Richard Kadrey – Kill the Dead
Richard Kadrey schreibt nicht nur fleißig Romane und Kurzgeschichten, er ist auch Fotograf. Eine eigene Website für seine Fotografie habe ich bei meinen Recherchen nicht gefunden, doch selbst wenn, würde ich sie nicht verlinken. Ich persönlich finde seine Kunst interessant, aber sie ist auch sehr verstörend und es gibt sicher einige unter euch, die sie abstoßend fänden. Daher überlasse ich es euch selbst, ob ihr euch ansehen möchtet, welche Motive Mr. Kadrey ablichtet. Auf eigenes Risiko sozusagen. ;) Fakt ist, Richard Kadrey liebt sowohl in der Literatur als auch in der Fotografie das Extreme. Seine Figur des James Stark alias Sandman Slim ist da keine Ausnahme.
Nach 11 Jahren in der Hölle und der eher zufälligen Rettung von Los Angeles ist Starks Leben nun regelrecht langweilig geworden. Für seine Verhältnisse. Ab und zu ein Auftrag für das Golden Vigil, doch sonst ist es ruhig. Bis Luzifer Stark zu sich bittet und ihn zu seinem Bodyguard macht. Wozu der Herrscher der Hölle einen Bodyguard braucht? Offiziell soll Stark ihn zu den öffentlichen Auftritten begleiten, die Luzifer besuchen muss, um die Verfilmung seiner Biografie zu überwachen. In Wirklichkeit? Wen interessiert‘s, denn die Bezahlung ist gut. Schon bald bleibt Stark allerdings nichts anderes übrig, als sich dafür zu interessieren, denn Leute verschwinden, Luzifer wird angegriffen und die Toten erheben sich in Scharen. Irgendjemand pfuscht mit Zombies herum. Stark muss herausfinden, wer es ist und Schlimmeres verhindern, denn es kann ja wohl nicht sein, dass er bei seinem abendlichen Gläschen/Fläschchen Aqua Regia im Bamboo House of Dolls gestört wird. Oder?
Ich habe es bereits in Bezug auf die Montagsfrage von Libromanie geschrieben und ich muss es jetzt wiederholen: James Stark ist der perfekte Antiheld. Er hat so viele schlechte Eigenschaften, dass ich mich fragen musste, warum ich ihn eigentlich so unglaublich sympathisch finde. Ich weiß darauf keine eindeutige Antwort. Vermutlich hat es viel damit zu tun, dass seine Persönlichkeit wirklich einnehmend und unter der Oberfläche gar nicht so einfach gestrickt ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. In „Kill the Dead“ ist mir besonders aufgefallen, dass sein Aufenthalt in der Hölle ihn in bestimmten Punkten für das Leben unter Menschen verdorben hat. Jeder Mensch hat Ballast, aber Stark… Ihr kennt sicher das berühmte Zitat „Die Hölle, das sind wir selbst“ von T.S. Eliot – bei Stark ist es die wahrhaftige Hölle, die er mit sich herumträgt. Er wird seine Erinnerungen an die Jahre dort nicht los, weil er sich nicht richtig damit auseinandersetzt. Daraus entsteht eine ganz merkwürdige Beziehung zu einem Ort, der ihm schon bei dem bloßen Gedanken daran das Blut in den Adern gefrieren lassen sollte. Doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass Stark damit angibt, in der Hölle als Gladiator überlebt zu haben. Er ist stolz darauf, trotz all der Schmerzen und der Qual, die er dort erlitt. Hinzu kommt noch, dass ihm seit dieser Zeit die soziale Interaktion mit anderen Menschen sehr schwer fällt. Auf ihn trifft deshalb auch Sartres Zitat „Die Hölle, das sind die anderen“ zu. Er sehnt sich nach der Einfachheit der Arena, weil er sich dort nie die Frage stellen musste, wem er trauen kann. Er trug keine Verantwortung, musste keine Rücksicht nehmen und keine Pläne machen. Jetzt ist er zurück und hat eigentlich keine Ahnung, was er mit seinem Leben anstellen möchte. Diese Entwicklung war zu erwarten und ich finde es wunderbar, dass Richard Kadrey so deutlich darauf eingegangen ist. Stark ist ein verlorener Junge; er steht zwischen dem Golden Vigil und Luzifer und weiß genau, dass beide Seiten ihn eigentlich nur für ihre eigenen Pläne benutzen.
In „Kill the Dead“ beleuchtet Richard Kadrey aber nicht nur neue Facetten seines Protagonisten, er verrät auch einiges über sein übernatürliches Universum. Die Handlung hat sehr viel mit der Geschichte der Sub Rosas (also der Übernatürlichen) zu tun: wie die verschiedenen Familien nach Nordamerika kamen und warum, wie sich Machtstrukturen entwickelten und wie sie um eben diese kämpfen. Stark erfährt all das nebenbei, während er versucht, die Zombie-Plage in den Griff zu bekommen. Dadurch kommen Action, Blut und Chaos nicht zu kurz – „Kill the Dead“ ist wirklich aufregend und spannend, in seiner Brutalität ganz ähnlich der Bourbon Kid – Reihe. Ich finde, Richard Kadrey versteht es hervorragend, dem Ganzen ein wenig die Schärfe durch seinen unvergleichlichen Humor zu nehmen. Müsste ich nicht so oft lachen, empfände ich die exzessive Gewalttätigkeit seiner Romane vermutlich als zu dominant, doch so ist es eine perfekte Mischung.
Zu guter Letzt möchte ich noch die Figur des Luzifers hervorheben. Ich liebe ihn. Wirklich. Er ist nicht eindimensional böse, sondern kultiviert, belesen und manipulativ. Er erinnerte mich an einen Politiker oder Unternehmer und in gewisser Weise ist er das ja auch, denn die Hölle will gewinnbringend geführt und organisiert werden. Ich habe eine Schwäche für Luzifer-Versionen in Milton-Manier und Kadreys Vorstellung des Teufels kommt meiner eigenen so nahe, dass es fast schon unheimlich ist.
Die Sandman Slim – Romane machen mich einfach glücklich. Sie lesen sich leicht und flüssig, sind witzig und herrlich unanständig. Sie sind Urlaub für meine Gedanken und mittlerweile empfinde ich Stark als Freund.
Ich kann euch diese Reihe nur wirklich ans Herz legen, wenn ihr auf Antihelden à la Bourbon Kid, Joe Pitt oder Harry Dresden steht. Stark wird sicher auch eure Sympathie erobern, er ist einfach außergewöhnlich. Denn wann trifft man schon mal einen rauchenden, trinkenden, mordenden Halbengel?
Wie schon bei der Montagsfrage muss ich sagen: Ich will diesen Stark unbedingt kennen lernen! Sind die Bücher auch schon übersetzt? Ich fürchte mir würde im Englischen wohl das ein oder andere verloren gehen ^^‘
Und dann nur eine Frage am Rande: Hast du meine E-Mail bekommen? Wenn ja, ist okay. Du kannst dir natürlich zu Antworten so viel Zeit nehmen wie du magst, wollte nur sicher gehen ;)
Den ersten Band gibt es auf Deutsch unter dem Namen „Höllendämmerung“. Den Rest leider nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob da noch mal was passiert, weil Teil 1 schon 2013 veröffentlicht wurde. Aber: je mehr Leute es kaufen, desto wahrscheinlicher ist es ja, dass der Verlag darin einen Vorteil sieht, die Reihe weiter zu übersetzen. ;)
Ja, ich habe sie bekommen. Da du mich ja aber zum Lesen aufgefordert hast und ich das UNBEDINGT machen möchte, brauche ich ein bisschen mehr Zeit. Ich will den Kopf frei haben. :)
<3
Hmm.. Ja dann werde ich wohl irgendwann mal den ersten teil kaufen. Landet auf jeden Fall auf meiner Wunschliste :D
Wie gesagt nimm dir die Zeit :D
Und aufgefordert?! Dass soltle nicht als Aufforderung rüber kommen >.<
Hey, ganz ruhig, Aufforderung muss doch nichts Negatives sein. ;) Ich freue mich darüber, dass du meine Meinung hören möchtest, also empfinde ich das durchaus als positiv. :D
Hey Elli,
ich hab aus der Reihe „Höllendämmerung“ gelesen. Obwohl ich es tatsächlich unterhaltsam fand, habe ich nie wirklich nach den anderen Teilen der Serie Ausschau gehalten. Aber wie ich lese, gibt es offenbar auch nur diesen einen Teil bisher auf Deutsch.
Aber danke, dass Du mich nun neugierig auf mehr gemacht hast. *g*
Liebe Grüße
sanne
Wow, das klingt gut.
Diese Reihe muss ich mir auf jeden Fall merken. Und weil ich so ungeduldig bin, warte ich garantiert nicht auf die deutschen Ausgaben oder wechsele mittendrin die Sprache. Also wird es wohl das Beste sein, ich fange gleich auf englisch an.
Danke für’s aufmerksam machen – ich denke, das ist genau meine Kragenweite.
LG Gabi
Man!!! das Ganze klingt sooo gut! Ich bin ja ein Fan von richtig gut gemachten Antihelden…
Ich glaube, ich werde mir den ersten Teil mal auf Deutsch besorgen…und dann sehen wir weiter.
Vielleicht kriegst du mich auf diese Art dann doch noch dazu, dass ich mal mit Englisch-lesen anfange.. Hier scheint es sich wirklich zu lohnen!
[…] Ich liebe James Stark alias Sandman Slim aus der gleichnamigen Reihe von Richard Kadrey (s. “Kill the Dead”). – nur vom Äußeren Atticus O’Sullivan, der Protagonist der “Iron Druid […]