Steven Erikson – Der Krieg der Schwestern & Das Haus der Ketten

Cover der Bücher "Der Krieg der Schwestern" und "Das Haus der Ketten" von Steven Erikson

Reihe: Das Spiel der Götter #4

Autor_in: Steven Erikson

Format: Taschenbuch

Seitenzahl: 608 & 608 Seiten

Verlag: blanvalet

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3442264103 & 3442264138

Genre: Fantasy > High Fantasy

Ausgelesen: 16.08.2016

Bewertung: ★★★★★

Noch immer wütet im Reich der Sieben Städte die Rebellion des Wirbelwinds. Die Seherin Sha’ik versammelte ihre Rebellenarmee in der heiligen Raraku und erwartet den unausweichlichen Gegenschlag des malazanischen Imperiums. Sie weiß, wen die Imperatrix schicken wird, um das Land zurückzuerobern: Mandata Tavore. Als Tavore in Aren eintrifft, findet sie dort demoralisierte, verängstigte Soldaten vor. Das Schicksal der Kette der Hunde und der grausame Tod von Faust Coltaine hinterließen tiefe Wunden. Die von Verrat gebeutelte malazanische Armee muss auf unerfahrene Rekruten zurückgreifen, um ihre Reihen aufzustocken, kann allerdings auf die Unterstützung einiger Veteranen bauen. Unter ihnen ist Sergeant Saiten, der schon einmal durch die Raraku marschierte und ihre Magie am eigenen Leib erfuhr. Der Armee der Mandata steht eine lange Reise und ein blutiger Krieg bevor, dessen Ausgang völlig ungewiss ist. Obwohl das Lager der Rebellen von Intrigen verseucht ist, verfügt Sha’ik über Wissen, das ihr den entscheidenden Vorteil verschaffen könnte: sie kennt die Mandata. In einem anderen Leben, bevor die Göttin von ihr Besitz ergriff, war sie eine malazanische Adlige. Sie hieß Felisin und hatte eine Schwester – Tavore. Was die Schwestern jedoch nicht ahnen, ist, dass nicht nur die Göttin des Wirbelwinds die Macht der heiligen Wüste begehrt …

Wer glaubte, Steven Erikson habe in den ersten drei Bänden seiner Reihe „Das Spiel der Götter“ bereits alle relevanten Figuren ausreichend etabliert, wird am Anfang des vierten Bandes unsanft eines Besseren belehrt. „Der Krieg der Schwestern“ beginnt mit der barbarischen, ungeheuerlichen Lebensgeschichte eines gewissen Karsa Orlong, der mir, ebenso wie sein Volk, die Teblor, völlig unbekannt war. Ich hatte das Gefühl, plötzlich in eine andere Geschichte katapultiert worden zu sein. 300 Seiten lang folgte ich Karsa auf seinem blutigen Pfad, ohne zu begreifen, warum Steven Erikson mir seine Geschichte erzählte. Doch auf den König der High Fantasy ist Verlass. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie begeistert und baff ich war, als er mich endlich herausfinden ließ, wer Karsa ist. Das Gefühl, als sich endlich alle Puzzleteile an ihren Platz schoben, war unvergleichlich. Die Erkenntnis beflügelte mich, ich hatte das Gefühl, etwas Großartiges geleistet zu haben, obwohl es in Wahrheit Erikson war, der abermals sein Können unter Beweis stellte. Er belohnte mich für meine Geduld und mein Vertrauen; es fiel mir wie Schuppen von den Augen, was diesen jungen Teblor mit der Rebellion des Wirbelwinds verbindet. Karsas Persönlichkeit ist wie geschaffen für den gewalttätigen Aufstand. Ich verstehe, dass er sich von der destruktiven Aura der Göttin angezogen fühlt. Sie sind verwandte Seelen. Allerdings offenbarte sich mir durch diese Erkenntnis auch die Aussichtslosigkeit der Revolte. Zerstörung um ihrer selbst willen kann nicht erfolgreich sein. Der Krieg mit den Malazanern kanalisiert lediglich den jahrhundertealten Hass und Zorn der Göttin; Empfindungen, die von machthungrigen Führungspersönlichkeiten der Rebellion instrumentalisiert werden, um egoistische Ziele zu verfolgen. Sie haben kein echtes Interesse daran, das Reich der Sieben Städte zu befreien und ich bezweifle mittlerweile, dass dies der richtige Weg ist. Besatzung hat den Beigeschmack von Unterdrückung, doch ich wüsste nicht, wann das malazanische Imperium die Situation eines Landes nicht verbessert und stabilisiert hätte. Die Göttin des Wirbelwinds verspricht weder Hoffnung noch Stabilität, im Gegenteil, sie mehrt das Elend und ihr bedauernswertestes Opfer ist Felisin. Sie benutzt Felisin, bedient sich ihres Körpers, ihres Geistes und ihrer Wut auf ihre große Schwester Tavore. Für mich bestand daher nie ein Zweifel daran, dass der Konflikt der beiden Schwestern in „Das Haus der Ketten“ tragisch enden und verbrannte Erde hinterlassen würde. Ich rechnete jedoch nicht mit einem dermaßen fulminanten Finale für den Erzählstrang der Rebellion. Zum Ende spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu, Erikson zieht Tempo und Spannungskurve scharf an und bringt wieder einmal überraschend viele Figuren zusammen. Er knüpft Querverbindungen zu Charakteren, die meilenweit entfernt sind und verleiht der Geschichte einen mystischen Hauch von Schicksal. Bis zum Schluss lässt er sich nicht in die Karten schauen, öffnet allerdings im richtigen Moment die Türen für zukünftige Entwicklungen, sodass ich zwar vermuten, aber niemals wissen kann, was mich in den nächsten Bänden erwartet. Mutmaßungen, Neugier, Unwissenheit, Sympathien, Überzeugungen und Vorfreude vereinen sich in mir zu einem explosiven Gemisch, das mir keine andere Wahl lässt, als weiterzulesen. Ich freue mich aufrichtig auf die Folgebände.

Vier Bände von „Das Spiel der Götter“ habe ich nun gelesen. Erst jetzt traue ich mich, vorsichtig erste Annahmen zu formulieren, worum es in der Reihe geht. Möglicherweise habe ich den zugrundeliegenden Handlungsstrang freigelegt. Möglicherweise. Sicher bin ich nicht. Ich schmunzele über meine tapsigen Versuche, Steven Erikson zu durchschauen, weil es recht unwahrscheinlich ist, dass mir das gelingt. Er will nicht durchschaut werden. Er möchte, dass seine Geschichte unvorhersehbar bleibt und überrascht. Es ist ein eigenartiges Gefühl, auf jeder Seite bewiesen zu bekommen, dass der Autor cleverer ist als ich. Ich kann aber nicht behaupten, dass es mir missfallen würde. Ich genieße es, mich voll und ganz auf die Geschichte einzulassen und die Kontrolle abzugeben. Ich muss während der Lektüre von „Das Spiel der Götter“ keine ernsthaften Vermutungen über den Verlauf der Handlung anstellen, weil ich sowieso danebenliege. Ich muss nicht nach Logiklöchern Ausschau halten, weil es keine gibt. Ich kann mich auf Steven Erikson verlassen, ihm vertrauen und einfach das tun, was ich am liebsten tue: lesen.

Bewerte diesen Beitrag!