Cover des Buches "The Girl on the Train" von Paula Hawkins

Titel: „The Girl on the Train“

Autor_in: Paula Hawkins

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 316 Seiten

Verlag: Doubleday

Sprache: Englisch

ISBN-10: 0857522329

Genre: Thriller > Psychothriller

Ausgelesen: 09.02.2020

Bewertung: ★★★★☆

Paula Hawkins suchte lange, bis sie ihre literarische Stimme fand. Sie arbeitete 15 Jahre als Wirtschaftsjournalistin, bevor sie begann, ihre schriftstellerische Karriere zu verfolgen und startete dann keineswegs sofort als Thriller-Autorin durch. Nein, ihre ersten vier Romane unter dem Pseudonym Amy Silver zählen zur Chic-Lit. „The Girl on the Train“ war ihr Versuch, zum ersten Mal als sie selbst zu schreiben, als Paula Hawkins. Es ist das Buch, das sie weltberühmt machte und dessen immenser internationaler Erfolg – übersetzt in 35 Sprachen, über 20 Wochen auf dem ersten Platz der britischen Bestsellerliste und 2016 von DreamsWorks verfilmt – die Bezeichnung „Phänomen“ definitiv rechtfertigt.

Rachel Watson ist ein Wrack. Wochentags pendelt sie mit dem Zug um 08:04 Uhr nach London und 17:56 Uhr wieder zurück, obwohl sie längst arbeitslos ist. Auf dem Heimweg trinkt sie normalerweise. Jedes Mal fährt sie an dem hübschen, gepflegten Vorort vorbei, in dem sie selbst vor nicht allzu langer Zeit lebte, an dem Haus, in dem ihr Ex-Mann Tom mit seiner neuen Frau Anna und ihrem Baby wohnt. Aus dem Zugfenster heraus schaut sie Nachbar_innen zu, die eigentlich ihre sein sollten und malt sich ihre Leben aus. Ein junges, vitales Paar hat es ihr besonders angetan. Sie kennt ihre Namen nicht. Sie nennt sie Jess und Jason.

Doch eines Tages beobachtet Rachel etwas, das ihr Bild der beiden zutiefst erschüttert. Wenig später wird Megan Hipwell – Jess – als vermisst gemeldet und Rachel wird das Gefühl nicht los, dass ihr Verschwinden mit diesem winzigen, schockierenden Moment zusammenhängt. Impulsiv beschließt sie, nicht länger nur eine Beobachterin zu sein – aber wird man ihr glauben? Ihr, der Frau aus dem Zug?

Rachel Watson ist ein Wrack. Wochentags pendelt sie mit dem Zug um 08:04 Uhr nach London und 17:56 Uhr wieder zurück, obwohl sie längst arbeitslos ist. Auf dem Heimweg trinkt sie normalerweise. Jedes Mal fährt sie an dem hübschen, gepflegten Vorort vorbei, in dem sie selbst vor nicht allzu langer Zeit lebte, an dem Haus, in dem ihr Ex-Mann Tom mit seiner neuen Frau Anna und ihrem Baby wohnt. Aus dem Zugfenster heraus schaut sie Nachbar_innen zu, die eigentlich ihre sein sollten und malt sich ihre Leben aus. Ein junges, vitales Paar hat es ihr besonders angetan. Sie kennt ihre Namen nicht. Sie nennt sie Jess und Jason.

Doch eines Tages beobachtet Rachel etwas, das ihr Bild der beiden zutiefst erschüttert. Wenig später wird Megan Hipwell – Jess – als vermisst gemeldet und Rachel wird das Gefühl nicht los, dass ihr Verschwinden mit diesem winzigen, schockierenden Moment zusammenhängt. Impulsiv beschließt sie, nicht länger nur eine Beobachterin zu sein – aber wird man ihr glauben? Ihr, der Frau aus dem Zug?

„The Girl on the Train“: Subjektivität, die mich aus dem Gleichgewicht brachte

Während meiner Vorbereitungen zu dieser Rezension lag meine Ausgabe von „The Girl on the Train“ neben meinem Laptop auf dem Wohnzimmertisch. Mein Ehemann sah es, begutachtete das Cover und fragte mich „Ein Buch über eine Stalkerin?!“. Ich widersprach ihm und fasste den Inhalt des Romans von Paula Hawkins für ihn in etwa denselben Worten zusammen, mit denen ich letztendlich auch die Inhaltsangabe meiner Rezension schrieb. Doch seine Frage ließ mich nicht mehr los.

Obwohl sich „The Girl on the Train“ definitiv nicht so simpel darstellt, wie er bei seinem Blick auf das Cover glaubte und ein reiches Potpourri komplexer Themen wie häusliche Gewalt, Alkoholismus, Schuld und Selbsthass behandelt, ist Stalking eine Facette dieser nervenaufreibenden Geschichte, die ich bisher nicht sehen wollte, weil die Autorin durch die Figuren meinen Blick verschleierte. Für mich ist diese Erkenntnis hochinteressant, denn sie illustriert, wie geschickt Paula Hawkins die unzuverlässigen, extrem subjektiven Perspektiven ihrer drei weiblichen Hauptcharaktere Rachel, Megan und Anna einsetzte, um mich als Leserin zu manipulieren.

Das Buch ist ein subtiler, perfider psychologischer Thriller, der eine spezielle Sogwirkung entwickelt, die von tiefem Misstrauen geprägt ist, weil Hawkins selten Fakten präsentiert. Sie konfrontiert ihre Leser_innen mit Wahrnehmungen, Interpretationen und Emotionen, statt mit harten Ermittlungsergebnissen. Dadurch konnte ich niemandem trauen: Nicht Rachel, die alles inklusive ihrer Würde verlor, unter einem ernsten Alkoholproblem leidet und häufiger mit gravierenden Erinnerungslücken (Blackouts) aufwacht; nicht Megan, die von Schuldgefühlen zerfressen ruhelos durch ihr Leben stolpert und dabei in einem nicht enden wollenden Kreislauf der Selbstsabotage gefangen ist und auch nicht Anna, deren „märchenhaftes“ Glück, das sie bei der kleinsten, empfundenen Provokation aggressiv verteidigt, mit Lügen und Verrat begann.

Die Bruchstücke der Handlung, die sowohl die Gegenwart als auch die Vergangenheit betreffen und die Hawkins in Tagesabschnitte gliederte, die die Figuren rückblickend beschreiben, wirbelten schneller und schneller umeinander, bis ich meine eigene Intuition in Frage stellte und anfing, das teils wirklich grenzüberschreitende und unmögliche Verhalten der Protagonistinnen zu rechtfertigen. Beispielsweise wollte ich Rachel einfach nicht als Stalkerin sehen, obwohl sie sich exakt wie eine benimmt.

„The Girl on the Train“ brachte mich mit seiner außerordentlichen Subjektivität aus dem Gleichgewicht, verwirrte mich, führte mich an der Nase herum. Ich hatte keinen blassen Schimmer, ja nicht mal eine Ahnung davon, was mit Megan geschehen sein könnte und zweifelte zwischenzeitlich sogar daran, dass überhaupt ein Verbrechen stattfand. Ich wusste nicht, was ich glauben sollte und die Neugier brachte mich schier um, doch ich genoss jede Sekunde dieser zwanghaften Erfahrung, weil ein ähnlich konstanter, stetig ansteigender Spannungsbogen schwer zu finden ist.

„The Girl on the Train“ ist ein exzellenter Thriller, der die unzuverlässige Erzählperspektive gekonnt nutzt, um eine mitreißende Geschichte zu erzählen, die vor tabuisierten Themen nicht zurückschreckt. Paula Hawkins holt ihre Leser_innen von der ersten Seite an ab, denn sie stellt mit Rachels Beobachtungen aus dem Pendelzug eine Situation vor, in die sich viele hervorragend hineinversetzen können und hält diese Verbindlichkeit bis zum Ende aufrecht, indem sie ihre Figuren echt und lebensnah ausschattiert, wodurch ihre Verhaltensweisen stets nachvollziehbar bleiben. Ich halte sie für eine außergewöhnlich talentierte Schriftstellerin, die im Thriller-Genre meiner Meinung nach sehr viel besser aufgehoben ist als in der Chic-Lit.

Es fehlte nicht viel zu einer 5-Sterne-Bewertung für „The Girl on the Train“; dass ich mich dagegen entschied, ist ausschließlich darin begründet, dass ich persönlich die Geschichte manchmal ein wenig zu kalt fand, was der grundsätzlichen Qualität des Buches allerdings nicht schadet. Ich jammere mal wieder auf hohem Niveau, aber wenn mich „The Girl on the Train“ eins lehrte, dann, dass Subjektivität entscheidend sein kann.

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