Jim Butcher – Storm Front

Cover des Buches "Storm Front" von Jim Butcher

Reihe: The Dresden Files #1

Autor_in: Jim Butcher

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 322 Seiten

Verlag: ROC

Sprache: Englisch

ISBN-10: 0451457811

Genre: Fantasy > Urban Fantasy

Ausgelesen: 26.02.2018

Bewertung: ★★★☆☆

Jim Butchers Karrierestart war kein Märchen. Seine Karriere nahm ihren Lauf, weil er hartnäckig und ungeniert war. Er schrieb „Storm Front“, den ersten Band der „Dresden Files“, für einen Schreibkurs und versuchte zwei Jahre lang erfolglos, ihn zu verkaufen. Also entschied er, direkt mit den Personen Kontakt aufzunehmen, mit denen er arbeiten wollte. Er bewarb sich bei der Agentur von Ricia Mainhardt, die damals Laurell K. Hamilton repräsentierte. Erneut wurde er abgelehnt. Er beschloss, in die Offensive zu gehen, fand heraus, auf welcher Convention Hamilton demnächst auftreten würde und löcherte Mainhardt und Hamilton dort mit Fragen, bis sie ihn zum Mittagessen einluden. Seine Hartnäckigkeit und der persönliche Kontakt brachten ihm einen Vertrag mit Mainhardt ein. Dreist kommt eben weiter – heute umfassen die „Dresden Files“ 15 Bände.

Wird Harry Dresden an einen Tatort gerufen, ist das selten ein gutes Zeichen. Die Chicagoer Polizei überlässt ihm nur die grausigsten, blutigsten Fälle. Unerklärliche Fälle. Magische Fälle. Sie rufen Harry, wenn sie seine Expertise brauchen, denn er ist der einzige Zauberer, der bereit ist, ihnen zu helfen. Dieses Mal erwischte es das bedauernswerte Paar im Bett, mitten beim Liebesspiel. Die Ironie ist offensichtlich: den beiden explodierten die Herzen aus der Brust. Jemand experimentiert mit schwarzer Magie. Sich mit einem brandgefährlichen, bösartigen Zauberer anzulegen, steht auf Harrys To-Do-Liste nicht gerade ganz oben, aber irgendwer muss den Verrückten aufhalten. Als Harry unter Verdacht gerät, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Ermittlungen selbst in die Hand zu nehmen. Wieder ein ganz normaler Tag im Leben des einzigen übernatürlichen Privatdetektivs in Chicago.

Für mich war „Storm Front“ ein Reread. Ich habe Jim Butchers Erstling schon einmal vor Jahren auf Deutsch gelesen. Ich mochte das Buch damals sehr und beschloss, die Reihe weiterzuverfolgen. Als ich herausfand, wie viele Bände der „Dresden Files“ bereits erschienen waren und was mich dieser Spaß demzufolge kosten würde, lag die Entscheidung, zu den günstigeren englischen Ausgaben zu wechseln, nahe. Stück für Stück erwarb ich die ersten acht Bände, bis ich der Meinung war, die Zeit für einen Reread sei gekommen. Ich bin froh, dass ich damit lange gewartet habe, denn so konnte ich einen kompletten Neustart in Angriff nehmen.
„Storm Front“ ist ein genretypischer Reihenauftakt. In der Urban Fantasy sind Reihen häufig auf eine hohe Bändeanzahl ausgelegt, weshalb der Auftakt meist lediglich die Grundzüge des Universums und der Hauptfigur(en) vorstellt. Er ist ein Aperitif, der die Neugier der Leser_innen auf die folgenden Abenteuer wecken soll. Jim Butcher ist dies zweifellos gelungen. Es gefiel mir, dass ich vorerst wenig von Harry erfuhr. Der Fokus lag auf der rasanten, schnell vorwärtsschreitenden Handlung, die mit aufregenden Kämpfen und schlagfertigen Dialogen überzeugt. Ich lernte, dass er ein Zauberer ist, der sich als Privatdetektiv verdingt und der Polizei bei einem abscheulichen übernatürlichen Fall hilft, doch seine Biografie bleibt bis auf wenige Fakten und Andeutungen verborgen. Ich habe bisher kein verlässliches Bild seiner Persönlichkeit, obwohl er als sympathischer Ich-Erzähler fungiert. Beispielsweise bin ich ratlos, wie alt er ist. Harry wirkt jung. Ich schätze ihn aufgrund seines Verhaltens auf Anfang 20, allerdings lässt Butcher durchschimmern, dass er auf eine bewegte, ereignisreiche Vergangenheit zurückblickt. Offenbar erhielt er eine magische Ausbildung und verfügt über einen umfangreichen Erfahrungsschatz, sein konkreter Umgang mit der Magie, dessen Zeugin ich erst auf der Hälfte des Buches wurde, erschien mir hingegen unprofessionell, als wüsste er nur bedingt, was er da eigentlich tut. Ich argwöhne, dass er ein unkonventioneller Zauberer ist, ein Punk in seiner Welt, die Butcher klassisch designte. Magie ist ein offenes Geheimnis: die Menschen wissen, dass es sie gibt, doch nur die wenigsten kommen mit ihr in Kontakt. Zauber_innen selbst müssen sich gegenüber dem Weißen Rat verantworten, der als Kontrollinstanz und Inquisition über die Einhaltung magischer Gesetze wacht. Unklar ist, ob jeder Mensch Magie erlernen kann und wo die Grenze zwischen weißer und schwarzer Magie verläuft. Harry steht mit dem Weißen Rat auf Kriegsfuß, ein Konflikt, der die Reihe sicher begleiten wird. Ich freue mich darauf, Harry und seine Realität besser kennenzulernen und die Entwicklung seiner Geschichte zu beobachten, die momentan leider noch nicht erkennbar aus dem Genre heraussticht. Mir fehlt in „Storm Front“ der einzigartige Dreh, der die „Dresden Files“ als einen besonderen Vertreter der Urban Fantasy kennzeichnen würde. Die Lektüre war spannend, actionreich und unterhaltsam, aber das sind andere Romane dieser Kategorie ebenfalls. Ich hoffe, dass Jim Butcher in den Folgebänden etwas Individualität herausarbeiten kann.

Meiner Ansicht nach wird „Storm Front“ durch seine Funktion als Reihenauftakt definiert. Die nervenaufreibende Handlung bietet einen fesselnden, dramatischen Rahmen für die Einführung des Protagonisten Harry Dresden, der wichtigsten Nebenfiguren und der alternativen Realität, in der er lebt. Jim Butcher gestaltete einen schmalen, aber stetigen Fluss von Hintergrundinformationen, die meine Neugier schürten, ohne mich von Harrys Ermittlungen abzulenken. Das Buch schreit geradezu „Ich bin ein erster Band!“. Ich habe das Gefühl, dass es entscheidend ist, diesen Fakt zu berücksichtigen und meine Erwartungshaltung entsprechend anzupassen. Ich empfinde es daher als nicht problematisch, dass „Storm Front“ keine Begeisterungsstürme bei mir auslöste und noch nicht über die Individualität verfügt, die ich mir von den „Dresden Files“ wünsche. Ich bin optimistisch, dass die Folgebände diesen Makel richten werden. Es muss ja nicht immer literarische Liebe auf den ersten Blick sein.

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