Thomas Jeier – Das Lied der Cheyenne

Cover des Buches "Das Lied der Cheyenne" von Thomas Jeier

Autor_in: Thomas Jeier

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 304 Seiten

Verlag: Heyne

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3453093089

Genre: Historische Fiktion

Ausgelesen: 23.04.2014

Bewertung: ★★★☆☆

Anmerkung: Ich habe versucht, mich in diesem Beitrag respektvoll und politisch korrekt auszudrücken. Ich lehne jegliche Form der Diskriminierung nachdrücklich ab und bin überzeugt, dass diese bereits in der Sprache beginnt. Sollten sich Leser_innen an meiner Diktion stören, sollte ich Redewendungen genutzt habe, die weniger respektvoll sind, als ich es beabsichtigt hatte, so bitte ich meine Leser_innen eindringlich, mich darauf hinzuweisen.

„Das Lied der Cheyenne“ von Thomas Jeier wurde mir von meinem Schwager empfohlen und ausgeborgt. Anlässlich meines Interesses für Feminismus und Emanzipation habe ich mich mit ihm darüber unterhalten, wie die Rolle der Frau innerhalb der indigenen Völker Nordamerikas definiert und ausgeprägt war; glücklicherweise interessiert er sich seit vielen Jahren für deren Kultur und hat dementsprechend eine Menge Wissen und Literatur angehäuft. „Das Lied der Cheyenne“ sollte mir einen ersten groben Eindruck vermitteln, sowohl von Kultur, Bräuchen, Lebensweise und eben auch der Position der Frauen bei den Cheyenne.

Der Roman ist die Geschichte von Büffelfrau, die als Schamanin der Cheyenne geboren wird und deren magische Kräfte ihr Volk durch eine dunkle Zeit führen sollen. Als sie alt genug ist, geht sie bei Sieht-hinter-die-Berge in die Lehre, doch das ist Büffelfrau nicht genug: Sie möchte eine unerschrockene Kriegerin und Jägerin sein. Tatsächlich gelingt es ihr, ihre Wünsche zu realisieren; sie erarbeitet sich einen Ruf als erfolgreiche Jägerin, Kriegerin und weise Frau. Als die heiligen Pfeile ihres Volkes von den Pawnee gestohlen werden, muss sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Ganz allein reitet sie ins Feindesland, um ihr Volk vor dem Zorn der Geister zu bewahren und die Pfeile zurückzubringen. Ihre Träume weisen Büffelfrau den Weg, doch sie zeigen ihr auch verwirrende Bilder von einem weißen Mann mit blauen Augen …

Ich brauchte einige Zeit, um einen Einstieg in „Das Lied der Cheyenne“ zu finden, da Thomas Jeier einen für mich eher ungewohnten Schreibstil pflegt. Er schreibt unglaublich ruhig; bemühen sich andere AutorInnen um einen hohen Spannungsbogen und sich rasant entwickelnde Ereignisse, setzt Jeier auf eine ausgeglichene Schilderung des Lebens seiner Protagonistin. Damit harmonieren Erzählstil und Erzähltes sehr gut, der gesamte Roman strahlt Gefasstheit und Würde aus. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Jeier nur bekannte Klischees reproduziert und ein Blick in das Nachwort bestätigte, dass er offenbar umfangreiche Recherchen durchführte, was eine respektvolle Darstellung ermöglichte. Büffelfrau ist eine fiktive Figur, beruht aber auf historischen Kriegerinnen der Cheyenne. Obwohl mir der Einstieg etwas schwer fiel, konnte ich im Laufe des Buches eine Verbindung zu Büffelfrau und ihrem Volk aufbauen. Ihr Schicksal begann mich zu fesseln; ich wollte wissen, wie die Geschichte ausgeht und wünschte der jungen Schamanin aus tiefstem Herzen ein Happy End. Am meisten imponierte mir das Gespür der Cheyenne für das Leben; ihre Fähigkeit, es in jeder Form zu schätzen, zu respektieren und zu genießen.
Wie bereits beschrieben, wollte ich mehr über die Rolle der Frau in der Kultur nordamerikanischer indigener Völker lernen und ich denke, ich war erfolgreich. „Das Lied der Cheyenne“ veranschaulicht, wie Frauen in die Gesellschaft der Cheyenne eingebunden waren, welchen sozialen Erwartungen sie ausgesetzt waren und inwieweit sie ihr Leben frei gestalten konnten. Offenbar gab es keine fest definierte Arbeitsaufteilung; es gab keine Aufgabe, die Frauen oder Männer nicht übernehmen durften, bestimmte Lebensweisen waren für das eine oder andere Geschlecht nur ungewöhnlich. Nach Jeiers Darstellung waren die Cheyenne in der Lage, jegliches Verhalten zu respektieren und tolerieren, solange es bestimmte Tabus nicht verletzte, was ihrer Ansicht nach die Geister hätte verärgern können (z.B. Jungfräulichkeit bis zur Ehe).
Selbstverständlich ist ein einzelner Roman nicht ausreichend, um einen verlässlichen Rückschluss auf das komplexe soziale Gefüge einer Gesellschaft wie die der Cheyenne zuzulassen; es wird weitere Literatur von Nöten sein, um das Bild, das in „Das Lied der Cheyenne“ beschrieben ist, zu bestätigen oder zu revidieren.

Thomas Jeiers Roman empfand ich insgesamt als guten Einstieg in die Kultur der indigenen Völker Nordamerikas, denn obwohl die Geschichte fiktiv ist, halte ich sie dennoch für realistisch. Es ist eine Geschichte, die in sich ruht und mir die Faszination für die beeindruckende Kultur und Lebensweise der Cheyenne verständlicher machte. Es ist kein Buch, das ich allen LeserInnen empfehlen würde, ein Grundinteresse an der Thematik muss vorhanden sein. Doch wer sich vom Volk der Cheyenne angezogen fühlt, wird in „Das Lied der Cheyenne“ eine eindrucksvolle Schilderung ihrer Lebensumstände vorfinden und darüber hinaus die Möglichkeit haben, in das Leben einer faszinierenden, mutigen jungen Frau einzutauchen.

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