Cover des Buches "Those Above" von Daniel Polansky

Titel: „Those Above“

Reihe: The Empty Throne #1

Autor_in: Daniel Polansky

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 393 Seiten

Verlag: Hodder & Stoughton

Sprache: Englisch

ISBN-10: 1444779915

Genre: Fantasy > High Fantasy

Ausgelesen: 29.03.2021

Bewertung: ★★★★☆

Worum geht es in deinem neuen Buch? Laut Daniel Polansky ist das eine der schwierigsten Fragen, die man Autor_innen stellen kann. Er ist überzeugt, dass es darauf so viele Antworten wie Leser_innen gibt. Eine interessante Ansicht, die meiner Meinung nach viel Wahrheit enthält. Schließlich liest jede_r etwas anderes aus einem Buch heraus.

Für „Those Above“, den Auftakt seiner „The Empty Throne“-Dilogie, hat Polansky deshalb mehrere Beschreibungen in petto. Nach seiner offiziellen Zusammenfassung handelt es sich um eine Geschichte von fast perfekten, nahezu unsterblichen Humanoiden, die in einer wundersamen Stadt im Zentrum der Welt leben, und den Versuch ihrer menschlichen Sklav_innen, sich von ihrem Joch zu befreien. Persönlich glaubt Polansky hingegen, dass es in „Those Above“ darum geht, wie unsere Herkunft und Biografie unsere Wahrnehmung prägen und diese auf eine Art und Weise einschränken, die wir oft nicht formulieren oder völlig verstehen können.

Zwei Ansätze, die sich nicht unbedingt widersprechen – und denen ich einen dritten hinzufüge.

Seit drei Jahrtausenden besteht eine unveränderliche Ordnung. Die Oberen herrschen. Die Menschen dienen. Niemand erinnert sich noch daran, welches Verbrechens sich die Menschheit schuldig machte. Die Härte ihrer Ketten quält die Unterdrückten jeden Tag. Die Oberen erwarten, nein, verlangen Verehrung, Demut und Unterwerfung.

Jede Rebellion der Menschen scheiterte, zuletzt vor 25 Jahren. Die entfesselte Macht der gottgleichen Oberen ist schrecklich. Dennoch unterspülen Hass und Unzufriedenheit die bestehende Ordnung stetig und unaufhaltsam. Wie ein Rinnsal, das ein Fundament aushöhlt, tröpfelt der Gedanke an Gerechtigkeit durch alle Bevölkerungsschichten. Denn die Sehnsucht nach Freiheit lässt sich nicht ersticken – weder durch Angst noch durch Gewalt oder die Illusion von Loyalität.

Seit drei Jahrtausenden besteht eine unveränderliche Ordnung. Die Oberen herrschen. Die Menschen dienen. Niemand erinnert sich noch daran, welches Verbrechens sich die Menschheit schuldig machte. Die Härte ihrer Ketten quält die Unterdrückten jeden Tag. Die Oberen erwarten, nein, verlangen Verehrung, Demut und Unterwerfung.

Jede Rebellion der Menschen scheiterte, zuletzt vor 25 Jahren. Die entfesselte Macht der gottgleichen Oberen ist schrecklich. Dennoch unterspülen Hass und Unzufriedenheit die bestehende Ordnung stetig und unaufhaltsam. Wie ein Rinnsal, das ein Fundament aushöhlt, tröpfelt der Gedanke an Gerechtigkeit durch alle Bevölkerungsschichten. Denn die Sehnsucht nach Freiheit lässt sich nicht ersticken – weder durch Angst noch durch Gewalt oder die Illusion von Loyalität.

„Those Above“: Ihr müsst selbst sehen

Man sagt, ist ein Buch einmal geschrieben und veröffentlicht, gehört es nicht mehr dem_der Autor_in. Es gehört den Leser_innen. Ich liebe diese Weisheit, weil sie jede Leseerfahrung legitimiert. Sie erinnert uns daran, dass jede Interpretation einer Geschichte wertvoll ist und verschiedene Deutungsansätze problemlos parallel existieren können.

Daniel Polansky tritt seine Deutungshoheit über „Those Above“ ganz bewusst ab und lädt aktiv dazu ein, den Dilogie-Auftakt mit eigenen Interpretationen aufzuladen. Das gelingt ihm, indem er konsequent darauf verzichtet, seine Geschichte zu erklären. Das heißt nicht, dass er nachlässig vorgehen oder wichtige Details vorenthalten würde. Ganz im Gegenteil, er widmet sich Worldbuilding und Figurenetablierung sehr gewissenhaft.

Ich war eingangs sogar irritiert davon, wie viel Zeit er sich dafür nimmt, denn ich gewann erst nach der Hälfte des Buches eine Ahnung, wohin er mit mir wollte. Für einen relativ kurzen High Fantasy – Roman von unter 400 Seiten ist das ziemlich spät. Mit dieser Offenbarung erblühte jedoch auch die Erkenntnis, wie entscheidend meine exakte Kenntnis der Ausgangslage für meine individuelle Wahrnehmung von „Those Above“ war.

Polansky versetzte mich gezielt in die Lage, die Informationen, die er mir gab, selbstständig in einen größeren Kontext setzen zu können. Er schrieb mir nicht vor, wie ich sie anzuordnen hatte; er kaute mir nicht vor, was ich als relevant einstufen musste. Er gestand mir die Freiheit zu, eigene Schwerpunkte festzulegen und daraus abzuleiten, was „Those Above“ für mich bedeutet. Ich empfand die Lektüre daher als ungemein emanzipiert, erwachsen und intellektuell stimulierend.

Ich sah, was er mir zeigen wollte: Eine Welt, die mit eiserner Faust von Wesen beherrscht wird, die der Göttlichkeit beunruhigend nahekommen. Eine versklavte Menschheit, die davon träumt, frei zu sein. Vier Einzelschicksale, die alle unterschiedlich von demselben ungerechten Machtgefälle betroffen sind. Ich sah es und entwickelte die Überzeugung, dass „Those Above“ eine Warnung ist – eine Warnung vor den Folgen von Unterdrückung.

Das ist es, was ich aus „Those Above“ herauslese. Ebenso erkenne ich die Lesarten, die Daniel Polansky selbst nennt. Sie alle sind wahr, sie alle sind gerechtfertigt, für alle lassen sich im Manuskript Belege lokalisieren. Das ist das Besondere an „Those Above“: Es ist ein Buch, das auf zahlreichen Ebenen gleichzeitig stattfindet und dadurch keine einzige Interpretation ausschließt.

Vielleicht seid ihr enttäuscht davon, dass ich in dieser Rezension wenig auf den Inhalt von „Those Above“ eingehe. Möglicherweise habt ihr gehofft, dass ich erläutere, was genau die Oberen sind oder die zentralen Figuren vorstelle. Lasst euch gesagt sein, dass ich die Geschichte des ersten Bandes von „The Empty Throne“ bewusst nicht seziere, sondern lediglich berichte, was mich daran faszinierte, weil ich möchte, dass ihr euch all eure Fragen selbst beantwortet. Würde ich das für euch übernehmen, wäre die einzigartige Deutungsoffenheit des Buches dahin.

Ihr müsst selbst entdecken, wie „Those Above“ auf euch wirkt, was es bei euch auslöst und welche Assoziationen sowie Interpretationen sich für euch herausschälen. Ihr müsst selbst sehen. Ich kann euch versichern, dass es sich lohnt. „Those Above“ ist intelligent, subtil und voller gesellschaftsphilosophischer Sinnbilder, die innerhalb des exotischen Settings die Vertrautheit unserer Realität suggerieren.

Daniel Polansky vermittelt eine elegante Ästhetik, die durch actionreiche oder brutale Szenen nicht gebrochen, sondern zusätzlich unterstützt wird und die Lektüre in ein verführerisch sinnliches Erlebnis verwandelt. Wieder einmal bin ich überwältigt davon, wie facettenreich das Genre der High Fantasy ist und wie unterschiedlich Autor_innen dessen Rahmen füllen. Ich freue mich nun sehr auf die Fortsetzung „Those Below“, denn jetzt geht es erst richtig los: Die ersten Funken der Rebellion haben Feuer gefangen.

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