Guten Morgen ihr Lieben!
Ich bin für Frühschichten nicht geschaffen. Früh ins Bett zu gehen, um dann noch früher wieder aufzustehen, liegt mir überhaupt nicht. Trotzdem lässt es sich nicht immer vermeiden – daher sitze ich heute bereits um 04 Uhr vor meinem Rechner, der überlebenswichtige Kaffee steht rechts neben mir und ich brüte über der Montagsfrage vom Buchfresserchen Svenja. Es hilft ein bisschen, dass der Lieblingsmensch ebenfalls zur Frühschicht muss und wir gemeinsam aufstehen konnten, aber wirklich viel Trost kann ich daraus nicht beziehen. Der tote Punkt wird kommen. Ich kann nur hoffen, dass ich heute auf Arbeit genug zu tun habe, damit ich ihn gar nicht erst bemerke. Die Chancen stehen gut, schließlich haben wir gestern hier in Berlin gewählt und den großen Parteien prompt einen Denkzettel verpasst. Ich bin gespannt, wie die Zukunft meiner Stadt aussehen und für welche Koalitionspartner sich die SPD als Wahlsieger entscheiden wird.
Nun aber erst einmal genug von der Politik, widmen wir uns unserem Lieblingsthema, dem Lesen:
Gibt es Antagonist_innen, die ihr mehr mögt als Protagonist_innen bestimmter Bücher/Reihen und falls ja, was ist der Grund dafür?
Laut Wikipedia stammt das Wort „Antagonist“ aus dem Griechischen und bedeutet „Gegenspieler“. In der Literatur wird damit die Figur eines Buches beschrieben, die den Protagonisten in seinem Handeln behindert. Glücklicherweise ist diese Definition einigermaßen weit gefasst und schließt vielschichtige Persönlichkeiten ein, statt stumpf in Gut und Böse zu unterscheiden. Dann würde mir die Beantwortung der Frage nämlich recht schwer fallen, weil ich eher selten Bücher lese, die sich durch eine so klare Rollenverteilung auszeichnen. Dank dieser offenen Auslegung bin ich in der Lage, eindeutig mit „Ja“ zu antworten. Es kommt vor, dass mich ein_e Antagonist_in mehr fasziniert als der/die Protagonist_in. Von Sympathie möchte ich nicht sprechen, da diese Formulierung nicht den Kern meiner Empfindungen trifft. Es geht nicht darum, ob ich die Person, die dem Hauptcharakter in die Quere kommt, mag. Es geht darum, dass es mich reizt, herauszufinden, warum sie ihm ins Handwerk pfuscht. Die Motivation einer Figur zu ergründen, die auf den ersten Blick böse wirkt, weil sie ein entgegengesetztes oder anderes Ziel verfolgt, ist unheimlich aufregend, weil mich dieser Prozess hin und wieder zwingt, meine gefasste Meinung zu überdenken.
Das eindrucksvollste Beispiel für einen Fall dieser Art ist sicherlich Ahmann Jardir aus Peter V. Bretts epischer High Fantasy – Saga „Demon Cycle“. Im ersten Band (Rezension HIER) mochte ich Jardir überhaupt nicht, weil er Arlen und ihre Freundschaft verrät. Ich empfand ihn als egoistisch, skrupellos und gierig. Im zweiten Band (Rezension HIER) lernte ich Jardir dann wirklich kennen. Ich sah ihn aufwachsen, begriff seine Kultur und seinen Glauben, sodass ich einsehen musste, dass es aus seiner Perspektive keine andere Möglichkeit gab, als Arlen zu verraten. Jardir ist ein facettenreicher Charakter mit positiven sowie negativen Eigenschaften; ihn einfach als böse abzustempeln, wird ihm nicht gerecht. Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich ihn besonders gut leiden kann, weil er einen ungesunden Hang zum Fanatismus hat, aber ich verstehe ihn und nur darauf kommt es an.
Schlägt euer Herz für Antagonisten?
Ich freue mich wie immer sehr auf eure Meinungen und Kommentare, komme aber vermutlich erst heute Abend dazu, mich durch eure Beiträge zu wühlen. Habt einen wundervollen Montag! :)
Alles Liebe,
Elli
Das ist echt keine leichte Frage, Elli!
So richtig fällt mir auf Anhieb auch niemand ein…Außer vielleicht Kaden aus der Reihe Remnant Chronicles von Mary E. Pearson- er steht definitiv auf der falschen „bösen“ Seite ist aber vom Grunde her ein guter Mensch und man lernt seine guten Seiten schnell kennen. Ich mochte ihn sehr. Oder vielleicht noch die vermeintlich „böse“ Lily aus Firewalker von Josephine Angellini- der Blick ändert sich, wenn man ihre Motive versteht…
Aber bist du wirklich um 4 Uhr aufgestanden, nur um Deinen Beitrag zu schreiben? Dann bekommst Du jetzt den Disziplin-Emmy von mir, das haut mich echt um!!
Liebe Grüße,
Kati
Hey Kati,
nein, ganz so irre bin ich dann auch nicht! 😄 Ich bin zwar sehr früh aufgestanden, aber nicht wegen der Montagsfrage. Ich brauche morgens einfach lange. 😄
Viele liebe Grüße,
Elli
Du triffst den Nagel auf den Kopf – was ich in meiner Montagsantwort nicht ganz geschafft habe:
Antagonist und Protagonist sind letztendlich Fragen der Erzählperspektive und nicht unbedingt Label wie „gut“ oder „böse“.
Und allem anderen kann ich auch nur zustimmen :)
MfG,
pw
Hallo liebe Elli,
mir geht es da wie dir. Es kommt weniger darauf an, ob ich die Antagonisten tatsächlich mag, sondern vielmehr wie mir die Beweggründe verständlich gemacht werden. Es gibt selten nur gut und böse oder schwarz und weiß in einem Buch und je nach dem wie viel man vom Antagonsiten erfährt, desto eher kann ich mich für denjenigen erwärmen.
Liebe Grüße!
Anna (:
Es ist mir sowas von egal, ob eine Romanfigur Pro- oder Antagonist ist – wichtig ist nur, ob sie gut konzipiert ist, mich mitnimmt oder (bestmöglich) fesselt. Gut und Böse ist mir sowieso schnuppe, wobei ich zugebe, dass mich meistens die Bösen viel mehr faszinieren. Gut sein ist einfach langweilig.
Ich mag es auch sehr, wenn man die Hintergründe des Antagonisten erfährt und schließlich verstehen kann, wieso er so ist oder so gehandelt hat. Leider lese ich das extrem selten, deshalb werde ich mir direkt mal dein Beispiel ansehen. :)
Liebe Grüße!
Huhu Elli,
schöner Beitrag und er trifft genau auch meine Meinung. Das Beispiel mit Jardir ist sehr gut gewählt. Ich mag die Reihe auch sehr gerne und Jardir zeigt, dass es nicht immer nur gut und böse gibt, sondern die Menschen eben vielschichtig sind. Inevera fällt auch in diese Kategorie, wie ich finde. Sie ist eine überaus faszinierende Persönlichkeit mit Stärken und Schwächen und das macht in meinen Augen einen guten Protagonisten/Antagonisten aus. Nichts schlimmeres, als einen langweiligen, farblosen, makellosen Helden (oder eine Heldin) der/die alles richtig macht. Ecken und Kanten sind gefragt. :)
LG
Jay von „Bücher wie Sterne“
Liebe Elli,
das ist selten, aber es ist schon hin und wieder mal vorgekommen. Wobei ich dabei durchaus differenzieren möchte, dass das nicht unbedingt etwas mit mögen oder gern haben der Figur zu tun haben muss, sondern eher damit, wie interessant sich der Antagonist für mich darstellt.
Wenn z.B. eine Hauptfigur sehr klischeehaft, sehr langweilig oder aber unnatürlich daher kommt, dann kann es schon mal sein dass der Antagonist deutlich interessanter, authentischer daher kommt und sein Charakter ansprechender wirkt. Dann würde ich den Antagonisten, dem Protagonisten definitiv vorziehen.
Viele liebe Grüße
Nisnis
Liebe Elli,
meine Antwort geht in eine ähnliche Richtung wie deine, auch mir geht es um Vielschichtigkeit und mehrdimensionale Figuren, die nicht so schnell vorhersehbar sind. Was nützt es mir, wenn eine Figur, die ja ein vielseitiger Gegenspieler sein soll, nur eine Seite beherrscht? Nichts, denn sie ist vorhersehbar planbar und alles andere als raffiniert. Ich persönlich finde man muss selbst die Frage nach Antagonist oder Protagonist ein wenig weiter fassen. Für mich hat jeder Protagonist einen Antagonisten und jeder Antagonist einen Protagonisten. Beide sind sich gegenseitig Kontrahenten, Gegenspieler, die sich selbst im jeweils anderen spiegeln. Meine ausführlichere Antwort findest du auf vielleserin.de.
Viele Grüße,
Marie
Ich beneide dich so ein bisschen um deine Fähigeit alles so wunderbar formulieren zu können! Deinen Text kann ich genau so unterschreiben, mir geht es auch so! Nur war ich nicht ganz so fähig das auch in Worte zu fassen.
Liebe Grüße