Cover des Buches 'Nevernight' von Jay Kristoff

Titel: „Nevernight“

Reihe: The Nevernight Chronicle #1

Autor_in: Jay Kristoff

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 463 Seiten

Verlag: Harper Voyager

Sprache: Englisch

ISBN-10: 0008179980

Genre: Fantasy > Low Fantasy

Ausgelesen: 27.04.2023

Bewertung: ★★★★☆

Der Trilogieauftakt „Nevernight“ des australischen Autors Jay Kristoff war nach seinem Erscheinen in aller Munde. Auch an mir ging der Rummel damals nicht vorbei, stimmte mich jedoch eher misstrauisch als euphorisch. Die „The Nevernight Chronicle“-Trilogie wird der Low Fantasy zugerechnet – ein Subgenre, das eher selten Hypes erfährt. Ich fragte mich, wie gut ein Low Fantasy-Roman sein kann, der trotz des Nischendaseins des Subgenres von so vielen über den grünen Klee gelobt wird. Auch von vielen, die sonst kaum Fantasy lesen.

Erschwerend kam hinzu, dass „Nevernight“ gelegentlich als Young Adult-Roman kategorisiert wird. Ich befürchtete, dass es sich um einen weiteren Vertreter der unrühmlichen Sparte „Als Fantasy verkleidete Jugendliteratur“ handeln könnte.

2019 entschied ich dennoch, das Buch zu kaufen, weil es mir einige Male persönlich empfohlen wurde. Aber erst meine liebe Freundin und Arbeitskollegin E. überzeugte mich, die Lektüre zu wagen. Sie sehnte sich nach einer Person, mit der sie über „Nevernight“ reden konnte – ich musste ihr einfach helfen und las es ihretwegen im April 2023.

Mit 10 Jahren wurde Mia Corvere alles genommen, was sie liebte. Ihr Vater, ihre Mutter, ihr kleiner Bruder – sie alle wurden auf Befehl des Konsuls Julius Scaeva ermordet. Mia überlebte als Einzige mit knapper Not. Während ihrer verzweifelten Flucht erkannte sie jedoch, dass sie keineswegs machtlos ist. In ihr entflammte ein alles verzehrendes Feuer, das nur ein Ziel kennt: Rache.

Heute, sechs Jahre später, ist Mia ihrem Ziel näher als je zuvor. Sie wird als Novizin der Roten Kirche auserwählt. Übersteht sie die erbarmungslose Ausbildung im versteckten Bergkloster der Kirche, wird sie als vollwertige Assassine der Göttin Niah in den Orden aufgenommen. Dann verfügt sie endlich über die Fähigkeiten und Mittel, sich an denjenigen zu rächen, die ihre Familie auslöschten.

Doch die Hallen der Kirche sind tückisch. Zwischen lebensgefährlichen Prüfungen, dem Wettstreit mit ihren ehrgeizigen Mitschüler_innen und der Suche nach einem Mörder, der unerkannt durch die Enklave streift, wird Mia von den Geheimnissen ihrer Vergangenheit eingeholt und muss entscheiden, was sie zu opfern bereit ist, um Rache zu üben. Findet sie in den Schatten den Weg zur Gerechtigkeit?

Mit 10 Jahren wurde Mia Corvere alles genommen, was sie liebte. Ihr Vater, ihre Mutter, ihr kleiner Bruder – sie alle wurden auf Befehl des Konsuls Julius Scaeva ermordet. Mia überlebte als Einzige mit knapper Not. Während ihrer verzweifelten Flucht erkannte sie jedoch, dass sie keineswegs machtlos ist. In ihr entflammte ein alles verzehrendes Feuer, das nur ein Ziel kennt: Rache.

Heute, sechs Jahre später, ist Mia ihrem Ziel näher als je zuvor. Sie wird als Novizin der Roten Kirche auserwählt. Übersteht sie die erbarmungslose Ausbildung im versteckten Bergkloster der Kirche, wird sie als vollwertige Assassine der Göttin Niah in den Orden aufgenommen. Dann verfügt sie endlich über die Fähigkeiten und Mittel, sich an denjenigen zu rächen, die ihre Familie auslöschten.

Doch die Hallen der Kirche sind tückisch. Zwischen lebensgefährlichen Prüfungen, dem Wettstreit mit ihren ehrgeizigen Mitschüler_innen und der Suche nach einem Mörder, der unerkannt durch die Enklave streift, wird Mia von den Geheimnissen ihrer Vergangenheit eingeholt und muss entscheiden, was sie zu opfern bereit ist, um Rache zu üben. Findet sie in den Schatten den Weg zur Gerechtigkeit?

„Nevernight“: Ihr müsst nur die ersten 100 Seiten überstehen

Lasst mich euch den gleichen Tipp geben, den ich von E. erhalten habe, als ich „Nevernight“ zu lesen begann: Ignoriert die ersten 100 Seiten. Falls ihr feststellt, dass ihr Schwierigkeiten habt, in Handlung und Geschichte hineinzufinden – gebt nicht auf. Es wird besser. VIEL besser. Die ersten 100 Seiten von „Nevernight“ sind nicht repräsentativ für die Gesamtheit dieses prickelnden, spannungsgeladenen ersten Bandes der „The Nevernight Chronicle“.

Ich hoffe, dass euch diese Vorwarnung ebenso hilft wie mir, denn ohne sie hätte ich mir meinen Optimismus für die Lektüre wohl nicht bewahrt. Jay Kristoff gestaltet den Einstieg in seine Geschichte mit parallelen Handlungslinien, denen ich nur sehr schwer folgen konnte. Obwohl ich intellektuell erkennen konnte, was er zu erreichen versucht, empfand ich das Ergebnis als anstrengend, verwirrend und abstrakt.

Ich konnte mich nicht orientieren und wurde zusätzlich ständig von zahlreichen Fußnoten abgelenkt, die Kristoff munter und unerbittlich mit Details des Worldbuildings vollstopft. Mein Lesefluss wurde dadurch immer wieder unterbrochen, sodass ich den Autor irgendwann frustriert anschreien wollte, mich „Nevernight“ doch endlich in Ruhe lesen zu lassen.

Aufgrund dieser Faktoren erschien mir die Reise der Protagonistin Mia zum verborgenen Kloster der Roten Kirche endlos gestreckt. In meiner Wahrnehmung dauerte es ewig, bis sie die Enklave erreicht. Als sie vor den Toren steht, war ich daher schon ziemlich genervt, unzufrieden und hatte große Zweifel daran, dass meine Erfahrung mit „Nevernight“ glücklich enden könnte.

Sobald Mia das Kloster betritt, wendet sich das Blatt allerdings dramatisch. Es war, als wäre Jay Kristoff endlich dort angekommen, wo er die ganze Zeit hinwollte. Und wer weiß, vielleicht war ihm das Vorspiel tatsächlich lästig und seine Vorstellung dessen nicht sehr plastisch. Vielleicht musste er nur irgendwie erklären, aus welchem Kontext heraus Mia ihre Ausbildung zur Assassinin der Roten Kirche beginnt.

Was auch immer es war, Mias Ankunft markiert einen echten Umbruch. Plötzlich war die Handlung hervorragend getaktet, die Ereignisse entwickelten sich flüssig und kontinuierlich. Ich hatte keine Schwierigkeiten mehr, „Nevernight“ zu folgen. Ich empfand Mias Ausbildung als dermaßen fesselnd, dass ich sogar immer wieder vergaß, dass die Kirche parallel eine_n Mörder_in in den eigenen Reihen sucht – obwohl dieses Element der Geschichte jede Menge Biss verleiht.

Wie soll man eine Mordermittlung aufziehen, wenn sich ein_e Mörder_in unter Mörder_innen versteckt? Jede_r von Mias ambitionierten Mitschüler_innen hätte Motiv und Gelegenheit, denn ihre tödlichen Fähigkeiten sind ja überhaupt erst der Grund, dass sie trotz der hohen Anforderungen der Ausbildung als Noviz_innen aufgenommen wurden. Dieses Spannungsfeld erzeugte eine delikat-heikle Situation, aus der ich nur sehr ungern herausgerissen wurde.

Dennoch muss ich gestehen, dass ich Jay Kristoffs Umgang mit den Rahmenbedingungen seines Trilogieauftakts zum Teil latent bedenklich fand. Ich beobachtete, wie ich in Rekordzeit abstumpfte. Die Ausbildung in der Roten Kirche ist extrem gefährlich. Kombiniert mit den mörderischen Absichten eines oder einer der ihren ist die Todesquote in „Nevernight“ ziemlich hoch. Ich akzeptierte diese jedoch sehr schnell als völlig natürlichen Teil des Settings, sodass mich die meisten Tode kaltließen, ebenso wie Mia. Das hing sicher damit zusammen, dass ich die meisten Opfer gar nicht kennenlernen durfte.

„Nevernight“ konzentriert sich voll und ganz auf Mia, ihre wenigen Freund_innen und diejenigen, die sie als direkte Konkurrenz erachtet. Nicht alle Schüler_innen werden vorgestellt, von einigen erfuhr ich ihre Namen erst anlässlich ihres Todes. Auf mich wirkte das, als hätte Mia gar kein Bewusstsein für ihre Anwesenheit. Ich fand es schade, wie blass, wenn nicht gar unsichtbar, sie bleiben bis sie sterben. Diese Anonymität erschien mir allerdings nicht nur bedauerlich, sondern auch etwas faul von Jay Kristoff – was mich zu der Frage bringt, ob „Nevernight“ nun als Jugendliteratur einzustufen ist oder nicht.

Lässt der erste Band Rückschlüsse auf den weiteren Verlauf der Geschichte zu, erwartet uns mit „The Nevernight Chronicle“ eine düstere, blutige Trilogie, die vollkommen zurecht der Low Fantasy zugeordnet wird. Da sich Young Adult-Literatur meines Erachtens hauptsächlich durch die Zielgruppe definiert, würde ich „Nevernight“ dementsprechend ungern ausdrücklich als Jugendbuch bezeichnen. Dafür ist es zu explizit, zu finster und zynisch.

Nichtsdestotrotz weist der Roman zweifellos Aspekte auf, die absolut typisch für die Jugendliteratur sind. Abgesehen von der eindeutigen Coming-of-Age-Entwicklung der erst 16-jährigen Mia und dem formvollendeten Auftritt eines waschechten Ballkleids, über den ich ironisch schmunzeln musste, nimmt Jay Kristoff ein paar Abkürzungen, die sich häufig in YA-Büchern finden und bei genauerem Hinsehen nicht gänzlich logisch oder plausibel wirken.

Die Gesichts- und Namenlosigkeit von Mias Mitschüler_innen ist dafür nur ein Beispiel; es gibt mehrere solcher Punkte, die mich stutzen ließen. Glücklicherweise ist „Nevernight“ so spannend und mitreißend, dass diese etwas zu grob gewebten Maschen während der Lektüre nur leichte Störgefühle bei mir auslösten – aber sie sind mir aufgefallen.

Für mich war „Nevernight“ eine erfreuliche, positive Überraschung. Ich bin E. dankbar, dass sie mich motivierte, den Trilogieauftakt endlich zu lesen und mich vom Hype sowie meiner Skepsis nicht beirren zu lassen. Ich habe Lust auf die Folgebände, ich möchte herausfinden, wie es mit Mia weitergeht. Es hat mir Spaß gemacht, an der Seite einer jungen, weiblichen Hauptfigur diesen Mikrokosmos fernab moralischer Konventionen zu erforschen und im Rahmen dieser Konfrontation gemeinsam sowohl ihre als auch meine moralischen Grenzen auszuloten.

Ich gebe zu, es war etwas beängstigend, was ich entdeckte. Doch genau darin liegt schließlich der Reiz des Lesens: nicht nur das Licht, sondern auch die Schatten der Seele mutig zu betrachten.

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