Ab heute möchte ich mit euch über die zweite Buch – Bestenliste diskutieren. Diese stammt von der ZEIT; ich habe sie mir bei „Die besten Bücher der Welt“ ausgeborgt (das Logo dieser Seite findet ihr unterhalb der Tabelle). Ich möchte euch nun zuerst die Liste präsentieren, inklusive den Symbolen, die euch zeigen, welche Beziehung ich bisher zu den Büchern habe. Im Anschluss werde ich dazu noch ein paar Worte sagen, denn es gibt ein paar Punkte, die mir aufgefallen sind.
Die Legende zu den Symbolen findet ihr wieder hier:
Top 100 Bücher der ZEIT
Ganz schön heftiger Stoff, oder?
Wie ihr vielleicht bemerkt habt, enthält diese Liste einerseits ein Ranking und andererseits wesentlich mehr Bücher, die ich niemals lesen möchte als die Top 100 Liste des Time Magazine.
Wenn ihr mich fragt, wir Deutschen habe eine absonderliche Beziehung zu Literatur. Ich habe das Gefühl, in Deutschland kann ein Buch erst dann auf einer Bestenliste landen, wenn es mindestens 100 Jahre alt ist und einen „intellektuellen Mehrwert“ hat. Wir sind stolz auf unsere Kultur der Dichter und Denker (und das auch zurecht), aber dadurch scheint es verboten zu sein, trivialere Literatur auf solchen Bestenlisten zu verewigen. Muss man wirklich den „Parzival“ gelesen haben? Ist Immanuel Kants „Zum ewigen Frieden“ tatsächlich besser als „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde? Warum hat die ZEIT überhaupt ein Ranking integriert?
Außerdem ist mir aufgefallen, dass die ZEIT (falls ich niemanden übersehen habe) genau einer Autorin Beachtung schenkt: Anna Seghers. Als Feministin empfinde ich das als schlechten Witz. Wo sind all die großen Damen der Literatur? Der deutsche Literatur – Kanon scheint noch immer vor allem männlich und weiß zu sein. Da sträuben sich mir alle Nackenhaare und meine Fußnägel beginnen, sich zu kräuseln. Schwarze Literatur ist (wieder: falls ich niemanden übersehen habe) überhaupt nicht vertreten.
Insgesamt ist in dieser Auflistung meiner Meinung nach überhaupt keine Verhältnismäßigkeit gegeben. Die klugen Menschen der ZEIT halten also die Bibel für das weltweit beste Buch aller Zeiten, der Koran hingegen taucht nicht einmal auf? Kafka ist zweimal vertreten, Shakespeare aber nicht ein einziges Mal? Wo ist „Das Tagebuch der Anne Frank“, das Millionen SchülerInnen auf der ganzen Welt lesen müssen? Wo sind Astrid Lindgren, Jane Austen, Eudora Welty, Kurt Vonnegut, J.D. Salinger, Toni Morrison, Patrick Süskind, Joyce Carol Oates, Cormac McCarthy und John Steinbeck? Wo ist „Der Große Gatsby“? „Die Leiden des jungen Werther“ ist also wertvoller als der „Faust“? Entschuldigt, aber meines Erachtens nach tritt der Teufel/Mephistopheles dem Baum-umarmenden Hippie kräftig in den Hintern, zieht ihm die Unterhose hoch und hängt ihn dann an selbiger an der Garderobe im Flur auf.
Mir ist völlig klar, dass so eine Liste nicht jedes gute Buch der Geschichte enthalten kann, aber die Auswahl der ZEIT finde ich definitiv kritisch, wenn nicht sogar grenzwertig. Sie gefällt mir nicht.
Wie denkt ihr darüber? Wie findet ihr die Top 100 der ZEIT?
Ich habe mir wieder ein paar Diskussionsfragen ausgedacht, auf die ihr antworten könnt (aber definitiv nicht müsst):
- Welche Bücher dieser Liste habt ihr gelesen?
- Welche Bücher möchtet ihr noch lesen?
- Welche Bücher muss man eurer Meinung nach NICHT lesen?
- Gibt es Bücher auf dieser Liste, die ihr in der Schule lesen musstet?
- Welche Bücher fehlen euch in dieser Aufzählung?
Ich freue mich wie üblich auf alle Antworten, Kommentare und Meinungen! :) Und jetzt:
Let’s talk about… die Bestenliste der ZEIT!
Nachtrag vom 03.07.2014:
Da ein paar von euch gern wissen wollten, wie diese Liste entstanden ist, habe ich mich noch einmal genauer erkundigt und einen Wikipedia-Artikel zu der Bestenliste der ZEIT gefunden. Dort ist der Auswahlprozess folgendermaßen beschrieben:
„Die Auswahl der Werke besorgte eine sechsköpfige Jury (Rudolf Walter Leonhardt, Hans Mayer, Rolf Michaelis, Fritz J. Raddatz, Peter Wapnewski und Dieter E. Zimmer), die auch die Rezensenten einlud. Einige der Werke wurden von den Jury-Mitgliedern selbst vorgestellt, die meisten Rezensenten waren aber nicht professionelle Literaturkritiker, sondern selbst namhafte Schriftsteller. […]
Die Jury legte fünf „Spielregeln“ für die Auswahl fest (Einleitung des Herausgebers, Buchausgabe, S. 8):
- Keine zeitliche Begrenzung (die Bibel kommt vor wie Günter Grass).
- Kein „verspieltes Bildungsgärtlein“ (Lautréamont oder Saint-John Perse kommen nicht vor).
- Keine nationalen Schranken (von Andersen bis Zola).
- Von jedem Autor nur ein Buch (Ausnahmen nur bei der deutschsprachigen Literatur für Goethe und Kafka).
- Keine Dramen, keine Gedichte, keine Sachbücher – es ging um eine Bibliothek der erzählenden Literatur.“
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/ZEIT-Bibliothek_der_100_B%C3%BCcher (abgerufen am: 03.07.2014))
Oohaa. Ich sehe die Liste auch erst zum ersten Mal und ich bin ehrlich gesagt ziemlich schockiert darüber und stimme dir in ALLEN Punkten zu. Besonders dass nur eine Frau darauf vertreten ist, ist inakzeptabel (das ist das einzige Wort, das mir zurzeit dazu einfällt). Von den Büchern habe ich HÖCHSTENS 5 ganz zu Ende gelesen, obwohl ich den Inhalt von ca. 38 der aufgelisteten Büchern ungefähr kenne….also relativ wenig.
Außerdem ist mir aufgefallen, dass so gut wie nur „westliche“ Autoren bzw. Bücher auf der Liste sind. Dass nur 1001 Nacht darauf zu finden ist (der Koran etc. aber nicht), das ist schon grenzwertig.
Ich kenne einen Teil der Bücher nur von HörenSagen, aber einen anderen Teil habe ich auch im Regal sthen und habe sie schon gelesen, oder das noch vor.
Z.B. werde ich auf jedenfall irgendwann „Parzival“ von Eschenbach lesen.
„Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ von Musil dagegen war Pflichtlektüre in meinem Abi. Ich weiß nicht. Also lesen muss man dieses Buch ganz sicher nicht. Und für mich komtm es auch gleich nach „Effie Briest“ auf meiner persönlichen Liste von „Im Leben werde ich dieses Buch auch nicht nur nochmal ansehen… Es war grausig. Wieso muss ich so was lesen?“-Büchern ;)
Aber es stimmt schon, es fehlen einige Autoren, die ich irgendwie erwartet hätte, aber andererseits sind auch einige Überraschungen dabei. Aber genau liegt doch das Problem von solchen Listen, oder nicht?
Jeder hat doch eigene Kriterien um ein Buch als lesenswert oder als Mist anzusehen. So eine Liste sollte allerdings halbwegs objektiven Kriterien folgen. Und gemessen an den Büchern die darauf stehen, wird sie das wohl auch, da niemand einen so schrägen Geschmack haben kann >.<
Welche Kriterien das sind würde mich allerdings mal interessieren… Weißt du das?
LG
DarkFairy
Leider nein. Ich habe genau danach bei „Die besten Bücher der Welt“ geschaut, habe aber nichts gefunden. Ich habe mir aber sowieso vorgenommen, da noch mal intensiver zu recherchieren. Sobald ich mehr weiß, lasse ich es dich wissen. :)
LG,
Elli
Huhu,
ich habe heute einen Nachtrag erstellt, der den Auswahlprozess dieser Liste erklärt. Wie die Jury entstanden ist, stand leider nicht in dem Artikel, den ich bei Wikipedia entdeckt habe. :)
Mich überrascht das Ganze nicht: sechs Männer, die nach SEHR groben Gesichtspunkten Bücher ausgewählt haben. Es würde mich nicht wundern, wenn sie sich selbst in die Jury gewählt hätten.
LG,
Elli
Super. Den werd ich gleich auch mal lesen, wenn ich wieder am Rechner bin. Danke für den Hinweis.
Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn ich mir nur die ersten 10 auf der Liste ansehe, habe ich schon keine Lust mehr, mir das weiter anzuschauen. Nix für ungut (und auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt voll un-intelligent rüberkomme…), aber … WER LIEST DENN SOWAS?!?!? Ich meine, in der Freizeit und so???!!! Ich mag ja verstehen, dass manch ein Germanistikstudent oder so sich durch solche Werke durchplagen muss, aber mal im Ernst: ich kenn niemanden (NIEMANDEN!!), der sagen kann, er hat mal eben Vergil, Platon und Tacitus gelesen… Was sind denn das für Standards, die die für diese Liste angelegt haben, also echt mal?!
Huhu,
mir ergeht es (fast) genau wie dir: diese Liste macht mir nicht besonders viel Lust auf das Lesen der enthaltenen Bücher.
Da du nicht die erste warst, die nach der Entstehung der Liste gefragt hat, habe ich nun noch einen Nachtrag verfasst, der den Auswahlprozess erklärt. Mich überrascht dieser nicht besonders: eine kleine Jury voller Männer. Wer diese Männer in diese Jury berufen hat, stand leider nicht in dem Artikel. Ich fände es aber nicht erstaunlich, hätten sie sich selbst ihre Aufgabe erteilt.
Liebe Grüße,
Elli
Ich bin recht zwiegespalten bezüglich dieser Liste: Einerseits habe ich das Gefühl, dass die sechs Männer der Jury alle so ein bischen ihre „exzellenten Literaturkenntnisse“ herausstellen wollten. Das ist wie die Angeberei von kleinen Jungen „Ich kann das besser!“ Es wäre daher wirklich interessant, deren Beweggründe für die jeweiligen Vorschläge zur Aufnahme in die Liste zu kennen. Man darf aber auch nie vergessen, dass solche Aufstellungen immer rein subjektiv sind.
Jaaa…und zum zweiten war ich ehrlich überrascht, wie viele Bücher von der Liste ich kenne und gelesen habe – und wie viele davon ich sogar besitze! Und ich liebe meinen Homer!
Ich hatte vielleicht auch das Glück, dass zu meiner Schulzeit (1960er Jahre) keines dieser Bücher (mit Ausnahme von Anna Seghers‘ Das siebte Kreuz) Pflichtliteratur war. Die Erfahrung lehrt, dass dieser Umstand die Herangehensweise an ein Buch sehr beeinflusst.
Fakt ist jedenfalls bei aller möglichen Kritik, dass ich auf dieser Liste mehr Übereinstimmungen gefunden habe als auf der des Time Magazines. Ich werde mich aber mit einigen Büchern BEIDER Listen noch eingehender beschäftigen…
Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich beeindruckt bin, wie sehr Du Dich mit dieser (und sicher auch den anderen Listen) auseinandersetzt.
Ich persönlich habe nur einen Bruchteil der in der Liste angeführten Bücher gelesen bzw. von anderen durchaus gehört, aber nie den Drang verspürt, sie zu lesen. Ähnlich geht mir das mit vielen dieser Listen – auch wenn ich die anderen, über die Du geschrieben hast, noch nicht genauer in Augenschein genommen habe. Für mich ist es immer ein Spagat zwischen dem Wunsch, die aktuell sehr interessanten Bücher zu lesen und ab und an dann doch zum Klassiker zu greifen. Was ein “Klassiker” allerdings ist, dadrüber streitet man ja dann auch schnell. In meiner Familie haben wir mal am Frühstückstisch gesessen und meine Schwester und ich haben dafür plädiert, “Der Herr der Ringe” wäre ein Klassiker – während unsere Eltern vehement dagegen waren und meinten, das wäre ja “nur” Fantasy. War vor mehr als zehn Jahren, bringt mich aber noch immer auf die Palme, wenn ich dran denke ;-)
Jedenfalls: Ich stimme Dir absolut zu, was die Kritik an der Auswahl anbelangt. Allein schon, weil man nicht nur durch Bücher wie Stefan Bollmanns “Frauen und Bücher” mitbekommen haben sollte, dass Literatur sehr weiblich ist und von Frauen geprägt wurde. Dann so wenige Frauen in der Liste zu haben ist traurig.
Dankeschön für diesen Denkanstoß/Diskussionsansatz und ich werde dann mal schauen, was die anderen Buchlisten so hergeben ;)
Liebe Grüße!
[…] uns gemeinsam fünf verschiedene Bücher-Bestenlisten angesehen: die Top 100 des Time Magazine, die Top 100 der ZEIT, die Top 100 von Le Monde, “The Big Read” der BBC und “Das Große Lesen” […]