Chevy Stevens – Blick in die Angst

Cover des Buches "Blick in die Angst" von Chevy Stevens

Autor_in: Chevy Stevens

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 496 Seiten

Verlag: Fischer

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3596193796

Genre: Krimi & Thriller

Ausgelesen: 14.08.2014

Bewertung: ★★★☆☆

Psychologie ist schon lange eines meiner Steckenpferde. Der menschliche Geist, die menschliche Seele faszinieren mich. Abnorme Psychologie, Schutzmechanismen, Manipulation – ist es nicht unglaublich, was unser Geist alles leisten und in welche Richtung er sich entwickeln kann?
Sekten sind in diesem Zusammenhang ein spezielles Thema. Ich glaube, was mich an Sekten interessiert, ist ihre Technik, durch Gedankenmanipulation und emotionale Erpressung Menschen von alldem zu überzeugen, was ihnen nutzt, egal wie verwerflich oder schrecklich das ist. „Blick in die Angst“ von Chevy Stevens ist ein Psychothriller, der sich mit dieser Thematik beschäftigt und landete genau deswegen auf meiner Wunschliste.

Heather Simeon wollte sich selbst töten. Doch glücklicherweise wurde sie rechtzeitig gefunden und befindet sich nun in der Klinik, in der Dr. Nadine Lavoie als Psychiaterin arbeitet. Nadine möchte der jungen Frau helfen und schnell bemerkt sie, dass sie und Heather eines gemeinsam haben: sie verbachten beide eine erhebliche Zeitspanne in der Sekte „Fluss des Lebens“. Als Kind lebte Nadine dort mit ihrer Mutter und ihrem Bruder. Aber warum kann sie sich nicht mehr vollständig an die Kommune erinnern? Warum leidet sie seit dieser Zeit an Klaustrophobie? Und warum wollte Heather sterben? Nadine dachte, sie hätte ihre Vergangenheit überwunden und hinter sich gelassen. Doch nun kommen die Erinnerungen Stück für Stück zurück. Etwas Furchtbares ist damals geschehen. Schwebt Nadine jetzt, 40 Jahre später, noch immer in Gefahr?

Als ich „Blick in die Angst“ ausgelesen hatte, wollte ich für diesen Roman vier von fünf Sternen vergeben. Doch jetzt, etwa einen Monat später, muss ich diese Einschätzung etwas zurückstufen. Chevy Stevens‘ Psychothriller bekommt von mir nur noch gute 3 Sterne; würde ich mit halben Werten arbeiten, wäre es wohl eine 3,5. Wie kam es dazu?

Es ist so: „Blick in die Angst“ gefiel mir wirklich gut, hinterließ aber so gut wie keinen Eindruck auf mich. Nach jedem Buch stelle ich Rezensions-Notizen zusammen, meist sofort, wenn ich es beendet habe und die Eindrücke noch frisch sind. Für mich ist das die beste Strategie, weil es mir auch hilft, mit einer Lektüre abzuschließen. Doch bei „Blick in die Angst“ hatte ich massive Probleme, überhaupt etwas aufzuschreiben, weil es meiner Meinung nach nur wenig über den Roman zu sagen gibt. Das hat mich selbst überrascht, denn eigentlich war ich zufrieden, mal wieder einen Thriller gelesen zu haben, der mich nicht völlig enttäuscht hat.

Chevy Stevens baute eine fesselnde Geschichte mit einer beklemmenden Atmosphäre auf, deren Zugkraft vom intensiven Fokus auf die Psyche ausgeht. Da ihre Protagonistin Nadine keine Polizistin ist, sondern Psychiaterin, geht es nicht darum, herauszufinden, wer der Mörder ist. Stattdessen beobachten die LeserInnen Nadine beim Kampf mit ihren Erinnerungen und dem tiefen Bedürfnis, Beweise für das Unrecht aufzudecken, das ihr damals angetan wurde. Ich empfand diesen Ansatz als originelle Abwechslung und kam auch mit Nadine selbst sehr gut zurecht. Zwar ist sie als Hauptfigur etwas schwierig, weil sie eine Menge Fehler hat, die ihr Handeln des Öfteren bestimmen, aber genau das machte sie mir sympathisch. Sie weiß sehr gut, dass sie sich anders verhalten sollte, kann jedoch einfach nicht aus ihrer Haut. In vielen Szenen ist sie von unglaublich intensiven und starken Gefühlen geschüttelt, durch die ich eine feste Verbindung zu ihr aufbauen konnte.

Sie ist eine wirklich runde Figur, doch überstrahlt dadurch – wie so oft bei starken ProtagonistInnen – jegliche Nebencharaktere. Vermutlich ist das einer der Gründe, warum es kaum Faktoren gibt, die mich wirklich beeindruckt haben: inhaltlich ist „Blick in die Angst“ nicht sonderlich komplex. Da ist Nadine und ihre Vergangenheit beziehungsweise die ihrer Familie – und das war es. Sehr viel mehr wird nicht thematisiert.

Sicher werde ich Chevy Stevens damit nicht gerecht, doch im Nachhinein betrachtet hinterließ „Blick in die Angst“ bei mir nur das emotionale Pendant eines Schulterzuckens. Ja, es ist ein guter, solider Thriller mit einer sympathischen Protagonistin, nachhaltig ist er meiner Empfindung nach allerdings nicht. Eine flüssige, interessante Lektüre für zwischendurch, nicht sehr anspruchsvoll und selten überraschend. Zwischen Oberfläche und Tiefe besteht keinerlei Spannung, man muss als LeserIn nicht mit dem Buch arbeiten.

Nehmt „Blick in die Angst“ mit in den Urlaub, gönnt euch damit eine mentale Auszeit oder lest es unterwegs, denn wenn ihr Psychothriller mögt, wird es euch bestimmt gefallen. Große Lektüre dürft ihr jedoch nicht erwarten.

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