Montagsfrage: Verleugnete Buecher?

Hallo ihr Lieben 😊

Ich habe es getan. Gestern habe ich „The Crippled God“ ausgelesen, den zehnten und letzten Band von Steven Eriksons Reihe „Malazan Book of the Fallen“. Es fühlt sich so, so komisch an, diesen extrem umfangreichen, komplexen Mehrteiler nach so vielen Jahren nun abgeschlossen zu haben. Die Geschichte begleitete mich so lange, war insgesamt über zehn Jahre Teil meiner mentalen Leseliste, dass es jetzt wirklich merkwürdig ist, keinen Band mehr offen zu haben.

Zehn Jahre. Meine Güte. Das war eine der längsten Lesereisen mit einer Reihe, die ich je unternommen habe. Auf dem Weg gab es so viele Komplikationen, die ich nicht vorhersehen konnte, als ich damals, im Dezember 2012, völlig unwissend den ersten Band „Die Gärten des Mondes“ kaufte, weil mir das Cover ins Auge gestochen war. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich ihn das erste Mal aufschlug, auf einer Zugfahrt zur Familie des Lieblingsmenschen. Ich weiß auch noch, wie eingeschüchtert ich nach dieser ersten Begegnung mit Steven Erikson war. Eingeschüchtert, aber auch fasziniert.

Ich kaufte mir die deutschen Folgebände, stellte fest, dass noch gar nicht alle der geplanten 19 (!) Teile erschienen waren und wartete etwa drei Jahre, bis ich einen erneuten Anlauf mit „Die Gärten des Mondes“ wagte. Beim zweiten Versuch war ich der Geschichte deutlich besser gewachsen. Circa zweieinhalb Jahre las ich mich geduldig voran, bis ich an den Punkt kam, an dem es für mich nicht mehr weiterging, weil sich die Veröffentlichung der ausstehenden Bände immer wieder verzögerte. Ich beobachtete besorgt, wie meine Erinnerungen an die Geschichte verblassten und hatte das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen.

Also kehrte ich der Übersetzung den Rücken. In einer Hauruckaktion verkaufte ich meine 15 deutschen Bände wieder und besorgte mir die zehn Originalbände. Im Januar 2020 begann ich noch einmal von vorn. Zum dritten Mal las ich den ersten Band. Und heute, fast genau drei Jahre später, bin ich fertig. Was für ein emotionaler Moment. „Malazan Book of the Fallen“ hat mir so viel gegeben, mein Bild der High Fantasy und ihrer Möglichkeiten so radikal erweitert, dass ich das Gefühl habe, dass mich diese Lektüre als Leserin und Genrefan für immer verändert hat.

Es war schmerzhaft, den letzten Satz von „The Crippled God“ zu lesen. Ich habe geweint. Nicht nur, weil dieses Ende noch besser und epischer war, als ich zu hoffen wagte, sondern auch, weil der Abschied von der Reihe wirklich schwer für mich ist. Was mir hilft, ist die Gewissheit, dass es bloß der Abschluss eines Kapitels ist. „Malazan Book of the Fallen“ mag beendet sein, aber es existieren weitere Reihen, die im selben Universum spielen. Zum Teil stammen sie von Erikson selbst, zum Teil wurden sie von seinem Kollegen Ian C. Esslemont geschrieben. Habe ich Hemmungen, einem anderen Autor zu vertrauen? Nein.

Esslemont war von Anfang an in die Konzeption des malazanischen Imperiums involviert. Er und Erikson haben diese Welt 1982 gemeinsam als Setting für eine Rollenspielkampagne entwickelt und seitdem eng zusammengearbeitet. Ich habe keine Zweifel, dass er das Worldbuilding und die Figuren genauso gut kennt wie Erikson. Ob er dasselbe schriftstellerische Niveau erreicht, weiß ich natürlich nicht, doch ich bin optimistisch und neugierig, was für Geschichten er zu erzählen hat. Es wird spannend sein, dieses Universum durch die Augen eines anderen Schöpfers zu sehen. Ich freue mich darauf, Esslemont kennenzulernen.

Irgendwann in den nächsten Tagen werde ich mich also hinsetzen und recherchieren, mit welchen Büchern ich in Zukunft zurück ins malazanische Imperium reise. Wie so oft gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich könnte mich zum Beispiel an der Veröffentlichungsreihenfolge orientieren oder der inhärenten Chronologie folgen. Spätestens seit Conan weiß ich ja, dass Chronologien wichtig sind und die Leseerfahrung enorm beeinflussen können. Auch für diesen Prozess empfinde ich eine Menge Vorfreude. Es versüßt mir den Abschied von „Malazan Book of the Fallen“ enorm.

Wer also gehofft hat, mich nie wieder über malazanische Soldat_innen, Tiste Andii und T’Lan Imass schwärmen zu hören/lesen – ich muss euch enttäuschen. Das Abenteuer geht weiter und wird vermutlich so lange Teil des wortmagieblogs sein, bis Erikson und Esslemont keine weiteren Geschichten mehr schreiben. Was hoffentlich erst in vielen, vielen Jahren der Fall ist.

Puh, was für eine Einleitung. Entschuldigt, dass sie so ausufernd geraten ist, dieser Emotionswirbel musste einfach raus. Jetzt kommen wir aber endlich zum eigentlichen Inhalts dieses Beitrags: Meiner Antwort auf die Montagsfrage von Sophia von Wordworld.

Habt Ihr schon mal verleugnet, ein (umstrittenes) Buch zu mögen?

Heute wird meine Antwort relativ kurz. Ja, dieses Mal wirklich, versprochen. Nein, ich habe noch nie verleugnet, ein Buch zu mögen, ob nun umstritten oder nicht. Ich wüsste nicht, wieso ich das tun sollte. So ein Verhalten widerspräche sowohl meinem Selbstverständnis als Leserin als auch meiner Auffassung vom Lesen an sich.

Der einzige Grund, der mir einfallen will, warum jemand möglicherweise eine literarische Vorliebe verleugnet, ist Scham. Vielleicht ist es einer Person peinlich, ein bestimmtes Buch oder möglicherweise sogar ein gesamtes Genre zu mögen. Menschen möchten als soziale Tiere ja immer akzeptiert und gemocht werden, daher kann ich mir schon vorstellen, dass es Leser_innen gibt, die nicht zugeben möchten, dass sie eine Lektüre mochten, weil sie nicht anecken wollen. Findet der komplette Freundeskreis ein Buch doof, will man eventuell nicht der_die einzige sein, der_die das anders empfindet.

Diese Motivation könnte ich zwar nachvollziehen, halte sie jedoch für fehlgeleitet. Lesen soll Spaß machen, emotional bewegen und Unterhaltung bieten. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist es doch völlig egal, ob diese Geschichte nun bei vielen gut ankommt oder eher unbeliebt ist. Entscheidend ist nur die eigene Erfahrung. Wie bei so vielen Facetten des Lebens sollte die Meinung von anderen für die persönlichen Vorlieben lediglich eine geringe Rolle spielen. Der alte Brücken-Spruch, ihr wisst schon. Es ist deshalb meiner Ansicht nach eine Frage des Selbstbewusstseins, ob man eine positive Leseerfahrung verleugnet (und damit übrigens lügt, nur mal so am Rande) oder dazu steht.

Für mich war die Meinung anderer glücklicherweise immer eher zweitrangig, ob nun bei meinen Frisuren, meinem Kleidungsstil oder den Büchern, die ich lese. Ich verfüge dankenswerterweise über das nötige Selbstbewusstsein und habe daher noch nie verleugnet, ein Buch zu mögen. Als Buchbloggerin wäre das ja auch irgendwie witzlos.

Ich glaube außerdem, dass mich das Buchbloggen in die ideale Position versetzt, auch mal eine unpopuläre Meinung zu vertreten, positiv wie negativ. Rezensionen begründen ja idealerweise, warum man ein Buch mochte oder nicht, statt lediglich aufzuzählen, was gefiel oder missfiel. Das heißt, als Buchbloggerin komme ich automatisch an den Punkt, an dem ich erklären muss, wieso ein spezieller Aspekt einer Geschichte so und nicht anders auf mich wirkte. Dadurch befinde ich mich in einer sehr vorteilhaften Ausgangslage, um in Diskussionen über Bücher plausibel und schlüssig zu argumentieren. Wie ich es vor Urzeiten mal im Deutschunterricht gelernt habe: Kannst du es begründen und belegen, ist es auch da.

Also Leute, wenn ihr hin und wieder mal ein positives Leseerlebnis verleugnet – mehr Selbstbewusstsein! Niemand hat euch vorzuschreiben oder vorzuwerfen, wie ihr ein Buch wahrnehmt und empfindet. Ihr müsst euch nicht rechtfertigen und habt grundsätzlich das Recht, jedes Buch zu mögen.

Verleugnet ihr positive Leseerfahrungen oder steht ihr dazu?

Ich freue mich wie immer sehr auf eure Beiträge und Kommentare und wünsche euch allen einen kuschlig-entspannten Start in die neue Woche!
Alles Liebe,
Elli ❤️

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