Cover des Buches "Dunkeljäger" von Alexey Pehov

Titel: „Dunkeljäger“

OT: „Ловцы удачи“

Autor_in: Alexey Pehov

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 432 Seiten

Verlag: Piper

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3492280307

Genre: Fantasy > High Fantasy

Ausgelesen: 13.11.2016

Bewertung: ★★★★★

Alexey Pehov ist neben Sergej Lukianenko der erfolgreichste russische Fantasy-Autor. Sein Werdegang ist interessant: vom studierten Kieferorthopäden zum gefeierten Schriftsteller. Diese Geschichte würde mich ja schon interessieren. Leider ist bei uns offenbar nur wenig über sein Privatleben bekannt.
Ich habe entschieden, es hinsichtlich seines Schaffens als erstes mit „Dunkeljäger“ zu versuchen, weil es sich dabei um einen Einzelband handelt und ich irgendwann eine Rezension dazu gelesen habe, die eine ungewöhnliche, aber liebevoll gezeichnete High Fantasy – Welt versprach.

Der Elf Lass liebt das Fliegen. Lange Zeit diente er in der Luftstreitkraft der Kyralletha, bis diese einen Befehl gab, den Lass nicht ausführen wollte. Des Hochverrats angeklagt floh er und entkam in seinem Aeroplan in letzter Sekunde. Nun befindet er sich am anderen Ende der Welt, auf der Schildkröteninsel, zwar noch immer auf der Flucht, aber vorerst in Sicherheit. Dachte er zumindest. Eine unerwartete Verkettung der Umstände spielte Lass ein Artefakt in die Hände, dessen Verwendungszweck ihm Rätsel aufgibt. Äußerlich unauffällig und bar jeder erkennbaren Magie scheint das Medaillon doch einen gewissen Wert zu besitzen.

Warum sonst sollten die aggressiven Margudier danach suchen, bereit, Blut zu vergießen? Lass muss herausfinden, was es mit dem Artefakt auf sich hat, will er sich ein neues Leben aufbauen. Glücklicherweise muss er sich dieser Aufgabe nicht allein stellen. Auf der Schildkröteninsel findet er Freunde, die bereitwillig ihr Leben riskieren, um ihm zu helfen. Ein Elf, ein Ork und ihr pfirsichrotes Wollknäuel von einem bissigen Haustier. Was kann da schon schiefgehen?

„Dunkeljäger“: Zeit für ein Gläschen Rum

Ich finde den deutschen Titel „Dunkeljäger“ für diesen Roman inadäquat. Soweit ich es mir mithilfe des Google Übersetzers zusammenreimen konnte, bedeutet der Originaltitel in etwa „Glücksjäger“. Ich verstehe nicht, warum Piper dem Buch einen dermaßen düsteren Anstrich verpasste. Nicht einmal das Cover trifft den Tenor der Geschichte. Meiner Ansicht nach ist dieser Roman eine erfrischend lichte, luftige und positive Lektüre, was in der High Fantasy ja mittlerweile selten ist. Das Buch ist ein Lichtblick. Müsste ich es mit einem einzigen Wort beschreiben, würde ich es als „sonnig“ bezeichnen.

Alexey Pehov erschafft darin eine einzigartige, vielfältige Welt voller liebevoller Details und erzählt eine Geschichte, die einen gewissen Mantel-und-Degen-Charme mit einer Prise Steampunk versprüht. Er kombiniert Wissenschaft und Magie, konfrontiert seine Leser_innen mit einer Vielzahl sympathischer, kauziger Figuren und konstruiert ein Setting, das an die Karibik und speziell Kuba erinnert. Der Großteil der Handlung spielt in der Luft, samt Luftgefechten, Wettflügen und Luftpiraterie, weil unser Protagonist Lass ein Flieger ist.

Lass kann so ziemlich alles fliegen, was sich am Himmel hält, bevorzugt allerdings Aeroplane – kleine Fluggeräte mit einer ein- bis dreiköpfigen Besatzung. In der Beschreibung der Aeroplane hat sich Pehov selbst übertroffen. So ziemlich jedes Volk seiner Welt entwickelte im Laufe der Zeit entsprechend ihrer Kultur eigene Modelle, die sich sowohl im Design als auch in der Ausstattung unterscheiden. Ich konnte sie auseinanderhalten, obwohl es keine Illustrationen gibt. Pehov verleiht jedem Aeroplan einen eigenen Charakter, sei es nun von Elfen, Menschen, Orks oder Gnomen gebaut.

Habt ihr euch bereits gefragt, wie Fluggeräte in einem Universum, das über keinerlei Treibstoff verfügt, angetrieben werden? Die Antwort lautet: Dämonen. Ist das nicht der Clou? Ich bin begeistert. Jedes Flugzeug verfügt über mindestens einen gebändigten Dämon, der allein zu diesem Zweck aus der Kehrseitenwelt herausgezerrt wurde. Ich finde diese Idee wundervoll kreativ. Dämonen als Nutzvieh. Eine leise Stimme in meinem Kopf kichert noch immer über diese Vorstellung.

Lass selbst ist ein angenehmer Protagonist, der keinen Funken der legendären elfischen Überheblichkeit zeigt. Er ist eine bescheidene Person von feinsinnigem Humor und ist sich nicht zu schade, sich die Hände schmutzig zu machen. Ich fand es toll, dass seine moralischen Vorstellungen gewisse Grauzonen aufweisen, die es ihm erlauben, sich in der Mentalität der Schildkröteninsel wohlzufühlen. Er hält nichts von Luftpiraterie, aber Schmuggel … Ach na ja, jeder schmuggelt doch hin und wieder. Das sollte man nicht so eng sehen.

Lass agiert als Ich-Erzähler, weshalb ich beim Lesen das Gefühl hatte, ihm in einer Kneipe gegenüberzusitzen. Pehov wird als Autor vollständig zur Stimme seines Protagonisten, sodass der Schreibstil in „Dunkeljäger“ unaufgeregt und ruhig, aber auch ein wenig förmlich wirkt. Da dies jedoch hervorragend zu Lass passt, habe ich mich nicht daran gestört. Sein Haustier Dreipfot stiehlt ihm sowieso die Show. Diese pelzige pfirsichfarbene Fressmaschine ist zum Knutschen, obwohl man das angesichts seiner scharfen Zähne und Krallen lieber sein lassen sollte. Ich liebe den kleinen Kerl!

„Dunkeljäger“ war ein erfreuliches erstes Date mit Alexey Pehov. Mir hat das Buch außerordentlich gut gefallen, weil es unvorhersehbar, mitreißend und beschwingt ist. Es ist beruhigend, dass es da draußen noch Fantasy gibt, die nicht von Familienfehden, Intrigen und Blutvergießen lebt und auch nicht Teil einer Reihe oder Trilogie ist. Es war großartig, mal wieder einen Einzelband zu lesen. „Dunkeljäger“ hat genau die richtige Länge, es bleibt nichts ungeklärt und doch erhält die Geschichte den Raum, den sie benötigt. Vielleicht ist diese Kunst in den letzten Jahren ein wenig verloren gegangen. Wie schön, dass Alexey Pehov beweist, dass er sie zweifellos beherrscht.

„Dunkeljäger“ bekommt von mir nicht nur 5 Sterne, sondern auch eine nachdrückliche Leseempfehlung. Luftverkehr, Schmuggel, tropische Temperaturen und Magie – Zeit für ein Gläschen Rum!

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