Stacey Trombley – Naked

Cover des Buches "Naked" von Stacey Trombley

Autor_in: Stacey Trombley

Format: Kindle Edition

Seitenzahl: 304 Seiten

Verlag: Entangled Teen

Sprache: Englisch

ASIN: B00QEJWVUS

Genre: Realistische Fiktion > Young Adult

Ausgelesen: 21.04.2015

Bewertung: ★★★☆☆

Über Debüt-AutorInnen in einer Rezension zu schreiben, ist meist ein undankbarer Job. Die Informationen, die man über diese AutorInnen findet, sind oft wirklich mickrig und gehen selten über das hinaus, was der Verlag und die Schreiberlinge selbst zusammengestellt haben. Bei Stacey Trombley ist das nicht anders. Ihr Erstling „Naked“ wurde mir vom Verlag Entangled Teen als ARC zur Verfügung gestellt (es erscheint voraussichtlich am 07.07.2015), worüber ich mich sehr gefreut habe, weil mich der Klappentext ziemlich neugierig gemacht hat. Dieser Roman behandelt ein Thema, das in unserer Gesellschaft häufig tabuisiert wird – umso interessanter hätte ich es gefunden, wenn Stacey Trombley an irgendeiner Stelle erklären würde, warum sie ausgerechnet über dieses Thema in ihrem Debüt schrieb. Liebe Verlage, liebe AutorInnen, es wäre wundervoll, wenn ihr euren LeserInnen etwas mehr über die Person hinter einem Buch verraten würdet, auch dann, wenn diese noch ganz neu im Geschäft des geschriebenen Wortes ist.

Anna Rodriguez macht sich keine Illusionen darüber, was sie ist – sie ist eine New Yorker Prostituierte. Drei Jahre lang verdiente sie ihr Geld damit, dass sie ihren Körper an fremde Männer verkaufte. Schon oft hatte sie Kontakt mit der Polizei – aber noch nie mit Sarah, die Anna ihr altes Leben zurückgeben möchte. Ihr altes Leben, indem nicht nur ihre Eltern auf sie warten, sondern auch die Schule. Anna entscheidet sich für den Neustart, wohl wissend, dass sich vor allem die Probleme mit ihrem Vater durch ihr Fortlaufen verschlimmert haben und dass ihr die Gerüchte in der Schule auf Schritt und Tritt folgen werden. Womit sie allerdings nicht gerechnet hat, ist Jackson. Der freundliche Junge von nebenan, der nichts von ihrer Vergangenheit weiß und sie wie ein ganz normales Mädchen behandelt. Anna verliebt sich in dieses Gefühl von Normalität – und belügt Jackson. Doch so gern sie es würde, sie kann vor ihrer Vergangenheit nicht davon laufen. Denn sie ist ihr gefolgt …

Eigentlich verdient „Naked“ 3,5 Sterne. Ich vergebe allerdings keine halben Sterne, deswegen musste ich mich entscheiden. Die Wahl fiel auf eine Bewertung von drei Sternen und nicht vier, weil „Naked“ zwar ein gutes, unterhaltsames Buch ist, meiner Meinung nach aber noch einige Erstlings-Wehwehchen aufweist.

Zu Beginn ist die Geschichte sehr verkopft; es spielt sich viel in Annas Gedankenwelt ab und wenig außerhalb. Einerseits verstärkte das natürlich den durchaus plausiblen Ansatz, dass sie total in sich zurückgezogen ist; andererseits fand ich diese absolute Fixierung auf Anna einseitig. Sie begegnet in den ersten Kapiteln mehreren Menschen, denen sie wichtig ist, darunter die mutmaßliche Sozialarbeiterin Sarah (ihr Beruf wird nie genannt) und ihre Eltern, die sie seit drei Jahren nicht gesehen haben – ich hätte mir einen genaueren Eindruck ihrer Gefühle gewünscht, nicht nur die oberflächlichen Reaktionen, die Anna sieht. Sie ist so mit sich beschäftigt, dass es ihr schwer fällt, sich in ihre jeweiligen Gegenüber hineinzuversetzen und daher meines Erachtens nach selten die richtigen Schlüsse zieht.

Später verschiebt sich der Fokus von Annas Innerem etwas mehr nach außen, sie bleibt jedoch eine typische 16-Jährige, die strikt in Schwarz und Weiß unterteilt. Sie hat noch kein Gespür für die vielen Graustufen der Welt; muss erst lernen, dass ihre vorgefassten Meinungen sie nicht weiterbringen und ihr viel Gutes vorenthalten. Diese jugendliche Sturheit war manchmal ein wenig frustrierend, aber auch realistisch. Ich war mit 16 ebenfalls der Meinung, ich wüsste alles.

Annas männlicher Gegenpart Jackson verhält sich weitaus erwachsener als sie, ist reifer und einfach hinreißend. Verständnisvoll, sanft, geduldig, ehrlich … Zu gut, um wahr zu sein. Als Romanfigur mochte ich ihn sehr, weil er Anna stets ein Gefühl von Sicherheit vermittelt und ihr genau das gibt, was sie braucht, aber ich kann ihn mir beim besten Willen nicht als reale Person vorstellen.

Eine weitere männliche Figur, die in Annas direktem Umfeld sehr wichtig ist, ist ihr Vater. Ihre Beziehung ist stark vorbelastet, denn Martin ist ein Kontrollfreak, wie er im Buche steht. Er ist extrem streng und lebt in dem Glauben, er könne seine Familie mit eiserner Faust regieren. Im wahrsten Sinne des Wortes. Diesen Handlungsstrang hat Stacey Trombley meiner Meinung nach sträflich vernachlässigt. Den Großteil des Buches über ist Martin abwesend, nicht nur physisch, sondern auch in Annas Gedanken. Natürlich hat sie schon so genug Probleme, aber ihr Vater spielt in all dem Chaos, das ihr Leben ist, eine entscheidende Rolle. Trombley hätte dieser Beziehung weit mehr Aufmerksamkeit schenken müssen, wie auch Annas Freundschaften neben Jackson.

Insgesamt empfand ich „Naked“ als einen bittersüßen YA-Roman, der neben all den wunderschönen Entdeckungen des Erwachsenwerdens auch viel Schmerz und Dunkelheit offenbart. Ich bewundere Stacey Trombleys Mut, in ihrem Erstling ein so sensibles Thema wie Teenager-Prostitution anzusprechen und werde ihr weiteres Schaffen beobachten, weil es mich sehr interessiert, welche Themen sie in Zukunft in ihren Büchern verarbeiten wird. Ich sehe viel Potential, nicht nur in ihrem lockeren Schreibstil, sondern auch in ihrer Fähigkeit, sich in jugendliche Akteure hineinzuversetzen. Ich glaube fest daran, dass sich die Problemchen ihres Debüts in ihren weiteren Werken legen werden.

Lasst ihr euch auf Annas Geschichte ein, werdet ihr eine junge Frau kennenlernen, die neben den Herausforderungen des Erwachsenwerdens mit sehr realen Dämonen zu kämpfen hat und sich euch so präsentiert, wie sie wirklich ist: Nackt.

Vielen Dank an den Verlag Entangled Teen für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

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