Dan Wells – Mr. Monster

Cover des Buches "Mr. Monster" von Dan Wells

Reihe: John Cleaver #2

Autor_in: Dan Wells

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 400 Seiten

Verlag: Piper

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3492267262

Genre: Thriller > Young Adult

Ausgelesen: 14.02.2018

Bewertung: ★★★☆☆

Die „John Cleaver“-Reihe von Dan Wells ist eine richtig schöne SuB-Altlast meines Bücherregals. Es ist mindestens 6 Jahre her, dass ich den ersten Band „Ich bin kein Serienkiller“ las. Dafür hält sich der Inhalt erstaunlich frisch in meinem Gedächtnis. Ich erinnere mich, dass ich damals von der übernatürlichen Wendung des Auftakts nicht allzu angetan war. Trotz dessen wollte ich die Reihe weiterverfolgen, weil mich der Protagonist, ein potentieller Serienmörder, der mit seiner antisozialen Persönlichkeitsstörung kämpft, fasziniert. Nach langen Jahren auf der Ersatzbank wurde es nun also Zeit, noch einmal in Johns Kopf zu schauen und den zweiten Band „Mr. Monster“ hervorzukramen.

John Cleaver ist ein Held. Allein überwältigte der 16-Jährige seinen dämonischen Nachbarn Mr. Crowley, tötete ihn und beendete die Mordserie, die seine Heimatstadt Clayton in Angst und Schrecken versetzte. Nur weiß das niemand. Schließlich kann John schlecht herumerzählen, dass er einen harmlosen alten Mann umbrachte und die Wahrheit würde ihn erst recht in Schwierigkeiten bringen. Zusätzliche Aufmerksamkeit kann er absolut nicht gebrauchen, denn der Preis für seinen Heldenmut war hoch: seine dunkle Seite, die von Mord, Blut, Feuer und Tod träumt und erschreckend viele Anzeichen eines soziopathischen Serienmörders zeigt, ist erwacht. Er nennt sie Mr. Monster. Seit dieser verhängnisvollen Nacht rüttelt Mr. Monster an den Gittern des Käfigs aus Regeln und Verhaltensweisen, den John selbst entwarf, um sich zu kontrollieren. Der Drang, erneut zu töten, wächst Tag für Tag. Als wieder brutal zugerichtete Leichen in Clayton auftauchen, vermutet John schnell, dass ein neuer Dämon seine Stadt heimsucht. Darf er Mr. Monster ein weiteres Mal von der Leine lassen? Und was noch viel wichtiger ist: Wird er ihn wieder einsperren können?

Wisst ihr, was das Problem mit einem soziopathischen Protagonisten ist? Er ist obsessiv. Damit meine ich nicht die in der YA so häufig auftretende ungesunde Abhängigkeitsliebelei, nein, ich meine echte Obsession in Großbuchstaben. John steigert sich in alles hinein, er versinkt im Alltäglichen, ritualisiert, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist und richtet sein gesamtes Handeln auf das Ziel seiner Obsession aus. In „Mr. Monster“ beschäftigen ihn vor allem zwei Themen: die Dämonenjagd und sein Kampf mit Mr. Monster selbst. Dadurch ist dieser zweite Band in Bezug auf seine Diagnose zwar realistisch, da Besessenheit ein Teil seines Krankheitsbildes ist, aber leider auch etwas abwechslungsarm. Dan Wells befand sich wohl in einem klassischen Dilemma.

Wäre er von Johns Ich-Perspektive abgewichen, hätte er womöglich mehr Variation hineinbringen können, hätte so allerdings von den tiefen Einblicken in Johns Psyche, die ein integraler Bestandteil der Geschichte sind, abgelenkt. Das wäre sehr schade gewesen, also bin ich bereit, mich mit ein bisschen Langeweile zu arrangieren, weil Wells‘ herausragende Darstellung von Johns antisozialer Persönlichkeitsstörung das allemal wert ist. Es imponiert mir unheimlich, wie ausgewogen er diese psychische Krankheit schildert. Er konzentriert sich nicht ausschließlich auf Johns Neigung zu Gewalt und Grausamkeit, er erklärt ebenfalls, welche Schwierigkeiten er hat, Mimik zu interpretieren, beschreibt seine Unfähigkeit zur Empathie und beleuchtet die daraus resultierenden Hürden im Alltag. Er verdeutlicht, dass es sich um einen Defekt handelt, eine Dysfunktion, mit deren Einschränkungen John erbittert kämpft, um ein sozial angepasstes Leben zu führen und niemanden zu verletzen.

Seine Bereitschaft, sich selbst zu kontrollieren, erschien mir manchmal beinahe übermenschlich. Er strengt sich mehr an, als sich irgendjemand vorstellen kann und beweist, dass er kein triebgesteuertes Tier ist. Seine Kontrollmechanismen führen hin und wieder zu unabsichtlich witzigen Situationen, die durch Wells‘ nüchternen Erzählstil, der wunderbar zu Johns pragmatischer Art passt, amüsant hervorgehoben werden.

Nichtsdestotrotz macht John Fehler. Sein durchaus verständlicher Impuls, Mr. Monster mental von sich abzuspalten, ist eine gefährliche Strategie. Er verkennt und beschönigt die Realität. Die Trennung erlaubt ihm, die Verantwortung für seine Taten von sich zu schieben. Als ein neuer Dämon auftaucht, kann er deshalb sogar rechtfertigen, Mr. Monster einzusetzen, um diesen aufzuspüren, obwohl er weiß, dass das keine gute Idee ist. Es kommt, wie es kommen muss: Mr. Monster übernimmt, was sehr deutlich anhand der Veränderung in Johns Ausstrahlung zu spüren war. Es gibt nur einen Weg, Mr. Monster wieder „einzufangen“ – er muss ihn als Teil seiner selbst akzeptieren.

„Mr. Monster“ überzeugte mich bezüglich des Protagonisten uneingeschränkt, während ich es inhaltlich etwas eintönig und irritierend fand. Mit der Dämonenthematik fühle ich mich noch immer unwohl. Ich verstehe, dass Dan Wells John provozieren muss, damit er von seinen Regeln abweicht und sich der Kampf in seinem Inneren verschärft. Ich begreife auch, dass es dafür einen triftigen, drastischen Grund braucht. Doch für mich passt diese übernatürliche Ebene nicht richtig in die Geschichte. Es wirkt ein bisschen, als wollte Wells dem äußerst realitätsnahen Bild seines Protagonisten etwas Surrealistisches entgegensetzen.

Letztendlich werde ich mich damit jedoch abfinden müssen, denn dieses Motiv wird auch die Folgebände prägen, die ich trotz dessen auf jeden Fall lesen werde. Die Reihe „John Cleaver“ ist anders als das übliche Thrillergewäsch und sie ist nicht mit durchschnittlichen Young Adult – Romanen vergleichbar. Diese Originalität, gepaart mit der glaubhaften, gewissenhaften psychologischen Ausarbeitung des Hauptcharakters, tröstet mich über jede Trägheit der Geschichte und die übernatürlichen Eskapaden hinweg. Ein dämonenjagender Held, der von Blut und Tod fantasiert – noch weiter kann man sich vom Klischee wohl kaum entfernen.

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