Charlie Huston – Stadt aus Blut

Cover des Buches "Stadt aus Blut" von Charlie Huston

Reihe: Joe Pitt #1

Autor_in: Charlie Huston

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 320 Seiten

Verlag: Heyne

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3453675274

Genre: Fantasy > Urban Fantasy

Ausgelesen: 19.02.2014

Bewertung: ★★★★☆

Beschäftigt man sich intensiver mit dem Genre Urban Fantasy, fällt schnell auf, dass es häufig einen bemerkenswerten Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Autoren gibt. Männer schreiben in der Regel völlig andere Urban Fantasy als Frauen. Oft gehen sie wesentlich rationaler und wissenschaftlicher an die Thematik heran; außerdem spielen Romantik und Erotik eine eher untergeordnete Rolle, während die Handlung von blutigen Konflikten geprägt ist. Viele weibliche Autoren romantisieren und idealisieren die Welt des Übernatürlichen, Männer hingegen neigen dazu, deren brutale Schattenseiten darzustellen.

Dies trifft auch auf Charlie Hustons „Stadt aus Blut“ zu, der erste Roman seiner Reihe um den Protagonisten Joe Pitt. Joe ist ein unabhängiger Vampyr (ja, die Schreibweise ist beabsichtigt) in Manhattan, der sich seinen Lebensunterhalt mit kleineren Aufträgen der verschiedenen ansässigen Clans verdient. Dazu gehört auch, infizierte Zombies aufzutreiben und auszuschalten, bevor sie größeren Schaden anrichten können. Ein solcher Fall ist es, der Joes Leben erheblich verkompliziert. Plötzlich steht er zwischen den Clans und muss nebenbei noch einen von zu Hause ausgerissenen Teenager aufspüren. Doch damit nicht genug ist das Mädchen die Tochter eines des wohlhabendsten und einflussreichsten Ehepaars Manhattans. Ihr Verschwinden scheint mit ihrem Vater zusammenzuhängen, dem eine Biotech-Firma gehört, in der er auch als Chefforscher arbeitet. Für ihn sind sowohl das Zombie-Bakterium als auch das Vampyr-Vyrus hochinteressant …

Die Handlung von „Stadt aus Blut“ ist rasant, spannend und blutig; Gewalt nimmt einen erheblichen Stellenwert ein. Es ist auffällig, dass der Plot zu keinem Zeitpunkt unterbrochen wird und komplett ohne Kapitel auskommt. Charlie Huston verwendete ausschließlich Absätze, um seine Geschichte zu unterteilen. Ich mochte das, denn es passt sehr gut zu den sich schnell entwickelnden Ereignissen. Die Kombination von Vampiren und Zombies tritt in Urban Fantasy Romanen eher selten auf; mir gefiel es daher, dass die obligatorischen Werwölfe in „Stadt aus Blut“ nicht auftauchen und sich die Vampirgesellschaft stattdessen mit Infizierten des Zombie-Bakteriums auseinander setzen muss. Die Herangehensweise an Vampirismus sowie Zombiismus als Krankheiten mit verschiedenen Ursachen empfand ich ebenfalls als positiv. Zwar ist die Darstellung einer Infektion als Ursache bei Zombies nicht ungewöhnlich, doch die Entscheidung, Vampire als Opfer eines Virus zu präsentieren, ist eine gelungene Abwechslung zu den sonst üblichen magischen oder übernatürlichen Hintergründen. Zusätzlich beschreibt Charlie Huston den „Vyrus“ als lebenden, parasitären Organismus, während  die Verwandlung in anderen Vampirromanen oft mit einem Biss mehr oder weniger abgeschlossen ist.  Ein Unterschied findet sich auch in der Konstruktion der Gemeinschaft der Vampire. In der Regel strebt diese einigermaßen übereinstimmende Ziele an; optional ist sie heftig zerstritten, ihre Bemühungen entsprechen jedoch meist einheitlichen Motiven. In „Stadt aus Blut“ ist dies nicht Fall; die Clans könnten kaum unterschiedlicher sein. Ich halte die Zerrissenheit untereinander für realistisch; es ist nur natürlich, dass unterschiedliche Gruppierungen auch unterschiedliche Ziele verfolgen. Inmitten dieser verschiedenen Strömungen steht der Protagonist Joe Pitt, der ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben führen möchte ohne Anbindungen an einen der Clans. Selbstredend, dass er damit oft aneckt. Joe erzählt seine Geschichte selbst als Ich-Erzähler, dadurch offenbart sich dem Leser schnell sein sarkastischer, zynischer Charakter. Er ist keine herausragend facettenreiche Figur, doch das ist auch gar nicht nötig. Mit seiner schonungslos ehrlichen und pragmatischen Art gewann er trotz dessen meine Sympathie, darüber hinaus besticht er durch seine Menschlichkeit, die ihm auch das „Vyrus“ nicht nehmen konnte. Seine Rolle als Rebell in einer feststehenden Gesellschaft wurde von Husten noch unterstrichen, indem er ihm eine Vergangenheit als Punk gab, ein nettes Detail, das darüber hinaus auch seine Entwicklung während seines Daseins als Vampir betont. Es verdeutlicht, dass Joe als Vampir erwachsen wurde und sich seine Wünsche und Ziele verändert haben.

Insgesamt gefiel mir der Auftakt der Reihe um Joe Pitt sehr gut. „Stadt aus Blut“ ist ein Roman für Leser, die Urban Fantasy mögen, aber Abwechslung zu all den weiblichen Helden mit ihrem dominant geschilderten Liebesleben suchen. Charlie Huston verzichtet auf romantische Szenen und konzentriert sich auf das Wesentliche: das Leben der Vampire in Manhattan. Sein Protagonist Joe Pitt ist kein Held; er ist einfach nur ein Kerl, der ohne äußere Zwänge leben möchte und sich mal besser, mal schlechter über Wasser hält. Somit füllt der Autor eine realistische Nische in einem häufig idealisierten Genre. Leser, die von drastischen Gewaltbeschreibungen abgestoßen sind, sollten jedoch auf „Stadt aus Blut“ verzichten.

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