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Frohe Weihnachten ihr Lieben! :)

Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, euch allen heute am Heiligabend großartige Weihnachten zu wünschen! Verbringt schöne Stunden mit euren Familien, schmaust und trinkt, lacht und lasst es euch heute zum Fest der Liebe und des Friedens einfach mal gut gehen. Ich weiß, dass Weihnachten für viele Stress bedeutet – umso wichtiger finde ich es, sich darauf zu besinnen, worum es heute gehen sollte: nicht um Geschenke, nicht darum, dass alles perfekt abläuft, sondern darum, das zu würdigen, was man hat.

Ich habe mich entschieden, trotz der Feiertage morgen eine Rezension zu veröffentlichen. Einerseits möchte ich vermeiden, Rezensionen mit ins neue Jahr zu nehmen, andererseits möchte ich all den Daheim-Gebliebenen etwas zum Lesen bieten. Wer also Zeit und Muße hat, schaut morgen vorbei! :)

Außerdem möchte ich heute ein Thema ansprechen, das uns sicher alle die ganze Woche über bewegt hat. Ich denke, Heiligabend ist prädestiniert für emotionale Worte und da ich auf meinem Buchblog sonst nicht den entsprechenden Rahmen bieten kann, ist es mir wichtig, diese Gelegenheit beim Schopfe zu packen und das aufzuschreiben, was mir durch den Kopf geht.

Am Montagabend, dem 19.12.2016 um 20.02 Uhr fuhr der tunesische Islamist Anis Amri einen Sattelschlepper in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz und nahm 12 Menschen das Leben. 48 weitere wurden teils schwer verletzt.
Viele von euch wissen, dass ich geborene Berlinerin bin. Einige wissen, dass ich früher Punkerin war. Kaum jemand weiß, dass ich den Großteil meiner bunthaarigen, nietenverzierten, provokativen Jugend am Breitscheidplatz im Schatten der Gedächtniskirche verbracht habe. Der Breiti war mein Wohnzimmer, das ich täglich besuchte. Er war mein Zuhause, wenn ich gerade nicht zu Hause war. Dieser Platz hat Charakter, er hat eine Seele. Wann immer ich das krumme Dach der Gedächtniskirche sah – selbst aus der Ferne – stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Weil ich daran dachte, wie viel ich dort erlebt habe und was der Breitscheidplatz dazu beigetragen hat, dass ich erwachsen wurde. Freunde, die kamen und gingen. Erfahrungen, die mir niemand mehr nehmen kann.
Sehe ich die Gedächtniskirche jetzt im Fernsehen, online oder in den Zeitungen, kann ich nicht mehr lächeln. Für mich ist es fast unvorstellbar, dass auf dem Platz, der jahrelang meine Heimat war und an dem mein Herz bis heute hängt, Menschen aus fundamentalistischem Hass heraus ermordet wurden. Denn was Anis Amri getan hat, war Mord. Nennt es Anschlag, nennt es Terror – ich nenne es Mord. Massenmord. Ich möchte allen Betroffenen mein tiefempfundenes Beileid aussprechen. Ich trauere mit euch. Ich war nicht dort, es geht mir gut. Aber ich kann die Wunde spüren, auch wenn diese nicht mit eurem Schmerz vergleichbar ist. Es fühlt sich an, als wäre jemand frontal in meine Jugend gebrettert und hätte alles besudelt und zerstört, was mir wichtig ist.
Ich habe keine Angst. Nein, ich habe keine Angst, auf die Straße zu gehen, U-Bahn zu fahren oder mein Leben weiterzuleben wie bisher. Ich lasse mir auch nicht vorschreiben, Angst haben zu müssen. Von niemandem. Meine Leidenschaft für mein Berlin ist über jeden Zweifel erhaben. Ich bin wütend. Ich koche vor Wut darüber, dass es jemand gewagt hat, meine geliebte Stadt und einen Platz anzugreifen, der mir unheimlich viel bedeutet.
Aber Hass… Hass empfinde ich nicht. Es bereitet mir keinerlei Genugtuung, dass Anis Amri gestern in Mailand erschossen wurde. Es ist gut, dass er nun niemandem mehr wehtun kann, doch ich sehe keine Veranlassung, mich bei der italienischen Polizei dafür zu bedanken, dass sie einen Menschen getötet haben. Ich hatte nie ein Bedürfnis nach Rache. Ich wollte diesen Mann nicht leiden oder sterben sehen. Tatsächlich weiß ich nicht genau, was ich für ihn empfunden habe, weil seine Tat für mich vollkommen unvorstellbar ist. Er blieb für mich abstrakt, eine Schattenfigur, zu der ich keine Verbindung aufbauen konnte.
Ich bin kein religiöser Mensch. Trotzdem gibt es ein Motiv, das in (fast) allen Religionen der Welt ihren Platz hat und das mich heute, an Heiligabend, besonders beschäftigt: Vergebung. Ich möchte Anis Amri vergeben. Diese Worte sind für die Opfer des Anschlags möglicherweise respektlos, pietätlos und der reinste Frevel. Ich äußere sie nicht, um das Andenken der Getöteten und Verletzten in den Dreck zu ziehen oder um zu entschuldigen, was dieser Mann getan hat. Ich möchte Anis Amri nicht um seinetwillen vergeben, sondern um meinetwillen. Damit ich eines Tages wieder lächeln kann, wenn ich die Gedächtniskirche ansehe. Vergebung bietet Frieden, legt die Wut schlafen.
Ich werde nie verstehen, warum so viele Menschen aus Hass sterben mussten oder verletzt wurden. Hass ist ein Gift, das zehrt und zehrt und zehrt. Ich weigere mich, Hass und Wut auch in mein Leben zu lassen. Deswegen möchte ich heute zu Weihnachten, dem Fest der Liebe und des Friedens, beginnen, zu vergeben. Ich bin ein Berliner.

Ein frohes Fest für uns alle. Rufen wir uns auf die Bedeutung von Weihnachten in Gedächtnis. Ich umarme euch alle aus der Ferne.
Alles Liebe,
Elli  <3

weihnachten

 

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