Cover des Buches "Der Club der Unsichtbaren Gelehrten" von Terry Pratchett

Titel: „Der Club der Unsichtbaren Gelehrten“

OT: „Unseen Academicals“

Reihe: Scheibenwelt #37

Autor_in: Terry Pratchett

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 507 Seiten

Verlag: Goldmann

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3442477573

Genre: Fantasy > High Fantasy

Ausgelesen: 16.05.2014

Bewertung: ★★★★☆

Ich liebe Terry Pratchett. Vor Jahren habe ich angefangen, seine Scheibenwelt – Romane zu lesen; mein erster Ausflug war „Gevatter Tod“. Es gibt viele witzige Bücher, aber nur wenige Autoren, die es verstehen, Intelligenz und Philosophie so humorvoll zu verpacken. Pratchett hat die Fähigkeit, einen ehrlichen Blick auf die sogenannte zivilisierte Menschheit zu werfen und die Absurdität unserer gesellschaftlichen Regeln und Verhaltensweisen unbeirrt hervor zu heben. Er hält uns den Spiegel vor und lehrt uns, uns selbst nicht zu ernst zu nehmen.

Traditionen sind wichtig. Davon ist ganz Ankh-Morpork überzeugt, vor allem Ponder Stibbons, der neue Meister der Traditionen der Unsichtbaren Universität. Bei der Durchsicht des großen Buchs der Traditionen entdeckt er jedoch, dass die Zauberer eine ganze bestimmte Tradition in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt haben: die vermutlich schönste Nebensache der Welt, Fußball. Stellen sie nicht schnell eine Mannschaft zusammen und nehmen an einem Spiel teil, verliert die Universität eine umfangreiche Geldspende.

Da die gelehrten Herren nicht bereit sind, die allseits beliebte Käseplatte auf nur drei Sorten zu reduzieren, wird Stibbons mit dieser scheinbar unmöglichen Aufgabe betreut. Gemeinsam mit dem Kerzentropfer Nutt muss er gegen Jahre der Unsportlichkeit ankämpfen und die Zauberer überzeugen, ihre Snacks und Pfeifen lange genug aus der Hand zu legen, um zumindest eine minimale Chance zu haben. Als das Spiel dann stattfindet, geht es allerdings bereits um wesentlich mehr als nur Fußball …

„Der Club der Unsichtbaren Gelehrten“: Das Runde muss ins Eckige – oder so ähnlich

Schon auf der ersten Seite von „Der Club der Unsichtbaren Gelehrten“ wurde ich daran erinnert, dass es hundert gute Gründe gibt, warum ich Terry Pratchetts Romane so gern lese. Seine Fußnoten, die sich gern auch mal über mehrere Seiten erstecken, sind legendär. Die großzügige Prise alltäglichen Irrsinns, der groteske Witz, machen Ankh-Morpork zu einem meiner liebsten Schauplätze in der Welt der Fantasy – Romane.

„Der Club der Unsichtbaren Gelehrten“ thematisiert den Fußball, aber Pratchett macht unmissverständlich klar, dass dieser Sport so viel mehr ist als nur ein Spiel. Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, das die Grenzen von Toleranz und Solidarität im weitesten Sinne symbolisiert und das trifft eben auch auf eine fiktive, fantastische Gesellschaft wie die der Scheibenwelt zu. Ob nun Mensch, Zwerg, Troll oder Ork – neunzig Minuten auf dem Platz sind in der Lage, die ZuschauerInnen zu befreien sowie zu demaskieren. Neunzig Minuten, die gesellschaftliche Probleme aufzeigen, Unzufriedenheit verdeutlichen und trotzdem voller Liebe sind.

Jede_r, der_die schon einmal ein Fußballspiel im Stadion erlebt hat, kennt Pratchetts „wildes Tier“ mit tausend Kehlen – die Menge. Das Gedränge, der Lärm, dieses vollkommene Gefühl der Zugehörigkeit ist etwas ganz besonderes und Pratchett hat diese Emotionen wunderbar erfasst und literarisch nachvollziehbar verarbeitet. Das Match zwischen den Unsichtbaren Gelehrten und Ankh-Morpork United ist unheimlich spannend; ich hatte wirklich das Gefühl, vor Ort zu sein und mit zu fiebern.

Seine scharfsinnige Schilderung beschränkt sich nicht nur auf das Spiel selbst. Der gesamte Vorlauf ist eine brillante, satirische und ehrliche Darstellung des allgegenwärtigen Phänomens Fußball; ein Sport, der noch immer dem Volk gehört. Dies verdeutlicht Pratchett durch seine Figuren, die so außergewöhnlich wie einzigartig sind. Sei es nun Nutt, der hauptberuflich Kerzen tropft und trotzdem ein unvergleichlicher Autodidakt ist, oder Trevor Likely, der stets unterhalb seines Potentials gelebt hat, oder auch Pepe, der die Verbindung zwischen Fußball und Modewelt herstellt. Dabei entsteht ein realistischer, lebensechter Querschnitt aller Gesellschaftsschichten, welche letztendlich auf den Tribünen eines Stadions vereint sind.

„Der Club der Unsichtbaren Gelehrten“ ist ein Roman für alle, die Fußball lieben, aber auch erkennen können, wie unsinnig oder absurd die grenzenlose Begeisterung für diesen Sport manchmal ist. Die Ironie, die dieser Obsession inne liegt und die von Terry Pratchett zielsicher herausgefiltert wird, hat mich unzählbare Male laut auflachen lassen. Interessierte LeserInnen dürfen aber trotz dessen nicht vergessen, dass dieses Buch aus der Feder eines Autors stammt, der eine komplizierte Ausdrucksweise liebt. „Der Club der Unsichtbaren Gelehrten“ liest sich nicht einfach so weg, es zwingt die LeserInnen, ihre grauen Zellen anzustrengen, was jedoch auch einen Teil seines Werts ausmacht.

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