Marie Lu – Legend

Cover des Buches "Legend" von Marie Lu

Reihe: Legend #1

Autor_in: Marie Lu

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 305 Seiten

Verlag: Speak

Sprache: Englisch

ISBN-10: 014242207X

Genre: Science-Fiction > Dystopie > Young Adult

Ausgelesen: 09.08.2014

Bewertung: ★★★☆☆

„Legend“ von Marie Lu – wieder mal so eine YA Dystopie, bei der ich lange nicht entscheiden konnte, ob ich sie lesen mochte oder nicht. Zu abgedroschen erschien mir die Idee, zu vorhersehbar und diverse kritische Rezensionen bestätigten meine Sorge. Doch trotzdem reizte es mich. Immer wieder. Irgendetwas in mir hat es sich zur Aufgabe gemacht, alle populären YA Dystopien zu lesen. Ich verfolge dieses Ziel nicht ernsthaft, aber June und Day sind bei vielen so beliebt, dass ich mitreden können wollte. Also warf ich meine Zweifel kurzerhand über Bord, zuckte innerlich mit den Schultern und dachte mir „Ach, was soll’s?“.

Er lebt auf der Straße, sie wohlbehütet mit ihrem älteren Bruder in einem Apartment. Er ist ein gesuchter Widerstandskämpfer, sie ist die große Hoffnung der Republik auf eine Offizierslaufbahn. Day und June könnten kaum unterschiedlicher sein und stammen aus völlig verschiedenen Welten. Vielleicht wären sie sich nie begegnet – wäre nicht Junes großer Bruder Metias ermordet und Day zum Hauptverdächtigen erklärt worden. Jetzt ist June auf der Jagd. Wenn ihre Vorgesetzten ihr sagen, dass Day Metias‘ Mörder ist, muss das stimmen. Oder? Stück für Stück fallen June immer mehr Ungereimtheiten auf und sie beginnt zu zweifeln. Steckt vielleicht doch mehr hinter dem Angriff auf ihren Bruder? Entgegen all dem, was ihr beigebracht wurde, lässt sich June auf Day ein und gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach der Wahrheit. Doch die Republik sieht es überhaupt nicht gern, wenn man in ihren Geheimnissen herum schnüffelt …

Ich muss sagen, dass zwei Drittel von „Legend“ ziemlich genau meinen Befürchtungen entsprachen. Ich fand es langweilig, vorhersehbar, langatmig. Die Handlung entwickelt sich zäh, weil Marie Lu offenbar großen Wert darauf legte, ihren LeserInnen erst einmal ausführlich den Kontrast zwischen den Leben ihrer ProtagonistInnen zu erklären. Mir half es auch nicht, dass sie abwechselnd aus Days und Junes Perspektive schreibt, was ich sonst eigentlich sehr mag. Sie ist das schillernde Sternchen der Republik, er der verteufelte Rebell – diese berechenbare Romeo und Julia Romantik ist doch nun wirklich über die Maßen ausgelutscht. Darüber hinaus habe ich lange gebraucht, um mit June überhaupt warm zu werden. Anfangs konnte ich sie nicht ausstehen. Ich empfand sie als eine verzogene, egoistische, verhätschelte Rotzgöre, die keinen Sinn für die Lebensrealität der Menschen in der Republik hat. Daher konnte ich auch nur wenig Mitgefühl für ihren Verlust aufbringen, obwohl Metias anscheinend ein feiner Kerl war und June sehr viel bedeutet hat. Das heißt, ihre gesamte Motivation für die Jagd auf Day blieb für mich abstrakt. Sie gewann erst meine Sympathie, als sie endlich anfing, ihren eigenen Kopf zu benutzen und nicht mehr nur Befehle ausführte.
Day war da schon eher mein Fall, trotz seines recht stereotypen Charakters. Der edle, gut aussehende Revolutionär, der gegen die Regierung kämpft. Doch seine Vergangenheit gab mir die ersten Hinweise auf die Machenschaften der Republik, was mein Interesse weckte und letztendlich das gesamte Buch für mich rettete. Ich halte Marie Lus Figuren für nichts Besonderes, aber ihre Dystopie fand ich sehr spannend. Bisher bot sie noch keine Hintergründe an und allgemein wird kaum etwas erklärt, doch das Wenige, das sie offenbart, hat mich wirklich gefesselt. In der Republik gehen abscheuliche, abgrundtief böse Dinge vor sich, alles im Zeichen des Krieges gegen die Kolonien. Ich bin schon jetzt sehr neugierig zu erfahren, wie es überhaupt zu diesem Krieg kam, welches Ereignis die Spaltung der USA in Republik und Kolonien auslöste und wie genau die Rebellengruppe der Patriots da hinein passt, die in „Legend“ nur am Rande auftaucht. June und Day werden in den Folgebänden sicher alle Hände voll zu tun haben, die Geheimnisse dieser Welt aufzuklären und ich werde sie mit Freude dabei begleiten.

Nachdem ich die ersten zwei Drittel von „Legend“ eher unspektakulär fand, habe ich nicht damit gerechnet, dass mich das letzte Drittel dann doch noch überzeugen würde, aber genauso war es. Dafür, dass das Buch so langsam beginnt, ist der Schlusspart überraschend actiongeladen; die Ereignisse überschlagen sich und treiben die Geschichte rasant voran. Mit ihren Figuren gewinnt Marie Lu bei mir keinen Blumentopf, dafür konnte mich aber die von ihr beschriebene Zukunftsvision fesseln. Und wer weiß, vielleicht kann ich im nächsten Band „Prodigy“ ja auch mehr Begeisterung für Day und June entwickeln. Ich gebe der Geschichte noch eine Chance, weil ich unbedingt wissen will, in was für einer Welt die beiden eigentlich leben. Bisher ließ mich Marie Lu nur sehr begrenzt hinter den Vorhang aus Geheimnissen schmulen, der die Republik schützt – ich will dabei sein, wenn dieser fällt und alle Details offenbart werden.
Ich denke, „Legend“ sollte auf eine Weise gelesen werden, die den Aufbau des Universums fokussiert. Beschäftigt euch gedanklich mit den Vorgängen in der Republik und lasst June und Day eher nebenbei herum springen und ihre Abenteuer erleben, statt euch auf sie zu konzentrieren. Dann fällt es vermutlich nicht so ins Gewicht, dass die beiden eine wenig originelle Neuauflage von Romeo und Julia sind und hindern euch nicht daran, Spaß an der Geschichte zu haben.

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