Veronica Roth – Insurgent
Da ich die „Divergent“ – Trilogie als komplettes Boxset gekauft habe, war es für mich noch vor der Lektüre des ersten Bandes selbstverständlich, dass ich alle drei lesen werde. Der Auftakt „Divergent“ gefiel mir dann so gut, dass ich auch weiterlesen wollte, obwohl ich gedanklich ein bisschen mit dem Fraktionssystem zu kämpfen hatte. Bevor ich mit „Insurgent“ begann, warf ich einen Blick auf Goodreads, weil ich wusste, dass meine liebste Rezensentin zu dem zweiten Teil bereits eine Einschätzung veröffentlicht hatte. Was ich dort lesen musste, hat mich wirklich beunruhigt. Sie vergab für „Insurgent“ nur einen mickrigen Stern und schrieb von ihrer tiefsitzenden Enttäuschung. Ich konnte es nicht glauben, denn „Divergent“ hatte von ihr vier Sterne erhalten; ein solcher Abfall innerhalb einer Trilogie ist doch sehr ungewöhnlich. Ich gebe zu, ich widmete mich „Insurgent“ mit eher gemischten Gefühlen.
Nach dem Überfall der Erudite auf die Fraktion Abnegation mithilfe gedankengesteuerter Dauntless – Soldaten stehen die Zeichen im „Divergent“ – Universum nun auf Krieg. Tris und Tobias konnten zwar die Simulation beenden und die Mitglieder der Dauntless aus der Kontrolle von Jeanine Matthews befreien, doch die Ereignisse haben die Fraktion komplett gespalten. Darüber hinaus führt Jeanine ihren Feldzug gegen Abnegation und Divergents weiter; Tris und Tobias müssen Verbündete finden, um dem ein Ende zu setzen. Unglücklicherweise sind weder Amity noch Candor bereit, sich in den Konflikt einzumischen und so bleibt dem jungen Paar und ihren Mitstreitern nur eine Wahl: die Fraktionslosen. Diese Allianz birgt jedoch hohe Risiken, denn in einer Gesellschaft, die auf einem Fraktionssystem aufgebaut ist, haben diejenigen, die ohne Fraktion leben müssen, ganz eigene Vorstellungen von Veränderung …
Ich bin so froh, dass ich das Urteil besagter Goodreads – Rezensentin nicht bestätigen kann. Mir gefiel „Insurgent“ sehr gut, obwohl auch ich finde, dass der Roman ein wenig unter dem „Zweites – Buch – einer – Trilogie – Phänomen“ leidet. Ich empfinde es aber als normal, dass der zweite Band oft der schwächste ist, weil er zwischen den aufregenden Ereignissen zu Beginn und dem Finale überbrücken muss.
„Insurgent“ ist unruhiger als Band 1 und für eine Lektüre der Young Adult Literatur recht politisch, schließlich sind Tris und Tobias auf der Suche nach Verbündeten. Ich kann verstehen, dass einige LeserInnen davon abgeschreckt sein mögen, doch ich liebe es, auszuloten, wer wohl welche Interessen verfolgt und welche Partei wie weit zu gehen bereit ist.
Angesichts der Spannungen innerhalb der Gesellschaft in der „Divergent“ – Trilogie wunderte es mich nicht, dass Tris‘ und Tobias‘ Beziehung ins Wanken gerät. Sie distanzieren sich voneinander, kommunizieren nicht wirklich und streiten viel. Ich war in Streitsituationen meistens auf Tobias‘ Seite, weil Tris im zweiten Band nicht einfach zu ertragen ist, obwohl Veronica Roth die Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt. Ich fühlte mich ihr sehr nah; ihr Kummer, ihre Trauer und Erschöpfung berührten mich, aber nach dem Tod ihrer Eltern und dem Tod ihres Freundes Will durch ihre eigene Hand entwickelt sie in „Insurgent“ so etwas wie eine Todessehnsucht. Sie sucht die Gefahr und ein Motiv, sich selbst opfern zu können für das große Ziel. Ihr Selbsterhaltungstrieb scheint völlig ausgeschaltet zu sein und das fand ich wirklich nervig. Ich hatte oft das Gefühl, Tris schütteln und anschreien zu wollen, um sie aufzuwecken. Meines Erachtens nach hat Veronica Roth Tris sich hier ein wenig zu sehr im Elend suhlen lassen, denn dadurch verhält sie sich in einem Großteil des Buches übertrieben heroisch; etwas weniger hätte es auch getan.
Ich bin absolut nicht zimperlich und begrüße es normalerweise sehr, wenn AutorInnen den Mut aufbringen, Figuren sterben zu lassen. Doch ganz ehrlich, in „Insurgent“ sterben sogar mir zu viele sympathische Charaktere. Veronica Roth schreibt immer wieder diejenigen aus der Geschichte heraus, mit denen Tris gerade eine Freundschaft begonnen hat und das finde ich einfach schade. Sie braucht Freunde neben Tobias; mir hätte es besser gefallen, hätte Roth auf ein bisschen Dramatik verzichtet und Tris stattdessen etwas Halt zugestanden.
„Insurgent“ fällt nach „Divergent“ ein wenig ab, das lässt sich nicht leugnen. Trotz actionreicher Handlung fehlt der große Knall, dafür wird den LeserInnen einiges politisches Taktieren geboten sowie ein Cliffhanger am Ende, der sich gewaschen hat. Die Erklärung der Dystopie allgemein und der Eigenschaft „divergent“ im Speziellen hebt sich Veronica Roth offenbar für den nächsten Band „Allegiant“ auf, was mir jedoch recht sein soll.
LeserInnen, denen „Divergent“ gut gefallen hat, sind meiner Meinung nach gut damit beraten, auch „Insurgent“ eine Chance zu geben, dabei aber im Hinterkopf zu behalten, dass es eben der zweite Band einer Trilogie ist.
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