Cover des Buches 'Godsgrave' von Jay Kristoff

Titel: „Godsgrave“

Reihe: The Nevernight Chronicle #2

Autor_in: Jay Kristoff

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 455 Seiten

Verlag: Harper Voyager

Sprache: Englisch

ISBN-10: 0008180067

Genre: Fantasy > Low Fantasy

Ausgelesen: 24.03.2024

Bewertung: ★★★★☆

Jay Kristoff lässt keinen Zweifel daran, welchem Genre er „The Nevernight Chronicle“ zuordnet. Er beschreibt seine Trilogie als die düstere Geschichte einer äußerst gewalttätigen, destruktiven jungen Frau über die Gefahren von Rache. Mia wird von ihm explizit als Antiheldin charakterisiert, und Kristoff betont, dass sein Werk ausdrücklich keine tolkieneske, epische Fantasy ist. Für mich führt diese Einordnung zu einer klaren Schlussfolgerung: „The Nevernight Chronicle“ gehört zur Grimdark, der finstersten Ecke der Low Fantasy.

Kristoff vermutet, dass der enorme Erfolg der Trilogie genau mit dieser Düsternis zusammenhängt. Seiner Theorie nach sehnen wir uns angesichts der zunehmenden Düsternis in unserer eigenen Realität nach Geschichten und Charakteren, die diese Dunkelheit erforschen. Vielleicht liegt genau darin der Reiz von „Godsgrave“, dem zweiten Band der Trilogie, der uns tiefer in Mias Rachefeldzug und die moralischen Abgründe der itreyanischen Welt führt.

Mia Corvere dachte, als vollwertiges Mitglied der Roten Kirche könnte sie nichts und niemand daran hindern, endlich Rache für ihre Familie zu nehmen. Sie irrte sich. Statt sie bei ihrer Mission zu unterstützen, verbieten ihr die Oberen der Kirche strikt, Hand an Konsul Scaeva zu legen. Er ist unantastbar. Mia ist fassungslos. Mussten dafür all ihre Freunde sterben? Musste Tric dafür sterben?

Enttäuscht und angewidert vom Verrat jener, die sie einst zutiefst bewunderte, kehrt sie der Kirche den Rücken. Will sie selbst für Gerechtigkeit sorgen, hat sie nur eine Chance: In wenigen Wochen werden Konsul Scaeva und Kardinal Duomo öffentlich die Sieger_innen der Großen Spiele in Godsgrave ehren – und dabei beinahe ungeschützt sein.

Doch um ihren Racheplan in die Tat umzusetzen, muss Mia ihr altes Leben hinter sich lassen und eine andere werden. Sie muss aus den tiefen Schatten ihrer Göttin in das grelle Licht der Arena treten. Sie muss sich den Todgeweihten anschließen – den besten Gladiator_innen des Landes.

Mia Corvere dachte, als vollwertiges Mitglied der Roten Kirche könnte sie nichts und niemand daran hindern, endlich Rache für ihre Familie zu nehmen. Sie irrte sich. Statt sie bei ihrer Mission zu unterstützen, verbieten ihr die Oberen der Kirche strikt, Hand an Konsul Scaeva zu legen. Er ist unantastbar. Mia ist fassungslos. Mussten dafür all ihre Freunde sterben? Musste Tric dafür sterben?

Enttäuscht und angewidert vom Verrat jener, die sie einst zutiefst bewunderte, kehrt sie der Kirche den Rücken. Will sie selbst für Gerechtigkeit sorgen, hat sie nur eine Chance: In wenigen Wochen werden Konsul Scaeva und Kardinal Duomo öffentlich die Sieger_innen der Großen Spiele in Godsgrave ehren – und dabei beinahe ungeschützt sein.

Doch um ihren Racheplan in die Tat umzusetzen, muss Mia ihr altes Leben hinter sich lassen und eine andere werden. Sie muss aus den tiefen Schatten ihrer Göttin in das grelle Licht der Arena treten. Sie muss sich den Todgeweihten anschließen – den besten Gladiator_innen des Landes.

„Godsgrave“: Was das Mädchen aus gutem Hause von den Todgeweihten lernen kann

Mochtet ihr die Serie „Spartacus“? Oder, falls ihr jünger seid, vielleicht die erste Staffel der aktuelleren Serie „Those About to Die“ mit Anthony Hopkins in der Rolle des römischen Kaisers Vespasian? Mögt ihr Geschichten über Gladiator_innen? Wenn ja, gefällt euch „Godsgrave“ ganz bestimmt.

Nachdem Mia den ersten Band der „The Nevernight Chronicle“ fast ausschließlich hinter den Mauern des Klosters der Roten Kirche verbringt, schickt Jay Kristoff sie im zweiten Band in seine Welt hinaus und lässt sie zum ersten Mal intensiv mit dieser interagieren. Beinahe sofort wird klar, dass das antike römische Reich seine Hauptinspirationsquelle für die Gestaltung der itreyanischen Republik war. Kristoff ist kein Historiker, aber seine Begeisterung für das Rom der Cäsaren, Legionäre und Gladiator_innen konnte ich deutlich spüren. Ich fand es belebend, seine Leidenschaft unmissverständlich zwischen den Zeilen wahrnehmen zu können und ließ mich von dieser anstecken.

Die Todgeweihten der Arena faszinieren mich ohnehin seit langer Zeit, daher freute ich mich darüber, wie entscheidend die Rolle der Gladiator_innen in „Godsgrave“ ist. Ich hätte mir zwar etwas mehr Originalität gewünscht, weil die Handlungsparallelen zu „Spartacus“ in einigen Abschnitten schon sehr offenkundig waren, kann jedoch nachvollziehen, dass diese Ähnlichkeiten den Boden für die Weiterentwicklung von Mias Persönlichkeit und Charakter ebnen.

Wie im antiken Rom sind Gladiator_innen in Itreya Sklav_innen. Vielen von ihnen wurde die Freiheit aus fadenscheinigen Gründen genommen, damit sie für eine Gesellschaft sterben, die ihren einzigen Wert in ihrem spektakulären Tod sieht. In der Arena kämpfen nicht etwa Adlige, sondern die Armen und Schwachen – jene, die als entbehrlich gelten.

Jay Kristoff nutzt das Schicksal der Gladiator_innen in „Godsgrave“ folglich, um die inhärente Ungerechtigkeit und Grausamkeit der itreyanischen Republik aufzuzeigen. Er beschreibt eine Republik, die ihre Macht auf dem Leid der unteren Gesellschaftsschichten aufbaut und deren Fortbestehen davon abhängt, dieses Leid unaufhörlich zu reproduzieren.

Trotz des Traumas, das der Mord an ihrer Familie auslöste, steht Mia den Gladiator_innen Itreyas somit diametral gegenüber. Sie war ihr Leben lang privilegiert und ist es noch: durch ihre soziale Herkunft, die isolierten Umstände ihres Aufwachsens, ihre Fähigkeiten. Seit ihrer Geburt wurde sie stets auf die eine oder andere Weise von den bedrückenden Alltagssorgen der meisten Menschen in der Republik abgeschirmt. Sie hat keine Vorstellung davon, was es bedeutet, dem System hilflos ausgeliefert zu sein.

In „Godsgrave“ erlebt sie diese Schattenseite der Gesellschaft erstmals hautnah. Die Konfrontation mit der Lebensrealität der Gladiator_innen verändert sie, lässt sie reifen und charakterlich wachsen.

Ich fand die mühelose Verknüpfung von Mias Wachstum mit der Verfeinerung des Worldbuildings brillant, denn Jay Kristoff gelingt es, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Einerseits begann ich, Mia über ihren Rachefeldzug hinaus zu verstehen; andererseits lernte ich viel über Itreya und gelangte zu der Überzeugung, dass die Republik moralisch verfault. Kristoff zeigt hier wirklich, was er als Schriftsteller drauf hat. Wieso, oh, wieso braucht jemand mit seinem Talent dann diese Fußnoten?

Die Fußnoten führte Kristoff im ersten Band „Nevernight“ als Stilmittel ein und verwendet sie in „Godsgrave“ erneut, um seine Geschichte mit Kommentaren seines Erzählers aufzulockern und die „granularen“ (sein Wort, nicht meins) Details seines Worldbuildings von der Handlung zu separieren, damit Leser_innen, die diese nicht interessieren, sie auslassen können. Ich will gar nicht leugnen, dass ich sie oft witzig und unterhaltsam finde. Das ändert aber leider nichts daran, dass dieses Konzept für mich nicht gut funktioniert.

Sie stören meinen Lesefluss. Ich käme nie auf die Idee, Fußnoten zu überspringen und frage mich eher, ob es keine elegantere, geschicktere Lösung für die Feinheiten des Worldbuildings gab. Meine Leseerfahrung bereichern sie nicht – mich lenken sie ab.

Ich glaube, dass dieser ablenkende Effekt jedoch nicht nur den Fußnoten selbst zuzuschreiben ist, sondern auch der Tatsache, dass ich „Godsgrave“, ebenso wie „Nevernight“ zuvor, bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar fand. Das ist das Einzige, was mich an der „The Nevernight Chronicle“ bisher wirklich stört, denn meiner Meinung nach ist die Berechenbarkeit der Handlung sowie der Protagonistin eine direkte Folge der jugendliteraturtypischen Muster, die ich schon in meiner Rezension von „Nevernight“ erwähnte.

Ich wusste nicht, was Mia tun wird, weil ich sie so gut kenne, sondern weil ich viel Erfahrung mit Young Adult-Romanen habe und die Zeichen erkenne, wenn ich sie sehe. Dadurch verloren viele Wendungen, die eigentlich überraschend und unerwartet sein sollten, für mich an Intensität – und das ist einfach schade. Ich hoffe sehr, dass sich Jay Kristoff im Finale „Darkdawn“ von diesen Mustern löst, denn ich möchte einen phänomenalen Abschluss erleben, der mich an die Seiten fesselt und mit jeder Menge schockierenden Entwicklungen aufwartet, bei denen mir der Mund offen stehen bleibt.

Unterm Strich ist „Godsgrave“ eine würdige Fortsetzung der „The Nevenight Chronicle“, die vor allem durch die gewissenhafte, intelligente Verfeinerung des Worldbuildings und die plausible Weiterentwicklung der Protagonistin überzeugt. Im direkten Vergleich ist dieser zweite Band vielleicht ein Müh schwächer als der Auftakt, weil sich ein paar Handlungsabschnitte etwas zogen. Hin und wieder verweilt Jay Kristoff länger, als unbedingt notwendig gewesen wäre, wodurch der Spannungsbogen kleinere Dämpfer erhält. „Godsgrave“ entwickelt daher nicht den gleichen atemlosen Drive, der mir in „Nevernight“ so gut gefiel (nach den ersten 100 Seiten).

Dabei handelt es sich allerdings um eine minimale Nuance, sodass ich überhaupt keine Bauchschmerzen dabei hatte, ein kleines Bisschen großzügig zu sein und vier Sterne zu vergeben. Mir hat „Godsgrave“ viel Freude bereitet, meine Faszination für Gladiator_innen erneut befeuert und mich mit actionreichen, aufregenden Kampfszenen begeistert.

Zum Schluss noch eine Warnung, weil ich weiß, dass sich viele von euch ungern ungebremst und unvorbereitet hineinlesen: „Godsgrave“ endet mit einem wirklich fiesen Cliffhanger. Sollte euch das tangieren, stellt sicher, dass der letzte Band „Darkdawn“ bereits parat liegt. Mittlerweile ist „The Nevernight Chronicle“ jedoch sowohl auf dem englischen als auch dem deutschen Markt vollständig erschienen – ihr könnt also direkt weiterlesen!

Bewerte diesen Beitrag!