Ihr kennt sicher alle die hübschen Warnungen auf Zigarettenschachteln, die auf die Gefahren des Rauchens hinweisen sollen. „Rauchen kann tödlich sein“, „Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung THX to slog.thestranger.comerheblichen Schaden zu“ und ähnliches, über deren Zweck man sich sicher streiten kann.
Geht es nach den StudentInnen der University of California in Santa Barbara, sollen nun auch Bücher solche Warnhinweise auf dem Cover tragen, sogenannte „Trigger Warnings“ (zu Deutsch etwa: „Auslöse Warnungen“). Die Studentenschaft verlangt dies, weil Bücher, die sensible, grenzwertige Themen wie Selbstmord, Gewalt, Rassismus oder Vergewaltigung ansprechen, möglicherweise Erinnerungen an vergangene Traumata wecken könnten und somit eine Gefahr für die psychische Gesundheit der StudentInnen darstellten. Sollte dieser Forderung nachgegeben werden, könnten die StudentInnen in Zukunft anhand der Warnungen selbst entscheiden, ob sie die im Seminar besprochene Lektüre lesen möchten oder nicht (gleiches gilt übrigens auch für Filme). Dies würde natürlich vor allem stark gesellschaftskritische Klassiker betreffen wie „The Great Gatsby“ von F. Scott Fitzgerald.
Die Lehrkörperschaft steht dieser Forderung der StudentInnen eher ablehnend gegenüber; einerseits, weil eine allgemeine Regelung für alle StudentInnen in die falsche Richtung gehe, andererseits, weil schwierige, provokante Themen zum Studium dazu gehörten und es wichtig sei, darüber zu diskutieren.
Ich bin hinsichtlich dieser Thematik zwiegespalten. Persönlich brauche ich keine Warnhinweise auf Büchern, denn aus meiner Vergangenheit gibt es keine Traumata, an die ich durch eine Lektüre erinnert werden könnte. Doch ich möchte nicht unsensibel sein und schließe deshalb nicht von mir auf andere. Ich bin überzeugt, es gibt dort draußen LeserInnen, die fürchterliche Erinnerungen mit sich herumtragen, welche beim Lesen an die Oberfläche treten könnten. Das Erinnern sollte ihnen meines Erachtens nach definitiv erspart bleiben, doch ich bin mir nicht sicher, ob „Trigger Warnings“ wirklich der richtige Weg sind. Wie so oft ist die Frage der Grenzziehung meine größte Sorge. Wo beginnt potentiell verstörende Literatur und wo hört sie auf? Ist Kurt Vonneguts „Slaughterhouse 5“ ein Kandidat für einen Warnhinweis, weil es den Zweiten Weltkrieg und das Bombardement Dresdens thematisiert? Wie ist es mit „The Help“ von Kathryn Stockett, das vom subtilen Alltags-Rassismus in den Südstaaten der 60er Jahre handelt?
Wohin führen uns „Trigger Warnings“? Ist das nicht irgendwie eine Vorstufe der Zensur? Bieten sie StudentInnen nicht eine Ausrede, um sich nicht mit unbequemen Themen auseinander setzen zu müssen, die vielleicht auch gar nichts mit ihren Traumata zu tun haben? Die Welt ist grausam, ungerecht und gewalttätig; es ist das Vorrecht der Kunst, in diesem Fall der Literatur, sie kritisch abzubilden. Wir brauchen Menschen, die uns den Spiegel vorhalten und uns auf die Dinge aufmerksam machen, die falsch laufen. Wir müssen uns mit den Fehlern unserer Gesellschaft beschäftigen, um die Welt zu einem besseren Ort machen zu können.
Außerdem befürchte ich, dass die „Trigger Warnings“ missbraucht werden könnten. Wenn es an der University of California Sitte ist, ein Buch nicht lesen zu müssen, wenn der Inhalt für die Psyche der StudentInnen gefährlich sein könnte, wie soll kontrolliert werden, dass StudentInnen nicht einfach behaupten, sich von diesem Buch gefährdet zu fühlen? Ich bin selbst Studentin, ich weiß, dass die Ausreden, warum man eine Lektüre nicht lesen konnte oder wollte, sehr kreative Ausmaße annehmen können. Niemand kann nachweisen, dass tatsächlich ein Trauma vorliegt, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die TeilnehmerInnen eines Seminars verpflichtet wären, dieses psychologisch bestätigen zu lassen; dazu kann man einfach niemanden zwingen, das geht meines Erachtens zu tief in die Persönlichkeitsrechte hinein.
Ich denke, dass der Schutz psychisch traumatisierter StudentInnen der University of California ein wichtiges und richtiges Anliegen ist, das ich auch unterstützen kann. Doch es muss einen besseren Weg geben, als Bücher pauschal als potentiell gefährlich abzustempeln. Denn so weit waren wir schon einmal.
Wie seht ihr das? Findet ihr, dass „Trigger Warnings“ eingesetzt werden sollten?
Ich freue mich auf eure Antworten und Kommentare. :)
Quelle: „Trigger Warnings“ auf Büchern: Lesen auf eigene Gefahr – taz.de.

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