recht umfangreich sind, wurde entschieden, sie zu teilen, wovon der Auftakt „Die Gärten des Mondes“ allerdings ausgenommen wurde. Aktuell sind 16 der geplanten 19 Bände veröffentlicht. Dieser Fortschritt mutierte bereits zu einem äußerst langwierigen, strapazierenden Prozess. Erscheinungstermine konnten nicht eingehalten werden und wurden zum Teil um Jahre verschoben. Natürlich ohne eine Erklärung des Verlags, denn blanvalet scheint so gar nichts von Transparenz zu halten, was mich einem kolossalen Wutanfall immer näher brachte.
Als ich meinem Ärger im April in einem ausführlichen Beitrag Luft machte, bangte ich der Veröffentlichung des Bandes #17 „Die Schwingen der Dunkelheit“ entgegen, der laut blanvalet am 18. November 2019 endlich das Licht der Welt erblicken sollte. Damals wartete ich bereits seit etwa zweieinhalb Jahren auf diese Fortsetzung. Am Montag letzter Woche erhielt ich eine E-Mail von Amazon. Das Drama geht in den nächsten Akt.
Etwa zwei Wochen, bevor mein Beschwerde-Post online ging, hatte ich das Thema Ende März in einer Montagsfrage schon einmal angesprochen (HIER). Daraufhin meldete sich überraschend der Übersetzer von „Das Spiel der Götter“ bei mir, Tim Straetmann. Er erklärte mir, dass die Verzögerungen an ihm lägen, ich mich aber tatsächlich auf das voraussichtliche Erscheinungsdatum von „Die Schwingen der Dunkelheit“ am 18. November freuen dürfte und ich mir seines Wissens nach keine Sorgen machen müsste, dass die Reihe vorzeitig abgebrochen werden könnte. Ich war erleichtert und fühlte mich beruhigt, obwohl seine erfreuliche Offenheit die mangelnde Transparenz seitens blanvalet natürlich nicht ausglich.
Er konnte nicht Wort halten. Ich zeige euch einen Ausschnitt der Mail, die mir Amazon am Montag schickte:
Ich weiß nicht, was in der Zwischenzeit passiert ist, wieso sich die Veröffentlichung nun doch wieder verschiebt. Es muss gravierend sein, denn schließlich handelt es sich nicht um eine kleine Verzögerung, sondern um 10 Monate, die ich länger warten muss. Vorausgesetzt, es bleibt bei diesem Datum.
Ich habe selbstverständlich sofort einen Abstecher auf die Website von blanvalet unternommen, um nachzusehen, ob sie sich dieses Mal vielleicht äußerten – nichts. Das Erscheinungsdatum wurde mucksmäuschenstill angepasst, mehr ist nicht zu sehen.
Ich dachte, ich würde zetern und toben, wenn mich wieder so eine Mail erreicht und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Das ist nicht eingetreten. Es ist traurig, aber trotz der beruhigenden Worte von Tim Straetmann habe ich wohl weiterhin daran gezweifelt, „Die Schwingen der Dunkelheit“ im November endlich in den Händen halten zu können. Ich werfe ihm nicht vor, dass er mir falsche Hoffnungen machte, weil ich nicht glaube, dass er das absichtlich getan hat. Ich denke, er war sich des Veröffentlichungsdatums ziemlich sicher. Ich bin nicht mehr wütend. Ich bin resigniert.
„Das Spiel der Götter“ ist ein sensationell komplexes High Fantasy – Epos, das für mich die Möglichkeiten und Grenzen des Genres neu definierte. Es ist kompliziert, verschachtelt und umspannt sowohl chronologisch als auch geografisch schwindelerregende Dimensionen. Ich habe mir nie die Mühe gemacht, alle bedeutenden Figuren zu zählen, aber vermutlich bewegen wir uns im höheren zweistelligen Bereich, mit einer Tendenz zur Dreistelligkeit. Die Bände einer solchen Reihe kann man nicht mit großen zeitlichen Abständen lesen, weil man zu viel vergisst. Steven Erikson ist kein Autor, der seinen Leser_innen mit Erinnerungsstützen entgegenkommt. Er erwartet, dass man alle wichtigen Entwicklungen auf dem Schirm hat. Deshalb weiß ich schon jetzt, dass ich irgendwann noch einmal von vorn beginnen muss. Das ist äußerst ärgerlich, weil ich bereits ziemlich weit gekommen bin und mir nur noch die letzten beiden Doppelbände fehlen, um die Saga abzuschließen. Solange blanvalet diese allerdings nicht veröffentlicht, bin ich gezwungen, zuzusehen, wie meine Erinnerungen an die Handlung langsam verblassen.
Diese erneute Verzögerung befeuert außerdem meine Sorge, dass der Verlag die Reihe einstellt, bevor sie vollständig erschienen ist. Aus ihrer Sicht könnte ich das sogar nachvollziehen, denn „Das Spiel der Götter“ kann sich finanziell nicht rentieren. Ich weiß nicht viel über Markmechanismen in der Buchbranche, doch mir ist bewusst, dass lange Reihen meistens ein Verlustgeschäft bedeuten, weil die Leser_innen zunehmend abspringen. Laut Tim Straetmann ist blanvalet noch immer entschlossen, das Projekt durchzuziehen, aber wer weiß schon, ob sich das nicht doch ändert. Soll ich also geduldig ausharren und das Risiko eingehen, am Ende vielleicht umsonst zu warten?
Ich spiele ernsthaft mit dem Gedanken, aufzugeben. Ich habe es so satt. Das heißt natürlich nicht, dass ich „Das Spiel der Götter“ abbrechen möchte, nein, keineswegs. Ich überlege, auf die englischen Originale umzusteigen. Wie oft habe ich mir schon in den Hintern gebissen, dass ich nicht gleich auf Englisch begonnen habe. Allerdings schreckt mich die englische Sprache auch, schließlich ist die Saga selbst in meiner Muttersprache eine Herausforderung. Ich denke, dass meine Sprachkenntnisse dafür theoretisch ausreichen, aber niemand kann mir sagen, wie anstrengend die Lektüre für mich werden würde.
Darüber hinaus ist es selbstverständlich blöd, noch einmal Geld für eine Reihe auszugeben, von der ich bereits 16 Bände besitze. Wohl gemerkt habe ich für einige den vollen Preis hingeblättert, weil ich sie direkt am Erscheinungstag neu gekauft oder gar vorbestellt und nicht auf gebrauchte Exemplare gewartet habe. Der dritte Band (Part 2 des ersten Doppelbandes nach dem Auftakt) kostete mich ein kleines Vermögen, weil er damals noch nicht als Neuauflage erschienen und vergriffen war. Ich müsste mir zwar keine Gedanken darüber machen, die Bücher doppelt im Regal stehen zu haben, weil ich meine deutschen Ausgaben sicher an meine Mutter abtreten könnte, aber der finanzielle Aufwand, der darin steckt, schmerzt mich durchaus.
Dennoch würde ich mit den englischen Originalen das Risiko, dass blanvalet die Reihe einstellen könnte, umgehen. Ich müsste nicht mehr auf unbestimmte Zeit warten. Ich könnte sie Stück für Stück kaufen und erst mit dem Reread beginnen, wenn ich alle besitze, wodurch ich sie dann relativ zügig nacheinander lesen könnte. Vermutlich sind sie gebraucht nicht mal teuer, weil „Das Spiel der Götter“ ja beinahe 10 Jahre alt ist, selbst das Finale. Zusätzlich reizt es mich, Steven Eriksons ureigenen Schreibstil kennenzulernen, ohne den Filter eines Übersetzers. Wortspiele, die während der Übersetzung zwangsläufig verloren gehen müssen, poetische Formulierungen, die in Deutsch ihre Wirkung nicht entfalten, Charakter- und Ortsnamen, das magische System der Gewirre – all das könnte ich unmittelbar erleben, vorausgesetzt, mein Englisch reicht dafür.
Ein weiteres Argument, das dafür spricht, ist die Tatsache, dass Steven Erikson seit diesem Epos nicht untätig war. Er hat eine weitere Trilogie geschrieben, die die Vorgeschichte von Anomander Rake und seinen Brüdern erzählt und die nun schon ewig auf meiner Wunschliste versauert, weil ich diese nicht beginnen möchte, bevor ich „Das Spiel der Götter“ abgeschlossen habe. Seit bekannt wurde, dass er außerdem an einer neuen Reihe um den Toblakai Karsa Orlong arbeitet, den ich vergöttere, empfinde ich steigende Dringlichkeit. Diese wird auf den Ereignissen in „Das Spiel der Götter“ aufbauen, das heißt, ich werde sie nicht lesen können, ohne zu wissen, wie es endet. Bricht blanvalet die Reihe ab, werde ich sie niemals lesen können.
Der Reread selbst, den ich ohnehin in Angriff nehmen muss, selbst wenn blanvalet irgendwann aus den Puschen kommt, macht mir nichts aus, weil ich davon ausgehe, dass gerade diese Reihe sich hervorragend dazu eignet, sie mehrfach zu lesen. Mir werden neue und andere Details auffallen. Tatsächlich freue ich mich darauf. Was mich hingegen beschäftigt, ist die Frage, wie ich mit den Rezensionen umgehen soll, die ich bereits geschrieben habe. Sollte ich die stehen lassen? Neu schreiben? Aktualisieren? Oder sollte ich zusätzlich Reread-Rezensionen veröffentlichen, die sich auf meine Erfarhung des wiederholten Lesens konzentrieren?
Ich bin wirklich unschlüssig. Die Aussicht, „Das Spiel der Götter“ endlich abschließen zu können und nicht mehr auf blanvalet angewiesen zu sein, ist unheimlich verlockend, aber ich bin eigentlich kein Freund davon, einfach aufzugeben. Ich möchte hier nichts beschönigen – auf Englisch umzusteigen, käme einem Streichen der Segel gleich und mir ist klar, dass ich damit für den deutschen Verlag eine weitere Leserin bin, die abspringt und Schuld daran trägt, dass sich die Reihe nicht mehr rentiert. Habe ich nicht auch eine Verantwortung anderen deutschen Leser_innen gegenüber? Muss ich das jetzt durchstehen? Oder kann ich guten Gewissens wechseln?
Da ich mich wirklich nicht entscheiden kann, habe ich beschlossen, mir Hilfe von euch zu holen und eine Abstimmung zu veröffentlichen. Eure Meinung ist mir wichtig und ich denke, ich kann mich in meinem Konflikt auf euch verlassen. Ihr werdet mich dabei unterstützen, herauszufinden, wie ich mich am besten verhalten sollte.
Stimmt für mich ab und sagt mir, ob ihr glaubt, ich sollte blanvalet die Treue halten oder mich aus dem Staub machen.
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Ich danke euch für eure Hilfe und hoffe von Herzen, dass ihr euch nicht mit ähnlichen Problemen herumschlagen müsst.
Alles Liebe,
Elli ❤️
Zumal es im Englischen eine ganze Reihe von Bänden aus der Feder des Mitschöpfers der Welt Ian C. Esslemont gibt, welche die Lücken entscheidend ergänzen und die Blanvaelt nie umd nimmer veröffentlichen wird.
Richtig, von Esslemonts Werken habe ich ebenfalls schon gehört und würde sie natürlich gern lesen.
Nach „Return of the Crimson Guard“ wird bezug genommen auf das Ende von „Spiel der Götter“ – wenn Du Dich nicht selber spoilern möchtest stehen nur die ersten beiden Bücher von Esslemont zur Debatte – die sehr gut sind.
Die beiden letzten Bände von „Spiel der Götter“ sind von einem anderen Übersetzer übersetzt worden – ich befürchte schlimmes. Straetmann war großes Kino, er hat den ton in den Dialogen sehr gut getroffen und hat eine wunderbare Übersetzung geliefert. Er hatte mal in einem Forum gepostet, das er eine Schreibblockade hatte und sich dadurch alle Bücher verschoben haben. Nun vermute ich hat Blanvalet sich einen neuen Übersetzer für die Reihe gesucht.
Da ich mich auch nicht gedulden wollte habe ich mir die gesamte Reihe in englisch als eBook geleistet und dann auch prompt mit Esslemont weiter gelesen.
Cheers
Je mehr du auf Englisch liest, umso leichter wird es! Ich kann deinen Ärger aber sehr gut verstehen. Mich hatte bei der Weitseherreihe geärgert, dass blanvalet ausgerechnet für das letzte Buch einen anderen Übersetzer hatte und das merkte man sehr deutlich.
Versuch es auf Englisch. Irgendwie scheint der Verlag prinzipielle Übersetzungsprobleme zu haben.
Es sit auf Englisch leichter zu lesen, als man aufgrund der deutschen ausgabe denkt. Außerdem ist es da wesentlich bildkräftiger und die Eigenständigkeit der Geschichte kommt noch deutlicher raus, da Erikson auf die fantasy-typischen Bild- und Sprachklischees verzichtet, die sich in der deutschen Ausgabe finden. Ich habe den Eindruck, dass man ständig (vielleicht zurecht) glaubt, den deutschen Leser in der Übersetzung nicht weit vom gewohnten Archaischen wegbringen zu dürfen, um ihn nicht in seinen Gewohnheiten zu vergrämen, und ihn so um die Originalität einiger Fantasy-Werke bringt. So auch besonders bei den ersten Bänden von Joe Abercrombie.
Alles Gute und viel Spaß beim Englisch lesen!
Horus
Das klingt gut und beruhigt mich tatsächlich etwas. Danke dafür! :)
Ich lese ja sonst recht viel auf Englisch, also eigentlich bin ich bestens vorbereitet… Danke für deine Abstimmung! :)
Das ist für mich eines der Probleme des Fantasy-Genres, dass nämlich augenscheinlich jedes Werk mindestens 3, 6, 9, 12 oder eben gar 16 Teile haben muss. In sich geschlossene Einzelbände findet man eher selten. Das ist auch einer der Gründe, warum ich heute weniger Fantasy lese als früher.
Angesichts der Tatsache, dass Dir die Handlung bis zu Punkt x ja mehr oder weniger geläufig sein dürfte, was eine Lektüre in englischer Sprache vereinfachen dürfte, würde ich einen entsprechenden Versuch unternehmen.
Die Länge der Reihe stört mich an sich überhaupt nicht, da bin ich hart im Nehmen. :D Danke für deine Meinung!
Na, mich schon! :-) Meine Interessen, was die unterschiedlichen Genres angeht, ist so weit gefächert, dass mein Leben einfach zu kurz ist, um es „nur“ mit einer Handvoll Fantasy-Reihen zu verbringen.
Und dann sind da ja noch Menschen wie GRRM oder der Sportsfreund Rothfuss, die sich mit ihren Reihen derartig lange Zeit lassen, dass es eine Qual ist.
Das können sie gerne tun, das ist deren Reihe, aber für mich als Leser ist das Warten auf einen neuen Teil reine Folter, weswegen ich mich auf Reihen beschränke, die entweder bereits abgeschlossen sind oder aber Veröffentlichstermine in recht naher Zukunft haben.
Für GRRM und Rothfuss bedeutet das, dass ich ihre Reihen wohl nie vollständig lesen werde… ;-)
Ich kann dich durchaus verstehen. Normalerweise versuche ich, die Lektüre so zu timen, dass die Reihe entweder schon vollständig abgeschlossen ist oder es absehbar ist, dass sie es bald sein wird. Leider lässt sich mit Rothfuss und GRRM wirklich schlecht planen, weshalb ich GoT beispielsweise vorerst auf Eis gelegt habe. Bringt ja doch nichts, jetzt weiterzulesen.
Du hast so viel Geduld bewiesen – bei deiner Begeisterung für die Reihe solltest du sie nicht noch weiter strapazieren. Ich denke, dass das Englische dir keine Probleme bereiten wird. Du bist ja kein Neuling, was das betrifft. Und wegen der Rezensionen kannst du ja nach dem englischen Re-read immer noch entscheiden, ob du neue formulieren musst.
Nachdem ich die deutschen Bände schon jeweils mit der Veröffentlichung las, wollte ich sie dieses Jahr erneut lesen und stand vor derselben Frage.
Ich fing den ersten Band auf englisch an, kam aber nicht so recht rein und wechselte zum deutschen.
Jetzt bin ich allerdings fast wieder durch und überlege nun am Ende es nochmal in Englisch zu probieren, hege allerdings bedenken ob das nicht zu verwirrend ist und ich lieber warte.
Alles in allem schade Blanvalet aber dennoch eine fantastische Leistung von Tim Straetmann, Hut ab für die Übersetzungen!
Hallo Falk,
interessant, wie ist die Wartezeit denn für dich? Bist du nicht ebenfalls völlig entnervt und resigniert?
Meine Kritik richtet sich wirklich nicht gegen Tim Straetmann, ich wusste es sehr zu schätzen,dass er sich bei mir gemeldet hat und war mit seinen Übersetzungen völlig zufrieden. Es ist eher die fehlende Transparenz des Verlages, die mich so stört. 🙄
Liebe Grüße,
Elli
Hallo Elli,
ich bin vor Kurzem mit „Tod eines Gottes“ fertig geworden, hatte insofern noch keine Wartezeit nach dem re-read.
Jetzt – und gerade nach deinem und Geros Beitrag – bin ich schwer am überlegen mit „Dust of Dreams“ weiter zu machen, in der Hoffnung, dass mir das Englisch leicht fällt.
ASOIF fiel mir auf Englisch relativ leicht, aber Erikson ist eine andere Hausnummer finde ich.
@gero
Herzlichen Dank für deine ausführlichen Worte. Vor kurzem hatte ich dir eine Dankesemail über den Verlag zukommen lassen. Besagte Mail würde mich natürlich auch interessieren…
Liebe Grüße
Falk
Liebe Elli,
da sich das mit dem Schlafen heute dank der Nachwehen einer (ungeplanten) Wurzelbehandlung als schwierig erweist, kann ich genausogut die Gelegenheit nutzen und die nächste schwierige Aufgabe angehen – zumindest ein bisschen …
Also … zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich mich so lange nicht gemeldet und den versprochenen Kommentar bislang nicht gepostet habe. Das liegt vor allem daran, dass das alles … schwierig ist. Ich habe mehrmals angefangen, einen Kommentar zu schreiben, und das dann doch immer wieder abgebrochen, weil ich entweder sehr oberflächlich und kryptisch bleiben oder aber mein Leben (bzw. die Umstände, die seit einigen Jahren für die Verzögerungen sorgen) hier auf eine Weise ausbreiten müsste, die mir zu weit ginge. Ich gehöre nunmal zu den Leuten, denen es nicht liegt, die Ups und Downs ihres Daseins öffentlich zu machen. Da ich aber deinen Blog bzw. die Ernsthaftigkeit und Konsequenz, mit der du ihn betreibst und z.B. an deine Rezensionen herangehst, sehr beeindruckend finde, wollte ich dir schon länger eine Mail schreiben, in der ich ein bisschen mehr von dem erzählen kann, was für die Verzögerungen gesorgt hat (auch jetzt wieder einmal), als ich es hier tun würde oder wollte. Dummerweise habe ich auch diese Mail lange vor mir hergeschoben, aber da muss ich jetzt durch, d.h. du wirst sie in den nächsten Tagen kriegen. (Ich nehme an, die Mail-Adresse oben auf der Seite stimmt?)
Besagte Mail wird weder deinen berechtigten Ärger mindern noch dafür sorgen, dass das Buch schneller erscheint. Von daher will und werde ich auch gar nicht versuchen, deine Entscheidung, wie du mit dem „Spiel der Götter“/“Malazan Book of the Fallen“ weitermachst, zu beeinflussen, indem ich mich an der Abstimmung beteilige. Mir geht es um die Transparenz, die du dir vom Verlag wünschst, und die du von ihm gar nicht bekommen kannst. Meine Mail wird bzw.soll die Dinge zumindest ein bisschen transparenter und vielleicht auch verständlicher für dich machen.
Da es hier auch um die Übersetzungen (bzw. Übersetzungen allgemein) gegangen ist, noch kurz etwas dazu:
Eine Übersetzung wird sich immer „anders“ lesen als das Original. Je mehr der Autor oder die Autorin die spezifischen Möglichkeiten der Ausgangssprache nutzt, desto stärker wird dieses „sich anders lesen“ normalerweise in der Zielsprache spürbar werden. (Mir ist klar, dass der Vergleich furchtbar hinkt, aber er ist mMn einigermaßen anschaulich: Wenn jemand ein Stück für ein bestimmtes Instrument/eine bestimmte Intrumentierung komponiert, kann man dieses Stück fast immer auch auf anderen Instrumenten spielen – es wird aber auch immer anders klingen.) Eine Übersetzung sollte ihren Lesern und Leserinnen das vermitteln – inhaltlich, erzählerisch, atmosphärisch – was das Original den Lesern und Leserinnen (= native speakers) der Ausgangssprache vermittelt. Das funktioniert bis zu einem bestimmten Punkt, aber letztlich gibt es natürlich auch Grenzen.
Das hat einerseits z.B. mit den unterschiedlichen grammatikalischen Strukturen von Ausgangs- und Zielsprache zu tun, mit dem Wortschatz, mit den Möglichkeiten, die die jeweilige Sprache für Wortspiele bietet (wo das z.B. Englische im Hinblick auf den Gleichklang von Worten mit unterschiedlicher Bedeutung dem Deutschen weit überlegen ist.) Sprache ist aber auch ein System von kulturellen Verweisen, und diese Verweise sind nicht immer problemlos übertragbar.
Übersetzungen sind in erster Linie für Leute da, die die Ausgangssprache nicht oder nicht gut genug beherrschen, um sie mit Genuss zu lesen. Im Idealfall liefern sie ein zwar nicht identisches, aber vergleichbares Leseerlebnis wie das Original. Aber natürlich nicht immer.
Wenn man beide Sprachen beherrscht und anfängt zu vergleichen, wird man immer etwas finden, das man komisch oder nicht nachvollziehbar oder schlicht falsch findet. Und obwohl ich weiß, dass Übersetzungen letztlich ihre Grenzen haben, lese ich immer noch welche – aus dem Französischen, das bei mir viel zu eingerostet ist, um längere Prosatexte mit Genuss zu lesen, aus dem Spanischen, das ich eh nur rudimentär beherrsche, und auch aus dem Englischen (da breche ich Übersetzungen allerdings auch gelegentlich ab oder schaue nur mal in welche rein, von denen ich das Original kenne, weil ich wissen will, wie der Kollege oder die Kollegin dieses oder jenes Problem gelöst hat).
Sorry, für den langen Sermon – die Wurzelbehandlung ist schuld! ;)
Zwei Dinge noch:
@ Sonja: Der Übersetzerwechsel beim dritten Band der zweiten Weitseher-Trilogie von Robin Hobb ist kein Blanvalet- bzw. Penhaligon-Problem. Die beiden ersten Trilogien sind ja urspünglich bei Bastei-Lübbe erschienen, und der Wechsel hat (aus welchen Gründen auch immer) schon dort stattgefunden; Penhaligon hat die alten Übersetzungsrechte gekauft. (Ich habe die zweite Trilogie nie auf Deutsch gelesen, von daher weiß ich nicht, worin die Probleme konkret bestehen.)
@ Horus: Ich weiß, dass Diskussionen über die Qualität der Übersetzung für den Übersetzer problematisch sind (ich habe durchaus viel Lob für meine SdG-Übersetzungen bekommen, aber auch schon derbe Kritik, die teils nachvollziehbar, teil schlicht unverschämt war). Da es immer schwierig ist, auf eine diffuse Kritik einzugehen, wäre es schön, wenn du vielleicht das eine oder andere fantasytypische Bild- und Sprachklischee nennen könntest, das in der Übersetzung zu finden ist, im Original hingegen nicht. Und auch gerne Beispiele dafür, wo ich den Text „archaisiert“ habe. (Ich halte mich keineswegs für unfehlbar – far from it. Wenn ich in meine alten Übersetzungen reinlese, finde ich immer mal wieder Stellen, die ich anders machen würde. Aber letztlich lässt sich so ziemlich jeder Text – und damit auch so ziemlich jede Übersetzung – immer noch besser machen. Und manchmal … zerhaut einem schlicht ein Hurenkind die optimale Version.)
Okay, inzwischen bin ich müde genug, dass ich trotz der widrigen Umstände wahrscheinlich schnell einschlafen werde …
Viele Grüße
gero aka Tim Straetmann
Hallo Gero, aka Tim,
ich muss zugeben, dass ich etwas ungerecht war, und dich ein wenig als Projektionsfläche für eine diffuse Verärgerung, was deutsche Übersetzungen betrifft, benutzt habe. Du hast sehr plastisch die Arbeit eines Übersetzers beschrieben, die ich aus eigener Arbeitserfahrung kenne. Tatsächlich waren die Gründe, aus denen ich an einer ganz bestimmten Stelle endgültig zum Original gegriffen habe, zum Teil subjektiver Natur. Es war die Beschreibung des Auslandens wickanischer Reiter in Kapitel Eis von „Das Reich der sieben Städte“. Das war zu einem Zeitpunkt als ich selbst als Autor mit der Sprache im Fanatsy-Roman gerungen habe und sie frischer und unmittelbarer machen wollte. Damals gefiel mir die Atmosphäre dieser Szene gegen das Original nicht im Vergleich mit dem Original. Ich war damals sehr fühlig und sensibel, da es mich selbst und mein Ringen sehr nah berührte. Der normale Leser ist da gewiss nicht so dünnhäutig und du hast die von dir beschriebene Gratwanderung – inhaltlich, erzählerisch, atmosphärisch – bestimmt gut gelöst. Nur hat mir ganz subjektiv damals nicht gefallen, dass du „eine Klarinette“ eingesetzt hast. Der zweite Grund für den Wechsel zum Original war einfach: Weil ich es konnte.
Meine Verärgerung bezieht sich eher auf die Fälle, wo redaktioneller Einfluss vorliegt – wo ich ihn vermute und wo ich von ihm weiß. (Abgesehen von Übersetzungen, die sich gar nicht lesen wie ein Buch, sondern wie ein Zusammenwürfeln von Übersetzungsversetzstücken, weil der Übersetzer einfach kein guter Autor ist – was er meiner Meinung nach zumindest einwenig sein muss.
So ist für mich zum Beispiel der Anfang von Joe Abercrombies (ächz, wind, stöhn, den deutschen Titel durch die Zähne press …) … „Kriegsklingen“ total verdorben. (Einer der Fälle, wo ich den Einfluss nur stark vermute.) Im Englischen weht einem sofort sprachlich ein frischer Wind um die Ohren. Im Deutschen sind all die kraftvollen Halbsätze sorgsam zu hypotaktischen Strukturen, genauso wie im jedem anderen gewohnten Fantasy-Roman sich wälzenden längerne Sätzen verbunden. Komplette Atmosphäre, komplette Innovation weg! Wer das im Deutschen liest, kann gar nicht verstehen, was den Reiz Abercrobies eigentlich ausmacht.
Also noch einmal meine Entschuldigung, wenn mein diffuses Unbehagen und meine persönliche Betroffenheit einen hart und redlich sich mühenden Angehörigen dieser unberechtigterweise oft unsichtbaren Zunft getroffen hat.
Dein Beitrag hat mich dazu gebracht, noch einmal in deine Übersetzungen reinzuschauen und sie vielleicht mehr als eigenständigen Text zu sehen.
Hallo,
ich äußere mich jetzt auch erstmals zu Wort. Ellis Beiträge sprechen auch mir eindeutig aus der Seele. Das Spiel der Götter zählt aus meiner Sicht als Vielleser opulenter Fantasy zu dem besten, was eben jene jemals hervorgebracht hat. Die Übersetzung ebenfalls. Ich habe den ersten Band auch auf Englisch gelesen und alle bisher erschienenen deutschen Bände mindestens zweimal. Die ersten Bände sogar öfter, da ich schon mehrmals wieder von vorne angefangen habe. Die wrscheinungsdaten haben zumindest in dieser Hinsicht etwas Gutes…
Über die Gründe, warum diese Verzögerungen seit mehreren Jahren auftreten, kann ich nur mutmaßen, es gab ja vor Jahren schon einmal etwas angedeutetes in den deutschen Foren.
Ich finde es auch super, dass sich der Übersetzer (Tim) hier persönlich zu Wort meldet und kann es auch verstehen, dass die Gründe nicht offengelegt werden.
Aaaaaber: Eine grundsätzliche Aussage seitens des Verlages, ob die Serie überhaupt zuende übersetzt wird, ob sie an einen neuen Verleger übergeben wird, ob ein neuer Übersetzer gefunden werden könnte, wäre schon aus Kundensicht überaus wünschenswert.
Und hier habe ich kein Verständnis für die Null-Kommunikations-Agenda des Verlages. Irgendwann ist der Punkt gekommen, dass auch der letzte Fan auf die englische Originalversion um- oder komplett ausgestiegen ist.
Vielleicht müsste man sich als Fanbase tatsächlich einmal an die anderen Verlage wenden, ob diese nicht die Rechte an den Büchern blanvalet abkaufen und neu übersetzen können.
@Tim: Wirklich, wirklich nichts gegen Dich und Deine private Situation. Aber aus Fan-Sicht sollte eine Lösung angeboten werden. Denn auch wenn „Schwingen der Nacht“ jetzt 2020 erscheinen sollte – es warten noch zwei Bände auf die Übersetzung. Und dann noch alle anderen Erikson / Esslemont Bücher, die bereits im englischen Original vorliegen.
Die derzeitige Situation ist unbeachtet aller Umstände sehr unglücklich für uns Fans…
Trotzdem alles Gute Dir und auch alles Gute uns Fans, dass die Saga auf irgendeinem Weg demnächst (und nicht alle x Jahre) die deutschlesenden Fans erreicht.
LG
Björn
Lieber gero,
das Wichtigste zuerst: gute Besserung! Ich hoffe, die Wurzelbehandlung hat zumindest auf lange Sicht den gewünschten Effekt, so unangenehm das im Augenblick auch für dich ist.
Ich möchte eines klarstellen: du bist mir nicht das Geringste schuldig. Weder eine Entschuldigung, noch eine Erklärung oder Rechtfertigung. Du musst dich mir überhaupt nicht verpflichtet fühlen und wenn du die Schwierigkeiten deines Lebens, die dafür verantwortlich sind, dass sich die Übersetzungen hinziehen, hier nicht ausbreiten möchtest, kann ich das voll und ganz nachvollziehen. Ich bin selbst kein Freund davon, allzu private Details öffentlich auszuschlachten. Du musst mir auch keine Mail schreiben, wenn du das nicht möchtest. Das ist völlig in Ordnung. Falls es dir jedoch ein Bedürfnis ist, ja, die Mailadresse stimmt. ;)
Außerdem möchte ich betonen, dass zwischen uns keinerlei böses Blut existiert. Ich bin nicht wütend auf dich. Ich kann nicht leugnen, dass mich die gesamte Situation frustriert, aber ich bin dennoch reif genug, sie nicht persönlich zu nehmen. Mir ist klar, dass niemand, weder du noch der Verlag, die Verzögerungen gutheißt. Ich weiß, dass das keine Taktik ist, um mich zu ärgern. Im Gegenteil, ich schätze es, dass du dir die Mühe machst, auf meine Schimpf- und Jammertiraden einzugehen, weil das eine Resonanz ist, mit der ich niemals gerechnet hätte.
Die Qualität deiner Übersetzungen ist für mich unstrittig. Diese wollte ich nicht kritisieren, mir ging es nur darum, deutlich zu machen, wieso es mir durchaus reizvoll erscheint, Erikson im Original zu lesen, weil mir natürlich bewusst ist, dass jede Übersetzung Grenzen unterworfen ist.
Für mich wird es höchstwahrscheinlich trotzdem einen Sprachenwechsel geben. Wie ich bereits erwähnte, bin ich einfach zu ungeduldig, um darauf zu warten, dass die Reihe in Deutsch vollständig erscheint. Ohne erneut Vorwürfe oder Schuldzuschreibungen machen zu wollen, ist es ja offenbar noch ziemlich lange hin, bis es der letzte Band auf den Markt schafft. Ich werde mir das Ganze noch mal durch den Kopf gehen lassen, da ich aufgrund einer ernsthaften Erkrankung meines Hundes im Moment sowieso kein Geld für Bücher ausgeben kann, aber ich gehe davon aus, dass es darauf hinauslaufen wird.
Ich danke dir für deine offenen und ehrlichen Worte und freue mich, dass wir über die zugegeben etwas unglücklichen Umstände in Kontakt gekommen sind. :)
Viele liebe Grüße,
Elli
hey gero,
finde gerade sehr cool, dass ich hier eine Wortmeldung von dir finde. ich halte mich kurz: ich finde, du machst einen fantastischen Job, bin einig mit dir, dass die persönlichen „ups und downs“ nicht in ein online-Forum gehören, habe äusserstes Verständnis für deine Gründe zu allfälligen verzögerungen (denn wer immer sich anmasst, zu behaupten, sein ganzes leben lang tagtäglich 100% leisten zu können, ist einerseits ein Lügner, und dem fehlt andererseits soviel Selbstreflexion hinter einem Autoren bzw. Übersetzer einen tatsächlichen Menschen zu sehen) und wünsche dir weiterhin alles Gute und Freude an deiner Arbeit.
Huhu;
ich schreibe selten in Onlineforen und machte mir auch nicht die Mühe, alle vorangehenden Kommentare zu lesen, also entschuldige ich mich im Voraus, falls ich Dinge wieder hole 🙂
Erst einmal vielen vielen Dank, dass du in Wort fasst, was mich seit Monaten beschäftigt. Ich hatte vor etwa eineinhalb Jahren nach einer wirklich langen und wirklich komplexen Fantasyreihe gesucht und wurde bei Erikson mehr als fündig. Um mich nicht in der Situation wiederzufinden, wo wir jetzt halt eben doch stecken, orienterte ich mich im Vorhinein auch vermeintlich, ob die Reihe schon abgeschlossen ist – aber bedachte natürlich nicht den Stand der Übersetzungen.
Du kannst dir meine Überraschung vorstellen, als im Onlinebuchhandel stand, das Buch käme erst raus. Im März19. Ich war damals schon recht frustriert, weil ich wusste, dass danach ja noch zwei Bücher folgen, und ich sicherlich ein, zwei Jahre warten müsste.
Ha! Ein, zwei Jahre. Irgendwann hiess es November, und soeben war ich wieder kucken, ob sich da was getan hat – jetzt ist’s August20! Sehr verdrossen googlete ich nach Menschen, die ähnlichen Ärger durchleben.
Ich sehe es genau wie du. Malazan ist extrem komplex, ich vergesse ohne Notizen zu nehmen schon während dem Lesen einen guten Teil; jetzt bin ich schon die zweite Reihe am dazwischenscheiben (Rad der Zeit… kommt leider nicht ran, m.E.) und kann mich nur noch bruchstückhaft erinnern. Darum auch das grosse Dilemma, auf Englisch zu wechseln…
Nun dachte ich mir… Die Wartezeit wäre nicht so schlimm, wenn es ein wirklich gutes Wiki gäbe zur Malazan Reihe. Vor dem englischen habe ich logischerweise etwas Angst wegen Spoiler. Und auf deutsch schien es mal was gegeben zu haben, ist aber offline (hab ich zwar schon länger nicht mehr gecheckt, ob das noch so ist).
Gibts da draussen jemanden, den wir animieren könnten, diese sensationelle Reihe zu lesen und zu dokumentieren… auf Deutsch? Oder gibts ein brauchbares Wiki irgendwo, auf Deutsch, und ich hab’s nur noch nicht gefunden?
Wie auch immer – danke nochmals, dass ich meinen Frust hier teilen konnte. Liebe Grüsse aus Basel!
figoe
Blanvalet hatte ich vor ein paar Jahren angeschrieben, da gab es noch die Aussage, dass es aus gesundheitlichen Gründen zu Verzögerungen kommt, sie aber auf die gute Arbeit des bisherigen Übersetzers mit längerer Wartepause setzen wollen. Für Band 18 und 19 steht mittlerweile Simon Weinert als Übersetzer angegeben. Gibt es Herrn Straetmann noch?
Leider kann ich dir das nicht beantworten, denn ich bin am Ende doch auf die englischen Originale umgestiegen. Andere Übersetzungsarbeit ist mir von ihm nicht bekannt. Vor nicht allzu langer Zeit hat er sich hier aber gemeldet, zu einem anderen Thema. :)