African Book Festival 2022

Hallo ihr Lieben 😊

Heute möchte ich euch von meinen Erfahrungen beim African Book Festival 2022 am 27.08. hier in Berlin berichten. Da es sich um ein kleines, lokales Literaturfestival handelt, das sich einem Buchmarkt widmet, der hierzulande (noch) nicht die Popularität erreicht hat, die dieser eigentlich verdient, möchte ich zuerst erklären, was das überhaupt für eine Veranstaltung ist, wer sie ausrichtet und welches Ziel sie verfolgt. Anschließend erzähle ich euch, wie ich auf das Festival aufmerksam wurde. Danach folgt der Bericht meiner Erlebnisse vor Ort und abschließend mein Fazit, ob ich es wieder besuchen würde.

Ich habe den Beitrag mit meinen eigenen Fotos und offiziellen Aufnahmen des African Book Festivals 2022 bebildert, die mir freundlicherweise vom Verlag InterKontinental zur Verfügung gestellt wurden. Meine privaten Bilder sind qualitativ nicht perfekt, weil ich häufig zu weit entfernt von der Bühne saß und die Belichtung in den abgedunkelten Räumen schwierig war. Ich hoffe, dass sie euch trotzdem einen visuellen Eindruck meiner Erfahrungen verschaffen können.

Seid ihr bereit? Dann legen wir los. Besuchen wir das literarische Afrika.

Hintergrund

Was ist das African Book Festival 2022?

Das African Book Festival 2022 war die vierte Ausgabe eines jährlichen Literaturfestivals, das die Kunst des vielseitigen afrikanischen Kontinents in den Mittelpunkt stellt. Mit Lesungen, Interviews, Diskussionsrunden und diversen anderen spannenden Formaten konnten sich Besucher_innen unterschiedlichste Eindrücke der verschiedenen Facetten des kreativen Afrikas verschaffen.

Offizielles Banner des African Book Festival 2022

Offizielles Banner des African Book Festivals 2022 mit einem Porträt des Kurators Lidudumalingani und dem Logo des Festivals. Mit freundlicher Genehmigung von InterKontinental.

Sie konnten afrikanische sowie afrikanisch-stämmige Kulturschaffende treffen und eine Welt kennenlernen, die vielen Europäer_innen noch immer exotisch und fremd erscheint. Bücher, Essen und Begegnungen – so lässt sich das Festival vielleicht am besten zusammenfassen.

Dieses Jahr lautete das Motto „Yesterday. Today. Tomorrow.“ und beschäftigte sich mit generationsübergreifenden Verbindungen afrikanischer Schriftsteller_innen. Dazu passend umfasste das African Book Festival 2022 auch erstmals ein Familienprogramm, in dem Kinderliteratur vorgestellt wurde. Kuratiert wurde das Programm von dem südafrikanischen Schriftsteller, Filmemacher und Fotografen Lidudumalingani. Das Kuratorium wechselt jedes Jahr, ebenso wie der geografische Schwerpunkt des Festivals. 2022 lag der Fokus demnach auf Südafrika, es waren aber auch Autor_innen aus Ghana, Namibia, Uganda und weiteren afrikanischen Ländern anwesend.

Offizielles Banner des African Book Festival 2022

Offizielles Banner des African Book Festivals 2022 mit einem Porträt des Kurators Lidudumalingani und dem Logo des Festivals. Mit freundlicher Genehmigung von InterKontinental.

Wer veranstaltete das African Book Festival 2022?

Das African Book Festival ist das kreative Baby von InterKontinental. Hinter diesem Namen verbirgt sich einerseits der gemeinnützige Verein InterKontinental e.V., der afrikanische Literatur in Deutschland fördert und afrikanische Schrifsteller_innen unterstützt; andererseits handelt es sich um eine Literaturagentur samt Verlag und Buchhandlung in Berlin-Friedrichshain. Deutschlandweit ist Interkontinental der erste Buchladen, der auf afrikanische und afrodiasporische Literatur spezialisiert ist. 2021 erhielt er den deutschen Buchhandlungspreis.

Warum gibt es das African Book Festival?

Hand aufs Herz, wie viele Bücher afrikanischer Autor_innen habt ihr bereits gelesen? Eine Handvoll? Hier und da mal vereinzelt ein Werk? Noch gar keins? Plagt euch jetzt bereits das schlechte Gewissen, kann ich euch ein wenig aus der Pflicht nehmen. Selbstverständlich tragen alle Leser_innen persönlich die Verantwortung für ihre Lektüreauswahl und wer gezielt nach Literatur afrikanischer Schriftsteller_innen sucht, wird sie finden. Aber der deutsche Buchmarkt ist dabei aktuell keine Hilfe.

Bücher afrikanischer Autor_innen sind in den Programmen deutscher Verlage noch immer katastrophal unterrepräsentiert, obwohl der Kontinent über mehrere lebendige, vielfältige und preisgekrönte Literaturszenen verfügt. Hier mal ein Zahlenvergleich, der diesen Fakt untermauert: Von den 102 Büchern, die auf dem African Book Festival 2022 vorgestellt wurden, wurden bisher gerade mal 16 in die deutsche Sprache übersetzt. Da viele afrikanische Schriftsteller_innen in Kolonialsprachen wie Englisch oder Französisch schreiben, kann eine Sprachbarriere nicht als Ausrede herangezogen werden.

Das African Book Festival möchte mit überholten, kolonialrassistisch geprägten Vorurteilen aufräumen und europäischen Leser_innen zeigen, wie viel sie verpassen, wenn sie afrikanischer Literatur keine Beachtung schenken. Dadurch soll der Buchmarkt geöffnet und interkulturelle Verständigung vorangetrieben werden. InterKontinental ist dabei besonders wichtig, authentischen afrikanischen Perspektiven Raum zu geben. Deshalb übernehmen afrikanische Kulturschaffende bei der Gestaltung des Festivals jedes Jahr die künstlerische Leitung.

Wie wurde ich auf das African Book Festival 2022 aufmerksam?

Ich verdanke meinen Besuch beim African Book Festival 2022 meiner lieben Freundin und Kollegin E. Im Gegensatz zu mir kennt sie sich recht gut mit afrikanischer Literatur aus. Sie ist Mitglied im Verein InterKontinental e.V. und erzählte mir erstmals 2021 von dem Festival. Schon letztes Jahr fragte sie mich, ob ich sie gern begleiten würde. Ich weiß nicht mehr, wieso das damals nicht ging, vermutlich gab es in meinem Terminkalender irgendeinen Konflikt. Wie dem auch sei, dieses Jahr schlug sie mir frühzeitig vor, mitzukommen und ich konnte mir den Tag blocken.

Das war besonders passend, weil wir so auch gleich ihren Geburtstag gebührend zelebrieren konnten. Zu diesem freudigen Anlass war ihre Familie zu Gast. Für das Wochenende planten sie neben dem African Book Festival 2022 weitere Unternehmungen, weshalb sie sich entschieden, nicht die gesamten drei Tage des Festivals mitzumachen, sondern nur den Samstag. Ich besorgte mir einen Tagespass und genoss die Monate der Vorfreude.

Ich traf im Vorfeld bewusst die Entscheidung, mich weder über die anwesenden Schriftsteller_innen noch über das Programm und dessen thematische Schwerpunkte zu informieren. Ich wollte vollkommen unvoreingenommen an das African Book Festival 2022 herangehen und es erwartungsfrei auf mich zukommen lassen. Ich wollte meinen Besuch nicht planen, sondern schauen, wie sich der Tag entwickelt.

Einen Abend vorher habe ich dann doch mal in das Programm reingeschnuppert, da ich allerdings schnell feststellte, dass viele interessante Veranstaltungen zeitgleich angesetzt waren, beschloss ich, mich einfach der Gruppendynamik hinzugeben. Besucht man zusammen ein Festival, ob nun Musik oder Literatur, gibt es ja immer Schnittmengen und ich finde, es muss Raum für Flexibilität gegeben sein.

So (un)vorbereitet machte ich mich am 27.08.2022 auf zu einer Reise in unbekannte literarische Kulturen.

Festivalbericht vom African Book Festival 2022

E., ihre Familie und ich trafen uns um 10:40 Uhr vormittags an der Berliner Nikolaikirche. Das African Book Festival 2022 fand in der Alten Münze statt, einem ehemaligen Münzprägewerk, das fußläufig von der Kirche liegt. Das war ursprünglich anders geplant. Nur wenige Tage zuvor hatten die Veranstalter_innen die katastrophale Nachricht erhalten, dass das Festival nicht wie angedacht im Napoleon Komplex in Friedrichshain ausgerichtet werden konnte. Alles stand auf der Kippe, weil das Bauamt am Dienstag (also drei Tage vor der Eröffnung des Festivals) eine Nutzungsuntersagung für die Location erließ.

Niemand kann so richtig nachvollziehen, warum eine sofortige Schließung des Komplexes angeblich notwendig war. Die Betreiber_innen der Spielstätte beteuern, dass sie angezeigte Mängel gewissenhaft beseitigt hatten und nennen die Entscheidung eine wissentliche Verhinderung von Diversität und Kiezkultur. Die Verantwortlichen bei InterKontinental werfen den Behörden vor, gleichgültig Kulturschaffende zu sabotieren, die nach der Corona-Pandemie ohnehin Schwierigkeiten haben, wieder auf die Beine zu kommen. Tatsächlich stößt auch mir dieses Vorgehen des Bezirks sauer auf. Es erscheint mir seltsam, so kurzfristig eine dermaßen radikale Lösung anzuordnen.

Glücklicherweise erklärte sich jedoch die Alte Münze bereit, das African Book Festival 2022 aufzunehmen. Wer sich ein bisschen mit Eventmanagement auskennt oder vielleicht schon mal eine größere private Feier spontan verlegen musste, kann sich vorstellen, was für ein Kraftakt der Umzug für die Veranstalter_innen und freiwilligen Helfenden war. Da muss haufenweise Equipment transportiert und am neuen Ort wieder aufgebaut, alle Beitragenden müssen informiert, das Programm den neuen örtlichen Gegebenheiten angepasst werden und vieles mehr. Es ist eine Mammutaufgabe.

Als wir gegen 11 Uhr an der Alten Münze eintrafen, war es deshalb (und aufgrund einer für Berlin typischen monströsen Baustelle, wie auf dem Foto zu sehen) gar nicht so einfach, den Eingang zum African Book Festival 2022 zu finden. Wir mussten einmal um das Gebäude herumlaufen, beobachteten dann aber am Ende einer schmaleren Sackgasse, wie gerade das Banner zum Festival an einer Häuserwand aufgehängt wurde. Perfektes Timing. Wir stellten uns in die Schlange zur Ticketkontrolle, wurden eingelassen und nahmen uns erst mal einen Moment, um uns zu orientieren.

Die erste Veranstaltung, die wir uns anschauen wollten, begann um 11 Uhr und sollte in der Chapel Bar stattfinden. Insgesamt gab es vier Bühnen: Die Hauptbühne, die Jozi Stage, die AfreeGems Stage (AfreeGems ist ein Online-Spezialitätenhandel für Nüsse, Kaffee, Gewürze und anderes aus Afrika und agierte als Sponsor des Festivals) und die genannte Chapel Bar.

Bis auf die AfreeGems Stage, die draußen im Hof aufgebaut war, befanden sich alle Bühnen in einem Gebäude der Alten Münze. Neben der Open-Air-Bühne mit davor platzierten Sitzgelegenheiten beherbergte der Hof einen kleinen Markt, auf dem afrikanisch-stämmige Händler_innen ganz verschiedene Waren anboten. Von Kulinarischem bis zu Schuhen war alles dabei. Zu Beginn des Festivals waren die Stände aber noch im Aufbau begriffen und unser erster Termin sollte ohnehin in wenigen Minuten starten, daher machten wir uns erst mal auf den Weg zur Chapel Bar.

Die Chapel Bar lag im obersten Stockwerk, also hieß es Treppensteigen. Auf dem Weg nach oben fiel uns auf, dass die Wände mit ausgedruckten Zitaten der Beitragenden und anderen erfolgreichen afrikanischen Schriftsteller_innen verziert waren. Ich fand das wundervoll, weil es so viel Liebe zum Detail bewies. Später entdeckten wir die Zitate auch an vielen anderen Stellen. So konnten die Besucher_innen auf den Wegen zwischen den Veranstaltungen, beim Essen oder Bücher shoppen über Denkanstöße grübeln und diskutieren. Eine tolle Idee.

Das Gebäude selbst erinnerte mich an eine Schule oder Universität: Lange Gänge, die schon bessere Zeiten gesehen haben und zum Teil in recht fragwürdigen Farben gestrichen waren. Gemütlich ist dieses Haus der Alten Münze demnach nicht, aber dank der Ausgestaltung des Festivals kam trotzdem eine einladende Atmosphäre auf. Die Chapel Bar war natürlich auch keine echte Bar, sondern ein langer, schmaler Raum, an dessen einen Ende eine Bühne errichtet worden war. Davor befanden sich ganz klassisch Klappstuhlreihen für Zuhörer_innen. Wir suchten uns Plätze in der hintersten Reihe und warteten darauf, dass es losging.

Foto der Chapel Bar auf dem African Book Festival 2022

Die Chapel Bar während einer anderen Veranstaltung. © Jörg Kandziora Mit freundlicher Genehmigung von InterKontinental

Lesungs-Panel: „What is Cooking? Adding Critical Feminism to the Pot“

Diese erste Veranstaltung war eine Art Lesungs-Panel unter dem Titel „What is Cooking? Adding Critical Feminism to the Pot“. Ja, beinahe alle Formate des African Book Festivals 2022 wurden auf Englisch präsentiert – kein Wunder, schließlich sprechen die meisten afrikanischen Schriftsteller_innen kein oder nur wenig Deutsch. Solltet ihr also je mit dem Gedanken spielen, das Festival auszukundschaften, müsst ihr das bedenken und fit in der englischen Sprache sein. Das Panel sollte von drei Frauen gehalten werden, die sich in einem Kollektiv für Nahrungsgerechtigkeit im südafrikanischen Kapstadt engagieren. Sie betreiben dort ein Netzwerk von Community-Küchen und forschen dazu.

Mir war zuvor nicht klar, dass im Programm nur drei Frauen angekündigt waren, darum überraschte es mich nicht, als ich vier Köpfe auf der Bühne sah. Es handelte sich um Sanelisiwe Nyaba, Nomonde Buthelezi, Adelaide Cupido und Thimna Matika. Alle vier haben Kurzgeschichten zu einer Anthologie beigetragen, die denselben Namen trägt wie das Panel. Darin verarbeiten sie ihre Erfahrungen, Gedanken und Erinnerungen zum Thema Kochen und Ernährung als sozioökonomisches Phänomen. Soweit ich weiß, ist das Buch derzeit noch nicht erschienen. Jede von ihnen hat eine ihrer Geschichten vorgelesen und dem Publikum Einblicke gewährt, warum und wie die jeweilige Kurzgeschichte zustande kam.

Die Lesung entpuppte sich als eine sehr emotionale Veranstaltung. Die Geschichten der vier Frauen sind unheimlich persönlich und eng mit ihren familiären Beziehungen verknüpft. Es gab mehr als einen Moment, in dem eine der Vortragenden beim Vorlesen schwer schlucken und mit den Tränen kämpfen musste. Das berührte mich ungemein, ich wünschte jedoch, wir hätten weiter vorn gesessen. Von ganz hinten waren die Vier schlecht zu hören, da es offenbar technische Probleme gab und nur ein Lautsprecher funktionierte. Hinzu kommt, dass ich nicht an südafrikanisch-akzentuiertes Englisch gewöhnt bin. Dadurch musste ich mich sehr anstrengen, um überhaupt etwas zu verstehen.

Den Gefühlen im Raum tat das allerdings keinen Abbruch. Auch wenn ich nicht alles verstehen konnte, auf der emotionalen Ebene erreichten mich alle vier Frauen mühelos. Ich fühlte, was sie mir erzählten. Das war viel wichtiger als eine makellose Akustik. Es brachte mich zum Nachdenken darüber, inwiefern Ernährung eine soziale Frage ist und für wie viele Frauen die Fähigkeit, ihre Familie auch mit wenig satt zu bekommen, einen Aspekt ihrer Selbstachtung ausmacht.

Das Lesungs-Panel ging eine Stunde. Leider habe ich es während der gesamten Stunde verpasst, Fotos zu machen, worüber ich mich in Nachhinein sehr ärgere. Ich hatte zu Beginn des Festivals noch das Gefühl, dass es unhöflich sein könnte, mitten in einer Veranstaltung aufzustehen und meine Handykamera zu zücken. Das legte sich erst, als ich beobachtete, dass viele andere diese Hemmungen nicht hatten.

Nach diesem schwer verdaulichen, sehr bewegenden Format sehnten wir uns nach etwas Leichtigkeit, deshalb bummelten wir anschließend erst einmal über den Markt, der nun bereits vollständiger war. Bis zur nächsten Veranstaltung hatten wir ohnehin etwa eine halbe Stunde Zeit. Diese nutzten wir, um bunte Stoffe zu bestaunen, kreative Handarbeit zu begutachten und schon einmal das Essensangebot auszukundschaften. E. gönnte sich einen neuen Rucksack, unter tatkräftiger Kaufberatung von mir und ihrem Partner. Im Nachhinein kann ich berichten, dass sie mit ihrer Wahl sehr glücklich ist. 😄

Das nächste Format, das uns interessierte, fand passenderweise auf der AfreeGems Stage statt. Wir mussten deshalb gar nicht auf die Uhr achten, sondern konnten auf dem Hof spazieren, bis Bewegung auf die Open-Air-Bühne kam. Als es so weit war, ergatterten wir Plätze an einer Sitzbank-Tisch-Kombination und freuten uns, nun spannende Leseempfehlungen zu erhalten.

Gesprächsrunde: „Your Next Good Read“

Foto von Xabiso Vili, Emmanuel Iduma, Lerato Mogoathle und Alexandra Antwi-Boasiako bei der Veranstaltung "Your Next Good Read" auf dem African Book Festival 2022

Xabiso Vili, Emmanuel Iduma, Lerato Mogoathle und Alexandra Antwi-Boasiako (v.l.n.r.) © Jörg Kandziora Mit freundlicher Genehmigung von InterKontinental

Das Format war genau das Richtige für Bücherwürmer: Im einstündigen Gespräch mit der Moderatorin Alexandra Antwi-Boasiako verrieten die Schrifsteller_innen Emmanuel Iduma, Lerato Mogoatlhe und Xabiso Vili, welche Bücher sie besonders feiern, welche ihnen weshalb viel bedeuten und welche Werke sie interessierten Leser_innen ans Herz legen möchten. Ich hörte ihnen allen sehr gern zu, weil es ein lockeres, humorvolles Gespräch war, das mich bei meiner Leidenschaft packte.

Nicht alle Empfehlungen trafen genau meinen Geschmack – zum Beispiel stellte Xabiso Vili, der Südafrika in den Poetry Slam Weltmeisterschaften Ende September in Brüssel vertreten wird, einen Gedichtband vor – aber es war einfach schön, andere Menschen so für Literatur brennen zu sehen. Außerdem ist es immer faszinierend, zu erfahren, wie Autor_innen ihre eigene Lektüreauswahl treffen und wie ihre Arbeit sie dabei beeinflusst.

Auf mich hatte die lebhafte Empfehlung der Autorin und Journalistin Lerato Mogoatlhe den größten Effekt.

Sie präsentierte den historischen Roman „Scatterlings“ von Rešoketšwe Manenzhe und sprach so beeindruckend davon, dass ich am liebsten sofort losgezogen wäre, um ihn zu kaufen. Den Titel hatte ich nicht mitbekommen, war aber zuversichtlich, das Cover zu erkennen. Wie praktisch, dass es auf dem African Book Festival 2022 selbstverständlich einen Buchladen gab. Dieser war unser nächstes Ziel.

Normalerweise hat die Alte Münze keinen Buchladen. Die Veranstalter_innen des Festivals funktionierten dafür die unterste Etage des Gebäudes um. Das war clever, weil Besucher_innen so an hunderten Büchern vorbeigehen mussten, wenn sie zur Hauptbühne im linken Flügel gelangen wollten. Rückblickend finde ich es ziemlich bemerkenswert, wie groß die Auswahl war. Schließlich mussten all diese Exemplare erst mal zur Location hingekarrt werden – und das auch noch sehr kurzfristig.

Vermutlich handelte es sich um das reguläre Sortiment von InterKontinental. Es gab natürlich Werke der auftretenden Schrifsteller_innen zu kaufen, aber auch Bücher anderer Autor_innen. Zum Beispiel habe ich auf einem Tisch „The Hate U Give“ von Angie Thomas entdeckt. Neben Romanen wurden Sachbücher, Ratgeber und Anthologien angeboten. Es gab ein englisches und ein deutsches Sortiment, die Zusammenstellung erschien mir allerdings etwas willkürlich. Einige Bücher gab es nur auf Englisch, andere nur auf Deutsch, bei wieder anderen war das Verhältnis ausgeglichen.

Der Andrang war wie zu erwarten groß, es wurde aber nie so voll, dass ich nicht mehr stöbern konnte. Bei diesem ersten Abstecher in den Laden war mir wichtig, auf meinen Bauch zu hören, impulsiv die Bücher anzuschauen, die mir ins Auge stachen und nur diejenigen mitzunehmen, die wirklich etwas in mir auslösten. In einem Setting wie dem African Book Festival 2022 lässt sich der gemeine Bücherwurm ja gern mal mitreißen und anstecken, bis auf einmal ein ganzer Stapel neuer Exemplare nach Hause gewuchtet werden muss und man sich fragt, ob wohl kurzfristig ein Logistikunternehmen einspringen kann. Einige von euch kennen dieses Phänomen vermutlich von den Buchmessen.

Das wollte ich nicht. Ich wollte sichergehen, nur Bücher auszusuchen, die ich auch ohne die Aufregung des Festivals interessant fände und mit denen ich sehr wahrscheinlich eine positive Leseerfahrung erleben würde. Deshalb ignorierte ich sogar E.s euphorische Empfehlungen, was sie mir glücklicherweise nicht übelnahm. Meinen Einstieg in die afrikanische Literatur wollte ich eigenständig gestalten. Ich schlenderte durch die Regal- und Tischreihen, nahm hier und dort mal ein Buch in die Hand und wartete darauf, dass mein Bauch mir Zeichen sendete.

Das erste Mal rührte er sich, als ich mir „Brüder“ von Jackie Thomae ansah. Der Roman erzählt die Geschichte von zwei Brüdern, die beide in der DDR aufwachsen, im weiteren Verlauf ihrer Leben jedoch völlig unterschiedliche Wege einschlagen. Das Einzige, das sie auf den ersten Blick gemeinsam haben, ist die Hautfarbe, die ihr Vater ihnen vererbte. Die Verbindung zur ostdeutschen Historie resonierte sofort in mir, also klemmte ich mir das Buch kurzentschlossen unter den Arm und zog weiter.

Für das zweite Zeichen brauchte mein Bauch etwas länger. Durch das wunderschöne farbenfrohe Cover wurde ich auf „The Last Gift of the Master Artists“ von Ben Okri aufmerksam. Der Klappentext klang interessant, überzeugte mich aber noch nicht vollends. Ich schlug das Buch auf und las in die Einleitung des Autors rein. Dort fand ich folgenden Satz:

„My main intention in the writing of the novel was to imagine the time before the lives of Africans changed forever, just before the Atlantic slave trade.”

(„Mein Hauptanliegen beim Schreiben dieses Romans war, mir die Zeit vorzustellen, bevor sich die Leben von Afrikaner_innen für immer veränderten, kurz vor dem atlantischen Sklavenhandel.“)

Boom, mein Bauch machte einen Salto und das Buch wanderte zu „Brüder“ unter meinen Arm. Ich musste keine Sekunde überlegen und freue mich bereits jetzt sehr auf die Lektüre.

Nach diesen zwei Erlebnissen hatte ich erst einmal genug. Plötzlich fühlte ich mich von der Auswahl überfordert und wollte nur noch raus. Ich war zwar etwas enttäuscht, dass ich „Scatterlings“ noch nicht entdeckt hatte, nahm mir aber lose vor, später noch einmal danach zu suchen.

Ich bezahlte meine zwei neuen Bücher und gesellte mich zu E. und ihrer Familie an einem Stehtisch im Hof. Während ich noch stöberte, hatten sie sich schon an einem der Stände etwas zu essen besorgt. Ich wusste, dass wir bis zur nächsten Veranstaltung etwa eine halbe Stunde Zeit hatten. Nachdem er im Buchladen so beansprucht wurde, verkündete auch mein Bauch, dass er gern gefüttert werden würde. Ich gab nach.

Boom, mein Bauch machte einen Salto und das Buch wanderte zu „Brüder“ unter meinen Arm. Ich musste keine Sekunde überlegen und freue mich bereits jetzt sehr auf die Lektüre.

Nach diesen zwei Erlebnissen hatte ich erst einmal genug. Plötzlich fühlte ich mich von der Auswahl überfordert und wollte nur noch raus. Ich war zwar etwas enttäuscht, dass ich „Scatterlings“ noch nicht entdeckt hatte, nahm mir aber lose vor, später noch einmal danach zu suchen.

Ich bezahlte meine zwei neuen Bücher und gesellte mich zu E. und ihrer Familie an einem Stehtisch im Hof. Während ich noch stöberte, hatten sie sich schon an einem der Stände etwas zu essen besorgt. Ich wusste, dass wir bis zur nächsten Veranstaltung etwa eine halbe Stunde Zeit hatten. Nachdem er im Buchladen so beansprucht wurde, verkündete auch mein Bauch, dass er gern gefüttert werden würde. Ich gab nach.

Ich holte mir einen „I don’t know“-Teller in der Veggie-Variante. Für Menschen wie mich, die sich oft schwer damit tun, sich für nur ein unbekanntes Gericht zu entscheiden, ist das eine ganz wundervolle Option, denn der „I don’t know“-Teller enthielt alles, was es am Stand gab. Ich kriege nicht mehr jede Einzelheit zusammen, aber ich erinnere mich, dass Kidneybohnen, Reis, Puff-Puff (frittierte Weizenbällchen) und Erdnusssoße dabei waren. Ich fand alles sehr lecker und fühlte mich von der Portionsgröße angenehm gesättigt.

Mit neuer Energie und zufriedengestelltem Bauch konnte es weitergehen. Mittlerweile war es kurz vor 14 Uhr – höchste Zeit für „New Daughters of Africa“.

Interview: „New Daughters of Africa“

Foto von Margaret Busby und Dr. Athambile Masola während der Veranstaltung "New Daughters of Africa" auf dem African Book Festival 2022

Dr. Athambile Masola und Margaret Busby stellten in einem Interview gemeinsam "New Daughters of Africa" vor.

Das Interview zwischen der Herausgeberin, Autorin, Journalistin und Kritikerin Margaret Busby und Dr. Athambile Masola – Dichterin, Schriftstellerin, Wissenschaftlerin und Lehrerin – zur Neuauflage der Anthologie „New Daughters of Africa“ fand auf der Jozi Stage statt. Diese war im Erdgeschoss am hintersten Ende des Festivalgeländes aufgebaut, in einem größeren Raum, der links am Fuß der Treppe lag, die uns zur Chapel Bar geführt hatte. Nach unserer Erfahrung bei „What is Cooking? Adding Critical Feminism to the Pot“ wollten wir dieses Mal weiter vorn sitzen, um besser hören zu können. Das gelang uns auch: Wir suchten uns Plätze in der zweiten Reihe.

Auf der Bühne stand ein Sofa, auf dem Athambile Masola schon Platz genommen hatte. Während wir alle auf Margaret Busby warteten, füllte sich der Saal. Ich staunte nicht schlecht, als sich Lerato Mogoatlhe schräg rechts vor mich in die erste Reihe setzte. Ich fand es nicht selbstverständlich, dass sich die eingeladenen Autor_innen Veranstaltungen ihrer Kolleg_innen ansahen und war positiv überrascht, dass sich Mogoatlhe die Zeit dafür nahm.

Foto von Margaret Busby während der Veranstaltung "New Daughters of Africa" auf dem African Book Festival 2022

Margaret Busby

Ihr Interesse hing sicher auch mit dem Star des Interviews zusammen. Ich weiß persönlich nur sehr wenig über sie, begriff angesichts der Reaktionen des Publikums jedoch schnell, dass Margaret Busby als Ikone und Vorreiterin afrikanischer und afrodiasporischer Literatur verehrt wird. Sie wurde 1944 in Ghana geboren. In den 60ern gründete sie in London gemeinsam mit Clive Allison den Verlag Allison and Busby (A & B). Damit war sie Großbritanniens jüngste und erste Schwarze Verlegerin.

1992 kuratierte sie als Herausgeberin die Anthologie „Daughters of Africa“, zu der über 200 afrikanische, afrikanisch-stämmige und afrodiasporische Schriftstellerinnen mit Kurzgeschichten, Gedichten, Essays und anderen Formaten beitrugen. Die Sammlung gilt als Meilenstein der weiblichen Schwarzen Literatur und wurde auf dem African Book Festival 2022 wie ein Standardwerk behandelt, dessen Lektüre vorausgesetzt werden kann.

Ich habe „Daughters of Africa“ nie gelesen. Das war aber keine Hürde, um dem Interview folgen zu können. Margaret Busby und Dr. Athambile Masola sprachen über „New Daughters of Africa”, das 2019 erschien und in Fortsetzung des ursprünglichen Anthologie-Konzepts erneut über 200 Schriftstellerinnen vorstellt.

Foto von Margaret Busby während der Veranstaltung "New Daughters of Africa" auf dem African Book Festival 2022

Margaret Busby

Obwohl ich den ersten Band nicht kenne, kam in dem Dialog der beiden Autorinnen greifbar rüber, was diese Form der Aufmerksamkeit für die Schwarze Community und natürlich vor allem für Schwarze Frauen bedeutet. Ziel der Sammlungen ist Sichtbarkeit. Damals wie heute. Sie fungieren als Leuchtturm gegen Marginalisierung und das systematische Übergehen weiblicher Schwarzer Stimmen. Ich kann verstehen, wie wichtig „Daughters of Africa“ und „New Daughters of Africa“ deshalb besonders für Frauen sind, die aufgrund ihrer Schwarzen, afrikanischen Identität im Konflikt mit der Gesellschaft stehen.

Das einstündige Interview war für mich sehr inspirierend und ich überlege nun, die beiden Anthologien meinem Bücherregal hinzuzufügen. Sie erscheinen mir als hervorragende Quellen, um afrikanische Schriftstellerinnen kennenzulernen. Allerdings sind beide Werke über 1.000 Seiten stark und als Sammlungen verschiedener literarischer Gattung nicht so leicht in meinen Alltag zu integrieren. Ich bin daher noch etwas unentschlossen.

Nach „New Daughters of Africa“ hatten wir erneut etwas Zeit zur freien Verfügung. Die nächste Veranstaltung, die uns interessierte, sollte erst um 16 Uhr beginnen. Wir schlenderten noch einmal über den Markt und schauten uns im Buchladen um. Wieder konnte ich „Scatterlings“ im Sortiment nicht finden.

Danach blieb uns immer noch eine halbe Stunde, daher beschlossen E.s Partner (mit dem ich ebenfalls schon lange befreundet bin) und ich, den späten Nachmittag und Abend mit einem kleinen Bier einzuläuten. E. selbst versuchte währenddessen, am Merch-Stand des African Book Festivals 2022 ein T-Shirt in passender Größe und Farbe zu ergattern. Sie hatte leider keinen Erfolg – ausgerechnet ihr gewünschtes Modell war nicht mehr vorrätig. Durch die Sucherei waren wir dann doch etwas spät dran, schafften es aber gerade noch rechtzeitig zur nächsten Veranstaltung auf der Jozi Stage.

Interview: „The First Woman“

Es handelte sich um ein Interview zwischen Jennifer Nansubuga Makumbi und Musa Okwonga zu Makumbis letzter Veröffentlichung „The First Woman“. Mir war das Buch in der Buchhandlung des African Book Festivals 2022 aufgefallen, der Klappentext konnte mich jedoch nicht überzeugen. Ohne E. und ihre Familie hätte ich mir das Interview wahrscheinlich gar nicht angesehen. Tja, da hätte ich was verpasst.

Foto von Musa Okwonga und Jennifer Nansubuga Makumbi bei einem Interview zu "The First Woman" auf dem African Book Festival 2022

Musa Okwonga interviewte Jennifer Nansubuga Makumbi.

Okwonga stellte der Schriftstellerin aus Uganda einige Fragen zur Entstehungsgeschichte von „The First Woman“, auf die sie sehr interessante Antworten gab. Je länger sie erzählte, mit wie vielen Hindernissen sie zu kämpfen hatte und wie lange es dauerte, bis sie einen Verlag fand, der bereit war, ihr Manuskript zu veröffentlichen, desto sympathischer wurde sie mir und desto neugieriger wurde ich auch auf „The First Woman“.

Außerdem stellte ich fest, dass der Klappentext offenbar unzureichend ist und die meisten Facetten der Geschichte ausklammert. Angepriesen wird das Buch als typischer Coming of Age – Roman, doch durch das Gespräch zwischen Jennifer Makumbi und Musa Okwonga hörte ich heraus, dass das nur die halbe Wahrheit ist. „The First Woman“ vereint Historie, magischen Realismus und kulturelle Identität durch einen Erzählstil, der Leser_innen aktiv einbezieht.

Makumbi erklärte, dass sie es als Leserin hasst, wenn ihr alle Antworten auf dem Silbertablett präsentiert werden, weil das oft wirkt, als würden Autor_innen die Intelligenz ihres Publikums in Frage stellen. Das brachte mich zum Schmunzeln, denn ich lobe Bücher ebenfalls dafür, wenn sie Leser_innen zum Mitdenken einladen. Makumbi achtet deshalb darauf, in jedem ihrer Werke Vertrauen zu beweisen und ihren Leser_innen den Spielraum zuzugestehen, selbst Verknüpfungen und Zusammenhänge herzustellen.

Foto von A. Igoni Barrett und Jennifer Nansubuga Makumbi auf dem African Book Festival 2022

A. Igoni Barrett Arm in Arm mit Jennifer Nansubuga Makumbi. © Jörg Kandziora Mit freundlicher Genehmigung von InterKontinental

Da ich selbst kein gescheites Foto von Jennifer Nansubuga Makumbi schießen konnte, habe ich auf das offizielle Bildmaterial von InterKontinental zurückgegriffen. Auf diesem seht ihr sie gemeinsam mit A. Igoni Barrett, der ebenfalls Autor ist und auf den wir später noch zu sprechen kommen. Meiner Meinung nach fängt dieses Foto hervorragend ein, was für eine positive, lebenslustige und herzliche Ausstrahlung sie hat.

Am Ende des Interviews war es Makumbi gelungen, mich für sie und „The First Woman“ zu gewinnen. Ich stand auf und marschierte schnurstracks zum Buchladen, um mir sofort ein Exemplar zu besorgen. Bedauerlicherweise war ich nicht die erste und einzige, die diese Idee hatte. „The First Woman“ war ausverkauft. Es gab noch deutsche Ausgaben, aber ihr wisst ja, dass ich Originale bevorzuge.

Ich gab jedoch nicht sofort auf und kehrte zur Jozi Stage zurück, denn bei jeder Veranstaltung zu einem bestimmten Buch gab es neben der Bühne einen kleinen Stand, an dem Exemplare gekauft werden konnten.

Foto von A. Igoni Barrett und Jennifer Nansubuga Makumbi auf dem African Book Festival 2022

A. Igoni Barrett Arm in Arm mit Jennifer Nansubuga Makumbi. © Jörg Kandziora Mit freundlicher Genehmigung von InterKontinental

Ich hatte die freundliche Verkäuferin gerade gefragt, ob sie noch eine englische Ausgabe vorrätig hätten, als die Hauptverantwortliche des Buchladens hereinrauschte und genau dasselbe wissen wollte. Die Verkäuferin antwortete uns beiden: „The First Woman“ war restlos ausverkauft, nichts zu machen. Ich gratulierte ihnen zu diesem Erfolg und zog von dannen. Dann beschaffe ich mir „The First Woman“ eben doch gebraucht. Meinem Geldbeutel kommt das zugute, daher war ich nicht allzu enttäuscht. Es steht jetzt auf meiner Wunschliste und ich warte geduldig darauf, dass es günstig gebraucht verfügbar wird.

Dem Programm zufolge hätten E., ihr Partner und ich nun eine Stunde Zeit bis zur nächsten Veranstaltung gehabt, die wir uns ansehen wollten. E.s Familie war hingegen an einem Interview interessiert, das direkt im Anschluss auf der Hauptbühne stattfand. So liebevoll das African Book Festival 2022 gestaltet war, hatte ich keine Lust, noch einmal eine Stunde totzuschlagen, über den Markt zu schlendern oder im Buchladen herumzulungern. Es ist eben nur ein kleines Festival, nicht vergleichbar mit einer Buchmesse und die Möglichkeiten, Neues zu entdecken, sind begrenzt. Bevor ich mich langweilte, wollte ich dann doch lieber eine weitere Veranstaltung einschieben. Wir schlossen uns an.

Interview: „Tanz der Teufel“

„Tanz der Teufel“ von Fiston Mwanza Mujila war mir ähnlich wie „The First Woman“ bereits im Buchladen auf dem African Book Festival 2022 begegnet. Anders als bei „The First Woman“ hatte mir mein Bauch beim Lesen des Klappentextes allerdings unmissverständlich mitgeteilt, dass dieses Buch für mich kategorisch nicht in Frage kam. Die Kurzbeschreibung klang meiner Meinung nach erratisch, bizarr und zu … entrückt. Ich war mir sicher, dass ich mit dieser Lektüre keine Freude haben würde. Dennoch war ich offen dafür, den kongolesisch-österreichischen Schriftsteller kennenzulernen.

Als E., ihr Partner und ich an der Hauptbühne eintrafen und uns Plätze recht weit hinten nahe einem geöffneten Fenster suchten, war das Gespräch zwischen Fiston Mwanza Mujila und Susanne Gehmann schon in vollem Gange. Ich war überrascht, dass das Interview auf Deutsch stattfand, da ich nicht wusste, dass Mwanza Mujila seit 2009 in Graz lebt. Passenderweise war Sprache als Ausdruck von Identität auch ein Thema des Interviews.

Susanne Gehmann fragte den Autor, warum er „Tanz der Teufel“ im Original in Französisch unter dem Titel „La danse du vilain“ schrieb, während er sein vorheriges Werk, ein Theaterstück mit dem Titel „Zu der Zeit der Königin Mutter“, auf Deutsch verfasste. Seine Antwort faszinierte mich und eröffnete mir eine völlig neue Perspektive auf meine Muttersprache.

Foto von Fiston Mwanza Mujila und Susanne Gehmann bei einem Interview zu "Tanz der Teufel" auf dem African Book Festival 2022

Susanne Gehmann im Gespräch mit Fiston Mwanza Mujila zu seinem Roman "Tanz der Teufel".

Mwanza Mujila erklärte, dass „Tanz der Teufel“ von seiner Heimat erzählt. Die Demokratische Republik Kongo war bis 1960 eine belgische Kolonie. Deshalb sah er keine andere Option, als auf Französisch zu schreiben, obwohl es sich dabei um die Sprache der Kolonist_innen handelt. Wie ich ihn verstanden habe, ging es dabei auch darum, sich das Französische anzueignen, das trotz der blutigen, schmerzvollen Historie (und Gegenwart) des Kongo heute zur Identität und Kultur der Kongoles_innen gehört.

Die Entscheidung, das Theaterstück auf Deutsch zu schreiben, empfand er hingegen als Befreiung. Dadurch musste er sich nicht damit auseinandersetzen, welchen Teil seiner eigenen Persönlichkeit und Identität er damit auslebte: Den Teil, der Französisch spricht oder den Teil, der Swahili spricht. Er konnte sich von den Ketten seines inneren Konflikts lösen und einfach kreativ sein. Aus meiner Sicht ist das eine wundervolle Herangehensweise und auch E. bemerkte während der Veranstaltung, dass das eine bewusste Verwendung des Deutschen ist, der man sonst nicht oft begegnet.

Nach diesem spannenden Einblick in die Gedankenwelt von Fiston Mwanza Mujila wollte der Schriftsteller eine Passage aus „Tanz der Teufel“ lesen – ebenfalls auf Deutsch. Ich weiß nicht, wie ich beschreiben soll, was dann passierte. Plötzlich veränderte sich Mwanza Mujilas Stimme, er schrie die einleitenden Sätze des Buches fast heraus und lachte dabei immer wieder irre.

Mir ist natürlich klar, dass er dem Publikum genau die Lesart präsentierte, in der er „Tanz der Teufel“ auch geschrieben hatte; wir hörten den Text, wie er in seinem Kopf existiert. Ich weiß das auf der theoretischen Ebene zu schätzen, aber ganz ehrlich, das war grotesk. Ich war völlig irritiert und fühlte mich in meiner Entscheidung, „Tanz der Teufel“ niemals zu lesen, mehr als bestätigt.

Während ich noch zu verarbeiten versuchte, was ich da hörte, drehte sich E. zu mir um und sagte in der ihr eigenen, diplomatischen Art: „Also ich wäre jetzt auch bereit, zu gehen“. Ich überlegte kurz, ob ich mir die Unhöflichkeit, mitten in einer Lesung den Saal zu verlassen, erlauben konnte, befand jedoch, dass ich mir diese absurde Erfahrung ersparen konnte. Wir kehrten der Hauptbühne sang- und klanglos den Rücken. E.s Familie blieb hingegen.

Dadurch hatten wir drei nun doch wieder Freizeit, bis um 18 Uhr die nächste Veranstaltung beginnen sollte. Diese sollte auf der AfreeGems-Bühne im Hof stattfinden. Wie ihr euch sicher erinnert, mussten Besucher_innen durch den Buchladen, um aus dem Gebäude nach draußen zu gelangen. Tja, und was passiert, wenn drei Bücherwürmer nichts zu tun haben und unvermittelt in einem Buchladen stehen? Richtig.

Ich war zu diesem Zeitpunkt eigentlich entschlossen, nichts mehr zu kaufen. Ich war müde und übersättigt von den vielen neuen Eindrücken des Tages. Ich fühlte mich nicht in der Verfassung, weitere Bücher auszusuchen. Ich spazierte zwar noch einmal an den Tischen und Regalen vorbei, befasste mich aber nicht wirklich mit der Auslage und ließ lediglich meine Augen schweifen. Dabei entdeckte ich es. Endlich. Zwischen den vielen anderen Büchern blitzte ein blaues Cover auf: Auf einem Tisch lag „Scatterlings“ von Rešoketšwe Manenzhe.

Ich schnappte mir ein Exemplar, prüfte noch einmal kurz den Klappentext, weil ich den Titel ja nicht mitbekommen und nur das Cover wiedererkannt hatte. Ich war mir sicher. Das war das Buch, das Lerato Mogoatlhe so leidenschaftlich vorgestellt hatte. Mein Bauch machte einen Satz. Aufgeregt lief ich zu E. und ihrem Partner und zeigte ihnen freudestrahlend meinen Schatz. Sie freuten sich mit mir – das ist das Schöne daran, wenn man zusammen Bücher shoppt. Ich bezahlte und gemeinsam gingen wir nach draußen.

Cover des Buches "Scatterlings" von Rešoketšwe Manenzhe

Mit ausreichend Zeit zur Verfügung beschlossen wir, einen weiteren Essensstand auszuprobieren. Wir entschieden uns für einen gemischten Veggie-Teller, den wir uns zu dritt teilen wollten und machten es uns schon mal auf einer Bank vor der AfreeGems Stage gemütlich. Hier konnten wir bleiben, bis es losging. Das Essen war lecker, ich fand den „I don’t know“-Teller vom ersten Stand allerdings besser. Während wir unsere Portion mampften, begann es langsam zu tröpfeln.

Den ganzen Tag über war das Wetter nicht berauschend, aber zumindest trocken. Jetzt sah es so aus, als könnten sich die Himmelsschleusen jeden Moment vollends öffnen. Die Androhung von Regen war eventuell der Grund, warum die 18 Uhr – Veranstaltung von der Open Air – Bühne auf die Hauptbühne verlegt wurde. Die Technik war zwar überdacht, doch für Besucher_innen gab es nur wenig Unterstellmöglichkeiten. Kurz vor Beginn informierte uns daher eine Mitarbeiterin über die spontane Verlegung.

Panel: „Long Story Short“

Also dackelten wir wieder zurück zur Hauptbühne. Im Vorraum lief uns E.s Familie über den Weg; sie hatten noch nicht von der Verlegung erfahren. Wir klärten sie auf, sie wollten jedoch gern noch kurz Luft schnappen. Wir suchten uns schon mal Plätze, dieses Mal etwas weiter vorn, und beobachteten, wie die Bühne umgestaltet wurde.

Die Veranstaltung war eine Paneldiskussion mit dem Titel „Long Story Short“. Wie ihr euch jetzt sicher schon denken könnt, ging es um Kurzgeschichten, die sich in der afrikanischen Literatur aktuell wohl zunehmender Beliebtheit erfreuen. Seit meinem Blogprojekt „Robert E. Howard & Conan der Barbar“ habe ich eine spezielle Beziehung zur Gattung der Kurzgeschichte, deshalb wollte ich mir unbedingt anhören, was moderne Autor_innen zu diesem Thema zu sagen haben.

Foto von Bongani Kona, Joanne Hichens, Niq Mhlongo, Rešoketšwe Manenzhe und A. Igoni Barrett bei der Veranstaltung "Long Story Short" auf dem African Book Festival 2022

Bongani Kona, Joanne Hichens, Niq Mhlongo, Rešoketšwe Manenzhe und A. Igoni Barrett (v.l.n.r.). In der Hintergrundpräsentation gab es einen kleinen Wortdreher, das Panel wurde im Programm aber als „Long Story Short“ benannt.

Auf dem roten Sofa auf der Bühne nahmen vier erfolgreiche Schriftsteller_innen Platz: Niq Mhlongo, Joanne Hichens, Rešoketšwe Manenzhe und A. Igoni Barrett. Die Moderation übernahm Bongani Kona, der ebenfalls ein bekannter Autor und Redakteur ist. Schon bei der Begrüßung sicherte er sich meine Sympathie, denn er entschuldigte sich für den kurzfristigen Standortwechsel und eröffnete, dass er mit spontanen Änderungen so seine Probleme hat. Damit konnte ich mich definitiv identifizieren.

Er erklärte außerdem, dass das Panel leider kürzer ausfallen musste und nur eine dreiviertel Stunde statt einer ganzen Stunde dauern würde. Deshalb musste er den Ablauf ein wenig zusammenstauchen. Wir würden auf eine ausführliche Vorstellungsrunde verzichten. Die Autor_innen würden ihren Namen nennen und dann direkt Auszüge aus ihren Kurzgeschichten vorlesen. Er übergab das Wort an A. Igoni Barrett.

Der Reihe nach lasen die Schriftsteller_innen Abschnitte ihrer Geschichten vor. Sie deckten sehr unterschiedliche Themen ab, ich muss aber zugeben, dass ich mich kaum noch an die Inhalte erinnern kann und das Panel auch insgesamt recht vage in meinem Gedächtnis verankert ist.

Vermutlich war mein Hirn zu diesem Zeitpunkt bereits völlig überlastet. Das African Book Festival 2022 hatte mich mit so vielen Sinneseindrücken konfrontiert, dass ich Neues am Abend nur noch bruchstückhaft aufnehmen konnte.

Ich weiß allerdings noch, dass ich das Panel nicht ganz so befriedigend und anregend fand, wie ich mir erhofft hatte. Durch die zeitliche Einschränkung konnte die Gesprächsrunde nicht in die Tiefe gehen und blieb ziemlich oberflächlich. Weder die vorbereiteten Fragen von Bongani Kona noch die Fragen des Publikums konnten richtig diskutiert werden.

Es ging auch gar nicht wirklich um die Kurzgeschichte als literarische Gattung. Vielmehr berichteten die Schriftsteller_innen von ihren persönlichen Beziehungen zur Kurzprosa. Zum Beispiel wurde besprochen, ob Joanne Hichens als weiße Südafrikanerin das Recht hat, sich für ihre Geschichte in einen Schwarzen Vater in den mittleren Jahren hineinzuversetzen. Auf eine andere Frage hin benannten alle Autor_innen eine der wichtigsten Kurzgeschichten für ihr Leben und ihre Karriere. Das war zwar interessant, aber nicht die literaturtheoretische Auseinandersetzung, die ich erwartet hatte.

Abschied

Am Ende des Panels war ich durch. Ich wollte keine einzige Veranstaltung mehr sehen. Für mich war das African Book Festival 2022 in diesem Moment beendet, weil ich mich einfach bis obenhin vollgestopft mit Reizen fühlte. E. und ihrer Familie ging es genauso. Das war jedoch nicht tragisch. Auf dem Programm standen ohnehin nur noch drei offizielle Termine.

Die Lesung zu „1000 Serpentinen Angst“ von Olivia Wenzel hätten wir noch mitnehmen können, das danach angesetzte Konzert des Musikers Bongeziwe Mabandla war hingegen nicht im Tagespass für Samstag enthalten und hätte zusätzlich bezahlt werden müssen. Dasselbe galt für die „Yesterday. Today. Tomorrow.“-Party, die den Tag abschloss. Aber mal ehrlich, die Party sollte erst 22.30 Uhr starten, es war von Beginn an unrealistisch, dass ich so lange durchhalten würde. Im Grunde verzichteten wir also nur auf eine einzige Veranstaltung, was uns komplett vertretbar erschien.

Foto des Innenhofs der Alten Münze während des African Book Festivals 2022

Ein letzter Blick in den Innenhof der Alten Münze, auf dem für das African Book Festival 2022 ein Markt mit Ständen und Sitzgelegenheiten aufgebaut war.

Wir versammelten uns noch einmal draußen unter einer überdachten Sitzecke, die etwas abseitsstand, weil das Wetter mittlerweile wirklich ungemütlich geworden war. E. und ihre Familie besprachen, wie und wo sie den Rest des Abends gestalten wollten. Ich entschied, sie nicht zu begleiten, denn ich war müde, wollte nach Hause und hatte mit dem Lieblingsmenschen vereinbart, dass er uns Essen bestellen würde, während ich auf dem Heimweg war. Ich empfahl ihnen eins meiner Lieblingsrestaurants und nachdem sich alle einverstanden mit meinem Vorschlag erklärt hatten, verließen wir zusammen das African Book Festival 2022.

Wir verabschiedeten uns etwas unzeremoniell mitten an einer großen Kreuzung, an der sich unsere Wege trennten. Ich lief zum Alexanderplatz, um von dort mit der U-Bahn heimzufahren, sie wollten mit der Straßenbahn weiterfahren. Der kleine Fußweg allein tat mir gut, denn so konnte ich den ereignisreichen Tag noch einmal Revue passieren lassen.

Wir versammelten uns noch einmal draußen unter einer überdachten Sitzecke, die etwas abseitsstand, weil das Wetter mittlerweile wirklich ungemütlich geworden war. E. und ihre Familie besprachen, wie und wo sie den Rest des Abends gestalten wollten. Ich entschied, sie nicht zu begleiten, denn ich war müde, wollte nach Hause und hatte mit dem Lieblingsmenschen vereinbart, dass er uns Essen bestellen würde, während ich auf dem Heimweg war. Ich empfahl ihnen eins meiner Lieblingsrestaurants und nachdem sich alle einverstanden mit meinem Vorschlag erklärt hatten, verließen wir zusammen das African Book Festival 2022.

Wir verabschiedeten uns etwas unzeremoniell mitten an einer großen Kreuzung, an der sich unsere Wege trennten. Ich lief zum Alexanderplatz, um von dort mit der U-Bahn heimzufahren, sie wollten mit der Straßenbahn weiterfahren. Der kleine Fußweg allein tat mir gut, denn so konnte ich den ereignisreichen Tag noch einmal Revue passieren lassen.

Foto des Innenhofs der Alten Münze während des African Book Festivals 2022

Ein letzter Blick in den Innenhof der Alten Münze, auf dem für das African Book Festival 2022 ein Markt mit Ständen und Sitzgelegenheiten aufgebaut war.

African Book Festival 2022: Fazit

Das African Book Festival 2022 war für mich ein voller Erfolg. Es war ein Geschenk, eine wunderbare Erfahrung, die ich jedes Jahr wiederholen würde. Ich bin E. äußerst dankbar, dass sie mich mitgenommen und mir eine unbekannte literarische Welt gezeigt hat, die ich nun voller Elan für mich erkunden kann. 2023 bin ich – sofern es mein Terminkalender zulässt – ganz bestimmt wieder dabei.

Für mich hat das Festival die perfekte Größe. Da es sich (noch) um Nischenliteratur handelt, waren weder die Location noch die einzelnen Veranstaltungen überlaufen. Ich konnte mich überall frei bewegen, ohne anderen Besucher_innen auf die Füße zu treten und Aggressionen zu entwickeln. Während ich mir also immer noch nicht vorstellen kann, die großen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig auszutesten, ist das afrikanische Literaturfestival in Berlin ein Ort, an dem ich mich wohlfühlte.

Finanziell war das African Book Festival 2022 vergleichbar mit den Buchmessen. Der Tagespass kostete mich 23,30 €, dabei handelte es sich allerdings um die günstigere Frühbucher_innen-Variante. Der Vollpreis betrug 26 €. Da ich weder Fahrten noch Übernachtungen einkalkulieren musste, kamen für mich keine weiteren Vorabkosten hinzu. Auf dem Festival selbst lagen die Preise für Essen, Getränke und die verschiedenen Auslagen der Stände auf einem durchschnittlichen Veranstaltungsniveau. Das heißt, alles war natürlich etwas teurer, als es im normalen Einzelhandel wäre, damit hatte ich jedoch gerechnet. Logistik und Atmosphäre zahlt man eben mit.

Die Bücher im Buchladen erschienen mir hingegen teurer als üblich. Das hat vermutlich nichts mit dem African Book Festival 2022 an sich zu tun, sondern liegt an den jeweiligen Ausgaben, aber ich habe für meine drei Exemplare insgesamt 46 € bezahlt. Stünde ich finanziell schlechter da, hätte mir das ziemlich weh getan. Vor einigen Jahren hätte es das. Selbstverständlich haben druckfrische Prints ihren Preis und deutsche Ausgaben sind zudem der Buchpreisbindung unterworfen. Trotzdem finde ich es bedenklich, dass Menschen, die weniger verdienen als ich, kulturelle Teilhabe dadurch enorm erschwert wird.

Das African Book Festival möchte für Verständigung, Toleranz und den Abbau von Vorurteilen werben. Tendenziell ist das in Bevölkerungsgruppen, die finanziell nicht so stabil sind, besonders notwendig. Binden sich solche Personen schon die Ausgabe für den Eintritt zum Festival ans Bein, sollte es ihnen auch möglich sein, ein Stück Kultur mit nach Hause zu nehmen, um einen langfristigen Effekt zu erzielen. Das geht aber nur, wenn die Preise ihren Ressourcen entsprechen.

Meinem Empfinden nach bestand das Sortiment im Buchladen ausschließlich aus sehr hochwertigen, teuren Ausgaben, unabhängig von der Sprache. Für die Zukunft wünsche ich mir etwas mehr preisliche Flexibilität. Es spräche ja zum Beispiel nichts dagegen, einen zusätzlichen Tisch mit gebrauchten oder Mängelexemplaren aufzubauen. Der Verkaufsbilanz neuer Ausgaben täte das sicher keinen Abbruch. Stattdessen ermöglicht es Menschen, die sich sonst gar kein Buch auf dem Festival leisten könnten, ebenfalls Exemplare mitzunehmen.

Abgesehen von den strammen Buchpreisen waren die Kosten meiner Meinung nach angemessen, weil ich dafür sehr viel geboten bekam. Inhaltlich überzeugte mich das African Book Festival 2022 voll und ganz. Das Programm war vielfältig sowie abwechslungsreich und bot mit verschiedenen Themenschwerpunkten allen Besucher_innen interessante Veranstaltungen.

Mir gefiel es sehr gut, dass es meines Wissens kaum reine Lesungen gab. Das klingt vielleicht komisch, aber im Rahmen des African Book Festivals 2022 wäre mir dieses Format nicht dynamisch genug erschienen. Ich fand es schön, dass Buchvorstellungen immer mit einem Interview verknüpft waren, durch die das Publikum die Autor_innen ganz anders kennenlernen konnte, als hätten sie lediglich Passagen aus ihren Werken vorgelesen. Lesen können wir schließlich alle selbst. 😉

Außerdem mochte ich es, dass die Interviews in der Regel von anderen Autor_innen geführt wurden und nicht von mehr oder weniger unbeteiligten Moderator_innen. Dadurch entstand häufig eine besondere Gesprächsatmosphäre, weil sich die meisten untereinander kannten und der Respekt füreinander spürbar war. Auch stellen Menschen, die selbst schreiben, einfach andere Fragen als Personen, die keine Ahnung davon haben, wie einsam, anstrengend und frustrierend der Schreibprozess sein kann.

Am besten gefielen mir jedoch die Panels und Diskussionsrunden. Ich denke, aus diesen Formaten könnten die Veranstalter_innen künftig sogar noch mehr herausholen, wenn sie mehr Tiefe zulassen und die Moderation von Menschen übernommen wird, die Erfahrung damit haben, ein Gespräch zwischen mehreren Personen zu steuern. Von mir aus hätten diese Runden durchaus etwas streitbarer, provokanter und kontroverser sein können. So schön es ist, wenn sich alle einig sind, erst durch Widerspruch und Herausforderung entstehen ja neue Gedankenimpulse. Das kam auf dem African Book Festival 2022 meiner Meinung nach etwas zu kurz.

Gruppenfoto aller Gäste des African Book Festival 2022

Die Gäste des African Book Festival 2022 © Jörg Kandziora Mit freundlicher Genehmigung von InterKontinental.

Ich bin überzeugt, dass das African Book Festival das Ziel, afrikanischer Literatur eine Bühne zu geben, weit über das erwartbare Maß hinaus erfüllt. Es war beeindruckend, wie viele angesehene Schriftsteller_innen zum Teil von weit her anreisten und sich abseits von ihren Veranstaltungen unter die normalsterblichen Besucher_innen mischten. Das gesamte Festival wirkte auf mich familiär, nahbar, friedlich und einladend. Ich habe es genossen, zwischen den Ständen und Bühnen umherzuspazieren und dabei die Gewissheit zu haben, dass wir alle aus demselben Grund dort sind: Weil wir Bücher lieben.

Mir hat das African Book Festival 2022 neue Horizonte und Perspektiven eröffnet. Ich habe jetzt Bücher von drei Autor_innen im Regal, die ich vorher nicht kannte und die mir ohne äußeren Impuls wahrscheinlich auch nicht begegnet wären. Ich bin mir sicher, dies ist der Startpunkt einer spannenden literarischen Reise, die niemals endet. Ich freue mich darauf, das literarische Afrika besser kennenzulernen und herauszufinden, wie viel mir afrikanische Schriftsteller_innen zu bieten haben.

Solltet ihr Lust haben, eine Buchveranstaltung zu entdecken, die kleiner und überschaubarer, aber genauso vielseitig ist wie eine der großen Buchmessen, liegt ihr mit dem African Book Festival goldrichtig. Ich kann eine klare Besuchsempfehlung aussprechen. Mir hat das Festival enormen Spaß gemacht. Falls euch mein Bericht nun überzeugt hat, lasst mich gern wissen, ob ihr 2023 ebenfalls vor Ort seid. Vielleicht können wir über einem „I don’t know“-Teller ein Pläuschchen halten. 😄

Zum Abschluss möchte ich mich noch bei dem gesamten Team des African Book Festivals 2022 für die großartige Organisation und bei InterKontinental für die Bereitstellung des offiziellen Bildmaterials für diesen Beitrag bedanken. Danke, dass ihr mir einen sensationellen Tag beschert habt und mich darin unterstützt, es die Welt wissen zu lassen. Bis zum African Book Festival 2023!

Liebe Grüße,
Elli ❤️

Logo des African Book Festivals in Pink

Mit freundlicher Genehmigung von InterKontinental

Logo des African Book Festivals in Pink

Mit freundlicher Genehmigung von InterKontinental

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