Am Montag dieser Woche habe ich auf Jules Blog Zroyas Papiergeflüster eine Rezension zu Jenny-Mai Nuyens Roman „Noir“ gelesen. Im Anschluss habe ich ihr via Kommentar erzählt, dass ich diese Autorin nie gelesen habe und auch nie lesen möchte, weil ich einmal ein Interview mit ihr bei TV Total gesehen habe. Dort erzählte sie, statt eines festen Partners (oder einer Partnerin) mehrere feste Musen zu haben. Auf die Frage, ob ihre Beziehung zu diesen Menschen platonischer Natur sei, konnte sie nicht antworten. Wer das Interview sehen möchte, einmal HIER klicken.
Ich bin ein rationaler Mensch. Dementsprechend war mein erster Gedanke „Meine Güte, wie abgehoben“. Für mich ist diese spirituell-esoterisch angehauchte Beschreibung ihrer Beziehung zu den Menschen, die sie inspirieren, einfach Quatsch. Ich fasste für mich den Beschluss, Jenny-Mai Nuyen nicht mal eine Chance geben zu wollen, weil ich mir dachte, dass diese gewollte Mystik, die sie in dem Interview durchscheinen ließ, sich sicherlich auch in ihren Büchern niederschlägt. Für sie reichen normale Inspirationsquellen offenbar nicht, nein, die Dame braucht direkt mal mehrere Musen. Pfff. Bei diesem Gedanken kann ich nur mit den Augen rollen. Nennt mich Frevlerin, nennt mich Zweiflerin, aber so empfinde ich nun einmal.
Jules Rezension zu „Noir“ erinnerte mich wieder an meine Meinung von Jenny-Mai Nuyen, an die ich ewig nicht gedacht habe. Ich habe mir die Zeit genommen, mir noch einmal das Interview anzusehen, um zu überprüfen, ob sich meine Einstellung geändert hat. Hat sie nicht. Ich bin ehrlich genug zu mir selbst, um meine Abneigung korrekt definieren zu können. Sie ist ein Vorurteil. Ich kenne Jenny-Mai Nuyen nicht persönlich, ich habe nie ein Buch von ihr gelesen. Das einzige, woran ich meine Meinung festmache, ist diese Antwort in einem Interview. Obwohl ich sonst sehr darauf achte und mir Mühe gebe, vorurteilsfrei durch mein Leben zu watscheln, schäme ich mich nicht für diese vorgefasste Meinung, weil ich nicht davon ausgehe, der Autorin damit irgendwie zu schaden.
Aber es brachte mich zu der Überlegung, ob es noch weitere AutorInnen oder Bücher gibt, die ich nicht lese, weil ich Vorurteile habe. Die Antwort lautet ganz klar: Ja. Die gibt es, massenhaft. Wenn es mir so geht, dachte ich weiter, vielleicht ergeht es meinen LeserInnen genauso.
Heute möchte ich also mit euch über Meinungen zu Büchern und AutorInnen sprechen, die eigentlich jeglicher Grundlage entbehren.
Welche Bücher und/oder AutorInnen meidet ihr, weil ihr einmal etwas gehört habt, dass euch abgeschreckt hat? Was war es, dass ihr gehört habt?
Mein Vorurteil von Jenny-Mai Nuyen kennt ihr nun bereits. Um euch Mut zu machen, zu euren Vorurteilen ebenso zu stehen wie ich, möchte ich euch noch zwei weitere Beispiele nennen.
Ich mache seit Jahren einen weiten Bogen um Ken Follet. Mal davon abgesehen, dass ich kein begeisterter Anhänger von historischen Romanen bin, traue ich dem Mann einfach nicht. „Die Säulen der Erde“ umfasst in der Taschenbuch-Ausgabe von Bastei Lübbe 1296 Seiten (amazon-Angabe). „Die Tore der Welt“ (ebenfalls als TB bei Bastei Lübbe) ist 1312 Seiten stark. Wie kann ein Mann zu fiktiven historischen Geschichten so viel zu sagen haben? Das ist mir unheimlich. Außerdem spielt hier natürlich wieder dieses populäre-Bücher-Phänomen rein. Meiner Empfindung nach findet die ganze Welt Ken Follet toll. So paradox es ist, eine kleine Stimme in mir sagt, dass ich seine Bücher genau deswegen nicht mögen würde. Ich WILL sie auch gar nicht mögen, eben weil alle anderen sie anscheinend gut finden.
Das gleiche galt lange für Stephen King. King schreibt in einem Tempo, als würde das Schicksal der modernen Welt davon abhängen. Ich war überzeugt, dass seine Bücher nicht gut sein können. Bis ich „ES“ las. Ich war einfach so neugierig auf das Buch, das meiner Mutter Albträume verschafft hat. Heute habe ich selbst eine kleine King-Sammlung im Regal. Ihr seht, auch wenn ich Vorurteile habe, siegt die Neugier, bin ich durchaus in der Lage, meine Meinung noch einmal zu überdenken und zu ändern.
Das nächste Vorurteil betrifft einen Autor, von dem ich tatsächlich schon ein Buch gelesen habe. Weil ich es musste: Schulliteratur. ich spreche von Franz Kafka. Wenn ihr die Diskussionsrunden zu den Bestenlisten verfolgt habt, werdet ihr gesehen haben, dass hinter den Büchern von Kafka immer das Symbol für „Niemals“ steht. Ich glaube, es war in der 11. Klasse, als wir „Die Verwandlung“ lesen mussten und uns mit Kafka als Autor genauer beschäftigt haben. Das heißt, wir haben auch ein paar der Briefe an seinen Vater gelesen. Obwohl ich fand, dass sich „Die Verwandlung“ flüssig und nicht sonderlich anspruchsvoll las, bin ich seitdem der festen Überzeugung, dass Kafka einfach einen Knall hatte und komplett überschätzt wird. Völlig beherrscht von seinen Vater-Komplexen; von einer dunklen, verdrehten Fantasie getrieben, die in mir keinerlei Lehren hinterlassen hat. Ich habe durch „Die Verwandlung“ nichts gelernt und ich finde es auch nicht wertvoll. Nicht jeder, der dringend eine tiefenpsychologische Behandlung bräuchte, schreibt auch herausragende Literatur.
Der vernünftige Teil meines Ichs sagt mir immer wieder, dass Kafka vermutlich durchaus eine Berechtigung hat, in den Bestenlisten dieser Welt aufzutauchen. Er sagt auch, dass ich in der 11. Klasse vielleicht noch nicht bereit für seine tiefere Symbolik war. Und dass „Die Verwandlung“ eventuell einfach das falsche Buch für eine Annäherung an ihn war. Aber der sture Teil meiner Persönlichkeit beharrt auf seiner Meinung. Der vernünftige Part wird schnell zum Schweigen gebracht, ohne groß zu argumentieren. „Kafka ist blöd. Basta“. Eines Tages wird die Vernunft möglicherweise über die Sturheit triumphieren. Aber bis dahin lebe ich weiter fröhlich mit meinem Vorurteil.
Nun seid ihr dran. Teilt eure Vorurteile mit mir, ich bin furchtbar neugierig! Wie immer soll dieser Beitrag nicht dazu dienen, sich gegenseitig anzugiften. Vorurteile hat man eben, das ist menschlich, dafür muss sich niemand schämen und niemand sollte sich angegriffen fühlen. ;)
Wie immer ein spannender und gedankenanstoßender Beitrag! :) Also bei deinen ersten Zeilen zu dieser Autorin ganz oben, war mein erster Gedanke: Wenn man bestimmte Grundsätze hat, dann ist es doch in Ordnung, Autoren nicht zu lesen, die diesen Grundsätzen wiedersprechen. Also ega, wie gravierend das im Einzelfall dann wirklich ist. Aber ich finde, wenn ich bestimmte Einstellungen zu Dingen habe und ein Autor ganz definitiv andere pflegt, die ich nicht gutheißen kann, dann ist es doch auch irgendwie das gute Recht, diese Autorin nicht lesen zu wollen.
Also man kann ja irgendwie nicht all seine Überzeugungen über Bord werfen, nur um als aufgeschlossen zu gelten. Wenn eine Person eine Äußerung trifft, die in mir Abneigung auslöst, dann ist das so. Und das ist gut so. Und dann muss ich das auch nicht unterstützen, in dem ich die Bücher dieser Person kaufe. Mach ich im „echten“ Leben ja auch nicht. Wenn mir eine Person mit ihren Ansichten total widerstrebt, dann meide ich sie. Deswegen kann sie ja ihren Standpunkt haben und sicher auch Gleichgesinnte um sich schaaren, aber da muss ich ja dann nicht dabei sein. Und genauso sehe ich das mit einem Buch. Können ja dann die anderen lesen, muss ich aber nicht auch tun. Es gibt sooo viele Autoren, alle kann man ja eh nicht berücksichtigen und irgendwie muss man ja seine Auswahl treffen. Natürlich läuft man rein theoretisch immer GEfahr, ein ganz toll geschriebenes Buch zu verpassen, aber das lässt bei der Vielzahl der Veröffentlichungen ja sowieso nicht vermeiden. ;)
Hihi, Kafka ist echt Geschmackssache! ;)
Ansonsten hege ich nicht wirklich „Vorurteile“ gegenüber bestimmten Autoren, aber ich weiß halt, auf welche Genre ich gerade Lust habe oder nicht und meide dann natürlich die Bücher bestimmter Sparten. Mag sein, dass da gaaanz tolle Bücher dabei sind, aber wenn es einen nicht reizt, nützt das ja auch nichts. ^^
Ganze liebe Grüße und danke für deine tollen Beiträge!! :D
Hey :)
Ja, ich sagte ja, ich schäme mich für mein Vorurteil von Jenny-Mai Nuyen nicht. Sie scheint einen völlig anderen Charakter als ich zu haben, daher ich gehe davon aus, dass auch ihre Bücher und ich nicht harmonieren würden. Ich denke auch nicht, dass ich etwas verpasse, denn ihre Werke sind und bleiben in hohem Maße Trivialliteratur.
Tja, ja, Kafka und ich… vielleicht liege ich irgendwann in vielen Jahren auf dem Sterbebett und denke „Mist! Hättest du mal Kafka noch ne Chance gegeben!“, aber das halte ich für sehr unwahrscheinlich. ;)
Das geht mir ähnlich, ich mache ja einen großen Bogen um das Genre „Romantasy“, weil ich eben weiß, dass mir das ganze Knuddel-Wuddel-Große-Liebe-Romantik-Zeugs nicht gefällt.
Danke dir für deinen Kommentar, ich hab mich sehr gefreut! :D
Liebe Grüße
Ich fand Thomas Mann immer ätzend, weil er neidisch auf seinen Bruder Heinrich gewesen sein soll. Der konnte so herunterschreiben, während der Ältere sich jedes Wort abarbeiten musste. Auch war er anfänglich für den Krieg (und Heinrich war immer Pazifist). Nachdem ich eine Radiosendung mit Mann gehört hatte, war mir außerdem klar: Der Typ hört sich eindeutig zu gerne reden!
So habe ich mir über Jahre mein unschönes Bild von Thomas Mann zusammengebastelt. Ich bin auch heute kein Fan, aber inzwischen habe ich wenigstens mal einiges von ihm gelesen :)
Interessant, das geht mir ähnlich mit Anna Seghers. Ich habe von ihr „Das siebte Kreuz“ in der Schule lesen müssen. Die Dame war eine überzeugte Sozialistin. Im Unterricht wurde mir gesagt, dass sie für ihre Überzeugung in der DDR dann sogar ihre Freunde ans Regime verraten hat. Das finde ich so abstoßend, dass ich mich nicht mehr genauer mit ihr beschäftigen möchte.
Liebe Grüße
Warum sollten die Vorurteile, die wir mit uns herumtragen, ausgerechnet bei der Auswahl der Bücher, die wir lesen wollen – oder eben auch nicht – nicht zum tragen kommen.
Ich habe über lange Jahre immer wieder festgestellt, dass ich z.B. generell Vorurteile gegen jegliche Autoren, die wir – und das ist schon lange, lange her – in der Schule als Pflichtliteratur behandelt haben, gehegt habe. Ich weiß zwar nicht genau, ob das an der Auswahl lag oder an der Art, WIE wir uns mit dem jeweiligen Werk auseinander zu setzen hatten. Wirken tut es bis heute: Lessing, Fontane, Seghers, Scholochow und wie sie alle heißen – die werde ich garantiert nie wieder anfassen.
Das ist ein wirklich sehr interessanter Beitrag und ich muss sagen, seitdem ich den neulich zum ersten Mal gelesen habe, denke ich wirklich darüber nach, ob es irgendjemanden gibt, den ich nicht lese. Aber eigentlich ist das nicht der Fall. Es fällt mir keiner ein. Also es gibt jetzt nicht die eine Person, von der ich – aus welchen Gründen auch immer – etwas nicht lese. Bei mir ist es so, dass es weniger um die Person als vielmehr um das Buch geht. Denn dann gibt es schon eher Bücher, von denen ich kategorisch sage, ich lese sie nicht – teilweise aus blöden Gründen. Ich würde z.B. nie die „Shades of Grey“ – Reihe lesen. Nicht, weil ich was gegen Erotik etc. hätte. Aber ich hab auf so eine Reihe echt total keine Lust und auch kein Interesse dran. Und viel zu sehr gehypt wurde sie auch – und das ist dann wohl ein Vorurteil. Ich neige nämlich leider dazu, manchmal Bücher einfach nicht lesen zu wollen, wenn alle Welt sie schon kennt und gelesen hat und dann eben so ein Massenhype darum entsteht. Warum genau, kann ich auch nicht erklären. So ein Beispiel wäre auch „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ – gefühlt jeder kennt es und heult deswegen – und deshalb will ich es nicht lesen. Allerdings habe ich neulich aus Versehen das Ende erfahren, fetter Spoiler! Aber mir war´s eigentlich egal. Denn ich will es ja eh nicht lesen…
Wie ich es bereits beschrieben habe, geht es mir mit Büchern, die irgendwie ALLE toll finden, genau wie dir. Ich kann ebenfalls nicht sagen, warum das bei mir so ist. Aber es ist gut zu wissen, dass ich damit nicht allein bin. ;)
[…] würde. Ich habe ja schon einmal einen Beitrag zum Thema literarische Vorurteile geschrieben (HIER) und wie diese mein Leseverhalten beeinflussen. Ich habe mich dazu bekannt, dass ich weder […]
Ich suche meine Bücher oft nicht nach Autor aus und bin auch wenig für Sendeformate zu begeistern, die sich auf den Autor stürzen. Ich sehe den Autor als Marke. Hat mir bereits ein Buch des Autors gefallen, werde ich auch ein neues kaufen. Als Autor hat man im Gegensatz zum Filmstar noch das Recht auf Privatssphäre. Persönliche Einstellungen halten mich nicht von Büchern ab.
Vorurteile zu Büchern sind hingegen schwieriger, aber ich sehe das auch nicht zu schwer. Ich habe z.B. Fifty Shades of Grey gelesen. Ich fand es jetzt nun wirklich nicht prikelnd und nach meinem Geschmack. Wenn ich jedoch die Aspekte des Schreibens betrachte, sehe ich, was anderen an den Büchern gefällt. Man bekommt viel zu selten richtig gute Bücher in die Hand um sich von ein paar Fehlern den Spaß am Lesen verderben zu lassen.
Wie ich bereits sagte Autoren sind eine Marke und Verlage investieren viel Geld in Werbung. Wenn die Werbung gut funktioniert, entsteht ein Hype-Buch, das gelesen wird. Die Werbung macht den Bestseller. Der Autor kann in den seltenstensten Fällen was dafür, dass seine Bücher gelobt und verrissen werden. Seine Aufgabe war es den Leser zu unterhalten und das hat er geschafft, wenn man ein Buch durchliest und am Ende eine Meinung hat. Er hat es nicht geschafft, wenn man sich am Ende oder vlt. sogar am Anfang sagt. Boah, jetzt hab ich STunden meines Lebens verschwendet.