Montagsfrage: Missionierung in Sachen guter Literatur?

Hallo ihr Lieben 😊

Ahhh, Leute, ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr mich meine Entscheidung, Rezensionen nach Belieben vorzuziehen, im Blogalltag erleichtert. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Beschluss so wichtig für mich sein könnte, aber doch, das ist er. Letzte Woche hat mein Bauch festgelegt, dass meine nächste Lektüre „Das Schicksal der Zwerge“ (Die Zwerge #4) von Markus Heitz sein muss. Tja, 2022 hätte ich diesem Impuls nicht nachgeben können, weil der dritte Band „Die Rache der Zwerge“ noch unrezensiert bei mir herumdümpelte.

Jetzt konnte ich es, weil ich diese ausstehende Rezension einfach vorziehen konnte. Das war so ein schönes Gefühl, weil ich plötzlich gemerkt habe, dass ich mich richtig darauf freue, die Besprechung zu schreiben! Und das, obwohl ich das Buch nicht mal mochte!

In den letzten Monaten hatte ich oft keine Lust darauf, Rezensionen zu verfassen. Es fühlte sich so sehr nach Pflicht und Arbeit an. Das sollte es natürlich nicht, aber mir war nicht klar, dass diese Empfindung offenbar damit zusammenhing, dass ich keinen richtigen Anreiz hatte. Bei „Die Rache der Zwerge“ war das jetzt anders, denn ich wusste ja, dass ich mir damit die Lektüre des nächsten Bandes ermöglichte. Ich habe mich am Wochenende hingesetzt, die Handlung rekapituliert und siehe da, die Rezension schrieb sich quasi von selbst. Morgen geht sie online.

Das ist eine extrem wichtige Lektion für mich. Selbstverständlich habe ich den Anspruch, alle meine gelesenen Bücher zu rezensieren und behalte diesen auch bei, doch scheinbar brauche ich hin und wieder eine Rezension, auf die ich wirklich Lust habe, um meine Motivation aufrechtzuerhalten. Ich muss also nicht nur lesen, was der Bauch befiehlt, sondern auch rezensieren, was er vorgibt. Zumindest manchmal. Das war wirklich eine tolle Erkenntnis, die – obwohl banal – für mich eine Menge verändern kann. Ich brauche in meinem Lese- und Blogalltag wohl einfach weniger Regeln.

Einer Regel bleibe ich allerdings treu: Am Montag beantworte ich die aktuelle Montagsfrage von Sophia von Wordworld!

Packt Euch bei guten Büchern der Missionstrieb?

Ich musste ehrlicherweise erst einmal überlegen, was Sophia mit dieser Frage meint, aber ihre eigene Antwort war aufschlussreich und bestätigte meine Vermutung: Sie möchte wissen, ob wir nach der Lektüre eines gutes Buches das Bedürfnis verspüren, andere Leser_innen von diesem Buch zu überzeugen, sie also quasi zu missionieren. Ich verstehe darunter vor allem ungefragte, vehement und mit Nachdruck vorgetragene Empfehlungen.

Früher habe ich diesen Drang zur Missionierung stark wahrgenommen und ausgelebt. Wann immer ich ein Buch gelesen hatte, das mir sehr gut gefiel, wollte ich unbedingt alle Menschen in meinem Umfeld dazu bekehren, es ebenfalls zu lesen. Ich fand den Gedanken unerträglich, dass ihnen eine wunderbare, bereichernde Leseerfahrung wie die meine entgeht. Heute empfinde ich das nicht mehr so und betrachte mein früheres Verhalten sogar als ziemlich aufdringlich.

Historische Missionierungen im religiösen Kontext werden mittlerweile nicht grundlos als übergriffig interpretiert. Jemanden von der eigenen Weltanschauung sowie dem eigenen Glaubenssystem überzeugen zu wollen und damit zu suggerieren, dass die bisherigen Ansichten dieser Person fehlgeleitet waren, ist mindestens arrogant und auf jeden Fall ignorant. Selbstverständlich lässt sich der religiöse Missionierungsanspruch nicht 1:1 auf das Bedürfnis, anderen Menschen eine Lektüre nahezulegen, übertragen, aber meiner Ansicht nach bestehen in einigen entscheidenden Punkten durchaus Parallelen.

Wenn ich andere Personen literarisch zu missionieren versuche, setze ich voraus, dass sie dieselbe Leseerfahrung machen werden wie ich. Das ist Unfug. Lesen ist hochgradig individuell. Als Bücherwürmer und Buchblogger_innen, die regelmäßig mit Buchmeinungen und Rezensionen konfrontiert werden, wissen wir ganz genau, dass ein und dieselbe Geschichte auf verschiedene Menschen ganz unterschiedlich wirken kann. Trotzdem anzunehmen, dass ein Buch zwangsläufig auf alle denselben Effekt haben wird wie auf mich, rechnet den Individualismus einfach raus. Das erscheint mir ziemlich verblendet.

Damit verknüpft ist die Einschätzung, dass anderen Menschen etwas in ihrem Leben fehlt, wenn sie dieses spezielle Buch nicht lesen. Die literarische Missionierung beinhaltet eine aggressive Komponente, die bei einer „normalen“ Empfehlung nicht vorhanden ist. Im Subtext steht „Du kannst nicht weiterleben, ohne dieses Buch gelesen zu haben!“, was ich heute als sehr überheblich empfinde. Als wüsste ich, dass im Leben dieser Person eine Lücke klafft, die nur dieses Buch füllen kann. Nein. Einfach nein. Weiß ich nicht, werde ich nie wissen und auch niemals beurteilen können.

Die Tatsachen, dass ich einerseits nie vorhersagen kann, wie einer Person ein Buch gefällt und ich andererseits kein Recht habe, ihr zu unterstellen, dass ihr Leben ohne dieses bestimmte Buch wertlos ist, hat mich von dem Anspruch, andere zu missionieren, bekehrt. Ich versuche heute nicht mehr, Hinz und Kunz ungefragt von bestimmten Büchern zu überzeugen. Ich halte mich lieber zurück, da ich festgestellt habe, dass zu vehemente, heftige, aggressive Empfehlungen meist eher den gegenteiligen Effekt haben, weil sich die Leute schnell bevormundet und eingeschüchtert fühlen, obwohl ich das gar nicht beabsichtige.

Deshalb empfehle ich Bücher mittlerweile nur noch auf ausdrücklichen Wunsch und deklariere meine Meinung eindeutig und unmissverständlich als meine Meinung. Ich schwärme gern und bei bestimmten Personen auch viel, aber ich würde heute nicht mehr versuchen, jemandem ein Buch aufzudrängen und zu missionieren. Bittet mich jemand um eine Empfehlung oder darum, von meiner letzten/aktuellen Lektüre zu erzählen, komme ich dieser Bitte mit Freude nach und äußere auch Sätze wie „Ich bin sicher, dass dir das Buch auch gefällt“, doch Aussprüche wie „Das musst du lesen!“ kommen mir nur noch sehr, sehr selten und abhängig von meinem Gegenüber über die Lippen.

Es gibt Personen in meinem Umfeld, die ein kleines Portiönchen Missionierung aushalten. Das sind die Handvoll Menschen, die genauso gern lesen wie ich. Die meisten teilen meine Leidenschaft jedoch lediglich in Ansätzen und fühlen sich in die Defensive gedrängt, wenn ich zu aggressiv für ein Buch plädiere. Außerdem besteht immer die Möglichkeit, dass ich unerfüllbare, astronomische Erwartungen wecke, hinter denen die tatsächliche Lektüre nur zurückbleiben kann. Beides ist dem entgegengesetzt, was ich eigentlich erreichen möchte, wenn ich ein Buch empfehle. Daher übe ich mich meist in vornehmer Zurückhaltung und lasse jede Form von literarischer Missionierung bleiben. Sogar bei meinen Herzensbüchern.

Habt ihr bei guten Büchern das Bedürfnis, andere zu missionieren?

Ich freue mich wie immer sehr auf eure Beiträge und Kommentare und wünsche euch allen einen erfüllten Start in die neue Woche!
Alles Liebe,
Elli ❤️

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