Kapitel 5

Kapitel 5

Unreif, schlampig und oedipal: Der jahrzehntelange Kampf um Anerkennung fuer Robert E. Howard

Teil 2

Teil 2

Gnome Press veröffentlichte von 1950 bis 1957 sieben Conan-Sammelbände. Vier davon enthielten Einleitungen und Geschichten, die L. Sprague de Camp geschrieben oder überarbeitet hatte. Der letzte Gnome Press – Band „The Return of Conan“ war die erste Conan-Geschichte, die nicht ursprünglich von Robert stammte oder auf einer seiner Ideen basierte. Stattdessen hatte sie ein schwedischer Howard-Fan namens Björn Nyberg verfasst.

Porträt von L. Sprague de Camp (Jahr unbekannt)

L. Sprague de Camp, Jahr unbekannt © Alchetron

Natürlich musste de Camp auch in diesem Fall intervenieren; Nybergs Erzählung fiel ebenso seinem Rotstift zum Opfer wie Roberts Nachlass. Schon damals zeigte sich, wie ambitioniert de Camp war, was die Zusammenarbeit zwischen ihm, Oscar Friend und Michael Greenberg von Gnome Press belastete. Im März 1954 schrieb Friend einen Brief an Kuykendall, in dem er berichtete, dass ein „cleverer Schriftsteller“, der mehrere Howard-Geschichten für das Projekt überarbeitet hatte, eine höhere finanzielle Beteiligung verlangte und damit drohte, selbstständig über Conan zu schreiben, weil der Autor ja sowieso tot sei. Dabei kann es sich nur um de Camp gehandelt haben.

Friend warnte ihn, dass er ihn verklagen würde, sollte er auch nur einen Schritt in diese Richtung unternehmen, solange Conan dem Urheberrecht unterlag. Kurz bevor „The Return of Conan“ veröffentlicht wurde, geriet de Camp auch mit Michael Greenberg aneinander. Es ging um Zahlungen, die Gnome Press de Camp schuldete. Außerdem wollte de Camp seine überarbeiteten Conan-Geschichten Taschenbuchverlagen anbieten, was Greenberg als Rechteinhaber strikt ablehnte. Immer deutlicher kristallisierte sich heraus, dass de Camp große Pläne mit Conan hatte und bereit war, notfalls um die Kontrolle über Roberts Barbaren zu kämpfen.

Amra und die nächste Runde im Nachlasskarussell

1959 war für die weitere Entwicklung des Mythos Conan aus mehreren Gründen ein entscheidendes Jahr. Man mag die Gnome Press – Ausgaben für die Vorgehensweise der beteiligten Akteure kritisieren, es steht jedoch völlig außer Zweifel, dass sie das öffentliche Interesse an Robert und seinem Cimmerier förderten. Die Fans begannen, sich mit den damals verfügbaren Mitteln zu vernetzen, um sich über ihre Leidenschaft austauschen zu können. Deshalb wurde 1959 eines der ersten Howard-Conan-Fanzines gegründet: Amra.

Bereits zu den frühen Exemplaren trugen Autor_innen bei, die heute sehr bekannt sind, darunter Michael Moorcock und Marion Zimmer Bradley. Amra war das Medium, in dem der Fantasy-Schriftsteller Fritz Leiber 1961 erstmals den Begriff der Sword and Sorcery aufbrachte und als literarisches Subgenre definierte. L. Sprague de Camp nahm ebenfalls an den Diskussionen innerhalb des Magazins teil und verbreitete dort mit Vorliebe seine Ansichten über Roberts Leben und dessen Suizid. Dass es sich dabei um einen zweifelhaften Segen handelte, wurde erst Jahre später offenkundig.

Parallel drehte sich das Karussell von Roberts Vermächtnisverwaltung eine Runde weiter. Dr. Pere M. Kuykendall starb und hinterließ seine Verantwortung für den howardschen Nachlass seiner Frau Alla Ray Kuykendall und seiner Tochter Alla Ray Morris. Ja, um alles noch komplizierter zu machen, hörten die beiden Frauen tatsächlich auf denselben Vornamen. Wenig später starb auch Oscar Friend. Er vermachte seine Agentur seiner Tochter Kittie West. Diese hielt den Kontakt zu Kuykendall und Morris aufrecht und zahlte zuverlässig die wenigen anfallenden Tantiemen.

Darüber hinaus erloschen ab 1959 die Urheberrechte an den originalen 17 Conan-Geschichten, die in Weird Tales erschienen waren und wurden nicht erneuert. De Camp sah seine Chance gekommen. Er zerrte Michael Greenberg vor Gericht und bekam alle Veröffentlichungsrechte am Conan-Material des mittlerweile insolventen Verlags Gnome Press zugesprochen. Zusätzlich sicherte er sich die Urheberrechte an seinen überarbeiteten und neuen Geschichten. Er arbeitete aktiv daran, Conan zu monopolisieren.

In den folgenden sechs Jahren blieb es ruhig um Roberts Nachlass. Ich kann diese Lücke nicht erklären und weiß zum Beispiel nicht, wieso L. Sprague de Camp nicht sofort versuchte, Conan an einen Taschenbuchverlag zu verkaufen. Mark Finn äußert sich dazu nicht.

Glenn Lord: Ein Fan als Nachlassverwalter

Das nächste Ereignis, das Finn erwähnt und das für das Vermächtnis von Bedeutung war, war 1965 die Schließung der Agentur, die einst erst Otis Adelbert Kline und später Oscar J. Friend leitete. Friends Tochter Kittie West hängte das Geschäft ihres Vaters an den Nagel und kontaktierte aufgrund dieser Entscheidung L. Sprague de Camp, um ihm vorzuschlagen, künftig die Vertretung der Nachlasserbinnen zu übernehmen. De Camp witterte jedoch einen Interessenkonflikt und empfahl stattdessen den äußerst engagierten Howard-Fan Glenn Lord.

Lord hatte sich in der Gemeinschaft der Howard-Anhänger_innen bereits einen Namen gemacht. Zwischen 1956 und 1957 realisierte er das unglaublich aufwendige Projekt, Roberts Lyrik zu sammeln und in dem Gedichtband „Always Comes Evening“ beim Verlag Arkham House herauszubringen. 1961 hatte er das Fanzine „The Howard Collector“ gegründet. 1965 machte er den „Trunk“ bei E. Hoffmann Price ausfindig und wollte ihn kaufen. Leider war Price mit seinem Erbe nicht sehr sorgfältig umgegangen. Sein Inhalt war in alle Winde verstreut, nachdem Price viele Werke verborgt und nie zurückerhalten und andere verpfändet hatte.

Lord ließ sich von diesen (gelinde gesagt) ungünstigen Umständen nicht aufhalten und wandte privat sowohl seine Zeit als auch sein Geld auf, um wieder alles zusammenzutragen – mit Erfolg. Wie wichtig seine Bemühungen waren und wie dankbar wir ihm heute dafür sein können, wird klar, wenn man sich bewusst macht, dass der „Trunk“ etwa die Hälfte von Roberts Gesamtwerk enthielt. So vieles seiner Arbeit wäre ohne Lord verloren gegangen. Er war mehr als geeignet, die Nachlassverwalterinnen als Agent zu repräsentieren.

Foto von Glenn Lord

Glenn Lord (Jahr unbekannt) © Houston Chronicle

Glenn Lord freute sich natürlich über diese einmalige Gelegenheit und einigte sich schnell mit den Erbinnen von Roberts Nachlass. Anlass zur Freude hatte auch L. Sprague de Camp, denn mit Lords Anstellung fand er eine Möglichkeit, eine neue Arbeitsteilung durchzusetzen: Lord konnte sich gern um alles kümmern, was Robert E. Howard geschrieben hatte – außer Conan. De Camp bestand darauf, dass der Barbar allein sein Hoheitsgebiet sein sollte, das eine Puzzleteil, das ausschließlich er verwaltete. Es bestürzt mich, wie wenig Interesse er an Roberts übrigen Schriften zeigte. Lord fühlte sich ihm vermutlich verpflichtet, weil er de Camp seine Rolle als Agent verdankte, anders kann ich mir nicht erklären, warum er sich auf diese Aufteilung einließ.

Nun stand es de Camp offen, Conan ohne Repressalien feilzubieten und er begann, seinen alten Plan, ihn Taschenbuchverlagen vorzustellen, in die Tat umzusetzen. Es dauerte eine Weile, bis er einen Verlag fand, der sich für die Idee erwärmen konnte. 1966 schloss er einen Vertrag mit Lancer, ein kleiner, auf Taschenbücher spezialisierter Verlag mit Sitz in New York. Lancer formulierte sehr konkrete Bedingungen für die Zusammenarbeit.

Foto von Glenn Lord

Glenn Lord (Jahr unbekannt) © Houston Chronicle

De Camp verpflichtete sich, alle Conan-Geschichten ohne rechtliche Komplikationen zu liefern und sie in eine vollwertige, chronologische Reihe umzustrukturieren. Grundsätzlich stellten diese Anforderungen kein Problem für de Camp dar, doch da er ahnte, dass ihm viel Arbeit bevorstand, holte er sich Hilfe von einem Kollegen, dem Fantasy- und Science-Fiction-Autor Lin Carter. Gemeinsam erweiterten sie Conans Werdegang um neue Geschichten und Romane. De Camp setzte sich außerdem noch einmal an die bereits überarbeiteten Erzählungen und redigierte sie erneut.

Der erste Band der Lancer-Ausgaben erschien noch im selben Jahr und wurde – auch dank der atemberaubenden Coverillustration des Künstlers Frank Frazetta – ein Bestseller. Er verkaufte sich millionenfach. Conan entwickelte sich zu einer Eigenmarke in einer Zeit, in der Fantasy-Literatur gerade eine Wiedergeburt erlebte.

Währenddessen blieb Glenn Lord nicht untätig. Die Lancer-Ausgaben generierten eine gesteigerte Nachfrage der Leser_innen nach Robert E. Howard, die Lord enthusiastisch nutzte, um auch seine übrigen Werke wieder auf den Markt zu bringen. Er organisierte einen Deal mit dem Verleger Donald Grant über eine Hardcover-Reihe; das erste Projekt war eine Neuauflage von „A Gent from Bear Creek“, des Breckinridge Elkins – Romans, der 1937 erstmals nach Roberts Tod erschien.

Lord war auch derjenige, der Conan 1970 für den Comicverlag Marvel Comics lizensierte. Zuerst produzierte Marvel Comics die Comicreihe „Conan the Barbarian“. Als Autor agierte Roy Thomas, die Illustrationen stammten von Barry Smith (später Windsor-Smith). Soweit ich es verstanden habe, orientierte sich Thomas für seine Adaptionen sehr eng an Roberts originalen Geschichten, was möglicherweise dazu beitrug, dass die Reihe ab der ersten Ausgabe ein Hit war.

Dennoch erlaubte sich auch Thomas einige Freiheiten mit dem Quellenmaterial, denn wie wir wissen, stellte er Conan die amazonenhafte Kämpferin Red Sonja an die Seite, die auf Red Sonya von Rogatino basierte, dem Star aus „The Shadow of the Vulture“, einer Geschichte aus Roberts historischer Fiktion. Die Comics waren so erfolgreich, dass Marvel Comics ab 1974 eine zweite Variante verlegte: die reifere, erwachsenere Reihe „The Savage Sword of Conan“.

„Savage Sword“ war offiziell kein Comic, sondern ein Magazin. Als solches war es nicht der Comics Code Authority (CCA) unterworfen, der freiwilligen Selbstzensur der Comicverlage, die von 1954 bis ca. 2011 in Kraft war und garantierte, dass Comics keine jugendgefährdenden Darstellungen von Gewalt, Sex und ähnlichen Themen beinhalteten. Demzufolge war „Savage Sword“ mit seinen Schwarz-Weiß-Illustrationen der Adaptionen von Roy Thomas, die hauptsächlich mit John Buscema assoziiert werden, wesentlich blutiger, gewalttätiger und expliziter als „Conan the Barbarian“.

Der größte Unterschied war jedoch nicht der Zeichenstil, sondern die Integration von Artikeln. Verschiedene Personen, die damals als Howard-Expert_innen betrachtet wurden, darunter Glenn Lord und L. Sprague de Camp, schrieben Beiträge für das Magazin, die von Analysen des hyborischen Zeitalters bis zu knappen biografischen Texten über Robert E. Howard reichten.

Noch immer kein Funken Anerkennung – stattdessen Fehlinformationen

Es ist nicht überraschend, dass sich L. Sprague de Camp bereitwillig an „The Savage Sword of Conan“ beteiligte. Seine Besessenheit von dem Barbaren weitete sich auf dessen verstorbenen Schöpfer aus. Wann immer de Camp die Gelegenheit erhielt, seine Meinung über Robert zum Besten zu geben, nutzte er diese. Heute wissen wir, dass viele seiner biografischen Angaben auf Interpretationen basierten, aber damals wurde er mehr und mehr als Koryphäe wahrgenommen. Mir erscheint es paradox, dass er ganz offensichtlich nicht viel von Robert und dessen übriger Fiktion hielt, obwohl er Conan und die Fantasy liebte und sich hartnäckig bemühte, den Cimmerier öffentlichkeitswirksam zu vermarkten.

Bereits 1953 hatte de Camp einen Überblick der zeitgenössischen Science-Fiction namens „The Science Fiction Handbook“ veröffentlicht, in dem er im Rahmen einer Analyse der Entwicklungsrichtung der fantastischen Literatur auch auf Robert einging. Was er in diesem Buch schrieb, lässt tief blicken. So warf er Robert vor, seine Werke hätten unter jugendlicher Hast gelitten, seine barbarischen Helden seien Abbilder von Jugendstraftätern in Settings, die voller Anachronismen wären und seine Handlungen hingen allzu sehr vom Zufall ab. Er nannte ihn (indirekt) neurotisch, paranoid und ödipal und verdrehte die Fakten, indem er behauptete, Robert wäre nach dem Tod seiner Mutter Hester in die Wüste hinausgefahren und hätte sich dort „das Hirn weggeschossen“.

Ich verstehe einfach nicht, warum er so hartherzig und empathielos über Robert urteilte. Fast wirkt es, als hätte er dessen Selbstmord irgendwie persönlich genommen und musste seinen Groll nun mit der ganzen Welt teilen.

Glenn Lord agierte stets als Gegengewicht zu L. Sprague de Camp und stellte dessen falsche Annahmen in der Fanpresse unermüdlich richtig. De Camp gab sich immer dankbar für neue Fakten und entschuldigte sich für seine Fehlinformationen, doch es gelang Lord nie, seine grundlegende Einstellung zu korrigieren. In den 1970er Jahren hörte de Camp zwar auf, Robert einen Ödipuskomplex zu unterstellen, aber von seiner Überzeugung, der Texaner müsse verrückt gewesen sein, weil er sich umbrachte, wich er nie ab und wurde darin besonders von seinen Kolleg_innen aus der Science-Fiction-Literatur unterstützt. Angestachelt von de Camps öffentlichen Verunglimpfungen äußerten sie sehr viel negative Kritik und wiederholten stur dessen Falschinformationen.

Glücklicherweise ließen sich Roberts Fans davon jedoch nicht einschüchtern. Ganz im Gegenteil, seine zunehmende Präsenz auf dem Buch- und Comicmarkt inspirierte die Fankultur zu neuen Höhenflügen. 1972 wurde die Robert E. Howard United Press Association gegründet, kurz REHupa. Dabei handelte es sich um einen Zweig der Amateur Press Association (APA), die man sich als eine Art Abo-Verteilsystem für Fans vorstellen kann.

Jedes Mitglied stellte in Eigenregie ein Fanzine, einen Newsletter oder ähnliches zum gemeinsamen Thema zusammen. Im Fall von REHupa war das natürlich Robert E. Howard. Dieses selbstentworfene Schriftstück sendete es dann in einer Auflagenzahl, die der Mitgliederzahl entsprach, an den sogenannten Official Editor (OE), den offiziellen Herausgeber bzw. die Herausgeberin. Der/Die OE sammelte die Einsendungen; wenn sie vollständig waren (also jedes Mitglied etwas beigetragen hatte), schickte er/sie an jedes Mitglied einen Stapel, in dem sich je ein Exemplar jeder Einsendung befand. Auf diese Weise konnten Fans kreativ werden und ihre Leidenschaft teilen.

Die Methode bewährte sich, obwohl ich Mark Finn zustimmen muss, dass sie vor dem Hintergrund der modernen Digitalisierung etwas überholt und mittelalterlich wirkt. Ihm zufolge existiert REHupa noch heute. Online konnte ich darauf keine Hinweise finden, aber was heißt das schon bei so einer altmodischen Organisation. 😉

REHupa war ein Sammelbecken für eingefleischte Hardcore-Fans, aus deren Reihen bald Rufe laut wurden, die verlangten, Roberts Werke – inklusive Conan – unverfälscht im Original lesen zu können. Diese Puristen kritisierten die Änderungen von L. Sprague de Camp offen und es dauerte nicht lange, bis einige von ihnen regelrecht feindselig wurden. De Camp verstand all die Aufregung nicht. Hätte er es verstanden, hätte er vielleicht zweimal überlegt, ob es tatsächlich eine gute Idee war, in diesem angespannten Klima 1975 „The Miscast Barbarian“ zu veröffentlichen.

In dieser kurzen Biografie von Robert E. Howard präsentierte er erneut Unmengen amateurhafter pseudopsychoanalytischer Interpretationen von Roberts Leben, die viele der Fans ernsthaft verärgerten. Das Buch provozierte sogar Roberts alten Freund Harold Preece, eine seitenlange, wutentbrannte Rezension zu schreiben, in der er de Camp beschuldigte, weder Robert noch den Staat Texas jemals ansatzweise verstanden zu haben. Wohl aufgrund dieser Streitigkeiten nahm de Camps Aktivität in den Fanzines ab – aber auch, weil er mit der Vermarktung von Conan mittlerweile alle Hände voll zu tun hatte.

Header-Bildquellen

  • Wild West – Landschaft: Seita/Shutterstock.com

  • Schwert im Felsen: KUCO/Shutterstock.com

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