Anne Gesthuysen, Jahrgang 1969, durchlebte eine gradlinige Karriere als Fernsehjournalistin und Fernsehmoderatorin, bevor sie 2012 ihr Debüt „Wir sind doch Schwestern“ veröffentlichte. Nach dem Studium führte sie ihr Weg zuerst zum WDR und später zur ARD. Dort übernahm sie 2002 als Moderatorin das ARD-Morgenmagazin MOMA, mit dem sie und ihr Team 2012 den deutschen Fernsehpreis gewannen. 2014 zog sie sich vorübergehend zurück, um sich hauptberuflich der Schriftstellerei zu widmen. Seit 2016 ist sie wieder da und moderiert derzeit die Aktuelle Stunde des WDR.
Wann und warum genau sie begann, an „Wir sind doch Schwestern“ zu arbeiten, konnte ich nicht herausfinden. Bekannt ist hingegen, dass es sich bei diesem Roman um eine Hommage an ihre drei Großtanten handelt, die alle über 80 Jahre alt wurden. Mit dem Buch setzte sie ihnen ein literarisches Denkmal, das zudem als Chronik eines Jahrhunderts betrachtet werden kann.
Die Schwestern Getrud, Paula und Katty wurden zusammen 298 Jahre alt. Als Gertruds 100. Geburtstag ansteht, richtet Katty, die Jüngste, ein rauschendes Fest aus – natürlich auf dem Tellemannshof bei Xanten am Niederrhein, dem sie so viel opferte. Sie hat große Pläne für die Zukunft, die sie zu diesem besonderen Anlass mit ihren Schwestern teilen möchte. Bevor sie zusammen nach vorn schauen können, müssen sie allerdings zuerst zurückblicken.
Zwischen Partyvorbereitungen, starkem Kaffee, eintreffenden Familienmitgliedern und gelegentlichen Schnäpschen durchleben sie gemeinsam ihre Erinnerungen an Kriege, Schicksalsschläge, verpasste Chancen und Veränderungen, die keine von ihnen erwartet hatte. Immer wieder lässt alter Groll die Fetzen fliegen – doch am Ende zählt nur eines: Sie sind Schwestern.
Die Schwestern Getrud, Paula und Katty wurden zusammen 298 Jahre alt. Als Gertruds 100. Geburtstag ansteht, richtet Katty, die Jüngste, ein rauschendes Fest aus – natürlich auf dem Tellemannshof bei Xanten am Niederrhein, dem sie so viel opferte. Sie hat große Pläne für die Zukunft, die sie zu diesem besonderen Anlass mit ihren Schwestern teilen möchte. Bevor sie zusammen nach vorn schauen können, müssen sie allerdings zuerst zurückblicken.
Zwischen Partyvorbereitungen, starkem Kaffee, eintreffenden Familienmitgliedern und gelegentlichen Schnäpschen durchleben sie gemeinsam ihre Erinnerungen an Kriege, Schicksalsschläge, verpasste Chancen und Veränderungen, die keine von ihnen erwartet hatte. Immer wieder lässt alter Groll die Fetzen fliegen – doch am Ende zählt nur eines: Sie sind Schwestern.
„Wir sind doch Schwestern“: Blut war noch nie dicker als Wasser
Ich fand „Wir sind doch Schwestern“ sehr kurzweilig. Natürlich ist unklar, inwieweit die Lebensgeschichten von Getrud, Paula und Katty wahr sind. Wir wissen nicht, wie viele Ereignisse Anne Gesthuysen ausschmückte, dramatisierte oder schlicht erfand. Dennoch ist das Bild, das sie von ihren Großtanten zeichnet, eindrucksvoll. Die drei waren außergewöhnliche Frauen, die sich in einer Zeit behaupteten, die es nicht gut mit Frauen meinte. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht waren sie gar nicht außergewöhnlicher als andere Frauen ihrer Generation. Vielleicht gab es viele wie sie, denen niemand ein Buch widmete.
Aufgrund dieses Gedankengangs betrachte ich „Wir sind doch Schwestern“ als eine Art Stellvertreterlektüre. Ich nahm das Buch und dessen Protagonistinnen als Symbol für all die Frauen des vergangenen Jahrhunderts wahr, die unbesungen bleiben. Aus dieser Perspektive fand ich es höchst interessant, in die mentale wie emotionale Welt von Frauen einzutauchen, die so viel älter sind als ich. Für mich wurde offensichtlich, welche Missverständnisse und fundamental unterschiedlichen Lebensauffassungen der Verständigung der Generationen im Wege stehen.
Aber. Ja, ihr habt es wahrscheinlich schon geahnt: Es gibt ein Aber. Abgesehen von der Erkenntnis, wie Generationenkonflikte entstehen, erschien mir „Wir sind doch Schwestern“ aus mehreren Gründen völlig belanglos. Ich kann mir vorstellen, dass viele Leser_innen Anne Gesthuysens Roman inspirierend finden. Schließlich belegte dieser eine Zeit lang den ersten Platz der SPIEGEL-Bestsellerliste. Doch aus meiner Sicht handelt es sich eher um ein mahnendes Beispiel, wie ich mein Leben nicht gestalten möchte.
Die Schwestern wurden zu stark davon definiert, was sie nie aussprachen, von Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten und Verletzungen, die sie nie überwanden. Wenn ich eines Tages ihr Alter erreiche, möchte ich keinesfalls so viel Ballast mit mir herumschleppen wie diese drei. Ich konnte mich nicht richtig mit ihnen identifizieren, weil ich häufig nicht nachvollziehen konnte, warum sie Konflikte schwären ließen, statt sie zu klären – sei es nun miteinander oder mit Außenstehenden. Zum Teil fiel es mir sogar schwer, sie für ihr Verhalten nicht zu verurteilen.
Der Identifikation scheiterte zudem an einer biografischen Diskrepanz: Ich habe überhaupt keine Beziehung zum Niederrhein oder generell zum ländlichen Westdeutschland, das Getrud, Paula und Katty personifizieren. Meine gesamte Erfahrungswelt orientiert sich an den städtisch geprägten, ostdeutschen Erinnerungen meiner Familie, die natürlich auch, aber nicht nur mit der DDR zusammenhängen. Dadurch konnte ich mich lediglich bedingt in die Ansichten und Hürden hineinversetzen, die Anne Gesthuysen in „Wir sind doch Schwestern“ schildert.
Der häufig geäußerten Kritik, „Wir sind doch Schwestern“ ginge zu unreflektiert mit dem Zweiten Weltkrieg um, kann ich mich hingegen nicht anschließen. Einerseits wird deutlich, dass die Schwestern die Machenschaften der Nazis nie guthießen. Andererseits wäre es heuchlerisch gewesen, zu beschönigen, dass damals viele einfache Leute nur deshalb in die NSDAP eintraten und nicht rebellierten, weil es ihr Leben erleichterte. Keine schöne Wahrheit, aber nichtsdestotrotz wahr.
Es ist Anne Gesthuysen gelungen, das Andenken an ihre drei Großtanten mit „Wir sind doch Schwestern“ zu ehren. Das Buch steckt voller interessanter Anekdoten, die mir eine ältere Generation näherbrachten. Selbstverständlich ist der Einblick in eine andere Familie auch immer auf voyeuristische Weise spannend. Leider hatte die Lektüre darüber hinaus jedoch kaum Mehrwert für mich. Ich bin nicht mal einverstanden mit der angestrebten Kernaussage „Blut ist dicker als Wasser“.
Durch das Porträt der Beziehungen der Schwestern fühle ich mich darin bestätigt, dass diese Redewendung Quatsch ist. Anne Gesthuysens Roman zeigt meiner Meinung nach, dass Blutsverwandtschaft weder ein Freifahrtschein noch ein Garant für familiäre Gefühle ist. Familie beginnt im Herzen, nicht im Blut. Das Sprichwort müsste umgeschrieben werden: Gemeinsam vergossenes Blut ist dicker als Fruchtwasser.
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