Patrick Rothfuss – The Name of the Wind

Cover des Buches "The Name of the Wind" von Patrick Rothfuss

Reihe: The Kingkiller Chronicle #1

Autor_in: Patrick Rothfuss

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 722 Seiten

Verlag: DAW

Sprache: Englisch

ISBN-10: 0756404746

Genre: Fantasy > High Fantasy

Ausgelesen: 30.01.2018

Bewertung: ★★★★☆

„The Kingkiller Chronicle“ von Patrick Rothfuss treibt die Fans in den Wahnsinn. Der erste Band „The Name of the Wind“ erschien 2007. Auf den zweiten Band „The Wise Man’s Fear“ warteten die Leser_innen bereits vier Jahre, er erschien 2011. Das Finale, voraussichtlich „The Doors of Stone“, ist bei Wikipedia als „Titel in Planung“ verzeichnet. Nach sieben Jahren gibt es noch nicht einmal ein ungefĂ€hres Veröffentlichungsdatum. Das ist zweifellos frustrierend. Ich habe mir deshalb zwei Jahre Zeit gelassen, bevor ich „The Name of the Wind“ aus dem Regal zog. Ich kann nur hoffen, dass mein Timing einigermaßen gut gewĂ€hlt war und Rothfuss bald fertig ist.

Der Mann hinter dem Tresen ist der Inhaber deiner Stammschenke. Du kennst ihn seit Jahren, schĂ€tzt ihn als zuverlĂ€ssig, gutmĂŒtig, zurĂŒckhaltend. Du vertraust ihm. Doch dann geschieht etwas. In seinen grĂŒnen Augen lodert plötzlich ein Feuer und dir wird klar, dass du nichts ĂŒber ihn weißt. Noch nicht einmal seinen wahren Namen.
Der Mann hinter dem Tresen heißt Kvothe. In der Vergangenheit trug er viele Namen: Kvothe Königsmörder, Kvothe der Geheimnisvolle, Kvothe der Blutleere. Er war ein Barde, ein Magier, ein Held. Er wurde gefeiert und verflucht. Heute liegen diese abenteuerlichen Zeiten hinter ihm. Sein Schwert ziert die Wand seines bescheidenen Gasthauses in einem unscheinbaren Dorf. Tag ein, Tag aus serviert er Bier und lauscht den Berichten vom zunehmenden Dunkel in der Welt. Er lebt anonym und zurĂŒckgezogen, bereit, vergessen zu werden. Bis eines Tages ein Chronist durch seine TĂŒr schreitet und ihn bittet, seine Geschichte niederschreiben zu dĂŒrfen. Drei Tage gesteht er dem Schreiber zu. So beginnt Kvothe zu erzĂ€hlen und plötzlich ist er nicht lĂ€nger der Schankwirt einer kleinen Herberge. Er ist eine Legende.

Jedes große High Fantasy – Epos verfĂŒgt meiner Meinung nach ĂŒber einen bestimmten Aspekt, der es aus der Masse heraushebt. Ein Alleinstellungsmerkmal. Das gewisse Etwas, wenn man so will. Das kann bombastisches Worldbuilding, hervorragende Charakterentwicklung oder eine außergewöhnlich dichte Handlung sein. Ich glaube, ich wusste bereits, dass „The Name of the Wind“ der Auftakt eines solchen spektakulĂ€ren Epos ist, als ich die erste Seite las.

Ich fĂŒhlte es, als mich Patrick Rothfuss‘ Worte verschlungen und in dieser unscheinbaren kleinen Schenke wieder absetzten. Ich spĂŒrte den gewaltigen, ungeduldigen Druck der monumentalen Geschichte, die erzĂ€hlt werden wollte, als ich dem Protagonisten Kvothe zum ersten Mal in die verblĂŒffend grĂŒnen Augen blickte. Die auktoriale, in der Gegenwart verankerte RahmenerzĂ€hlung vermittelte mir so unmissverstĂ€ndlich den Eindruck des Ungesagten, dass ich den Übergang zur BinnenerzĂ€hlung, die Kvothes Erinnerungen in der fĂŒr das Genre ungewöhnlichen Ich-Perspektive schildert, kaum abwarten konnte. Rothfuss erzeugt von Beginn an Spannung und ist in der Lage, diese konsequent aufrechtzuerhalten.

Die Diskrepanzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, die sowohl in Kvothes Persönlichkeit als auch in der Entwicklung des Settings Temerant auffallen, schĂŒren Neugier und lassen stĂ€ndig neue Fragen entstehen, die ich unbedingt beantwortet sehen wollte. Durch Rothfuss‘ ausfĂŒhrlichen, detailverliebten Schreibstil fand ich mich mitten in atmosphĂ€rischen Szenen wieder, die niemals Zweifel an seiner – und Kvothes – AutoritĂ€t als ErzĂ€hler aufkommen ließen. Trotz dessen musste ich mich aufgrund dieser umfangreichen Beschreibungen beim Lesen konzentrieren und Ablenkungen vermeiden. Ich stellte fest, dass ich unterwegs Schwierigkeiten hatte, dranzubleiben, wĂ€hrend ich zu Hause auf dem Sofa innerhalb von zwei Abenden 500 Seiten inhalierte.

Ich verstand schnell, in welcher Welt der junge Kvothe aufwuchs. Seine Herkunft erlaubte es Patrick Rothfuss, das Worldbuilding beilĂ€ufig zu gestalten und Hintergrundwissen und Kontextinformationen in Lieder und Sagen zu verpacken, ohne plump zu wirken. Geboren als Edema Ruh, als Sohn eines fahrenden Volkes von Schaustellern, reiste er mit seiner Familie durch das Land und zeigte frĂŒh eine einschĂŒchternde Hochbegabung, die ihm einige Jahre und Tragödien spĂ€ter die Tore der UniversitĂ€t zu einer magischen Ausbildung öffnete. Halleluja, endlich wieder ein richtiger Zauberlehrling!

Mit unserem geliebten HP hat er charakterlich allerdings wenig gemein. Ich kann mir nur ĂŒber den jugendlichen Kvothe ein Urteil erlauben, weil der erste Tag der ErzĂ€hlsituation und somit auch dieser erste Band enden, als er gerade einmal 15 Jahre alt ist. Vielleicht war ich deshalb oft nicht seiner Meinung. Unsere Meinungsverschiedenheiten störten mich jedoch nicht, denn nichts ist so langweilig wie permanenter Einklang zwischen Protagonist_in und Leser_in. Unsere Reibungspunkte ließen Kvothe fĂŒr mich lebendiger und realer wirken. Ich fĂŒhlte intensiv mit ihm und teilte all seine Emotionen, vom kleinsten Kichern bis zu den bittersten TrĂ€nen.

Das ist es, das Besondere, das diesen Trilogieauftakt als einzigartig kennzeichnet: die unvergleichliche emotionale IntensitĂ€t. „The Name of the Wind“ besitzt das gewisse Etwas und die Trilogie „The Kingkiller Chronicle“ demzufolge das Potential, eines der bedeutendsten High Fantasy-Epen unserer Zeit zu werden.

WĂ€re „The Name of the Wind” ein Einzelband, hĂ€tte das Buch ohne zu zögern 5 Sterne verdient. Da es sich jedoch um einen Trilogieauftakt handelt, fĂŒhlt es sich fĂŒr mich nicht richtig an, direkt die Höchstwertung zu vergeben. Ich konnte das geduldig ausharrende Potential wittern. Wir haben gerade einmal an der OberflĂ€che gekratzt. Patrick Rothfuss und Kvothe haben ihre Geschichte eben erst begonnen; so vieles ist noch verborgen und unausgesprochen, dass ich mich weigere, jetzt bereits mit Vorschusslorbeeren um mich zu werfen. Hier gibt es nichts geschenkt. Rothfuss und Kvothe verdienen die Chance, sich ihre Bestnote zu verdienen. Und ich bin sicher, das werden sie.

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